November.

A.

1. November 1760

Der König in Thalwitz.

2. November 1760

In Langen-Reichenbach.

3. November 1760

Schlacht bei Torgau. Die Armee des Königs siegt über die Oestreicher unter Daun. Nach Gaudi betrug die Stärke der Preußischen Armee 44000 Mann, die der Oestreichischen 64 bis 65000 Mann, mit Ausnahme der leichten Truppen unter den Generalen Ried und Brentano. Der Verlust war auf beiden Seiten sehr groß. Die Preußen verloren nach Gaudi, incl. 3000 Gefangene, 12 bis 13000 Mann, unter den Gefangenen waren 2 Generale, 9 Stabs- und 83 Subalternofficiere, unter den Todten 10 Stabsofficiere. Tempelhof giebt den Verlust, incl. 4000 Gefangene, auf 13 bis 14000 Mann an, auch gingen 27 Fahnen verloren. Der Verlust der Oestreicher betrug nach Gaudi 16000 Mann, incl. 7000 Gefangene, unter diesen 4 Generale, 13 Stabsund 202 Subalternofficiere, unter den Todten befanden sich 2 Generale und 9 Stabsofficiere. Der Feldmarschall Daun ward verwundet. Sie verloren 49 Geschütze, 29 Fahnen und 1 Standarte. Nach Tempelhof hatten sie 20000 M., incl. 8000 Gefangene, 45 Kanonen und 7pfündige Haubitzen verloren. Die Oestreicher selbst gaben ihren Verlust auf 11000 Mann an.

Die Schlacht war eine der mörderischsten, und der Sieg der Preußen anfänglich sehr zweifelhaft. Der König ward von einer Kartätschkugel auf der Brust getroffen, die eine starke Kontusion verursachte, und zwei Pferde waren unter ihm erschossen worden. In dieser Krisis wurde ihm der Tod des Obersten Anhalt, den er sehr liebte 6), gemeldet, er wandte sich zu dem Grafen Anhalt, seinem Flügeladjutanten, und sagte: "Heute geht Alles schlimm. Alle meine Freunde verlassen mich, so eben meldet man mir den Tod Ihres Bruders." Endlich führte noch spät, als die Schlacht<57> schon über 6 Stunden ohne Entscheidung gewüthet hatte, der Scharfblick und die muthige Entschlossenheit Saldern's, Ziethen's und Möllendorf's durch Eroberung der Süptitzer Höhen den Sieg herbei.

Der König ging nach der Schlacht unter starker Bedeckung, die unterwegs noch ganze Comagnien und Detachements vom Feinde, die sich verirrt hatten, gefangen nahm, nach dem Dorfe Elsnig, und da hier schon alle Häuser so voll von Verwundeten waren, daß der König kein Unterkommen finden konnte, so ließ er sich die Kirche aufschließen, wo er dann, weil es noch ungewiß war, ob nicht der Kampf am andern Tage noch nothwendig sein dürfte, auf den Stufen des Altars die weitern Dispositionen und Anordnungen niederschrieb und an die Generale abschickte. Nachdem er nur wenige Stunden Ruhe genossen, war er am 4ten schon früh um 4 Uhr wieder bei der Armee, die ihr Lager auf dem Schlachtfelde genommen hatte. Hier gab er sogleich den Befehl, daß alle Feldscheerer der Armee sich auf das Schlachtfeld vertheilen, und ohne Unterschied Preußen und Oestreicher, die noch nicht verbunden wären, verbinden und in die nächsten Dörfer bringen sollten.

4. November 1760

Der König in Süptitz, dann in Torgau, das die Oestreicher geräumt hatten.

5. November 1760

Der König an d'Argens :

"Heute, den 5. November, lieber Marquis, erhalte ich einen Brief, den Sie mir am 25. Septbr. geschrieben haben. Sie sehen, daß unsere Correspondenz sehr regelmäßig ist. Gott! was ist seitdem vorgefallen! Wir haben die Oestreicher geschlagen; von ihnen und von uns sind außerordentlich viel Leute geblieben. Dieser Sieg verschafft uns vielleicht den Winter hindurch einige Ruhe; aber das ist auch Alles. Mit dem künftigen Jahre wird es von Neuem angehen. Ich bin von einem Schuß oben an der Brust gestreift worden; es ist aber nur eine Contusion, ein wenig Schmerz<58> ohne Gefahr. Das wird mich nicht abhalten, wie gewöhnlich thätig zu sein.

Ich bin mit einer Menge Verfügungen beschäftigt. Kurz, ich werde diesen Feldzug so gut als möglich endigen; und das ist Alles, was man von mir fodern kann. Uebrigens bleibt meine Art zu denken so, wie ich sie Ihnen vor acht Tagen zu erkennen gab. Leben Sie wohl, lieber Marquis, vergessen Sie mich nicht und sein Sie von meiner Freundschaft überzeugt."

6. November 1760

Der König in Cavertitz.

7. November 1760

In Muschwitz.

8. November 1760

In Meissen. (Der Verf. des Tagebuches eines Pr. Officiers von der Königl. Armee im Jahr 1760, Cölln a. R. 1781, p. 88 sagt: "Den 15ten nahm der König sein Hauptq. in Neustadt, den 27sten brach der König von Neustadt auf und ging nach Meissen "). (?)

10. November 1760

Der König an d'Argens (aus Meissen). "Aus dem Briefe, den ich Ihnen aus Torgau schrieb, müssen Sie jetzt Alles wissen, was mich betrifft. Sie werden daraus gesehen haben, daß meine Contusion nicht gefährlich war. Die Kugel hatte einen Theil ihrer Kraft verloren, weil sie einen dichten Pelz und ein sammtnes Kleid, das ich trug, durchdringen mußte, und so konnte das Brustbein ihrer Gewalt widerstehen. Indeß versichere ich Sie, daß ich daran am wenigsten dachte, da Sieg oder Tod mein einziger Gedanke war.

Ich habe die Oestreicher bis an die Thore von Dresden getrieben. Da stehen sie nun in ihrem Lager von, vorigen Jahre, und sie aus dem zu verdrängen, dazu reicht alle meine Geschicklichkeit nicht hin. etc.

In der That, das ist eine traurige Aussicht und ein geringer Gewinn für die unermeßlichen Beschwerden und Gefahren dieses Feldzugs. Mitten unter so vielen Widerwärtigkeiten habe ich keinen Beistand, als meine Philosophie; sie<59> ist ein Stab, auf den ich mich stütze, und mein einziger Trost in diesen unruhigen Zeiten, wo Alles zerrüttet wird.

Sie sehen, lieber Marquis, daß mich mein Glück nicht aufbläht. Ich stelle Ihnen die Umstände genau so vor, wie sie sind. Vielleicht denkt die Welt anders und läßt sich von dem Glanze blenden, den ein Sieg immer von sich strahlt.

Beneidet sind wir fern; doch hier — hier seufzen wir.

Dies geschieht öfters, als man es sich vorstellt, das können Sie gewiß glauben. Um die Umstände gehörig zu beurtheilen, muß man sie in der Nähe sehen. Wie ich es auch anfangen mag, ich erliege unter der Menge meiner Feinde. Darin besteht mein Unglück, und das ist die eigentliche Ursach von so vielen Unglücksfällen und Widerwärtigkeiten, die ich nicht habe vermeiden können. etc.

Mit dem Prinzen Ferdinand geht es schlecht, ich fürchte, die Franzosen werden die Vortheile, die sie in diesem Feldzuge über ihn erhalten haben, den Winter hindurch behaupten. Kurz, es ist um mich her so schwarz, als wenn ich tief im Grabe läge. Haben Sie einiges Mitleid mit meiner Lage. Ich verhehle Ihnen nichts, entdecke Ihnen aber meine Verlegenheiten, meine Besorgnisse, meinen Kummer noch nicht in ihrem ganzen Umfange.

Leben Sie wohl, lieber Marquis, schreiben Sie mir bisweilen und vergessen Sie einen armen Teufel nicht, der täglich zehnmal sein unglückliches Dasein verflucht und schon in den Gegenden zu sein wünscht, aus denen Niemand mit Nachrichten zurückkommt."

11. November 1760

Der König in Neustadt (bei Meissen) an Frau von Camas 7):

"Ich bin pünktlich, Ihnen zu antworten, und eile, Sie zufrieden zu stellen. Es ist doch sonderbar, wie das Alter sich einfindet! Seit vier Jahren habe ich darauf verzichtet, zu Nacht zu speisen, weil dies mit dem Handwerk, welches ich zu treiben genöthigt bin, unverträglich ist, und an den Tagen, wo ich auf dem Marsche bin, besteht mein Mittags<60>mahl in einer Tasse Chocolade. Ganz von unsern Siegen aufgeblasen sind wir wie toll und besessen hingelaufen, um die Oestreicher aus Dresden zu verjagen. Aber von ihren Bergen herab haben sie uns zum Narren gehabt. Da habe ich denn wie ein echter Fibelschütze flink wieder linksum gemacht, und vor Bosheit mich in eins der vermaledeiten Dörfer Sachsens verkrochen. Jetzt kommt es darauf an, aus Freiberg und Chemnitz die saubern Herren Kreiseler zu vertreiben, damit wir Brod und Obdach bekommen.

Es ist, Sie können es mir wahrlich glauben, ein rechtes Hundeleben, wie, außer Don Ouixote und mir, noch keine Seele dergleichen geführt hat. Alle die Plackereien, die kein Ende nehmen, haben mich dermaßen alt gemacht, daß Sie Mühe haben werden, mich wieder zu erkennen. An der rechten Seite meines Schädels sind mir alle Haare grau geworden; meine Zähne zerbröckeln und fallen mir aus; mein Gesicht ist gerunzelt, wie das Falbala eines Weiberrocks, mein Rücken gewölbt, wie der eines Mönchs von La Trappe. Das Alles kündige ich Ihnen deshalb an, damit, wenn wir uns ja einmal in Fleisch und Bein wieder sehen sollten, meine Figur Sie nicht zu widrig überrascht. Nichts als mein Herz bleibt mir übrig, welches keineswegs verändert ist, und welches, so lange ich athmen werde, die Gefühle der zärtlichsten Achtung und Freundschaft für mein Herzensmütterchen bewahren wird. Leben Sie wohl."

16. November 1760

Der König in Unkersdorf. An d'Argens :

- etc. - "Wir sind genöthigt, uns Grenzen zu machen, das heißt : wir verheeren Striche Landes, um den Feind zu verhindern, daß er uns in den Winterquartieren nicht beunruhigen kann. etc. — Urtheilen Sie nun von den Beschwerden und Unannehmlichkeiten, die ich erdulde, denken Sie Sich meine Verlegenheit, wenn ich Ihnen sage, daß ich den Unterhalt und den Sold meiner Armee durch allerlei Kunstgriffe anzuschaffen gezwungen bin. Außerdem habe ich nicht die<61> mindeste Gesellschaft, bin aller Personen, die ich liebte, beraubt, muß mir selbst Alles sein, und die sämtlichen Augenblicke meines Lebens zwischen fruchtloser Arbeit und tausend Besorgnissen theilen.

Sehen Sie da ein Gemälde, das nicht schmeichelt, wohl aber die Umstände und meine unangenehme Lage treu schildert. Wie sehr ist es verschieden, ob man diese Gegenstände aus einem weiten Abstande und durch ein täuschendes, verschönerndes Glas ansieht, oder ob man sie ganz in ihrer nahen Gestalt und ohne den falschen Glanz untersucht, der sie schmückt! Eitelkeit der Eitelkeiten! auch die Schlachten sind eitel. Ich schließe mit dieser Sentenz des Weisen, die Alles umfaßt und Betrachtungen enthält, die alle Menschen machen sollten und nur zu wenige machen. etc."

18. November 1760

Der König in Neustadt (bei Meissen).

24. November 1760

Der König an von Catt (aus Neustadt) :

"Sie sind zu einer Zeit nach Berlin gekommen, wo Sie nur traurige Spuren von Dem finden werden, was die Stadt ehemals war. — etc. — Sein Sie doch so gut, dem kleinen Beausobre zu sagen, daß er mir einen vollständigen Cicero, einen Xenophon, eine gute Logik aus dem Port-Royal, Voltaires Pücelle und seinen Pauvre diable schicken soll. Ich erwarte Sie in Meissen, mein Lieber. Die Arbeiten, die man dort macht, gleichen an Zerbrechlichkeit dem Glücke der Menschen! Ich beschäftige mich hier mit Anstalten zu meinen Winterquartieren. etc."

24. November 1760

Der König an d'Argens 61-+ :

"Sie halten meinen Geist bei weitem für sorgenfreier, lie<62>der Marquis, als er ist. Ich bin hier von Geschäften überhäuft, und es ist nicht so leicht, meinen Feldzug zu endigen, als Sie Sich einbilden. Die Kriegssteuern der Berliner werden von meinem Glück oder meinem Verlust abhängen. Bin ich glücklich, fo bezahlt Berlin keinen Pfennig; ist mir Fortuna zuwider, wie bisher, so werde ich auf ein Mittel sinnen, dem Volke Erleichterung zu verschaffen. Das ist Alles, was ich Ihnen sagen kann.

Welchen Anstrich Sie den schwarzen Unternehmungen unserer Feinde und den Trübsalen meines Vaterlandes auch geden wollen, so müssen Sie doch nicht denken, ich sähe nicht deutlich durch die Wolken, mit denen Sie das wesentliche und lastende Unglück zu verhüllen glauben. Das Ende meiner Tage wird mir verbittert, und mein Abend ist eben so unglücklich, als meine Morgenröthe. — etc. — Ich mag thun was ich will, fo sehe ich bei der Menge meiner Feinde voraus, daß ich auf der einen Seite unterliegen werde, wenn ich ja auf der andern Widerstand leiste. Ich habe weder Hülfe, noch Diversion, noch Frieden, kurz, Nichts in der Welt zu hoffen. Sie werden mir also zugeben, daß ein kluger Mann, der eine gewisse Zeit wider das Unglück gekämpft hat, seinem Gestirn nicht hartnäckig entgegen streben muß, und daß der muthige, entschlossene Mann kürzere und ehrenvollere Mittel hat, sich aus der Noth zu helfen.

Den armen Gotskowsky schicke ich beinah so wieder weg, wie er gekommen ist, ich kann nicht eher etwas bestimmen, als binnen hier und 14 Tagen. Erst muß ich den Feldzug auf irgend eine Art endigen. Diese Frist habe ich mir festgesetzt, und, wie Sie sehen, wird ein Theil des Schicksals, das uns die Zukunft verbirgt, davon abhängen. etc."

27. November 1760

Der König an Frau von Camas :

"Sie sehen, mein liebes Mütterchen, mit welcher Tätigkeit Sie bedient werden. Hier erhalten Sie Ihren Tabak. Wir richten uns hier, zu unsern Winterquartieren ein. Noch<63> habe ich eine kleine Geschäftsreise zu machen, und dann eile ich, die Ruhe, wenn sie dort zu finden ist, in Leipzig aufzusuchen. Für mich bleibt es jedoch bloß ein metaphysisches Wort, ohne alle Wirklichkeit. Unter uns gesagt, mein liebes Mütterchen, das Leben, welches wir hier führen, ist ein Hundeleben; allein man muß zum bösen Spiele gute Miene machen. Leben Sie wohl, meine Herzensgute, und vergessen Sie mich nicht. Sie würden daran sehr unrecht thun, denn Niemand liebt und schätzt Sie inniger, als Ihr Friedrich."


61-+ Diesr Brief ist datirt: "Wittenberg, den 24sten" (November) 1760. Der Name des Orts ist wohl unstreitig falsch, vielleicht auch das Datum, wenigstens ergiebt sich aus Gotskowsky's Lebensgeschichte, daß er am 25. November noch in Berlin und noch nicht zum König gereiset war. G. sollte nämlich wegen Herbeischaffung der von Berlin noch zu bezahlenden Contribution Verhaltungsbefehle etc. einholen.