7601. AN DEN GENERALFELDMARSCHALL VON LEHWALDT IN KÖNIGSBERG.

Potsdam, 23. Juni 1756.

I.
Militärische Instruction vor den Generalfeldmarschall von Lehwaldt als General en chef von denen sämmtlichen in Preussen stehenden Truppen, was derselbe nach dem ihm gegebenen Plein-pouvoir bei daselbst vorfallendem Kriege zu thun und zu beobachten hat.

Nachdem die jetzigen Zeitläufte in Europa sich dergestalt verändert haben, dass durch einige zwischen verschiedenen Puissances getroffene neuen Alliances das ganze vorige Systema sich zum höchsten alteriret hat, so finde Ich vor nöthig, Euch zuförderst kürzlich au fait zu setzen, wie die Sachen zeither gegangen seind, und warum Ihr diese Ordres eigentlich bekommet.

Es ist Euch schon bekannt, welchergestalt Ich Mich mit Engelland alliiret habe, und dass darauf der österreichische Hof aus Hass gegen Meine mit Engelland getroffene Convention die Partie genommen, sich mit Frankreich zu alliiren. Es hat zwar Russland mit der Kron Engelland einen Subsidientractat geschlossen, Ich habe aber alle Ursache zu glauben, wie solcher Tractat von Russland wieder gebrochen worden, und dass selbiges vielmehr sich zur österreichischen Partie geschlagen und mit solcher gefährliche Concerts genommen hat. Dieses alles aber würde Mich noch nicht in Bewegung gebracht haben, wenn Ich nicht durch viele Canäle448-3 und auch selbst durch den Anmarsch derer russischen<449> und derer österreichischen Truppen merkete, dass die Absicht darunter auf Mich zielete, indem die Russen ein grosses Corps Truppen zusammenziehen, so theils bei Riga, theils bei Mitau ihre Lagers nehmen sollen.

Ich bin bis dato nicht im Stande, Euch eine exacte Liste von der Stärke dieses Corps zu communiciren, das Spargement aber davon ist, dass es aus …449-1 reguläre und …449-1 irreguläre Truppen bestehen solle. Wie Ihr aber wohl wisset, dass die Sachen von weitem sehr viel grösser ausgeschrieen werden, als sie seind, überdem an der completen Zahl der Regimenter vieles und eine grosse Anzahl fehlet, so ist wohl zu präsumiren, dass von der angegebenen sehr grossen Anzahl gar viel abzurechnen sein wird.

Ich glaube inzwischen, dass, da unter denen in Preussen stehenden Regimentern sehr viele Kurländer seind, Ihr, wann Ihr einige davon unter dem Prätexte eines Urlaubes nach Kurland schicken oder aber, welches Ich noch vor besser halte, verkleidet dahin gehen lassen werdet, es sodann leicht möglich sein wird, dass Ihr die wahre Disposition und die wahre Force von diesen Leuten werdet erfahren können.

Aus diesen Ursachen nun halte Ich vor ohnumgänglich nöthig, dass zuförderst Ihr, wie Ich Euch schon geschrieben, das Kalnein'sche Regiment zu Königsberg behaltet, weil es am weitesten zu marschiren hat, und dass demnächst Ihr keinen von denen etwa Beurlaubten derer Regimenter über die Russ gehen lasset.

Das Regiment Landmiliz oder Hülsen'sche Garnisonregiment sollet Ihr den 15. Juli zusammenkommen lassen, unter dem Prätext, weil es lange nicht exerciret worden wäre, auf einen Monat exerciret zu werden, und sollet Ihr solches in der Gegend von Tilsit compagnieweise in die Dörfer verlegen, allwo sie exerciret werden. Im Fall Ihr nun noch nähere Ordre von Mir bekommen werdet, so könnet Ihr dieses ganze Regiment in Memel werfen, um das Luck'sche Garnisonregiment dadurch abzulösen, von welchem Ihr ein Bataillon in Pillau, das andere aber in Königsberg legen könnet. Wenn aber vorgedachtes Hülsen'sches Milizregiment in Memel geleget wird, so müsset Ihr darauf besorgen, dass alle vor selbiges benöthigte Vivres, als Getreide, Mehl, Malz, Bier, Brandwein, Speck, Öl und dergleichen mehr, zur Consumtion auf ein Jahr vom Lande daherein nach Memel gebracht werden müsse, damit solches von allem dergleichen fourniret sei. Und449-2 weilen bei der Stadt Memel an theils Orten der Wall was eblouiret ist, so muss solches in der Geschwindigkeit mit Pallisaden und so gut es die Zeit zulasset, befestiget werden.

Weil der Obriste von Luck nicht Kopfs mehr hat, so überlasse Ich Euch, was vor einen Officier Ihr statt dessen nach Memel schicken wollet, um allda die Stelle vom Commandanten zu führen, welches aber ein Mann sein muss, der Kopf und Vernunft hat, der aber nicht

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gesund genug mehr ist, um in der Armée dienen zu können. Es450-1 ist dorten der vom Kanitz'schen Regiment verabschiedete Major von Rummel, so ein tüchtiger Officier ist und alle Qualität zu solchem Posten hat, dem Ich den Character von Obristlieutenant conferiren will, und den Ihr zu diesem Posten werdet sehr wohl gebrauchen können.

Was die Leute anbetrifft, welche die Regimenter nach der Euch gegebenen ökonomischen Instruction aus denen Cantons mit einziehen sollen, da könnet Ihr solche mit nach Königsberg zu dem einen Bataillon von Luck legen, die bei solchem mit exerciret werden können, und zu welchem Ihr suchen sollet, einige alte abgedankte Officiers zu bekommen, wann es auch nur zwei par Compagnie seind, die solche Leute exerciren und nur einigermaassen zurechte bringen. Damit es ihnen auch an dem Benöthigten dazu nicht fehle, so habe Ich dem Major und Flügeladjutanten von Krusemarck aufgegeben, dass derselbe Euch vor vier Bataillons Gewehr, Patrontaschen und Zubehör schicken soll.

Angehend die doppelten Uebercompleten derer Regimenter, da könnet Ihr solche bei denen Regimentern mit einstellen und ihnen Gewehr und Taschen geben, so doch einigermaassen mithilft, um die Regimenter stärker zu machen.

Wegen der Dragonerregimenter glaube Ich, dass solche ihre zehn neue Uebercompleten auch noch wohl von denen Pferden im tilsitschen District beritten machen können. Wenn selbige auch nicht Carabiner und Pistolen haben, so ist genug, wenn sie nur Degens bekommen, die ihnen von den alten Degens, so die Regimenter abgegeben haben, vorerst gegeben werden können.

Ihr empfanget hierbei die Liste von denen Regimentern, so Ich zu Euch nach Preussen marschiren lassen werde;450-2 nach solcher werdet Ihr 29 Bataillons und 30 Escadrons Dragoner und 30 Escadrons Husaren haben. Ich habe auch befohlen, dass Euch noch fordersamst 1000 Centner Pulver von Berlin aus geschicket werden sollen. Ueberdem habet Ihr noch einiges altes Gewehr dorten vorräthig, wovon Ihr 1000 Stück oder mehr unter die litthauischen Bauern austheilen lassen könnet, so wie Ihr es darunter zu disponiren vor. gut finden werdet. Die450-3 Cartouchen- und Patronenhülsen vor Canons, Infanterie und Husaren müssen ohngesäumt gefüllet werden.

Die Garnisonregimenter von Sydow und von Manteuffel müsset Ihr bei Eurem Corps d'armée mit in das zweite Treffen einstellen, als weshalb selbige schon ihre Zelter und Feldequipages bekommen haben; die Pferde dazu und was deshalb nöthig ist, müssen vom Lande genommen werden.

Was die wirklichen Kriegesopérations betrifft, so gebe Ich Euch hierdurch und kraft dieses Plein-pouvoir, alles zu thun und zu lassen, was<451> Ihr bei dieser Gelegenheit vor Meinen Dienst zu thun gut finden werdet, indem Ich Mein vollkommenes Vertrauen in Eure Mir bekannte Habileté und redliche Gesinnung gesetzet habe.

Ihr müsset Euch vorstellen, dass es Euch ohnmöglich werden wird, bei Mir um etwas anzufragen, und dass mithin Ihr alles, wie man sagt, auf Eure Hörner nehmen müsset. Es kann nicht fehlen, dass, wann der Krieg dort ausbricht, es mit solchem auch gewiss hiesiger Orten, in Schlesien und Böhmen, geschehen müsse, und Ich Meinerseits mit denen Feinden werde vollauf zu thun haben, auch es Euch wegen der Entfernung ohnmöglich sein wird, über alles, was zu thun ist, schreiben und anfragen zu können.

Hierbei muss Ich Euch benachrichtigen, dass die Russen nicht nur eine starke Armée zu Lande, sondern auch überdem ihre Flotte und 40 Galeeren ausgerüstet haben, in der Intention, auf denen preussischen Küsten Descentes zu thun. Ich zweifele, dass sie in das Kurische Haff kommen werden, wenn sie nicht zuvor Memel nehmen; desgleichen zweifele Ich, dass sie in das Frische Haff kommen werden, weil die Garnison in Pillau, wenn selbige sonst vigilant sein, sie davon abhalten können. Es seind aber dorten Oerter, als exempli gratia Sanct-Lorenz, Falkenstein451-1 und die Gegend von Fischhausen, die Mir zwar nicht bekannt sein, wo Ich aber glaube, dass Descentes unternommen werden können; welches Ihr jedoch am besten erfahren könnet, ob Galeeren dorten anlanden können oder nicht. Auch können die Russen Débarquements in Polnisch-Preussen bei Oliva p. machen, um entweder einen Einfall in das Lauenburgische und Bütowsche zu thun oder vielleicht Euch von der Seite von Marienwerder in den Rücken zu kommen.

Ich supponire hier die schlimmsten Gas, so geschehen können, obwohl bekannt ist, dass dergleichen Transports und Landungen sehr misslich und die Küsten dazu nicht favorable seind.

Was die wirkliche Opérations angehet, so kommet es darauf an, was die Russen vor eine Partie nehmen werden. So viel kann Ich Euch voraussagen, dass sie die schlechtesten Generals haben, und dass der zum Commando benannte General Apraxin so schlecht wie möglich ist, so dass Ihr daher nicht viel zu befürchten haben werdet. Wann die Leute méthodiquement agiren wollen, so seind zwei Sachen:

1. Memel zu belagern und zu nehmen, um ihre Galeeren und Lebensmittel längst der Küste an sich zu ziehen und längst dem Strande ihre Lebensmittel bei sich zu haben, um zu sehen über die Russ zu gehen. Woferne solches ihr Project ist, so überlasse Ich zwar alles Eurer Disposition, zu agiren, wie Ihr es gut finden werdet; aber Meine Idee wäre diese, dass Ihr mit der Armée hinter der Russ marschiret und einen Lärm aussprenget, dass Ihr Euch bei Anmarsch des Feindes zurück nach Königsberg ziehen würdet, um allda, weil Ihr zu schwach wäret, Suceurs zu erwarten, als welches Ihr dem Feind durch abgeschickte.<452> Spions beibringen lassen müsset. Euer wahres Dessein aber muss sein dass, sowie der Feind über die Russ gehet, denselben anzugreifen. Euer Corps ist zwar schwach, wenn Ihr sie aber nur auf einem Flügel attaquiret und den andern zurückhaltet, so mache Ich Mir die Hoffnung, dass Ihr mit sie schon fertig werden sollet, absonderlich, wann Euere Cavallerie Gelegenheit hat, die feindliche gleich übern Haufen zu werfen und, so wie solche weggejaget ist, sich sofort auf das zweite Treffen von der russischen Infanterie zu repliiren. Ich sage mit Bedacht: auf das zweite Treffen, indem die Russen ordinär pflegen in der Flanke spanische Reiter zu haben.

Dieses aber seind lauter Sachen, da Ihr sehen müsset, was dabei zu thun ist und wie Ihr Eure Disposition zu machen habet, indem Ich nicht vorhersagen kann, ob sie gegenwärtig spanische Reiter haben oder nicht, da es sonsten ihre Gewohnheit gewesen ist.

Sollte solche Action, wie Ich nicht daran zweifele, glücklich von Statten gehen, so werdet Ihr sie bald nach Kur- und Livland zurückjagen können und die Menge der Gefangenen wird gross sein. Ich sollte glauben, dass, wenn Eure Cavallerie das ihrige thut, dass sodann die russische Armee müsste geschlagen werden, ehe unsere Infanterie noch nicht recht zum feuren kommet.

Sollte der Feind auch Memel genommen haben, so würde solches bald wieder hieherfallen, indem der Feind nicht die Zeit gehabt, die Brèches wieder in Ordnung zu bringen.

Dafern aber die Action nicht den guten Success haben sollte, wie Ich es doch wünsche und glaube, so ist das Litthauische und ganz Preussen452-1 ein so coupirtes Land, dass Ihr Euch allemal hinter neue Défilés wieder setzen und die Leute wenigstens werdet sehr aufhalten können.452-2 Der Marsch nach Marienwerder und Elbing giebt zu vielen Chicanes Gelegenheit.

Der Punkt aber, welchen Ihr am höchsten in Acht nehmen müsset, ist der, nicht auf grosse, weite Plainen, da der Feind Eure beide Flügel attaquiren kann, mit ihm zu schlagen, sondern an Orten, da das Feld serré ist, dass er sich nicht breiter präsentiren kann wie Ihr. Wor452-3 er nicht überflügeln kann, alsdann hilft ihm seine Menge nicht. Eine grosse Front ist vor uns gefährlich, aber viele Linien bringen den Feind in noch grössere Confusion, als wenn er auf zwei Treffen stünde.

Wenn aber die Action einen guten Success haben sollte und Ihr den Feind über die Grenzen getrieben, so ist zu vermuthen, dass der russische General Euch einen Trompeter schicken wird, um sich nach Leuten zu erkundigen, davon er nicht weiss, ob sie todt oder gefangen seind. Da könnet Ihr dann bei solcher Gelegenheit dem russischen General zurückschreiben, wie Ihr beklagtet, dass die gute Harmonie, so zu Peter des Ersten Zeiten zwischen Preussen und Russland gewesen,<453> durch die Intriguen übel intentionirter Höfe wäre gestöret worden, dergestalt, dass es zwischen beiden Reichen zum Kriege gekommen sei; dass beide, eigentlich nichts mit einander zu theilen noch zu streiten hätten und Ihr also glaubtet, dass wann man von Seiten Russlands sich nicht mehr von falschen Freunden blenden lassen wollte, es sodann leicht zum Friedensschluss und zur Wiederherstellung der vorigen guten Harmonie gelangen könnte. Wie Ihr dann gedachtem russischen General wohl so viel zu wissen thun könntet, dass Ihr mit aller Vollmacht versehen wäret, um zu einem solchen vor beide Reiche heilsamen Werke schreiten zu können. —

Das zweite Project des Feindes kann sein, dass er mit seinen regulären Truppen auf der Grenze stehen bleiben, von allen Seiten aber irreguläre Truppen und Tartarn in Preussen einschicken wollte, um zu ravagiren und zu brennen. In solchem Falle müsset Ihr mit der Armée an dem Orte, wo Ihr es am convenablesten finden werdet, stehen bleiben und die Husaren allein agiren lassen, um die armirte Bauern zu unterstützen. Ihr müsset aber dem ohnerachtet die Husaren nicht weiter von Euch lassen, als dass Ihr solche jedesmal wieder zu Euch ziehen könnet, woferne indess die russische Armee weiter einbräche.

Wann Ihr an Mich was zu schreiben habet, so müsset Ihr solches en chiffres thun und schicken selbiges mit einem Feldjäger durch Polen über Glogau an Mich; zu dem Ende Ich Euch ein Détachement von preussischen Jägers, die alle polnisch können, zusenden lassen werde, davon Ihr dann auch nöthigenfalls und wenn es die Umstände erfordern, einen oder andern verkleidet durch Polen schicken könnet.

Uebrigens dient Euch noch zur Nachricht, wie Ich mit Engelland in Negociation stehe, damit selbiges Mir von seiner Seemacht eine Escadre in die Ostsee schicke.453-1 Ob nun solches geschehen werde oder nicht, davon bin Ich noch ungewiss, werde Euch aber davon weiter benachrichtigen.

Wenn es wirklich zum Kriege kommen sollte, so habt Ihr diese Instruction denen Generallieutenants, so unter Euch commandiren, vorzulesen, auf dass sie wissen, wie Ich Mein gänzliches Vertrauen auf Euch gesetzet und Euch die Autorité gegeben habe, welche Ich haben wurde, wann Ich Selbst gegenwärtig dort wäre, und dass ferner sie en gros Meine Idées wissen und begreifen möchten, wie nothwendig es sei, dass jeder sein äusserstes dran setzete, damit die Armée keine Schande litte, und das Land von dem sonst ohnausbleiblichen Ruin errettet werde.

Gegeben Potsdam, 23. Juni 1756.

(L S.)

Friderich.

Nach der Ausfertigung. Z. T. eigenhändig.453-2


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II.
Oekonomische Instruction vor den Generalfeldmarschall von Lehwaldt, was derselbe bei vorfallenden Kriegestroublen in Preussen zu beobachten hat.

1. Ihr sollet zuforderst verfügen, dass nicht nur die gedoppelten Uebercompleten von denen dortigen Regimentern alsdann sogleich eingezogen werden, sondern dass auch überdem noch von einem jeden der dasigen Regimenter aus den Regimentscantons 100 bis 150 Mann der besten und tüchtigsten Leute zusammengebracht und eingezogen werden müssen.

2. Was Ihr an Artillerie- und Proviantpferden vor das ganze dortige Corps d'armée nöthig habet, solches werdet Ihr aus der durch den Generalmajor von Retzow davon angefertigten Designation ersehen; wornach Ihr also Eure Arrangements dergestalt zu machen habet, dass selbige alsdenn sogleich zusammengebracht werden können. Die Ausschreibung dieser Pferde aber muss nicht auf dortige Kreiser egal gemachet werden, sondern Ihr sollet die mehrsten davon aus der Gegend von Tilsit und denen, so dem Einfall vom Feinde am mehrsten exponiret sind, nehmen lassen.

3. Zur Subsistance für das Eurem Commando anvertraute Corps d'armée von 29 Bataillons und 60 Escadrons müsset Ihr aus gedachten Gegenden von Tilsit und so weiter nacher Memel hin so viel an Ochsen, ohne solche zu bezahlen, nehmen lassen, als das Corps d'armée auf fünf Monat zur Consumtion gebrauchet. Ferner müsset Ihr alles, was der Orten an Fourage stehet, abfouragiren, und was nicht abfouragiret werden kann, abmähen und weiter zurück diesseits der Russ herüberbringen lassen.

Um auch dem Feinde die Subsistance so viel als möglich schwer zu machen, so müsset Ihr bei Memel und so weiter nach der Russ längst denen Küsten ein gleiches beobachten und deshalb allda alles Getreide und Fourage abmähen und rückwärts bringen lassen, welches letztere dann gar leicht zu Wasser geschehen kann.

4. Der Gumbinnenschen Kammer müsset Ihr aufgeben, dass dieselbe sich mit allen ihren Papieren, Acten und Schriften, auch mit ihren Geldern nach Königsberg retirire; und da Ich Euch das ganze Commando in Preussen anvertrauet habe, so ist auch denen beiden dortigen Kammern solches in der anliegenden Ordre bekannt gemachet und denenselben aufgegeben worden, Euch allen Gehorsam zu leisten und alles das getreulichst auszurichten, was Ihr ihnen anzubefehlen vor gut und nöthig finden werdet. Alle Gelder, so bei den Kammern einkommen, müssen zur Generalkriegescasse eingezogen werden.

5. Aller Vorrath an Mundirungsstücken, so die Regimenter haben, sie bestehen auch worin sie wollen, muss insgesammt nach Königsberg gebracht werden.

6. Die Fourage von denen Regimentern Cavallerie, als Ruesch, Langermann, Ruitz und Malachowski, muss, so viel solches am Wasser<455> lieget und sonsten wegzutransportiren möglich ist, nach denen Gegenden von Wehlau oder dahin, wo Ihr es sonsten am convenablesten finden werdet, transportiret werden.

7. Die auf dem königlichen Stutamte befindliche Pferde müsset Ihr von da weg -und weiter zurück in Sicherheit bringen lassen. 8. Die von Adel und Officiers, so dorten Güter und Mittel haben, könnet Ihr wohl avertiren lassen, dass dieselben ihre besten Effecten und insonderheit ihre baare Gelder, es sei nach Königsberg, oder aber diejenige, so in denen Gegenden nach Marienwerder zu wohnen, nach Danzig, Thorn, Culm und dergleichen Städten sauviren. Sie müssen aber davon zu rechter Zeit avertiret werden, damit solches gleich geschiehet, ehe sie noch einiger Gefahr deshalb exponiret seind.

Alles vorstehende muss sogleich geschehen, sowie nur der geringste feindliche Einbruch geschiehet, ohne dass Ihr deshalb einige weitere Ordre von Mir dazu erwartet.

Gegeben Potsdam, 23. Juni 1756.

(L. S.)

Friderich.

Nach der Ausfertigung.


III.
Geheime Instruction vor d e n Generalfeldmarschall von Lehwaldt, wie derselbe sich zu verhalten hat, im Fall es bei dem vermuthenden Kriege mit Russland zu einer Friedensnegociation kommen würde.

Nachdem Ich Euch bereits in Meiner Instruction, die dortige militärische Operationes betreffend, bekannt gemachet habe, wie Ihr Euch auf den Fall eines glücklichen Sieges gegen die Russen verhalten sollet, um denenselben die Herstellung des Friedens anzubieten, so dienet Euch deshalb zu Eurer ferneren Direction, dass Ich Euch desfalls keine positive Instruction geben kann, weil die Umstände sehr différent sein können. Wann Ihr aber den ersten Brief an den commandirenden russischen General geschrieben haben werdet, so müsset Ihr die Antwort darauf erwarten, um zu sehen, ob solche favorable oder conträr ausfället. Ist solche aber favorable, so müsset Ihr weitere Ouvertures thun.

Hierbei aber seind viele Sachen in Consideration zu nehmen, auf dass man sich in keinem Stücke versieht. Habt Ihr mit denen Russen eine Bataille gehabt, ehe und bevor Ich mit denen Oesterreichern zu einem Engagement gekommen bin, so muss der Friede pur mit denen Conditionen gemachet werden, dass die Russen pur und platt in denen teutschen Sachen neutral bleiben und sich weder von dem Kriege, welchen Ich sodann mit der Königin von Ungarn hätte, noch sonsten von einigen teutschen Reichssachen im geringsten meliren, alle Hostilitäten zwischen beiden Nationen aufhören, vielmehr zwischen beiden ein beständiger Friede sein, und alles, was geschehen, in voll<456>kommene Vergessenheit gestellet, auch von beiden Theilen mutuellement Gesandten geschicket werden sollen.

Sollte es aber sein, dass Ich die österreichische Armée vorhin total geschlagen hätte und Meine Avantages so anwüchsen, dass Ich nichts vom Feinde zu befürchten, so müsste Eurerseits auf eine Indemnisation wegen der Mir und Meinen Landen zugefügten Schäden insistiret werden.

Weilen aber die Russen wenig Geld haben, so müsstet Ihr Euch nach dem Terreur richten, welchen sie alsdann wegen der verlorenen Bataille hätten. Fändet Ihr, dass der Schrecken und der Terreur sowohl in der Armée als zu Petersburg sehr gross wäre, wie dann dergleichen Consternation nicht verschwiegen gehalten werden kann, so müsstet Ihr zur Indemnisation wegen der zugefügten Schäden durch den Krieg auf die Possession von dem ganzen Antheil von Polnisch Preussen, und dass die Russen sich deshalb mit denen Polen zu verstehen hätten, antragen und insistiren.

Wäre aber der Terreur nicht so gross wie obgedacht, so müsste man sich auch mit wenigerem begnügen, als etwa die Possession von Elbingen und einigen Starosteien, als Thorn, Culm p., und sehen, wie weit man damit durchkommen könne.

Dieser Articul aber muss allemal der vornehmste und der sine qua non sein, dass die Russen sich verbinden, sich auf keine Art noch Weise und unter keinerlei Prätext, weder directe noch indirecte, in dem jetzigen teutschen Kriege zu mehren, so lange selbiger dauren und die jetzige Streitigkeiten continuiren könnten, und dass insonderheit die Russen sich obligiren, das Haus Oesterreich auf keine Art noch Weise, so wenig gegen Mich als NB gegen Meine Alliirte, zu unterstützen.

Sobald Ihr so weit gekommen seid, dass Ihr die Russen nachdrücklich geschlagen und ihnen dadurch einen Terreur gemachet haben werdet, so werde Ich von Euch gewiss einen Courier mit Eurem umständlichen Bericht haben können, und werde Ich alsdann sehen, wie hoch man den Bogen wird spannen können oder nicht.

Sonsten empfanget Ihr anliegend das auf den Fall einer Friedensnegociation mit Russland erforderliche Pleinpouvoir,456-1 wobei Ihr zu observiren habt, dass wenn es zu denen Friedensconferenzen käme und der commandirende russische General selbst die Commission und Vollmacht dazu erhielte, Ihr alsdenn solche mit ihm selbst [halten] und von Eurem Pleinpouvoir Gebrauch machen müsstet. Wenn aber gedachter russischer commandirender General jemanden anders dazu nennete, so müsset Ihr solchenfalls den Generallieutenant Grafen von Dohna dazu schicken, als vor welchen Ihr solchenfalls ein besonderes Pleinpouvoir hierbei empfanget. Wie aber zugleich nöthig ist, dass, es sei nun dass Ihr selbst oder der Generallieutenant Graf Dohna solche Conferenz anträtet, noch jemand dabei sei, der in dergleichen Sachen schon routiniret ist und<457> der sowohl die Richtigkeit der gegenseitigen Vollmachten, als auch derer Propositionen, so man Euch thun wird, examinire und sehe, ob etwas equivoques oder chicaneuses darin enthalten, so nachher auf verschiedene Art gedrehet und ausgeleget werden könne, auch der sonsten, wenn es wirklich zu einem Tractat kommen sollte, das Project davon entwerfen und zugleich die erforderliche Curialien und Ceremoniels, so bei dergleichen üblich sein, observire, als benenne Ich dazu den dortigen Etatsminister von Rohd, welcher als zweiter Plenipotentiarius dabei sein und vorgedachtes alles und was darunter sonst erfordert wird, observiren soll. Es kann derselbe sich inzwischen zu Königsberg aufhalten, bis etwa die Umstände erfordern, dass Ihr solchen zu Euch kommen lasset.

Gegeben Potsdam, 23. Juni 1756.

(L. S.)

Friderich.

Nach dem Concept.




448-3 Vergl. S. 427. 460.

449-1 In der Vorlage nicht ausgefüllt.

449-2 Der Schluss dieses Absatzes eigenhändiger Zusatz des Königs.

450-1 Von hier bis zum Absatz eigenhändige Randbemerkung des Königs.

450-2 Vergl. S. 463.

450-3 Von hier bis zum Absatz eigenhändig.

451-1 Liegt vielmehr im Kreise Osterode.

452-1 „Und ganz Preussen“ eigenhändig.

452-2 Das Folgende bis „Gelegenheit“ eigenhändig.

452-3 Bis zum Absatz eigenhändig.

453-1 Vergl. S. 436.

453-2 Vergl. S. 449 Anm. 2; S. 450 Anm. 1 und 3; S. 452 Anm. 1, 2 und 3.

456-1 Vergl. S. 444. Die Vollmachten für Lehwaldt sowohl, wie für Dohna (vergl. S. 459) und für Rohd (S. 460) liegen nicht mehr vor.