<127> flugs in das Dorf führte, wo er den Major samt fünf Fahnen aufhob1. So sehr trifft es zu, daß ein Offizier nie genug auf seiner Hut sein kann, um sich vor Überfällen zu sichern. Etwas ähnliches passierte wenige Monate vorher2 dem Regiment Thadden in Schlesien, als es im Dorfe Dittersbach bei Schmiedeberg kantonnierte. Die Husaren machten einen Scheinangriff auf einen Vorposten des Regiments, während ein anderer Trupp durch einen Garten und eine Scheune in das Haus des Kommandeurs drang und drei Fahnen raubte. Er wurde jedoch vertrieben, bevor er der anderen habhaft wurde. Solche Vorkommnisse gereichen dem preußischen Dienst nicht zur Ehre, aber bei der großen Menge von Offizieren, die zu einer Armee gehören, können nicht alle gleich tüchtig und wachsam sein.

Während der Krieg ohne Rücksicht auf die Jahreszeit weiterging, kehrte der Kurier, den der König mit seinem Ultimatum abgesandt hatte, aus Petersburg zurück, und da beide Höfe über die darin aufgestellten Artikel einig waren, schickte Fürst Repnin es an Breteuil nach Wien. Der Botschafter meldete, das Schriftstück habe bei der Kaiserin-Königin großen Beifall gefunden, und man gedenke einen Kongreß zu veranstalten, um die letzte Hand an das Friedenswerk zu legen.

Sollte die Nachwelt es für möglich halten, daß unter diesen Umständen, wo selbst der Wiener Hof offenbar ernstlich an die Beendigung des Krieges dachte, ein General Wallis3 mit 8 000 bis 10 000 Mann plötzlich vor Neustadt erschien, wo das Regiment Prinz von Preußen und das Grenadierbataillon Preuß im Quartier lagen? Da der Feind die Stadt nicht nehmen konnte, beschoß er sie mit etwa 20 Haubitzen, die er mit sich führte, und warf so viel Granaten hinein, daß die Schindeln, womit die meisten Dächer gedeckt waren, Feuer fingen und 240 Häuser in Flammen aufgingen. Doch die Besatzung hielt stand. Als General Stutterheim von dem Vordringen der Feinde erfuhr, packte er sie bei Branitz im Rücken; die bei Roßwalde kantonnierenden Truppen fielen den Österreichern in die eine Flanke, Detachements aus Neiße in die andere. Da Wallis bei längerem Verweilen sein ganzes Korps aufs Spiel gesetzt hätte, zog er sich nach Zuckmantel zurück (28. Februar). Er wurde verfolgt und bis in seinen Schlupfwinkel zurückbegleitet. Diese Unternehmung war vom Kaiser ausgedacht und Wallis übertragen worden. Da der Kaiser den König von Preußen für leidenschaftlich und aufbrausend hielt, wähnte er ihn durch die Einäscherung einer seiner Städte so zu reizen, daß er bei den bevorstehenden Unterhandlungen widerspenstiger sein und größere Schwierigkeiten machen, ja sie womöglich aus schlechter Laune ganz abbrechen würde. Aber dies schmachvolle Unternehmen der Österreicher schlug nur zu ihrer eigenen Schande aus.


1 Überfall von Cämmerswalde, 7. Februar 1779 (vgl. Bd. VI, S. 287). Die hohe Zahl der erbeuteten Fahnen erklärt sich dadurch, daß damals jede der 5 Musketlerkompagnien des Infanteriebataillons eine Fahne hatte.

2 8. November 1778.

3 Feldmarschalleutnant Graf Ollvler Wallis.