III
Die dritte Anfrage177-3

Erlaß des Königs an den Geheimen Kriegsrat von Klinggräffen in Wien

Potsdam, 26. August 1756.

Gestern abend erhielt ich Euren letzten Kurier mit der Antwort, die der Wiener Hof Euch auf die zweite, von ihm geforderte Erklärung ausgefertigt hat. Dies sonderbare Schriftstück kann eigentlich nicht als Antwort bezeichnet werden; denn man berührt und beantwortet darin mit keinem Sterbenswörtchen die von mir gestellte Hauptfrage, ob die Kaiserin-Königin mir zum Zweck der Erhaltung des<178> Friedens und der öffentlichen Ruhe versprechen will, mich weder in diesem noch im nächsten Jahre anzugreifen.

Da die Antwort also völlig unzureichend ist und auf den Hauptpunkt der Frage nicht eingeht, so ist es mein Wille, daß Ihr zum drittenmal vorstellig werdet und der Kaiserin-Königin mündlich oder schriftlich, wie man es von Euch verlangt, folgende Erklärung abgebt. Aus dem Inhalt ihrer letzten Antwort ersähe ich allerdings deutlich den bösen Willen, den der Wiener Hof gegen mich hege, und es bliebe mir infolgedessen nichts andres übrig, als die nötigen Maßregeln zu meiner Sicherheit zu treffen. Wolle die Kaiserin-Königin mir indes noch jetzt die positive Versicherung geben und mir ausdrücklich erklären, daß sie mich weder in diesem noch im nächsten Jahre anzugreifen gedenke, so würde ich umgehend meine Truppen zurückziehen und alles wieder in den gehörigen Zustand bringen.

Über diesen letzten Punkt werdet Ihr eine kategorische Antwort fordern und sie mir ohne den geringsten Verzug durch einen besonderen Kurier zusenden. Fällt diese Antwort ebenso unbefriedigend aus wie die vorhergehenden, oder schlägt man sie überhaupt ab, so werdet Ihr in diesen beiden Fällen dem Grafen Kaunitz einen höflichen und angemessenen Brief schreiben, worin Ihr erklärt: Da die Dinge so weit gekommen seien, daß Eure Anwesenheit überflüssig werde, so bleibe Euch nichts weiter übrig, als den Wiener Hof zu verlassen. Es wäre Euch sehr schmerzlich, daß Ihr Euch unter den obwaltenden Umständen von Ihren Majestäten nicht mehr verabschieden könntet. Danach werdet Ihr so schleunig wie möglich abreisen, nachdem Ihr Eure Archive gemäß den Euch früher zugegangenen Befehlen in Sicherheit gebracht habt....

P.S.

Da ich keine Sicherheit mehr für die Gegenwart noch für die Zukunft habe, so bleibt mir nur der Weg der Waffen übrig, um die Anschläge meiner Feinde zu vereiteln. Ich marschiere178-1 und gedenke, binnen kurzem Die, die sich jetzt durch ihren Stolz und Hochmut verblenden lassen, anderen Sinnes zu machen. Aber ich bewahre doch so viel Selbstbeherrschung und Mäßigung, um Ausgleichsvorschläge anzuhören, sobald mir solche gemacht werden. Denn ich hege weder ehrgeizige Pläne noch begehrliche Wünsche. Ich treffe nur gerechtfertigte Vorkehrungen zur Wahrung meiner Sicherheit und Unabhängigkeit178-2.


177-3 Trotz der unbefriedigenden österreichischen Antwort auf die zweite Anfrage (vgl. dafür S. 183 f.) entschloß sich der König zu einer dritten, da er nach einer ihm zugegangenen Nachricht Grund zu der Annahme zu haben glaubte, daß ein Teil der Antwort Maria Theresias von Kaunitz unterschlagen sei. Dazu kam die Hoffnung auf einen Umschlag der Stimmung in Rußland (vgl. S. 167 Anm. 1). Nur das Postskriptum des Erlasses vom 26. August an Klinggräffen ist eigenhändig vom König verfaßt.

178-1 In der Frühe des 28. August 1756 brach der König an der Spitze der Potsdamer Garnison von Potsdam auf.

178-2 Am 11. September 1756 traf die österreichische Antwort auf das preußische Ultimatum beim König ein. Maria Theresia lehnte darin jede weitere Erklärung ab.