<194> hervorquellen, und alles schrie laut über das Wunder1. Dieser Betrug war zu grob. Man wußte, daß es Rinderblut war, das die Wirtin dort ausgegossen hatte. Solche Wunder verfehlten ihren Eindruck auf die Volksseele nicht. Aber damit nicht genug; die römische Kurie, die stets bestrebt war, im Schatten der Altäre ihre Herrschaft auszudehnen, ließ kein Mittel unbenutzt, das sie zu ihrem Ziele führen konnte.

Im dreizehnten Jahrhundert entstanden die meisten religiösen Orden. Der Papst gründete in Deutschland und in Brandenburg, so viele er konnte, angeblich, um die Geister im Christentum zu befestigen. Kopfhänger, Faulenzer, Müßiggänger und alle Arten von Leuten, die in der Welt ehrlos geworden waren, flüchteten in die geweihten Zufluchtsstätten. Sie raubten dem Staat Untertanen, indem sie sich von der Gesellschaft absonderten und auf die Verheißung verzichteten, die Gott unseren Stammeltern gegeben hat. Dafür fielen sie den Mitbürgern zur Last, da sie von Almosen lebten oder ungerechtes Gut erwarben. Obgleich diese Einrichtung den Interessen der Gesellschaft wie des Staates gleich zuwiderlief, führte der Papst sie in ganz Europa ein. Damit schuf er sich ohne jeden Widerstand ein mächtiges Priesterheer auf Kosten aller weltlichen Fürsten und unterhielt große Besatzungen in Ländern, über die er keinerlei Oberhoheit besaß. Aber zu jener Zeit waren die Völker verdummt, die Fürsten schwach, und so triumphierte die Religion.

Nachdem nunmehr das Christentum tiefe Wurzeln geschlagen hatte, brachte es Fanatiker jeder Art hervor. Im Jahre 1351 wütete die Pest in Brandenburg. Das war Anlaß genug, daß der Aberglaube alle Grenzen überstieg. Um den Zorn des Himmels zu besänftigen, taufte man Juden mit Gewalt und verbrannte andere, veranstaltete Prozessionen, tat Gelübde vor wundertätigen Bildern. Schließlich brachte die durch so viel tolle und bizarre Einfälle erhitzte Einbildungskraft den Flagellantenorden hervor2. Das waren trübsinnige, gallige Christen, die sich in öffentlichen Aufzügen mit drahtdurchflochtenen Ruten geißelten. Vor solch fanatischen Greueln entsetzte sich selbst der Papst und verbot den Orden und seine Verirrungen.

Man lenkte das Verehrungsbedürfnis der Menge auf mildere Dinge. Papst Johann XXII. errichtete in Brandenburg Ablaßkanzleien. Die Augustiner verkauften Ablässe und schickten den Erlös nach Rom.

Die Wunder wurden schließlich so häufig, daß, wie die Geschichtsschreiber berichten, im Jahre 1501 ein Regen von roten und weißen Kreuzen auf alle Vorübergehenden herabfiel. Man fand solche Kreuze selbst im Brot, was als Vorzeichen eines großen Unglücks angesehen wurde3.


1 Anmerkung des Königs: „1249. Brandenburger Annalen.“ Doch liegt eine Verwechslung mit dem heiligen Blut von Zehdenick vor. Ein ähnlicher Vorgang spielte sich nach Angelus 1247 in Belitz ab.

2 Anmerkung des Königs: „Cramer, Baronius, Lockelius.“ Daniel Cramer († 1637), Pastor in Stettin, verfaßte eine pommersche Kirchenchronik, Cäsar Baronius († 1607) die „Annales eclesiastici“.

3 Anmerkung des Königs: „Lockelius; Brandenburger Annalen.“