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2099. AN DEN GENERALFELDMARSCHALL FÜRST VON ANHALT-DESSAU IN TORGAU.

Hauptquartier Bautzen, 10. December 1745.

Durchlauchtigster Fürst, freundlich geliebter Vetter. Wenn Ich Mich gestern in dem an Ew. Liebden durch den Capitän Oelsnitz geschickten Schreiben etwas vif exprimiret habe, so werden Ew. Liebden Selbst zu ermessen belieben, dass solches in der ersten Consternation geschehen ist, welche Ich über den Missverstand Meines Schreibens vom 4. d. gehabt; denn Ew. Liebden Selbst urtheilen werden, in was für extremen Embarras Ich gewesen sein würde, wenn Ew. Liebden bei jetzigen critiquen Umständen, da es gewiss auf zwei, drei Tage viel ankommt, statt gerade auf Meissen, Dresden, die sächsische Armee zu gehen, bei Torgau über die Elbe gegangen und auf unsere Seite der Elbe gekommen wären, wodurch nicht nur, wie es Ew. Liebden gewiss sehr wohl einsehen werden, die Subsistenz des hiesigen Corps gelitten haben, sondern auch das Corps vom Generallieutenant Lehwaldt inzwischen sehr gxponirt gewesen sein würde. Ew. Liebden werden also es lediglich Meiner grossen Surprise zurechnen, wenn Ich desfalls, wie geschehen, Mich exprimirt habe. Nachdem Ich aber das Vergnügen gehabt, aus Ew. Liebden gestern Abend ganz spät in der Nacht erhaltenen beiden Schreiben vom 9. d. zu ersehen, dass Dieselben nach Empfang Meiner Schreiben vom 5. und 6. d. Dero Sentiments geändert haben, auch alles nach Einhalt gedachter Meiner Schreiben einzurichten und zu executiren Vorhabens sind, so bin Ich dadurch wiederum völlig consoliret und beruhigt und von dem, was Ew. Liebden sonsten melden, zufrieden. Nur wünschte Ich, dass Ew. Liebden dem ohnerachtet den Marsch mehr beschleunigen könnten, denn falls hier Weitläuftigkeiten entstehen sollten, der bisherige Aufenthalt hier wohl hauptsächlich daran Schuld sein möchte, indem die Sachsen den Prinz Karl mit seiner Armee aus Böhmen zurückkommen lassen, um zu ihrer Armee zu stossen, so aber verhindert worden wäre, wenn Ew. Liebden Corps so geschwinde marschiret wäre, als Ich es vermuthet habe und es sein können, wodurch die Sache eine andere Tour genommen haben würde und wir nicht zwei Tage verloren hätten. Von der sächsischen Armee weiss Ich nunmehro gewiss, dass solche zwischen Dresden und Pirna stehet. Wann Ew. Liebden Meissen genommen und die Brücke über die Elbe daselbst fertig sein wird, werde Ich mit der ganzen Armee hinkommen, um Ew. Liebden nachzuziehen, und zu Deroselben stossen und nun mit der ganzen Armee dem Prinz Karl und allen auf den Hals gehen, damit wir hier die Sache mit Ehre ausmachen und nicht allein gut anfangen, sondern auch wohl schliessen mögen. Ich bin Ew. Liebden freundwilliger Vetter

Die Communication mit Meissen hätten wir schon gestern gehabt,