<92> Machthaber, die es selbst eingesetzt hatte, nach seinem Belieben zu schalten. Damit wäre die römische Staatskunst aus den glänzendsten Zeiten der Republik erneuert worden.

Das französische Projekt war unvereinbar mit der deutschen Freiheit und ganz und gar nicht im Sinne des Königs, der für die Machtstellung seines Hauses arbeitete und nicht daran dachte, seine Truppen zu opfern, um sich Nebenbuhler zu schaffen und großzuziehen. Hätte er sich zum knechtischen Werkzeuge der französischen Politik gebrauchen lassen, so hätte er sich selbst sein Joch geschmiedet. Er hätte alles für Frankreich getan und nichts für sich. Vielleicht wäre es Ludwig XV. dann gelungen, den Traum jenes Weltreiches zu verwirklichen, den man Karl V. zuschreibt. Ja, um ehrlich zu sein: allzu große Erfolge der Franzosen hätten den König in völlige Abhängigkeit von ihnen gebracht, und er mußte sich deshalb hüten, ihre Operationen zu eifrig zu unterstützen. Aus einem Verbündeten wäre er zum Untergebenen geworden. Man hätte ihn weiter fortgerissen, als er wollte, und er hätte jedem Wunsche Frankreichs nachkommen müssen, weil er selbst zum Widerstande zu schwach war und ihm Bundesgenossen gefehlt hätten, die ihn aus der Knechtschaft befreiten.

So erschien es für den König als ein Gebot der Klugheit, seine Kriegführung so einzurichten, daß er eine Art Gleichgewicht zwischen den Häusern Österreich und Bourbon herstellte. Die Königin von Ungarn stand am Rande des Abgrundes. Ein Waffenstillstand erlaubte ihr aufzuatmen. Der König war aber sicher, ihn brechen zu können, sobald er es für angezeigt hielt; denn der Wiener Hof wurde durch seine Politik dazu gedrängt, das Geheimnis bekanntzumachen. Und endlich — was den König am meisten rechtfertigt — hatte er die geheimen Beziehungen entdeckt, die Kardinal Fleury mit Stainville, dem Gesandten des Großherzogs von Toskana zu Paris, unterhielt. Er wußte, daß der Kardinal durchaus geneigt war, Frankreichs Verbündete aufzuopfern, falls der Wiener Hof ihm Luxemburg und einen Teil von Brabant anbieten sollte. Es galt also, geschickt zu handeln und sich vor allem nicht von einem alten Politiker überlisten zu lassen, der im letzten Kriege mit mehr als einem gekrönten Haupte sein Spiel getrieben hatte.

Die Ereignisse sollten den vom König vorausgesehenen Mangel an Verschwiegenheit des Wiener Hofes bald rechtfertigen. Österreich machte den angeblichen Vertrag mit Preußen allenthalben bekannt: in Sachsen, in Bayern, in Frankfurt am Main und wo es sonst seine Sendlinge hatte. Graf Podewils, der Minister des Auswärtigen, war vom König beauftragt worden, bei seiner Rückkehr aus Schlesien über Dresden zu reisen, um den Hof auszuforschen, der stets viel Eifersucht und Übelwollen gegen alles, was Preußen betraf, gezeigt hatte. Er fand in Dresden den Marschall Belle-Isle vor, wutentbrannt über das, was er von einem gewissen Koch1, einem Werkzeug des Wiener Hofes, erfahren hatte. Koch hatte dem Marschall Frie-


1 Ignaz von Koch, Privatsekretär Maria Theresias.