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12165. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Lager bei Meissen, 12. Juni 1760.

. . . Bis dato ändert sich der Barometer bei uns noch täglich, wo nicht zuweilen stündlich. Wir haben gestern Abend die Nachricht erhalten, dass wider alles Vermuthen der General Laudon in der Nacht auf den 5. dieses mit seinem ganzen Corps wiederum aus Schlesien aufgebrochen und sich nach dem Glatzischen zurückgezogen, wo er in zwei Corps in denen Gegenden von Glatz campiret, in Schlesien aber nichts als ein Regiment Dragoner zu Silberberg zurückgelassen hat. Was dieses neue Manœuvre von ihm vor eine eigentliche Absicht habe, solches wird man hier binnen ein Tag oder drei wissen müssen, und ob es auf eine Belagerung von Glatz abziele, oder aber ein mehreres in recessu und eine uns noch ganz ohnbekannte Apprehension und besorgliche Diversion zum Grunde habe. Das erstere besorge ich annoch, da ich mich aus vorigen erinnere, wie ein grosses Verlangen man allezeit österreichscherseits gefühlet hat, diesen importanten Platz in Besitz zu bekommen, wozu man sich sogar gewisser Mittel bedienen wollen, die, wenn es in einem andern Cas hiesigerseits geschehen wäre, der Wienersche Hof ohnfehlbar auf das odioseste und allerschwärzeste in ganz Europa ausgeschrien haben würde. Ich erinnere mich nicht mehr, ob ich nicht im Frühjahr vorigen Jahres Ew. Excellenz schon etwas von der österreichscher Seits deshalb gemachten Tentative geschrieben habe, da nämlich der General Beck durch seinen Adjutanten einen Bürger, so in einer derer Glatzischen kleinen Städte mit einem Hause angesessen, unter starken Bedrohungen forciren Hess, nach Glatz zu gehen und dem dasigen Vicecommandanten und Obristlieutenant d'O mündlich und alleine zu sagen, wie von Seiten der Kaiserin-Königin man ihm durch den General Beck nicht nur ein sehr gutes und grosses Etablissement vor ihn in österreichschen Diensten, so wie er es nur selbst verlangen würde, sondern auch eben dergleichen für seine einzige noch unverheirathete Tochter versprechen Hess, sondern überdem ihm 200000 Gulden zum Gratial zahlen wollte, worüber der Feldmarschall Daun ihm sogleich gute Wechsel, auf was vor Plätze er es verlangete, zustellen lassen würde, wenn er dagegen dem General Beck den Ort bei der Festung anweisen werde, wo dieser ohne Umstände sich Meister von solcher machen könnte: worunter aber gedachter Obristlieutenant d'O sich so genommen und alles so beantwortet hat, wie es einem Ehr' und Reputation liebenden Mann gebühret..1 Ew. Excellenz werden diese kleine Episode pardonniren. Ob es nun wirklich zur Belagerung gedachter Festung kommen wird, solches muss sich binnen wenigen Tagen klärer zeigen, gute Nachrichten aus Mähren aber geben, dass dorten noch nichts von einer Belagerungsartillerie und dergleichen sonst erforderlichem präpariret sein soll . . .

Es ist überall eine Art von Crise und Ungewissheit von Sachen, dergleichen schwerlich vorhin gewesen und die nicht anders als sehr embarrassant sein kann; ich pflichte aber billig Ew. Excellenz Sentiment bei, dass sich alles mit Ausgang dieses Monates mehr eclairiret haben muss, wovon selbst des Königs Majestät jetzo Sich persuadiren. . .

Was sonsten Ew. Excellenz mir die Gnade gethan, in dem Postscripto Dero Schreibens zu melden, deshalb bin noch nicht im Stande ein näheres zu antworten, als dass es mit Anfertigung derer bewussten Sachen2 meines Ermessens so sehr noch nicht pressiret und wegen bekannter Umstände es mit deren Anfertigung noch die gehörige Zeit gewinnen wird. Und da nach dem Einhalt des Schreibens Sr. Königl. Majestät3 ich zuversichtlich hoffe, dass die Correspondance hieher noch frei und sicher bleiben wird und Dieselbe a portée sein werden, so wird es von Ew. Excellenz Gefallen dependiren, ob Dieselbe solcherhalb, falls Ew. Excellenz es pressant zu sein



1 Vergl. Bd. XVIII, 209.

2 Der Geschenke für den Sultan und den Grossvezier. Vergl. Nr. 12021.

3 Nr. 12164.