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Ich habe mir nur den einen Vorwurf zu machen, daß ich mich nicht selbst auf den äußersten linken Flügel begab, um das Gelände zu rekognoszieren. Es dehnte sich weiter aus, als man mir angegeben hatte. Unglücklicherweise wurde meine ganze Infanterie gegen meinen Befehl in kürzester Frist mit dem Feinde handgemein, und meine Kavallerie gehorchte den Generalen nicht, die sie auf den linken Flügel werfen wollten. Eine Fülle unberechenbarer Ursachen trat hinzu. Da meine gesamte Infanterie des ersten Treffens zur Unzeit ins Gefecht kam, wurde auch das zweite Treffen sofort mit hineingezogen, und ich hatte nicht mehr ein Bataillon übrig, um den Angriff des linken Flügels zu unterstützen. Er hatte bereits drei Stellungen erobert und siebenmal hintereinander frische Truppen, die man ihnen entgegenwarf, angegriffen. Vier frische Bataillone hätten die Schlacht gewonnen: war doch der rechte feindliche Flügel gänzlich geschlagen. Es fehlte also nur wenig, und die Schlacht wäre völlig nach Wunsch verlaufen. Die Niederlage des rechten Flügels zwang mich, gegen 9 Uhr zurückzugehen. Die Armee marschierte nach Nimburg. Sie hatte 10 000 Mann der besten Infanterie verloren und war daher zu schwach, um die Stellung von Planjan zu halten.

Da sich nun kein Beobachtungskorps mehr zwischen der Daunschen Armee und den Blockadetruppen von Prag befand, so mußte die Belagerung aufgehoben werden. Ich eilte dorthin, und am 20. marschierte ich unter klingendem Spiel mit allen Truppen, die vor der Neustadt standen, nach Brandeis, ohne daß die Belagerten mir zu folgen wagten. Auf dem Rückmarsch wurde Feldmarschall Keith von der Festungsartillerie beschossen. Ich ließ die Stellung von Alt-Bunzlau besetzen und marschierte nach Neu-Lysa, indem ich Alt-Bunzlau eine Meile zur Rechten und Nimburg eine Meile zur Linken ließ. Feldmarschall Keith wurde nach Minkowitz geschickt.

Die Zeitumstände zwangen mich zur Bildung von zwei Armeen. Die eine sollte den Österreichern entgegentreten und einen Verteidigungskrieg zur Deckung der Lausitz und Schlesiens führen. Die zweite sollte Sachsen decken und gleichzeitig den Franzosen, die in Westfalen standen, dem Korps unter dem Prinzen von Goubise, den Reichstruppen und den Schweden entgegentreten, die Pommern mit einem Einfall bedrohten. Diese Aufgabe übernahm ich selbst, weil ich sie für die schwierigste hielt. Den Oberbefehl der ersten Armee, die die Lausitz decken sollte, übertrug ich meinem Bruder1 und gab ihm zur Unterstützung die besten Generale. Mein Bruder besitzt Geist, Kenntnisse und das beste Herz von der Welt, aber keine Entschlußfähigkeit. Er ist viel zu zaghaft und hat eine Abneigung gegen herzhafte Entschlüsse.

Ich setzte mich in Marsch, um mich mit Feldmarschall Keith zu vereinigen. Ich glaubte ihn bei Welwarn und fand ihn in Leitmeritz eingekeilt. Dort im Lager ergriff ich die nötigen Maßnahmen, um mich im voraus aller Pässe und Übergänge nach Sachsen zu bemächtigen. Nun lagerte sich Nadasdy mit 10 000 Mann bei Gastorf. Ich hatte 3 000 bis 4 000 Mann leichter Truppen rechts und links auf den


1 Für den Feldzug des Prinzen August Wilhelm vgl. S. 82 ff.