<17> ausnutzen muß; aber es gibt auch andre, wo die Klugheit uns gebietet, untätig zu bleiben. Dieser Gegenstand verdient das tiefste Nachdenken; denn man muß nicht nur die Sachlage gründlich prüfen, sondern auch alle Folgen einer Unternehmung voraussehen; man muß die eignen Mittel gegen die seiner Feinde abwägen, um zu beurteilen, wohin das Übergewicht geht. Entscheidet hier nicht der Verstand allein und mischt sich Leidenschaft darein, so kann eine solche Unternehmung unmöglich von Erfolg gekrönt werden. Die Staatskunst erfordert Geduld, und der geschickte Mann muß seine Meisterschaft darin suchen, stets zur rechten und gelegenen Zeit zu handeln. Die Geschichte liefert uns nur zu viele Beispiele von leichtsinnig unternommenen Kriegen. Man braucht sich nur an das Leben Franz l. zu erinnern und an den von Brantôme berichteten Anlaß zu dem unglücklichen Feldzuge in der Lombardei, der mit der Gefangennahme des Königs bei Pavia endete1. Man braucht nur zu sehen, wie wenig Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg die gute Gelegenheit ausnutzte, Deutschland zu unterjochen. Man braucht nur die Geschichte des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zu betrachten, um einzusehen, wie übereilt er sich in eine Unternehmung einließ, die über seine Kräfte ging2. Und aus unserer neuesten Zeit erinnere ich an Maximilian von Bayern3, der im Erbfolgekriege, als sein Land von den Verbündeten gleichsam eingeschlossen war, auf die Seite der Franzosen trat und dadurch seine Staaten verlor. In noch neuerer Zeit gibt uns König Karl XII. von Schweden einen noch schlagenderen Beweis für die schlimmen Folgen, die Eigensinn und falsche Entschlüsse der Fürsten über die Untertanen bringen. Die Geschichte ist die Schule der Herrscher: sie müssen aus den Fehlern der vergangenen Jahrhunderte lernen, um sie zu vermeiden und einzusehen, daß man sich ein System entwerfen und es Schritt für Schritt befolgen muß, und daß allein der, welcher seine Schritte am richtigsten berechnet hat, denen überlegen sein kann, die weniger planmäßig verfahren als er.


1 1525. Gemeint sind „Die Lebensbeschreibungen französischer und fremder berühmter Männer und großer Feldherren“ von Pierre de Bourdeilles, Seigneur de Brantôme († 1614).

2 Friedrich V. ließ sich 1620 zum König von Böhmen krönen; sein Unternehmen scheiterte durch die Niederlage in der Schlacht am Weißen Berge.

3 Kurfürst Maximilian II. Emanuel der im Spanischen Erbfolgekrieg an Frankreichs Seite focht.