<33> Heimfallrecht, das das Haus Sachsen besaß, kam noch die Ehe des Kurfürsten Johann Friedrich mit der Prinzessin Sibylle, einer Tante des Verstorbenen.

Maria Eleonore, die Gattin Albrecht Friedrichs von Preußen, stützte ihren Rechtsanspruch auf den Ehevertrag vom Jahre 1572. Dieser bestimmte ausdrücklich: wenn ihr Bruder kinderlos stürbe, sollte sie und ihre Nachkommenschaft die sechs Herzogtümer erben, kraft der Grundgesetze von 1418 und 1496, durch die den ältesten Töchtern das Nachfolgerecht zugesprochen wird. Der Herzog von Preußen verpflichtete sich, 200 000 Goldgulden an die Schwestern seiner Frau auszuzahlen und damit deren sämtliche Ansprüche zu erledigen.

Wäre Maria Eleonore beim Tod ihres Bruders noch am Leben gewesen1, so wäre höchstwahrscheinlich gar kein Streit entstanden. Da sie aber damals bereits gestorben war, trat ihre Tochter Anna, die Gemahlin des Kurfürsten Johann Sigismund, in die Rechte Maria Eeonorens ein. Die Erbschaft mußte also an sie fallen, weil sie die Mutter vertrat. Das war der Kernpunkt des Streites.

Die Ansprüche der Pfalzgräfin Anna von Neuburg gründeten sich darauf, daß die Rechte ihrer Schwester Maria Eleonore durch deren Tod an sie übergingen. Sie berief sich auf die Tatsache, daß sie nunmehr die älteste der Schwestern und eine nähere Verwandte des Verewigten sei als seine Nichte Anna von Brandenburg. Diesen Gründen standen nur die Familiengesetze und Maria Eleonorens Ehevertrag entgegen.

Die beiden jüngsten Schwestern des Herzogs Johann Wilhelm forderten nicht das ganze Erbe, sondern beantragten bloß die Aufteilung.

Null und nichtig war jeder Anspruch der drei jüngeren Schwestern dadurch, daß sie in ihren Eheverträgen einen Verzicht auf all ihre Rechte ausgesprochen hatten, für den Fall, daß ihre älteste Schwester Kinder hatte.

Kurfürst Johann Sigismund und Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg kamen überein, unter Vorbehalt der beiderseitigen Rechte die strittige Erbschaft in Besitz zu nehmen. Kaiser Rudolf, der die Gebiete unter dem Vorwand der Sequestrierung an sich bringen wollte, förderte beider Zusammengehen. Erzherzog Leopold war in der Tat drauf und dran, sich der Hinterlassenschaft zu bemächtigen2, da stellten sich die protestantischen Fürsten dem entgegen und schlossen den berühmten Bund, der den Namen Union erhielt. Johann Sigismund trat als einer der ersten bei. Um ein Gegengewicht gegen die Union zu schaffen, gingen die katholischen Fürsten zu Würzburg eine ähnliche Verbindung ein, die man die Liga nannte. Dem Kurfürsten waren die Holländer günstig gesinnt; sie fürchteten die kaiserliche Sequestrierung. Dem Pfalzgrafen von Neuburg wollte König Heinrich IV. von Frankreich beistehen: als er sich aber anschickte, ihm zu Hilfe zu kommen, wurde er von Ravaillac ermordet (1610)3.


1 Maria Eleonore starb 1608, ein Jahr vor ihrem Bruder, Herzog Johann Wilhelm von Kleve.

2 Erzherzog Leopold V. von Österreich, Bischof von Passau und Straßburg, war vom Kaiser Rudolf II. zum Vollstrecker der bewaffneten Sequestration bestellt.

3 Anmerkung des Königs: „Vgl. Gullys Denkwürdigkeiten.“