10363. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.

Schönfeld, 25. September 1758.

Eichel übersendet an Finckenstein zur weiteren Beförderung das Immediatschreiben an Hellen vom 25. September269-4 und spricht die Hoffnung aus, dass das vorangegangene Immediatschreiben an Hellen vom 23.269-5 dem Minister richtig zugekommen sei.

Ich muss bei dieser Gelegenheit mich über das Sujet der vorigen Missive sowohl als dieser an gedachten von Hellen expliciren, auch Deroselben mit allem Regret nur melden, jedoch mir zuvorderst das höchste Secret gegen jedermann ohne Ausnahme unterthänig erbitten, wie sowohl das erstere als auch dieses Schreiben an den Hellen gewisse Pamphlets von einer Ew. Excellenz gar bekannten Feder anbetrifft, so nurgedachter von Hellen insgeheim und mit dem allergrössesten Secret<270> dorten drucken lassen und alsdenn mit Nehmung aller Präcautionen dergestalt in dasigen Gegenden überall herum distribuiren und ausbreiten lassen soll, dass weder er im geringsten darunter erscheine, noch auch jemand soupçonniren oder merken könne, von was Ort und wie solche in das Public erschienen wären.

Der Hauptumstand aber, so mich obligiret, sowohl alle vorgedachte Umstände an Ew. Excellenz gelangen zu lassen, als auch die eine Pièce davon, als nämlich die zweite, in dem grössesten Vertrauen eines dort impenetrablen Secrets zu communiciren, ist, dass des Königs Majestät exprès verlanget und befohlen haben, [dass] von solcher eine teutsche Uebersetzung, und zwar gar nicht litteralement, sondern nach der Wienerschen Art zu schreiben und in dem gewöhnlichen österreichschen hochtrabenden und guindirten compliquirten Stil270-1 gemachet werden soll, in welchem, so oft der Name der Kaiserin und des Kaunitz vorkommet, allemal solchen die gebräuchliche Wienersche Epitheta bei geleget, die Uebersetzung überall nach der österreichschen Mundart so gedrehet werden solle, dass, wie schon gedacht, solche nicht litteral, sondern frei und nur nach dem Sinne des Französischen sei und es mithin das Ansehen gewinne, als ob die Uebersetzung in österreichisch Teutsch das Original sei und nur jemand davon den Sinn genommen und in gut Französisch, nach der Art dieser Sprache ohngezwungen, übersetzet habe.

Ich gestehe, dass so sehr ich gewünschet habe, dass überhaupt diese Sache unterwegens geblieben, ich dennoch mir alle Mühe gegeben und Proben gemachet habe, ob ich in der österreichschen Denkensart, Tournure und Manier dergleichen Traduction zu machen capabel wäre; ich habe aber gefunden, dass es mir, der ich wenig unter solchen Leuten gewesen, auch wenig von ihren Piecen in solcher Art gelesen, eine wahre Ohnmöglichkeit sei, darunter zu reussiren, so dass ich die zu drei, vier Malen wiederholte Aufsätze nur wieder cassiren müssen. Weilen aber demohnerachtel des Königs Majestät verlangen, dass eine teutsche Uebersetzung von dieser Façon dem Herrn von Hellen auch zugesandt werden soll, um solche gleichfalls dorten in höchstem Secret drucken und demnächst adroitement divulgiren zu lassen, dass solche zum Theil in Holland, hauptsächlich aber in Teutschland dortiger Orten und insonderheit in das Reich herumkomme und bekannt werde, als über welches alles der von Hellen in beiliegendem Schreiben an ihn schon ganz umständlich instruiret worden ist, so muss ich mich unterstehen, deshalb an Ew. Excellenz zu recurriren und ganz gehorsamst zu bitten, ob es nicht angehe, dorten, es sei in der Kanzelei oder sonsten, jemanden zu finden, der des Französischen nur so weit mächtig und zugleich wegen der in österreichisch Teutsch zu fertigenden Uebersetzung im Stande ist, sich davon nach Sr. Königl. Majestät Intention zu ac<271>quittiren. Ich begreife, dass es schwer sein wird, jemanden sogleich zu finden, dem man einestheils das Secret anvertrauen kann und der zugleich im Stande ist, sich [davon] nach der königlichen Intention zu acquittiren. Es findet sich dennoch dorten wohl jemand dazu, der sich davon acquittiret, wenn er vorher etwa verschiedene in österreichschem Stil geschriebene Briefe oder Pièces gelesen und sich aus solchen die Tour, Periodos und etwas entortillirten Schwung und Phrases inprimiret hätte und alsdenn nach solchen eine freie Uebersetzung einrichtete. Ich erinnere mich zurück, wie ich ehemals und zu Anfang des Krieges ein gedrucktes Schreiben eines Grossvaters an seinen Enkel,271-1 die dermalige sächsische Sachen betreffend, gelesen habe, wovon der Herr Geheime Rath Buchholtz, von der Justiz, Autor sein soll, worinnen ich damals sowohl die Solidité als auch die glückliche Imagination admiriret habe, um alles so wahrscheinlich zu fassen, als ob man einen Grossvater mit seinem Enkel sprechen hörete. Ich weiss nicht, ob Ew. Excellenz vor gut fänden, denselben etwa deshalb zu sondiren und dazu zu emploiren, zumalen wenn Dieselbe geruheten, ihm das Secret deshalb einzubinden und überhaupt des Königs Majestät dabei nicht erwähnet würden, da er denn, wenn er zumalen sich zuvorderst dazu durch die von mir vorgeschlagene Adminicula präparirete, sich davon gut acquittiren dörfte, nicht zu erwähnen, dass die Uebersetzung auch nicht gar in das grobe Oesterreichsche fallen, sondern [auch] in dem Stücke etwas ohngezwungen sein müsste, da der Graf Kaunitz gewiss keine Secretaires hat, die sich im Teutschen wie ein ganz grober Oesterreicher ausdrücken, und dass also auch darunter eine Wahrscheinlichkeit zu beobachten sein dörfte.271-2

Die deutsche Uebersetzung soll, sobald sie fertig gestellt ist, an Hellen ababgesandt werden. 271-3

Ich bin höchst beschämt, Ew. Excellenz mit dergleichen, und noch dazu in einem so weitläuftigen Schreiben, zu incommodiren; das Verlangen aber, des Königs Willen auch hierunter zu erfüllen, hat mich zu dieser Démarche gebracht, deshalb unterthänig um Vergebung bitte und mich übrigens auf Ew. Excellenz Assistance reposire. Der ich mich allezeit zu gnädigem Wohlwollen mit meinem gewöhnlichen Respect recommandire.

Eichel.

<272>

Eichel theilt in einem P. S. mit, dass Hellen dem Könige einige französische Exemplare der zu druckenden Flugschriften einsenden solle. Bei dieser Gelegenheit habe sich der König „auch einer andern Pièce, nämlich: « Lettre du cardinal de Richelieu »,272-1 erinnert“ und befohlen, dass Finckenstein davon 5 bis 6 Stück ihm übersenden solle.

Le Roi marchera demain pour s'approcher plus de l'armée autrichienne sous Daun et l'obliger ou de donner bataille ou d'abandonner Bautzen et d'e'vacuer la Lusace et toute la Saxe, pour avoir alors les mains plus libres d'aller à d'autres besoins. Comme nous nous éloignerons par là un peu plus de Dresde, et qu'en conséquence les chemins de là jusqu'à l'armée ne pourraient rester aussi sûrs qu'ils ont été jusqu'à présent pour la correspondance, j'ai cru devoir en informer Votre Excellence.

Eichel meldet, dass, nachdem er das Schreiben bereits geschlossen, vom Könige Befehl komme, er solle während „Dero vorseinden Expedition“ in Dresden zurückbleiben. „Der gute Herr Kriegesrath Cöper muss inzwischen wiederum die Corvée zu Pferde mitthun,272-2 damit des Königs Majestät jemanden bei Sich haben, der nur das allerpressanteste besorge.“ Eichel macht ferner Mittheilungen über Chiffern.

Auszug aus der Ausfertigung.



269-4 Nr. 10362.

269-5 Nr. 10358.

270-1 Vergl. S. 269. Anm. 1.

271-1 Eichel meint die preussische Flugschrift : „Grossväterliche Erinnerungen über das Schreiben eines Vaters an seinen Sohn, den gegenwärtigen Zustand in Sachsen betreffend.“ 1757. Ein Exemplar dieser Schrift findet sich in der Bibliothek der Kriegsakademie. (E. 1740. Bd. 2. Nr. 23.)

271-2 Exemplare der deutschen Uebersetzung finden sich in der Bibliothek der Kriegsakademie (E. 1538. Bd. 2. Nr. 16 und E. 1740. Bd. 29. Nr. 22).

271-3 Am 14. October berichtete Hellen aus dem Haag an Finckenstein, dass er die deutsche Uebersetzung erhalten habe, „qui imite admirablement bien le style autrichien“ . Der Druck könne nicht dort zu Lande erfolgen, weil man daselbst zu wenig Deutsch drucke; er werde in einer kleinen benachbarten Stadt die Drucklegung vornehmen lassen.

272-1 Vergl. Bd. XIII, 493.

272-2 Vergl, S. 167.