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12476. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Meissen, 8. November 1760.

Da ich Ew. Excellenz gnädiges Schreiben vom 5. dieses nur allererst kurz vor dem Ausmarsch aus dem Quartiere verwichener Nacht erhalten und gleich drauf weiter hieher folgen müssen, so hat die Zeit nicht zulassen wollen, vorerst ein mehreres vorzunehmen, als nur die von dem Herrn Baron von Knyphausen mit eingegangene Dépêches, das Absterben des Königs von Engelland betreffend, zu dechiffriren, damit des Königs Majestät bei einem so wichtigen Évènement gleich von deren Einhalt informiret werden. Gleich nach unserer Ankunft allhier in Meissen ist letzteres geschehen, und des Königs Majestät haben darauf die von Ew. Excellenz eingesandte Expeditiones unterschrieben,1 dabei anfänglich zwar erinnert, dass solche nicht eher von Deroselben abzusenden wären, bis zuvorderst die ordentliche Notifications aus Engelland eingelaufen, jedoch nachhero, als Sie die Knyphausenschen Dépêches gelesen, haben Dieselbe mir befohlen, die vollenzogene Schreiben nur sogleich an Ew. Excellenz zurückzusenden, damit Dieselbe solche an den von Knyphausen mit einem expressen Courier absenden, auch ersteren gehörig instruiren könnten. Als ich des Königs Majestät die erste Nachricht von diesem Évènement aus einem Privatschreiben von dem Herrn von Hellen an mich gab, da die Zeit nicht vergönnete, die andern mitgekommene Briefe zugleich zu erbrechen, äusserten Höchstdieselbe gegen mich gleiche Sentiments darüber, als der Herr von Knyphausen in seiner Hauptrelation gethan,2 so betrübt Sie auch über dieses Évènement waren, dergestalt, dass nie Sentiments sich gleicher als gedachte beide rencontriret haben. Da indess der Herr von Knyphausen in einem seiner Dépêche beigefügten Soli ad Regem, davon Ew. Excellenz vermuthlich ein Duplicat erhalten haben werden, des Königs Majestät sehr gebeten hat, sowohl an den jetzt regierenden König von Engelland als an M. Pitt eigenhändig zu schreiben und ihm diese Briefe, noch ehe die Notificationes von dem Ableben des verstorbenen Königs eingehen, zuzusenden, so haben des Königs Majestät Sich dazu ganz willig prêtiret, und erfolgen beide solche Originalschreiben hierbei,3 welche Ew. Excellenz fordersamst dahin mit abgehen zu lassen geruhen werden, auf dass der Herr von Knyphausen noch den intendirten Gebrauch davon machen können. Die Copien beider Briefe lege vor Ew. Excellenz hierbei.

Des Königs Majestät haben sonsten dem Herrn von Knyphausen von hier aus noch nichts antworten lassen; die jetzo noch in grössester Bewegung seinde Operationes behindern Dieselbe daran, aller Apparence nach dörften wir auch morgen früh schon wieder von hier weiter vor gegen Dresden oder vielmehr Wilsdruff marschiren. Ich werde aber nicht ermangeln, noch heute oder morgen des Königs Majestät gelegentlich daran zu erinnern.

Der Herr Hauptmann von Cocceji wird hoffentlich sich wegen des unverhofften Évènements nicht auf seinem Wege arretiren lassen, vielmehr sich um so mehr pressiren, und der Herr von Knyphausen nebst M. Pitt werden ihn wegen seines Verhaltens bei seiner Ankunft schon instruiren, und die Nachrichten, so er bringet, werden hoffentlich dort in jetziger Conjoncture keinen Schaden thun.

Die Contusion, so des Königs Majestät bekommen, ist gottlob nicht von der geringsten Suite, und ressentiren Dieselbe Sich gar nicht davon, nachdem Sie gleich die Nacht nach der Bataille einige zum Zerrheilen dienliche Mittel gebrauchet und nunmehr nicht die geringste Empfindung davon haben.

Die Consternation des Feindes über die verlorne Bataille ist kaum zu glauben.



1 Vergl. Nr. 12475.

2 Knyphausen und Michell hatten, London 27. October, die Meinung ausgesprochen, dass die Beziehungen Englands zu Preussen durch den Thronwechsel keine Aenderung erfahren würden.

3 Nr. 12473 und Nr. 12474.