6421. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.

Potsdam, 8. August 1754.

Ew. Excellenz melde auf Dero gnädiges Schreiben wegen der von dem Herrn von Maltzahn von Warschau gestern hier allererst angekommenen Dépêche,395-1 welche des Königs Majestät jedoch nur heute gelesen haben, in ganz gehorsamster Antwort, wie Höchstdieselbe Sich darüber gegen mich nicht anders als nur ganz vague expliciret haben, dass nämlich die polnischen Sachen Dieselbe in Égard anderer wichtigerer am wenigsten interessirten;395-2 dass die Polen auf den vorigen Reichstagen gewohnet worden von Deroselben Geld zu empfangen und sich dadurch verwöhnet hätten. Der Reichstag sei noch nicht angegangen und würde man sehen, wie solcher sich anliesse, und ob man alsdenn nöthig habe, Geld deshalb auszugeben oder nicht. Die Russen würden es an Drohungen nicht fehlen lassen, aber nichts weiter unternehmen, weil sie sonsten alles wider sich aufbringen würden. Und überhaupt haben Dieselbe mir deshalb nichts weiter an den von Maltzahn zu antworten befohlen,395-3 als dass Sie bis dato ihm nichts mehr an Gelde geben könnten, als ohngefähr 1000 bis 2000 Rthlr. (wiewohl Sie nachher nur die erste Summe wiederholet haben), welche allenfalls der von Massow an ihn übermachen könne, um den Landtag in Preussen395-4 damit zu rompiren.

Ich bin also vor meine Wenigkeit ausser Stande, dem Herrn von Maltzahn ein mehreres als letzteren Articul zu antworten. Wie ich aber dennoch dabei wohl angemerket habe, dass, gegen Ew. Excellenz im Vertrauen zu sagen, des Königs Majestät über den Einhalt dieser Maltzahnschen Dépêche mehr embarrassiret gewesen seind, als Sie solches gegen mich äussern lassen wollen, so bin ich vor mich der ganz ohnvorgreiflichen Meinung, wie es ohnumgänglich nothwendig sein dörfte, dass aus dem Departement ein, obschon nicht zu weitläuftiger, Bericht über erwähnte ganz importante Dépêche an des Königs Majestät geschehe und darin nicht sowohl dasjenige, was der von Maltzahn gemeldet, wiederholet würde, indem Se. Königl. Majestät solche zu zweien Malen bedächtlich gelesen, sondern vielmehr Dieselbe über die wichtigsten Punkte angefraget und Deroselben einige Expedientia fourniret würden, wie etwa dem Geschrei der Uebelgesinneten in Polen wegen der Dammsache395-5 entgegen zu gehen oder solches durch Gewinnung desjenigen, welcher das dominium utile von der in quaestione seinden Insel [hat], zu supprimiren sei, und wer dazu allenfalls gebrauchet werden könne, ingleichen was der von Maltzahn dem Kronfeldherrn, wenn dieser die gemeldete Explication von ihm verlangen wird, zu antworten habe, auch was er wegen des französischen Ministers zu beobachten und wie er sich übrigens bei den jetzigen dorten ganz criti<396>quen und epineusen Umständen noch vor Eröffnung des Reichstages zu betragen habe.

Ich bin fast persuadiret, dass wenn dergleichen Anfrage, succincte und énergique punktweise abgefasset, an des Königs Majestät käme, Dieselbe nicht ermangeln wurden, Sich über jeden Punkt und über die zugleich angeführete Expedientia zu expliciren. Ew. Excellenz werden nicht ungnädig nehmen, dass meine geringe Gedanken deshalb so freimüthig ausdrücke; ich gehorsame einestheils Dero gnädigem Befehl darunter, anderentheils confirmiret dasjenige, so der von Maltzahn meldet, andere verschiedene Nachrichten, so des Königs Majestät hier und da erhalten, wie der grosse But der beiden kaiserlichen Höfe sei, Höchstdieselbe mehr und mehr aus aller Influence sowohl in denen Reichs- als andern publiquen Affairen zu bringen, Dieselbe von gut gegen Dieselbe Gesinneten zu isoliren und dergestalt zu binden, dass Sie am Ende lediglich zur Discretion gedachter Höfe stehen. Alles, was der Herr von Maltzahn meldet, scheinet mir dahinaus zu laufen, dass nach solchem But der wienersche Hof entweder des Königs Majestät öffentlich mit Russland committiren oder entstehenden Falls Höchstderoselben Partei in Polen dergestalt rebutiren will, dass solche sich gänzlich mit zur österreichisch- und russischen Partie schlagen, alsdenn es nicht viel Mühe kosten wird, den auf allen letzteren polnischen Reichstägen gehabten Zweck, die Republik mit in die russisch- und österreichische Alliance zu ziehen und also des Königs Majestät auch von solcher Seite ganz einzuspinnen und Deroselben zugleich bei etwa entstehendem Kriege aller Hülfe, so Sie von der Seite an Vivres und dergleichen, obschon vor schweres Geld, gehabt, abzuschneiden. Der Herr von Maltzahn würde also au désespoir sein, wenn er in so critiquen und importanten Umständen ohne zureichende Instructions bliebe, wie er beide grosse und gefährliche Steine des Anstosses auf adroite Art und mit zu hoffendem Success vermeiden, und ganz ohne Hülfe gelassen werden sollte.

Das betrübteste hierbei ist wohl mit, dass man französischer Seits so gar nonchalant bei diesen Sachen ist und alles Sr. Königl. Majestät allein zur Last schieben will. Ich muss daher Ew. Excellenz Einsicht überlassen, ob nicht auch bei des Königs Majestät deshalb anzufragen stehe, dass durch den Herrn von Knyphausen dortigem Hofe von allen jetzigen Vorfallenheiten in Polen Communication geschähe, und der neue Minister daselbst reveilliret würde, ohne dass man deshalb zu Sturme läuten wolle.

Wenn man aus allerhand Nachrichten lieset, wie die an auswärtigen Höfen befindliche Minister derer gegen Frankreich und Se. Königl. Majestät alliirten Puissances in dem grössesten Concert mit einander arbeiten und darunter einander mehrentheils präveniren, so ist es betrübt zu sehen, wie des Königs Majestät Deroseits nicht die geringste Hülfe von Dero Allürten haben und die ganze Last alleine tragen,<397> auch, wo nicht gar Undank, doch am Ende Jalousie davon haben müssen. Es ist fast nichts übrig, als dass der Höchste einmal durch ein ohnverhofftes glückliches Évènement denen Sachen eine andere Face gebe, widrigenfalls es fast mehr wie menschliche Vernunft und Application erfordern wird, das Schiff glücklich aus dem orageusen Meer zu bringen.

!hier! Eichel.

Nach der Ausfertigung.



395-1 Warschau 1. August.

395-2 Vergl. S. 393.

395-3 Vergl. Nr. 6423.

395-4 Vergl. S. 385.

395-5 Vergl. ebend.