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XXXIII. INSTRUCTION FÜR DIE INSPECTEURS DER INFANTERIE.[Titelblatt]

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INSTRUCTION FÜR DIE INSPECTEURS DER INFANTERIE.

Es sind viele Objecte, worauf die Inspecteurs ihre Attention haben müssen, damit die Regimenter, die sie unter ihrer Aufsicht haben, in Ordnung sind.

Ein Object gehet darauf, dass die Regimenter im Laden und Avanciren, in Deploiements und in allen den Manœuvres, die bei uns eingeführet, so geläufig sind, dass ohne die geringste Confusion sie allezeit exerciren können, was ihnen befohlen wird. Bei diesem thut die grosse Uebung das Meiste, und die Leute müssen so gewöhnet sein, dass ihnen alles mechanisch wird.

Das zweite Object, welches viel importanter ist, betrifft die Zucht und Formirung der Officiere, und bei diesem sind noch viele Sachen hinzu zu setzen, die die grösseste Attention und Folge erfordern, damit man zu seinem Zwecke kommt. Die Regimenter können nicht anders als wie eine Maschine angesehen werden, zu welcher ein Kopf gehöret. So gut auch ein Degen ist, so richtet er von selber nichts<396> aus, wenn er nicht von einem guten und starken Arme geführet wird, der Gebrauch davon zu machen weiss.

Die Inspecteurs der ihnen untergebenen Regimenter müssen den Officieren mehr Ambition und mehr Application im soliden Dienste beibringen. Bei einem langwierigen Frieden wie der jetzige, der beinahe zwanzig Jahre gedauert hat, kann ohnmöglich so viel Avancement sein, als bei einem Kriege, wo jährlich vier oder fünf Bataillen vorfallen; aber dessen ohngeachtet, kommt's zum Krieg, so finden sich gleich das erste Jahr so viele Officiere, die invalide werden und so viele, die abgehen, dass die Stabs-Officiere bei den Regimentern in kurzer Zeit ganz neu werden. Wenn dann die Subaltern-Officiere als Lieutenants und als Fähnriche nicht daran gedacht haben, was sie als Capitaine, Majore, Commandeurs und Generale zu thun haben, und sie kommen beim Avancement zu dem Grade, so wissen sie nicht was sie zu thun haben und was ihr neuer Stand mit sich bringt.

Es ist kein Capitain, kein Major, kein Stabs-Officier, der nicht mit kleinen Corps theils bei Fouragirungen, theils bei Convois, theils bei Arrieregarden commandiret werden kann. Wenn sie Commandeurs von Bataillonen sind, so kommen sie in Dörfer auf Postirung zu stehen; wenn sie Generale sind, so werden sie mit ihren Brigaden detachiret, theils den Feind im Quartier zu überfallen, theils um das vom Feinde detachirte Corps zu attaquiren. Zu allen diesen verschiedenen Puncten gehören Dispositions, und wer sich nicht bei Zeiten übet, um solche regelmässig zu machen, damit, wenn er als Oberst und General in die Umstände kommt, dass er dergleichen Dispositions machen muss, so weiss er sich nicht zu helfen, weil er niemals an dergleichen Sachen, die doch die vornehmsten Theile seines Handwerks sind, gedacht hat. Um aber die Sache dahin zu bringen, so ist es nöthig. die jungen Officiere zu animiren, dass sie von<397> ihren müssigen Stunden, die sie so viel haben, einige zum wenigsten anwenden, um ihr Handwerk besser zu studiren und sich geschickt zu machen, damit sie die höheren Posten, so sie erlangen werden, mit allem Ruhme bekleiden können.

Dergleichen Dispositions sind zweierlei : die offensiven und die defensiven. Die offensiven, welche immer die besten sind und wo man vornehmlich aufhalten muss, bestehen darin, dem Feinde Abbruch zu thun und demselben seinen Posten zu enleviren. Um dieses zu thun, müssen sie erstlich alle Wege studiren, die nach dem Posten gehen; sie müssen wissen, wo der Feind seine Vorposten gesetzt hat, um sie zu umgehen und, wo es möglich ist, von hinten zu kommen, wo der Feind sich sicher glaubt, und auf die Art in seinen Posten zu fallen und, sobald sie mit ihrem Coup fertig sind, durch einen andern Weg als zuvor, wieder zurück nach der Armee kehren.

Ist es eine Arrieregarden-Affaire, die man gegen den Feind engagiret, so muss das Corps vom Feinde, welches sich retiriret, rechts und links von der Cavallerie wie ein halber Mond umzingelt werden, damit die Infanterie Zeit gewinnet heran zu kommen, und die Infanterie muss sehen, so viel es die Disposition vom Feinde zulässt, dass sie ihn nicht allein von vorn, sondern auch in der Flanke attaquiret. Hat der Feind ein Défilé zu passiren, so ist man immer sicher einen guten Success gegen ihn zu haben, wenn man ihn, während dass er defiliret, attaquiret. Sind es Convois vom Feinde, die man attaquiren will, so muss man sich versteckt halten und warten, bis ein Theil vom Convoi im Défilé ist, und alsdann gleich in die Mitte und auf die Arrieregarde fallen; so bleibt man gewiss Meister von dem Theile, den man abgeschnitten hat. Bei den Convois muss man sich nicht lange aufhalten, absonderlich wenn es nahe bei der feindlichen Armee ist.

Ist ein General mit einer Brigade commandiret ein kleines feind<398>liches Corps zu attaquiren, so ist das erste, die Wege zu wissen, welche dahin gehen; zweitens, welchen Posten der Feind occupiret und wie er ihn besetzet hat: drittens, wo seine Feldwachen stehen; viertens, wo seine Patrouillen gehen, worauf erst die Disposition gemacht werden kann. Ist es möglich ihn zu überfallen oder in den Rücken zu kommen, so ist das das allersicherste. Soll es ein Ueberfall sein, so muss die Zeit vom Marsch wohl ausgerechnet werden, dass man zur festgesetzten Stunde an dem Orte des Lagers, wo man hin will, ankommt, damit die Attaque eine Stunde vor Tage vor sich gehen kann. Bei dieser Gelegenheit muss der Marsch in aller Stille projectiret werden, müssen die Soldaten keinen Taback rauchen, die Artilleristen ihre Lunten wohl verstecken, damit sie nicht durchs Feuer entdecket werden, und keine Pferde mitgenommen werden, die wiehern, damit der Feind nichts weiss, bis man bei ihm ist und der Ueberfall desto sicherer und desto besser geräth. Sind die Umstände aber so, dass kein Ueberfall Statt finden kann, so muss die Disposition zur Attaque gemacht werden, nachdem man sich die Zeit gegeben hat, den Posten wohl zu judiciren, und alsdann muss die Disposition darnach gemacht werden, wie Ich es in Meinem Buche an die Generale beschrieben habe,398-a das ist, dass der Feind an seinem schwächsten Orte attaquiret werde, an einem Point d'attaque sich nicht zu lange mit Schiessen aufgehalten, sondern Terrain genommen und, wo es möglich ist, ihn in der Flanke und im Rücken attaquiret. Was den defensiven Krieg angehet, so beruhet der vorzüglich auf Fortificationen, Läger mit gutem Judicium zu nehmen, die Läger zu fortificiren, die Dörfer, die in der Kette von den Winterquartieren liegen, gut zu verschanzen und alle die Sachen anzubringen, die sie bei den Ingenieurs lernen.

Zweiter Artikel. Ich weiss, wie unmöglich es ist, dass alle Offi<399>ciere bei einer so grossen Armee den Verstand und die Geschicklichkeit besitzen, die zu dem Handwerke erfordert wird; dessen ohngeachtet aber bin Ich nicht weniger versichert, dass, wenn die Chefs und Commandeurs der Regimenter diejenigen jungen Officiere, die Verstand und Ambition haben, aufmuntern, dass viele darunter sein werden, die durch hohe Application und soliden, den Krieg angehenden Dienst sich Geschicklichkeit erwerben werden, denen sie ihr Glück und ihren Ruhm werden zu danken haben.

Um sie dazu noch mehr zu ermuntern, so kann die Geschichte von alten Kriegen ihnen empfohlen werden. Es sind die Kriege von Gustav Adolph, die Campagnen von Prinz Conde, von Marschall de Turenne, von Marschall von Luxembourg, die Kriege des Prinzen Eugen, Feldzüge Carls XII. von Adlerfeld, Feuquieres Mémoires und l'Art de l'attaque et de la défense von Vauban. Dies sind lauter Bücher, in denen die vornehmsten Sachen, die in vorigen Zeiten geschehen, enthalten sind.

Da es unmöglich ist, dass man für jedes Regiment alle die Bücher haben kann, so werde Ich suchen, eine solche Sammlung für jeden Inspecteur anzuschaffen, damit zum wenigsten die Officiere, die am mehrsten Ambition und Lust zu ihrem Handwerke haben, dergleichen Geschichte wissen können, und die Inspecteurs werden Mir eine grosse Gefälligkeit thun, wenn sie sich Mühe geben die Officiere so zu informiren, dass man mit der Zeit Hoffnung hat, eine gute Schule von Stabs-Officieren und Generalen daraus zu ziehen.

Im übrigen weiss Ich wohl, wie schon gesagt, dass nicht alle Officiere bei der Armee grosse Fähigkeiten haben; mithin ist es auch nicht so nothwendig, mit denen, die nicht Geschicklichkeit genug besitzen, sich viele Mühe zu geben, desto mehr aber mit solchen, die Verstand und Kopf haben und die vorzüglich gute Hoffnung von sich geben; wie denn die Inspecteurs auch, wenn solche Officiere<400> unter den Regimentern sind, die Verstand und Geschicklichkeit besitzen, sie mögen Capitaine, Lieutenants oder Fähnriche sein, solche Mir anzeigen und bekannt machen müssen.

Signatum Potsdam, den 25. Juli 1781.

Friderich.


398-a Siehe Band XXVIII, S. 84 und 85.