<57>deutende Anzahl neugeschriebener Briefe unschuldigen Inhalts mit verschiedenen älteren Daten hineinzulegen. Dann ward die Kiste wieder versiegelt, indem man ein dem vorigen ganz ähnliches Petschaft aufzufinden wußte.

Am 27. August kehrte der König nach Berlin zurück. Seine erste Frage war nach der Kiste. Als ihm dieselbe gebracht wurde, verlangte ihn mit solchem Ungestüm nach ihrem Inhalte, daß er sie, statt sie zuvor zu besichtigen, sogleich aufriß und die Briefe herausnahm. Er hatte den Verdacht, die beabsichtigte Flucht des Kronprinzen sei die Folge eines förmlichen Komplottes gewesen, an dessen Spitze England gestanden habe und in welches seine Gemahlin und seine älteste Tochter mit verwickelt seien. Er vermutete sogar, daß man hiebei mehr, als nur jene alten Heiratspläne, im Sinne gehabt. Daß er in der Kiste keine Zeugnisse fand, machte, statt ihn zu beruhigen, seinen Zorn nur um so heftiger; er argwöhnte, daß man ihm durch eine List zuvorgekommen sei. Sein ganzer Ingrimm wandte sich nun gegen seine Familie und namentlich hatte die Prinzessin Wilhelmine aufs schwerste zu leiden. Er schwur, daß er den Kronprinzen werde umbringen lassen und daß die Prinzessin das Schicksal ihres Bruders teilen werde. Nur die Oberhofmeisterin der Königin, Frau von Kamecke, wagte es, ihm mit heldenmütiger Unerschrockenheit entgegenzutreten. Sie folgte ihm in sein Zimmer und beschwor ihn, die Königin zu schonen und das Unternehmen des Kronprinzen nur als das, was es sei, als einen Schritt jugendlicher Unbesonnenheit zu betrachten. « Bis jetzt », sagte sie zu ihm, « war es Ihr Stolz, ein gerechter und frommer König zu sein, und dafür segnete Sie Gott; nun wollen Sie ein Tyrann werden — fürchten Sie sich vor Gottes Zorn! Opfern Sie Ihren Sohn  »