10945. AN DEN GENERALLIEUTENANT VON MANTEUFFEL.

Landshut, 16. Mai 1759.

Ich habe Euren Bericht vom 11. dieses erhalten, von dessen Einhalt Ich dann ganz wohl zufrieden gewesen bin. Um Euch darauf zu antworten, so muss Ich Euch über zwei grosse Punkte schreiben und Euch Meine Gedanken umständlich eröffnen, damit Euch solches zu Eurer weiteren Direction dienen kann.

Und zwar erstlich, weil Ich immer supponire, dass die rechte und wahre Intention der Russen sei, Colberg zu belagern, und dass sie zweierlei Art haben, um solches in die Wege zu richten, so will Ich Euch Meine Meinung schreiben, was Ich glaube, dass die Russen vor différente Dispositiones machen dörften, und worauf Ihr am meisten Eure Dispositiones zu richten habet.

Jetzo seind 11 Regimenter von denen Russen gegen Posen marschiret. Da habe Ich den Generalmajor von Wobersnow dagegen detachiret, mehr, um sie zu observiren, als um ihnen Schaden zu thun. Ihr judiciret ganz wohl, dass die Russen nicht eher kommen werden, als bis die Grasung im Felde sein wird. Ihre Force bestehet, wie Ich von allen Seiten höre, [aus] ohngefähr gegen 50000 Mann regulirte und 7000 irreguläre Truppen. Bis dato siehet man weiter nichts von sie, als dass dieselbe etwas nach Posen detachiret haben. Ich wollte fast positivement wetten, dass sie keine Intention haben, auf Schlesien zu gehen, sondern dass, wenn die ganze Armee nach Posen marschiren sollte, sie sich auf Driesen oder Landsberg wenden werden. Wann Ihr erstlich in Hinterpommern sein werdet, so werdet Ihr sowohl durch Eure Nachrichten, als auch durch das, was Euch der Generalmajor von Wobersnow schreibt, im Stande sein, vollkommen zu erfahren, wohin des Feindes Absichten und Bewegungen gehen dörften. Ich glaube aber, dass sie sich theilen werden, und dass ein Corps von etliche 30000 Mann sich gegen die Neumark wenden wird, und dass in derselben Zeit ein anderes Corps von 15000 oder mehr Mann sich wird gegen Colberg wenden wollen. Dieses letztere kommet über Neu-Stettin oder über Stolpe und wird suchen, längst der See zu kommen, welches Ich jedoch so eigentlich nicht wissen kann. Geschiehet dieses<224> aber, so müsset Ihr mit Eurem unterhabenden Corps dem Detachement, so nach Colberg will, zu Halse gehen und es mit blutigen Köpfen wiederum zurückjagen. Dabei Eure vornehmste Attention sein muss, dass man diejenigen, so nach Colberg wollen, nicht an die See lasset, als woher sie ihre Artillerie, Munition und Proviant bekommen müssen und sonsten nichts machen können. Wollen sie sich mit der ganzen Armee dort hinziehen, woran Ich doch zweifle, so müsset Ihr einen festen Posten nehmen, wo Ihr sie so lange aufhalten und amusiren könnet, bis dass Ihr Succurs bekommet.

Sollte es sein, dass sie mit der ganzen Force gegen Posen und gegen Landsberg wollten, so müsset Ihr das Lager von Landsberg nehmen, welches fast inattaquable ist, und werden sie alsdenn nicht weit vorrücken dürfen, weil der General Wobersnow ihnen in den Rücken kommen kann.

Um dieses alles zu bewerkstelligen, so müsset Ihr mit Eurer Armee in Hinterpommern an solchem Orte cantonniren, dass Ihr von allen Seiten gleich à portée seid hinzukommen, und also etwa an der Rega, zwischen Plathe, Regenwalde und Stargard. Ziehet Ihr Euch rechts, so kommet Ihr nach Landsberg; ziehet Ihr Euch links, so kommet Ihr nach Cörlin oder nach dem Ort. wo Ihr Euch das beste defensive Lager ausgesuchet habet. Ich habe eine Brigade Ingenieurs nach Stettin geschicket, bei welcher ein excellenter Capitän ist, auf welchen Ihr Euch ganz verlassen könnet, um Lagers zu nehmen, Märsche und Dispositiones zu machen p., so dass Ihr alles mit ihm regulireri könnet und überall sehr gut mit ihm durchkommen werdet. Indess Ihr noch nicht campiren dörfet, bis dass Ihr höret, dass die Russen sich zusammenziehen und dass es ihnen ein Ernst ist; dann könnet Ihr hinmarschiren, wohin Ihr meinet, dass es nöthig ist.

Nur recommandire Ich Euch hierbei sehr, das Regiment von Lehwaldt und das von Dohna durchaus nicht in das erste Treffen zu setzen.224-1

Hierbei muss Ich Euch schreiben, dass Meines Bruders, des Prinzen Heinrichs, Expedition gegen die Reichstruppen gut gehet. Er wird Ende Mai damit gewiss fertig sein, und da alle Apparence ist, dass die Russen nicht vor dem 12. Juni eindringen können, so wird gegen die Zeit auch Euer Succurs, es sei nun einige Tage früher oder aber später, dort sein können.

Schliesslichen sollet Ihr Mir schreiben, ob es wahr sei, was Ich jedoch nur in denen öffentlichen Zeitungen gelesen, dass die Schweden aus Finnland wollen Truppen nach Pommern transportiren lassen.

Friderich.

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P. S.

Angehend auch Euer Schreiben vom 11. dieses, betreffend die bereits ausgefertigte Passeports für die autorisirte Commissarii zur Auswechselung und Errichtung eines Kartells, wozu der 1. Junii und die Stadt Wismar vorgeschlagen worden, so gebe Ich Euch darauf in Antwort, wie Mir solches alles einerlei ist und Ihr solches nur unter Euch reguliren könnet, wie Ihr es am besten verstehet und am convenablesten halten werdet, als welches Ich Euch zur freien Disposition überlasse ...

Friderich.

Nach der Ausfertigung im Kriegsarchiv des Königl. Grossen Generalstabs zu Berlin.



224-1 Beide gehörten zu den ostpreussischen Regimentern, die bei Zorndorf sich wenig bewährt hatten. Vergl. Bd. XVII, 475.