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Drittens wird man sehen, daß der mit Frankreich geschlossene Vertrag, dessen Präliminarien ohne Bestätigung des Reichs unterzeichnet wurden (1735), gegen Artikel VI der kaiserlichen Kapitulation verstößt.

Viertens hat der Kaiser gegen Artikel X seiner Kapitulation gesündigt, indem er das Herzogtum Lothringen, ein Reichslehen, veräußert hat, das nach den Grundgesetzen des Reiches ohne ausdrückliche Zustimmung des Reichstages und der Reichsstände nicht vom Reichskörper getrennt und veräußert werden durfte.

Schließlich könnte man dem Kaiser noch vorwerfen, daß er den Türken den Krieg erklärt und dafür vom Reich Subsidien gefordert hat1. Doch das würde mich zu tief in Einzelheiten führen, zumal ich noch einige wichtigere Betrachtungen anzustellen habe.

Wir haben bis jetzt die Ursachen aus ihren Wirkungen beurteilt. Es bleibt uns noch ein Urteil über die vorauszusehenden Ereignisse, deren Ursachen wir durchschauen können.

Es handelt sich nicht einfach darum, die Geheimnisse der Politik zu ergründen und den profanen Blick in das Heiligtum der Minister dringen zu lassen. Man muß auch die verschiedenen Wege beachten, die die Minister einschlagen, um ihr Ziel zu erreichen. Nichts läßt den Charakter der Höfe besser erkennen als der Einblick in die verschiedenen Methoden, mit denen ihre Staatskunst den gleichen Gegenstand behandelt. Ihre Leidenschaften, Listen und Ränke, ihre Laster und guten Eigenschaften — alles tritt dabei zutage.

Um die kaiserlichen und die französischen Minister recht zu beurteilen, wollen wir eine Parallele zwischen ihnen ziehen und zunächst betrachten, welche verschiedenen Wege sie in der polnischen Frage einschlugen. Das ist ein Sittenspiegel, der für große Männer, die ihn zu gebrauchen wissen, von nicht geringem Nutzen sein wird.

Gemäß seinem Bündnis mit Rußland mußte der Kaiser die polnische Krone dem Kurfürsten August von Sachsen aufsetzen. Um das zu erreichen, fiel ihm kein besseres Mittel ein als die Anwendung von Gewalt. Seine Heere standen an der polnischen Grenze, indes die Russen ins Gebiet der Republik Polen einfielen und bis dicht vor Warschau rückten. So wußte man in Wien also nichts Besseres als Gewalttat, um August die Bahn zum Thron der Sarmaten freizumachen.

Das französische Ministerium war humaner, aber auch schlauer. Es dachte anders und benutzte nur die Macht eines verführerischeren Metalles, um Stanislaus zur Krone zu verhelfen. Der kaiserliche Gesandte in Warschau brach in Drohungen aus, der französische wandte nur schmeichelnde Worte und Artigkeiten an. Jener wollte die Geister einschüchtern, dieser sie durch Sanftmut bestricken. Jener fiel wie ein wütender Löwe über seine Beute her, dieser bezauberte alle, die ihm nahten, mit


1 Vgl. S. 158 ff.