9768. AN DEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.

Breslau, 10. [Februar]236-5 1758.

Euere Mir erstattete Berichte bis zu Nummer Sieben seind Mir nebst allen dazu gehörigen Anlagen unter der Adresse agli fratelli<237> Schwartz, sowie auch an deren Commis, nunmehro ganz richtig eingegangen, und zwar die ersteren über Warschau, neueren, importantesten und pressantesten aber letzthin über Amsterdam unter gewöhnlichem Couvert.

Meine Antwort darauf ist, zu Eurer Direction, dass Ihr wissen und begreifen müsset, wie dass das Negotium mit der Pforte, einen Commercientractat zu schliessen, bei denen jetzigen Umständen nichts anders als ein blosser Prätext, aber gar nicht die Hauptsache ist, wohin Ich eigentlich will, nämlich dass Ihr unter diesem Vorwand hauptsächlich darauf arbeiten und es dahin bringen sollet, dass die Pforte nunmehro, es sei mit denen Russen oder aber mit denen Oesterreichern, welches Mir einerlei ist, wirklich breche. Wenn Ihr die Minister der Pforte dahin bringen könnet, o, alsdenn müsset Ihr gar kein Geld sparen, um erstere dahin zu bringen; einen Commercientractat aber zu machen und darauf grosse Summen zu verwenden, würde in jetzigen Kriegeszeiten, da ohnedem alles Commerce behindert wird, von keinem Nutzen und vergebens sein.

Dass die Ottomannische Pforte mit denen Russen jetzo gleich breche, dazu hat sie jetzo alles Recht und die schönste Gelegenheit, weil letztere nicht nur wider den Willen der Republik Polen mit ihren Truppen vorhin in Litthauen eingedrungen seind237-1 und darin fast ganz auf Discretion gelebet haben, um Mich von dar aus in Meinem Preussen zu bekriegen, sondern auch, nachdem sie im vorigen Herbste nach einem gehabten grossen Verlust an Menschen und allem wiederum aus Preussen weichen müssen, nunmehro vor einigen Wochen auf Instigation der Oesterreicher von neuem in Preussen eingefallen seind,237-2 und, nachdem Ich vorhin alle Meine Truppen daraus gezogen hatte, solches nicht nur, da ihnen sogleich kein Gegenstand geschehen können, ganz occupiret haben, sondern auch die Anstalt machen, dass sie mit 2 Corps Armeen nota bene durch Polen, ein Theil nach Pommern und ein Theil nach Schlesien, marschiren wollen, welches aber denen solennesten Friedenstractaten, so vorhin zwischen der Pforte und Russland geschlossen worden, schnurstracks entgegen ist. Welches Ihr also gegen Eure Vertraueten und gegen die Minister der Pforte sehr releviren und ihnen zugleich den grossen Nachtheil gegen das Interesse der Pforte releviren, auch klar zeigen müsset, in was Umständen sich dieselbe selbst setzen würde, wenn die Russen sich, wie es scheinet, in Preussen festsetzen, dieses Land behalten, Danzig unter dem Prätext eines Waffenplatzes wegnehmen, dadurch einen grossen Zuwachs an Macht bekommen, und [Russ<238>land] dadurch die Republik Polen gänzlich unter seine Füsse bringen wollte.

Hierbei dienet Euch zur Nachricht, dass, ob Ihr zwar mit dem von Porter238-1 alle gute Harmonie unterhalten müsset, zu dem Ende Ich Euch auch ein Schreiben von Mir in Complimente schicken werde,238-2 Ihr dennoch dergleichen Negociation, um die Türken gegen Russland den Krieg declariren zu machen, sehr sorgfältig cachiren und alles solches vor ihm sehr geheim halten müsset, weil Ich gewiss weiss, dass die Engelländer, um ihren Handel mit Russland zu conserviren, sich nicht durch einige Intrigue bei der Pforte gegen Russland committiren wollen.

Ich werde Euch übrigens die verlangete neue Credentialbriefe sowohl an den jetzt regierenden Sultan238-3 als dessen Grossvezier, und zwar wo möglich über Warschau durch einen Expressen, so der Benoît daselbst auf Chozim abfertigen wird, schicken,238-4 auch solchen den Brief an Porter mit beilegen.

Dieses ist das Duplicat von der Dépêche, so Ihr alsdenn mitbekommen werdet, und lasse Ich dieses unter Einschluss von Splitgerber über Amsterdam gehen.

Friderich.

Nach dem Concept.



236-5 In der Vorlage „Januar“ . Da der König in obigem Cabinetserlass erwähnt, dass die Russen „vor einigen Wochen“ in Preussen eingefallen seien, diese Nachricht dem Könige aber am 16. Januar zugekommen ist (vergl. Nr. 9697. 9698), so kann obiger Cabinetserlass nicht am 10. Januar, sondern wird vielmehr am 10. Februar aufgesetzt sein. Vergl. hierzu auch den folgenden Erlass an Rexin vom 22. Februar Nr. 9793, sowie Nr. 9766 u. Nr. 9769.

237-1 Vergl. Bd. XV, 494.

237-2 Vergl. S. 180. 232.

238-1 Vergl. Bd. XIV, 122. 163.

238-2 Vergl. Nr. 9794.

238-3 Vergl. S. 187. 199.

238-4 Vergl. Nr. 9795.