10660. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.

Breslau, 15. Januar 1759.

Ich hasardire gegenwärtiges mit der ordinairen nach Euren Orten gehenden Gelegenheit unter sicherem Couvert, um zuvorderst Euch zu sagen, dass noch bis dato, und also seit dem Monat Juni verwichenen Jahres her, Ich von Euch weder Schreiben noch Nachricht erhalten, ausser dem Brief vom letztern Juli 58, welchen Mir der Euch bekannte Courier mit zurückgebracht, und auf welchen Ich Euch auch die Antwort mit eben demselben wieder zurückgeschicket habe.26-1 Ich hoffe, solcher werde bei Euch glücklich angekommen sein, Ihr auch das Duplicat seiner ihm mitgegebenen Dépêche, so Ich à part gehen lassen, richtig erhalten haben.

Was Eurer Orten passiret, davon haben wir hier bis dato keine andere als sehr ungewisse und vague Nachrichten. Man spricht, dass die Türken zu armiren beständig fortfahren, dass über 100000 Janitscharen zu Konstantinopel zusammen seind; dass die Spahis armiret worden und näher gegen Konstantinopel anrücken müssen, dass der Sultan in diesem Frühjahre gewiss nach Adrianopel gehen werde. Nach unsern Nachrichten aber scheinet es, als ob die Pforte noch nicht zu einem Kriege gänzlich entschlossen, noch auch decidiret sei, ob sie mit Russland oder Oesterreich brechen wolle. Sowohl die Oesterreicher als die Franzosen cachiren uns mit der ersinnlichsten Sorgfalt alle Nachrichten, so aus der Türkei kommen; die Oesterreicher sowohl als auch die Russen stellen sich äusserlich, als ob sie vor denen Türken ohne Sorge wären, die Franzosen aber vantiren sich, dass sie bei der Pforte alles in ihrer Gewalt hätten und dort gut und bös Wetter machen könnten, wie sie nur wollten. Ich habe Euch vorhin schon geschrieben, dass wegen der an Macht superieuren Menge Meiner Feinde, denen Ich allein zu resistiren habe, Meine Affaires und Meine Conservation hauptsächlich davon dependiren werden, ob die Türken, es sei mit denen Oesterreichern oder mit denen Russen, brechen werden oder nicht.26-2 Wendet also alle Eure Kräfte und Euer Savoir-faire an, um die Pforte zu einem Bruch gegen das kommende Frühjahr zu bringen.

Aus Meiner letzteren Dépêche vom 26. December 5826-3 werdet Ihr ersehen haben, dass Ich Eure Fonds dazu mit 100000 Thaler vermehret und Euch also auf 400000 gesetzet habe. Wie Ihr Euch sonst darunter befangen müsset, solches kann Ich Euch nicht vorschreiben, noch Instructions darüber geben, Ich bin desfalls zu weit entfernet und kenne die Leute und die Umstände nicht; Ihr aber seid an Ort und Stelle, Ihr habt Pleinspouvoirs und müsset also selbst judiciren und Eure<27> Resolutions nehmen. Dazu aber will Ich Euch hierdurch noch autorisiren, dass Ihr der Pforte von Meinetwegen versprechen könnet, dass, wenn sie bei einem gegen die Oesterreicher anzufangenden Kriege Conquêten in Ungarn machet, Ich ihr solche garantiren will, welcher Garantie Ich denn auch um so mehr den Nachdruck geben kann, da allemal auf den Fall eines Krieges derer Oesterreicher gegen die Türken, Ich denen Oesterreichern gleich in Böhmen oder Mähren auf den Hals sitzen und bis Wien gehen, mithin eine starke Diversion machen kann, um die Operationes derer Türken zu facilitiren. Thut also alles, um den Bruch der Pforte gegen das Frühjahr dieses Jahres ohnfehlbar zum Stande zu bringen. Schreibet Mir bald; Ich verlange nach nichts sehnlicher, als baldigst Eure Berichte zu haben, um allenfalls nur zu wissen, woran Ich bin, und Meine Mesures darnach nehmen zu können.

Von M. Portern habe Ich vor ohngefähr vier Wochen erst einen sehr umständlichen Brief erhalten, der aber auch schon vom 29. Juli des vorigen Jahres war. Danket ihm inzwischen in Meinem Namen vielmals davor, Ich werde solches Selbst bei Gelegenheit des ersten Expressen, so Ich einmal wieder sckicken werde, thun; mit andern Gelegenheiten ist es zu sehr hasardiret oder zu weitläuftig.

Friderich.

Nach dem Concept.



26-1 Vergl. Bd. XVII, 241. 255. Es ist jedoch später noch ein Bericht Rexin's vom 8. September dem Könige zugekommen; vergl. Bd. XVII, 343. 406,

26-2 Vergl. Bd. XVII, 263. 438. 439.

26-3 Vergl. Bd. XVII, Nr. 10613.