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8795. MISSION DES GENERALMAJORS FREIHERRN VON DER GOLTZ NACH FRANKENSTEIN.1

I.

Frankenstein, 30. März 1757.

Auf dasjenige, was der Generalmajor von Goltz in Ansehung des von dem Feldmarschall Graf von Schwerin forminen und an Se. Königl. Majestät allerunterthänigst proponirten Plan entgegengesetzet hat, scheinet es, dass Sr. Königl. Majestät Hauptabsehen auf die Desseins und Opérations derer Franzosen2 gerichtet sei. Solches aber wird mit nachstehenden Punkten abgeholfen:

1) Mag derer Franzosen Dessein sein, wie es wolle, so ist doch gewiss, dass nicht allein ihr Plan, sondern auch des wienerschen Hofes Absichten durch glückliche Execution unseres Desseins dergestalt werde derangiret werden, dass sie sehr viel Berathschlagungen nöthig haben werden, ehe sie zum Zweck ihres gedachten Plans kommen können. Sollten aber dennoch die Franzosen ihr Dessein prosequiren, so würden Se. Königl. Majestät doch nach gut angebrachtem diesem projectirten Coup weit ehender im Stande sein, etwas, oder so viel wie nöthig erachtet würde, gegen die Franzosen zu detachiren; wann aber des Königs Majestät in Sachsen oder der Feldmarschall Schwerin in Schlesien in einer Inaction bleiben und, so zu sagen, defensive agireten, so könnten die Franzosen ihr Dessein mit aller Commodität bewerkstelligen. Derer Feinde Desseins gehen ganz ohnfehlbar dahinaus, dass Se. Königl. Majestät gegen die Franzosen detachiren sollen, damit die Oestreicher eine gar zu grosse Superiorität, sowohl gegen Schlesien als Sachsen, behielten; wohingegen ihnen allen durch glückliche Ausführung des projectirten Desseins alles auf einmal derangiret und über den Haufen geworfen würde. Was nun




1 Der Generalmajor von der Goltz wurde vom Könige nach Frankenstein entsendet, um Schwerin und Winterfeldt die Bedenken vorzutragen, welche der König gegen den von Winterfeldt am 19. und 22. März zuerst entworfenen (vergl. Nr. 8757. 8775), von Schwerin am 24. März (vergl. Nr. 8778) entwickelten offensiven Feldzugsplan äussern zu müssen glaubte. (Die Bedenken des Königs sind nicht principieller Art; sie sollten vielmehr dazu dienen, einzelne schwierige Punkte des Näheren zu besprechen. Vergl. S. 400. 415. 416. 420. 422. 423.) Die vom Könige an Goltz ertheilten Instructionen, welche vermuthlich schriftlich aufgesetzt waren, liegen, auch im Nachlass von Goltz, nicht mehr vor; sie sind jedoch aus den Antworten Schwerin's und Winterfeldt's, aus den zwei über die frankensteiner Conferenzen aufgesetzten Denkschriften zu erkennen. Beide Denkschriften — vom 30. März — sind in doppelten Exemplaren ausgefertigt, von denen das eine von Schwerin und Winterfeldt, das andere von Goltz unterzeichnet wurde. Die von Schwerin und Winterfeldt unterzeichneten Exemplare Uberbrachte Goltz dem Könige bei seiner Rückkehr nach Lockwitz am 3. April (vergl. Nr. 8810); er überbrachte ausserdem eine ebenfalls am 30. März von Winterfeldt ausgearbeitete Apologie seines Feldzugsplanes, welche diejenigen Einwendungen beantwortete, mit denen der König schon am 25. März (vergl. Nr. 8775) den Winterfeldt'schen Plan begleitet hatte.

2 Vergl. S. 378. 392.