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Als am 9. Februar 1905 Adolph von Menzel die Augen geschlossen hatte, fanden seine Erben beim Ordnen des Nachlasses ein dickes Schreibheft, ein richtiges Schülerdiarium, dessen Etikette das Wort Ich trug.

Der Inhalt war eine Überraschung. Man entdeckte, daß Menzel sich im Jahre 1874 mit dem Gedanken einer Selbstbiographie beschäftigte, die er mit seiner prachtvoll malerischen Handschrift und der plastischen Kraft seines Stiles in diesem Hefte niederzuschreiben begonnen hatte.

Schon die erste Seite weckt große Erwartungen; beim Umblättern auf die zweite gewahrt man, daß der Schreiber, durch irgend etwas gestört, eine Pause von ... zwei Jahren gemacht hat, was ihn aber nicht hinderte, im unbeirrten Fluß seiner Gedanken fortzufahren. Gespannt liest man weiter und fährt erschrocken beim Umwenden der dritten Seite vor dem weißen Papier zurück. Zum zweitenmal wurde der Meister unterbrochen, aber er hat die Arbeit nicht wieder aufgenommen. Selbst im engsten Familienkreis hat Menzel niemals darüber gesprochen, daß er seine Lebenserinnerungen schreiben wollte. Und so bleibt dem Leser, der das seltsame Dokument auf diesen Blättern faksimiliert findet, nur das schmerzliche Bedauern, daß der kunstgeschichtlichen Forschung wichtige Aufklärungen für alleZeit entzogen bleiben werden und unser literarischer Besitz um ein ragendes Denkmal ärmer ist.

Denn Adolph Menzel war nicht nur einer der stärksten Charaktere, die auf Deutschlands Boden im 19. Jahrhundert gewachsen sind: Er war auch ein Mann von solcher Urkraft des Gedankenausdrucks, daß ein derart um