11114. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.

[R e ich-Hen n e r s d orf,] 21. Juni 1759.

Es werden Rexin die letzten an ihn ergangenen Erlasse aufgezählt, damit er beurtheilen könne, ob ihm „alles richtig zugekommen sei“ .

Auf die Hauptsachen demnächst zu kommen, so werdet Ihr schon aus dem zuerst allegirten Schreiben342-2 ersehen haben, dass Ich sogleich nach Erhaltung Eurer letzteren Relation vom 10. April in Engelland die Eisen in das Feuer legen und bei den dortigen sonst recht wohl intentionirten Ministern alles auf der besten Seite repräsentiren lassen. Ich habe darauf nunmehr unter dem 8. Juni die Antwort erhalten,342-3 dass, so sehr die dortigen Minister auch vor die Sache wegen einer zwischen der Pforte und Mir zu treffenden Alliance portiret wären, auch den grossen Nutzen für die gemeine Sache von einem Bruch der Pforte mit ein oder der anderen feindlichen Puissance wohl einsähen, sie Mir doch vorstellen mtissten, dass, da sie nicht die freie Hände hätten, alles zu thun, was sie vor gut fänden, sondern sich darunter mit nach der Nation richten müssten, der sie deshalb responsabel blieben, also sie sich nicht entbrechen könnten, Mir zu repräsentiren, dass Engelland bisher keine andere Engagements mit der Pforte genommen, als die nur simplement das Commercium angingen, und dass also die englische Nation nicht leicht genehm halten werde, wenn das Ministerium weiter gegangen sei und vor sich an einem dergleichen Tractat als der zwischen der Pforte und Mir theilgenommen hätte. Es müsste gedachtes Ministerium dabei sehr in Betrachtung ziehen, dass, sobald die Zeitung davon eclatire, welches ohnausbleiblich wäre, dass Engelland an solchem Tractat wirklich theilgenommen, sodann Frankreich davon gleich zu profitiren suchen würde, um Spanien und Neapolis gegen Engelland im Harnisch zu bringen, wozu der Wienersche Hof sehr zublasen würde, beide auch darunter an vorgedachten zwei Höfen wegen ihrer bekannten grossen<343> Bigotterie leichtlich reussiren dörften, welches aber bei denen jetzigen Zeitumständen vor Engelland sehr gefährlich und die Minister bei der Nation in grosse Verantwortung setzen würde.

Dem allen ohnerachtet wollte doch das Ministerium so viel über sich nehmen und in gewisser Maasse Meinen Tractat mit der Pforte insoweit garantiren, wenn der in dem Projet enthaltene siebente Articul aus dem Tractat würde gänzlich weggelassen werden; denn da darin enthalten, dass keiner von denen contrahirenden Partien weder Friede noch Stillestand mit dem Feinde machen solle, ohne dass der andere davon participire, so würde solcher Articul, wenn Engelland daran theilnähme, die Nation gegen die Minister sehr revoltiren, aus Ursachen der beträchtlichen Entfernung der Pforte in vorkommenden Fällen, und dass solche nicht so genau von denen europäischen Affaires informiret wäre, so existente casu alles sehr aufhalten, mithin die Nation gegen die Minister höchstens indisponiren würde, welche, wenn sie einmal sich wozu engagiret hätten, sich obligiret erachteten, es zu halten.

Sie hätten inzwischen noch letzthin im Mai an Porter neue Instruction gegeben, dass, wenn es möglich wäre, bei der Pforte, um sie ohne weitere solenne Engagements zu einem Bruch in diesem Jahre mit einer oder der anderen bekannten gegen Mich den Krieg führenden Puissancen zu bringen, mit Gelde etwas auszurichten, er nichts darunter menagiren, sondern die convenable Summen dazu employiren solle. Ausserdem aber noch würde Porter jetzo autorisiret werden, wegen des Tractats quaestionis der Pforte eine favorable Declaration zu thun, wenn wegen ihrer Engagements mit Mir der obgedachte siebente Articul aus dem Tractat gänzlich weggelassen und sonsten nichts in dem übrigen Einhalt [des Projectes vom Tractat nichts geändert noch zugesetzet werden würde.

Dieses alles habe Ich Euch, jedoch nur zu Eurer alleinigen Direction, bekannt [machen] wollen, und da Ihr selbst begreifen werdet, dass Ich das englische Ministerium zu nichts obligiren kann, sondern nur nehmen muss, was von ihnen zu erhalten, so habt Ihr nunmehro zu überlegen, was Ihr Eures Ortes zu thun und vor Mittel zu ergreifen habet, um den Grossvezier zu Annehmung einer oder der anderen von erwähnten englischen Propositionen zu disponiren. Wenn Porter durch Corruptiones es dahin bringen könnte, dass die Pforte noch sogleich in diesem Jahre und ohne auf den Schluss eines Tractats mit Mir zu warten, mit einer oder der anderen bekannten Puissances nach Anleitung Meines obgedachten Schreibens vom 27. Mai bräche, so wäre solches wohl das convenableste und beste, auch das eigene Interesse der Pforte, und würde Mich dieses nicht abhalten, mit der Pforte hiernächst weiter zu entriren. Ausserdem Ihr leicht selbst ermessen werdet, dass wenn die Ruptur der Pforte erst von dem mit Mir völlig berichtigten Tractat abhängen soll, solches bei jetzo schon ziemlich avancirter Saison der Campagne noch eine Zeit von wenigstens zwei bis drei<344> Monate und mehr erfordern und alsdenn vor dieses Jahr kein Nutzen daraus zu ziehen, vielmehr zu besorgen sein würde, dass in einem Lande wie dort, wo die Revolutiones so gar gemein sein, sich die Disposition derer Minister von der Pforte leicht ändern könne, ehe man einmal zur Execution des Tractats käme. Woraus Ihr dann begreifen werdet, dass vorerst das beste Mittel sein wird, den Grossvezier durch Corruption zu einer prompten Ruptur zu bewegen, ohne vorläufige Liaisons zu nehmen.

Ihr übrigens seid am besten im Stande zu beurtheilen, wie weit die Intention, so Euch der Grossvezier declariret, aufrichtig sei und ob er nicht etwa, von anderen feindlichen Puissances schon präveniret, mit Fleiss sich in Absicht auf Mich so circonspect stelle, und die englische Garantie nur deshalb aufgeworfen, um den Tapis zu amusiren und Zeit zu gewinnen; wovon Ich jedoch nicht judiciren kann, sondern Euch solches überlassen muss, indess Ihr doch darauf Attention nehmen sollet.

Es ist schliesslichen nicht zu zweifeln, dass es anfänglich der Pforte einige Impression machen wird, wenn die Engelländer verlangen, dass, so zu sagen, einer denen Türken essentiellester Articul aus dem Tractat weggelassen werden soll; wie aber dieses eigentlich nicht an Mir lieget, so wird es alles darauf ankommen, ob die Türken Lust und Begierde zu einem Kriege haben oder nicht. Ersteren Falles nun werdet Ihr Euch bei dem Grossvezier nur ganz adroit nehmen und das Verlangen der Engelländer unter anderen damit entschuldigen müssen, wie diese in Furchten wären, dass, wann sie einmal mit denen Franzosen zu einem Accommodement wegen der amerikanischen Sachen gelangen könnten, als welche doch eigentlich die Ursache des Krieges unter ihnen wären, und sie alsdenn mit der Pforte diejenige Engagements hätten, so der obgedachte siebente Articul mit sich führete, mithin alsdenn das Accommodement wegen der amerikanischen Affairen von einem mit der Pforte zu nehmenden Concert dependiren würde, alsdenn die sehr considérable Entfernung zwischen Engelland und der Pforte das Accommodement und den Frieden, wo nicht ohnmöglich, doch sehr schwer machen würde.

Wenn Ihr dieses bei dem Grossvezier bestens gelten zu machen und ihm dadurch die etwa gefassete Ombrage zu benehmen suchet, der Porter aber, mit dem Ihr deshalb de concert gehen müsset, seinerseits aufrichtig zu Werke gehet und von seiner letzteren Instruction vom 25. vorigen Maimonates344-1 Gebrauch machet, mithin alles mit der Force von Geld redressiret, so sollte Ich fast gar nicht zweifeln, dass die Pforte auch ohne völligen Schluss des Tractats noch in diesem Jahre zu einem Bruch mit denen Oesterreichern oder denen Russen resolviren werde.

Friderich.

<345>

Seit Eurem Bericht vom 10. April345-1 habe Ich nicht das geringste weiter von Euch erhalten. Dieses gehet mit dem bekannten Expressen; machet, dass er bald mit einer umständlichen und zuverlässigen Relation von Euch an Mich zurückkomme.

Da es wegen der englischen Sache viel auf Eure Adresse und auf die gute Tournure, so Ihr derselben bei dem Grossvezier geben werdet, ankommen wird, so müsset Ihr Euch dabei sehr adroit nehmen und demselben doucement zu verstehen geben, dass, wenn die Pforte nicht in diesem Jahre zu einem Bruch mit der einen oder der andern feindlichen Puissance resolviren wollte, Ich alsdenn Mich resolviren müsste, Mich mit denen Oesterreichern, Russen und Franzosen, die Mir dazu schon unter der Hand Propositiones thun lassen, zu accommodiren. Insonders müsset Ihr den Grossvezier wohl begreifen machen, dass, wenn sie nicht von der jetzigen Gelegenheit noch in diesem Jahre profitireten, um sich in Avantages fast ohne Schwierigkeiten zu setzen, alsdenn sie solche Gelegenheit niemalen wieder bekommen würden. Ihr könnet zugleich wegen der Engelländer glissiren lassen, wie es Schade wäre, dass wegen einer kleinen Delicatesse von ihnen, so doch eigentlich nur eine Formalité wäre, der völlige Schluss unsers Tractats aufgehalten würde. Kurz, Ihr müsset der Sache so gute Couleurs geben, wie Ihr nur immer erdenken könnet, um zuwege zu bringen, dass der diesjährige Bruch der Pforte dadurch nicht aufgehalten werde.

Nach dem Concept.



342-2 Nr. 10985.

342-3 Vergl. Nr. 11111.

344-1 Vergl. S. 30;.

345-1 Vergl. Nr. 10984. 10985.