9967. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.

Hauptquartier Sauerwitz, zwischen Leobschütz und Jägerndorf, 28. April 1758.

Bei meiner Anwesenheit in Neisse ist der unglückliche Legationssecretär Plesmann407-4 daselbst angelanget, nachdem er von denen Oesterreichern zu Jägerndorf wieder ausgeliefert worden. Die traurige Situation, worin derselbe sich befunden, hat wohl nicht anders als alles mein Mitleiden gegen ihn erregen können. Des Königs Majestät haben vor gut gefunden, dass derselbe vorerst nach Berlin zurückgehen und allda von den sehr harten und übelen Procédés, womit die Oesterreicher gegen ihn währender seiner Gefangenschaft und insonderheit zu Wien verfahren, eine kurze Note aufsetzen und solche alsdenn in denen Zeitungen gedrucket werden soll,407-5 um der ganzen Welt das ohnverantwortliche und unjustificirliche Verfahren, mit welchem ihm begegnet worden, bekannt zu machen. Besonders ist es, dass, als der Geheime Rath von Pawlowsky sich zu Jägerndorf bei denen österreichischen Commissarien zur Auswechselung der Kriegesgefangenen407-6 nach diesem Plesmann sich erkundiget und dessen Extradition begehret, diese gar nichts von ihm wissen, noch einmal dessen Namen kennen wollen. Als man aber unter der Hand erfahren, dass er zu Wien als ein Delinquent im Rumorhause verschlossen gehalten würde, ist darauf an den Feldmarschall Daun seinetwegen geschrieben und dessen Extradition begehret worden, da dann anfänglich derselbe sich darauf nicht einlassen wollen, unter dem Vorwand, es habe der Plesmann solche Sachen begangen, wodurch er sich seines Charakters407-7 unwürdig gemachet, und überdem habe der Warschausche Hof auf dessen Fest- und Zurückhaltung insistiret, und erwarte man zu Wien täglich von letzterem Requisitoria zu des Plesmann Extra<408>dition. Als man aber darauf dem Feldmarschall Daun in der Antwort den Unfug seines Hofes hierunter gezeiget und zugleich declariret, wie man nicht nur sich an zwei aus dem Teschen'schen arretirten Edelleuten wegen des Plesmann halten, sondern auch, weil der Warschau'sche Hof vorgedachtermaassen sich von dem Arrest des Plesmann mehret haben sollte, man par représaille zu Dresden einen derer dortigen Civilbedienten arretiren und solchen auf gleichen Fuss, wie ersterer zu Wien tractiret würde, tractiren werde,408-1 welches letztere dann auch in der Person des Legationsrath Just zu Dresden geschehen, als der dort auf die Hauptwacht, jedoch in ein bequemes Zimmer, gesetzet und ganz honnet gehalten worden, so hat man sich österreichischerseits bald eines andern besonnen und den Plesmann extradiret, dagegen dann des Königs Majestät die Ordre gestellet, dass sowohl vorgedachte beide Teschen'sche Edelleute als auch der p. Just zu Dresden wieder auf freien Fuss gestellet werden soll. Inzwischen hat der Warschau'sche Hof hautement dementiret, dass er niemalen die Zurückhaltung des Plesmann's, noch weniger dessen Extradition von dem zu Wien begehret habe . . .

So wie ich heute noch von M. Yorke verstanden, so hat derselbe die Ratifications der letzteren Convention mit dem in einer silbernen Kapsel angehängten Siegel bei sich und vermeinet noch immer die Auswechselung beider Ratificationen hier zu verrichten.408-2 Ich kann ihm in Ermangelung genügsamer Information nicht genugsam darauf antworten, bin aber nur besorget, dass die Wege indess unsicher werden, und gedachte Instrumenta alsdenn exponiret sein könnten. Ich begreife auch gar nicht, warum das englische Ministère so sehr pressiret gewesen, dem Herrn Yorke die Ratifications mitzugeben. Ew. Excellenz gnädigem Andenken empfehle mich ganz gehorsamst.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.



407-4 Vergl. S. 194. 329.

407-5 Dieser Bericht erschien in den „Berlinischen Nachrichten“ Sonnabend 20. Mai (Nr. 60). In den Danziger „Beyträgen“ ist er gedruckt Bd. IV, 653 — 655.

407-6 Vergl. S. 362.

407-7 Plesmann war preussischer Legationssecretär in Dresden gewesen. Bd. XII, 496; XIII, 600.

408-1 Vergl. S. 329. Anm. 1.

408-2 Vergl. im 17. Bande das Schreiben Eichel's an Finckenstein vom 22. Mai.