12409. AN DEN GENERALLIEUTENANT VON TAUENTZIEN, COMMANDANTEN VON BRESLAU.

Dittmannsdorf, 4. October 1760.

Es treffen nach Eurem letzteren Schreiben vom 1. dieses die ledigen Brod- und Proviantwagens, so von Glogau zurückkommen, heute in Breslau ein. Ich befehle derselben wegen, dass Ihr solche insgesammt mit Mehl und Biscuit zu Breslau beladen, allenfalls auch einige bereits dort vorhandene Bauerwagens zu Hülfe nehmen und solche insgesammt, auch mit dem Proviantfuhrwesen derer Regimenter von Meines Bruders Armee, so jetzo hier bei Mir stehen, gleichfalls geladen, desgleichen auch die, glaube Ich, 12 Pontons, so Ich zu Breslau gelassen, mit, und unter Escorte nach der Gegend von Canth schicken sollet.

Es werden die Umstände der Campagne noch sehr ernsthaft, und dienet Euch zur Nachricht — wovon Ihr jedoch dorten, ausser dem einigen Minister von Schlabrendorff, keinem Menschen ohne Ausnahme, er sei, wer es wolle, das geringste Wort sagen, auch letzterem das Secret deshalb sehr recommandiren sollet, so dass, wenn auch dorten von anderen davon gesprochen werden sollte, Ihr beide, ohne jedoch mysterieuse Mienen zu machen, nicht davon zu wissen Euch stellen müsset —, dass nicht nur die russische Armee in drei Colonnen sich diesseits der Oder dergestalt im Marsch gesetzet hat, dass Tschernischew und Tottleben über Sorau in der Lausnitz und Sommerfeld auf Guben, Soltykow mit Fermor längst der Oder auf Krossen, Rumänzow aber mit 8000 Mann und der Bagage der Armee jenseits der Oder über Kontopp nach Züllichau marschiren,8-1 sondern Ich habe auch aus Sachsen die Nachrichten erhalten, dass, nachdem das württembergische Corps Truppen nach einer vergeblichen Aufforderung von Leipzig sich mit der Reichsarmee<9> und den dabei noch befindlichen Oesterreichern bei Schildau conjungiret und alle Anstalten gemachet und zu Pretzsch eine Brücke geschlagen, um den Generallieutenant von Hülsen dies- und jenseits der Elbe gänzlich einzuschliessen, dieser solches nicht abzuwarten geglaubet und sich genöthiget gesehen hat, den vor sich schon gefundenen Feind mit des letzteren beträchtlichem Verlust zu poussiren und sich näher gegen Wittenberg auf Jessen zu ziehen.

Nachstehendes alles will Ich, mit nochmaliger Einbindung des grössesten Secrets, dass Ihr solches durch keinen Menschen anders als durch den Etatsminister von Schlabrendorff selbst in Eurer Gegenwart dechiffriren lassen sollet: Gedachte Umstände werden Mich vielleicht zwingen, von hier mit Meiner Armee wegzugehen, um dort Luft zu machen, wenn aber solches geschehen sein wird, wieder hieher zurückzukommen, wie Ihr Euch von selbst vorstellen werdet, dass letzteres Meine Intention sei.

Ihr sollet Mir also eigenhändig schreiben, und will Ich morgen Eure Antwort hier erwarten, ob Ihr, wenn Ich Euch noch 6 Bataillons Infanterie nach Breslau zur Verstärkung der Garnison gebe, Euch damit so arrangiren wollet, dass, wenn Ich mit der Armee wieder zurückkomme, Ich Euch noch wohlbehalten in Breslau wiederfinde, oder aber ob Ihr meinet, dass solches nicht angehe.

Meine vorhabende Expedition kann eine Affaire von drei bis vier Wochen sein.

Was Ihr etwa in der von Euch morgen zu erwartenden Antworten chiffres setzen zu lassen vermeinet, muss gleichfalls wieder alleine durch den von Schlabrendorff geschehen, denn das Secret von allem diesen vorerst nur unter Euch beiden alleine sein und bleiben soll.

Friderich.

Nach dem Concept.



8-1 Dem Major von Lichnowsky, welcher, Glogau 1. October, diese Nachrichten eingesandt hatte, wird am 4. dafür gedankt.