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2. Kapitel
Finanzwesen

Die Fürsten sollen wie die Lanze Achills sein, die Wunden schlug und heilte. Tun sie den Völkern Schaden, so haben sie die Pflicht, ihn wieder gut zu machen. Sieben Kriegsjahre gegen fast alle europäischen Mächte hatten die Staatsfinanzen allmählich erschöpft. Ostpreußen, die rheinischen und westfälischen Provinzen, ebenso Ostftriesland waren, da sie nicht verteidigt werden konnten, in die Gewalt der Feinde gefallen. Ihr Verlust verursachte einen Ausfall von 3 Millionen 400 000 Talern in der Staatskasse. Auch Pommern, die Kurmark und die schlesischen Grenzgebiete waren während eines Teiles des Krieges von den Russen, Österreichern und Schweden besetzt worden, sodaß sie außerstande waren, ihre Steuern zu entrichten. Bei dieser peinlichen Lage mußte man während des Krieges seine Zuflucht zur äußersten Sparsamkeit und zur entschlossensten Tapferkeit nehmen, um ihn zu einem glück lichen Ende zu führen. Die Hilfsquellen, deren man am dringendsten bedurfte, waren die Kriegskontributionen von Sachsen, die englischen Subsidien und die Münzverschlechterung, ein ebenso gewaltsames wie schädliches Mittel, doch unter diesen Umständen das einzige, durch das der Staat sich hochhalten konnte. Diese Mittel lieferten bei großer Sparsamkeit so viel Vorschüsse in die königlichen Kassen, um die Kosten des Feldzuges und den Sold der Armee zu bezahlen.

Das war die Finanzlage, als der Hubertusburger Friede zustande kam. Die Kassen waren bei Geld, die für den nächsten Feldzug angelegten Magazine gefüllt und die Pferde für die Armee, die Artillerie und die Trains komplett und in gutem Stande. Für die Fortsetzung des Krieges bestimmt, wurden diese Mittel noch viel nützlicher zur Wiederaufrichtung der Provinzen.

Um sich einen Begriff von der allgemeinen Zerrüttung zu machen, in die das Land gestürzt war, um sich die Trostlosigkeit und Entmutigung der Untertanen vorzustellen, muß man sich völlig verheerte Landstriche vergegenwärtigen, wo sich kaum die Spuren der früheren Wohnstätten entdecken ließen, Städte, die von Grund aus zerstört, andere, die zur Hälfte in Flammen aufgegangen waren, 13 000 Häuser, die bis auf die letzte Spur vertilgt waren, nirgends bestellte Äcker, kein Korn zur Ernährung der Einwohner; 60 000 Pferde fehlten den Landleuten zur Feldarbeit, und im ganzen<57> Lande hatte sich die Bevölkerung um 500 000 Seelen gegenüber dem Jahre 1756 vermindert, was bei 4½ Millionen Seelen viel bedeutet. Adel und Bauern waren von so vielen verschiedenen Heeren ausgeplündert, gebrandschatzt und ausfouragiert, daß ihnen nur das nackte Leben blieb und elende Lumpen, um ihre Blöße zu bedecken. Kein Kredit zur Befriedigung der alltäglichsten Bedürfnisse, die die Natur erheischt; keine Polizei mehr in den Städten; statt des Rechts- und Ordnungssinnes nur noch schnöder Eigennutz und zügellose Anarchie. Die Gerichte und Finanzbehörden waren durch die häufigen Einfälle so vieler Feinde außer Tätigkeit gesetzt; das Verstummen der Gesetze zeitigte im Volke die Neigung zur Zuchtlosigkeit, und so entstand zügellose Gewinnsucht. Der Edelmann, der Kaufmann, der Pächter, der Arbeiter, der Fabrikant, alle erhöhten um die Wette den Preis ihrer Lebensmittel und Waren und schienen nur auf ihr gegenseitiges Verderben hinzuarbeiten. Das war der düstere Anblick, den so viele einst blühende Provinzen nach Beendigung des Krieges boten. So ergreifend auch die Schilderung davon sein mag, sie wird nie an den erschütternden und schmerzlichen Eindruck heranreichen, den der Anblick gewährte.

In einer so beklagenswerten Lage mußte man dem Mißgeschick mutig entgegentreten, am Staate nicht verzweifeln, sondern sich vornehmen, ihm nicht bloß wieder aufzuhelfen, sondern ihn auch zu verbessern. Eine Neuschöpfung mußte unternommen werden. Man fand in den Staatskassen Mittel zum Wiederaufbau der Städte und Dörfer. Den Vorratsmagazinen wurde das nötige Korn zur Ernährung der Bevölkerung und zur Aussaat entnommen. Die Artillerie-, Bagage- und Trainpferde wurden für den Ackerbau verwandt. Schlesien wurde für sechs Monate, Pommern und die Neumark für zwei Jahre von der Steuer befreit. 20 Millionen 389 000 Taler wurden zur Unterstützung der Provinzen und zur Abtragung der Kriegsschulden gespendet, die sie aufgenommen hatten, um die von den Feinden geforderten Auflagen zusammenzubringen. So groß diese Ausgabe war, sie war doch notwendig und unerläßlich.

Die Lage der Provinzen nach dem Huberlusburger Frieden erinnerte an die Lage Brandenburgs nach dem berüchtigten Dreißigjährigen Kriege. Damals erhielt der Staat aus Mangel an Mitteln keine Hilfe: der Große Kurfürst war außerstande, seinem Volke aufzuhelfen. Und was war die Folge davon? Ein volles Jahrhundert verstrich, ehe es seinen Nachfolgern gelang, die Verwüstungen in Stadt und Land wieder gutzumachen. Dies schlagende Beispiel, was der Staat gelitten hatte, weil die Hilfe nicht zur Zeit kam, bestimmte den König, unter so traurigen Verhältnissen nicht einen-Augenblick zu verlieren, sondern schleunige und ausreichende Hilfe zu leisten, um dem öffentlichen Notstand zu steuern. Mannigfache Spenden gaben den armen Einwohnern, die schon an ihrem Lose verzweifelten, neuen Mut. Dank den ihnen gelieferten Mitteln kehrte die Hoffnung wieder, und die Staatsbürger erwachten zu neuem Leben. Die Aufmunterung zur Arbeit rief Betriebsamkeit hervor; die Vaterlandsliebe erstarkte, und alsbald wurden alle Felder wieder bebaut, die<58> Fabriken nahmen ihre Arbeit wieder auf, und die neu geordnete Polizei beseitigte allmählich die Mißstände, die sich in der Zeit der Rechtlosigkeit eingeschlichen hatten.

Während des Krieges waren die ältesten Räte und alle Minister des Generaldirektoriums nacheinander weggestorben, und in jenen wirren Zeiten hatte man sie unmöglich ersetzen können. Es hielt schwer, neue geeignete Männer zur Leitung dieser verschiedenen Ämter zu finden. Man fahndete nach ihnen in den Provinzen, aber tüchtige Leute waren dort ebenso selten wie in der Hauptstadt. Schließlich wurden Blumenthal, Massow, Hagen und General Wedell58-1 für diese wichtigen Ämter ausgewählt; bald danach erhielt Horst58-2 das fünfte Departement.

Die ersten Zeiten der Verwaltung waren hart und verdrießlich. Bei allen Einnahmen ergaben sich Ausfälle, und doch mußten die Staatsausgaben pünktlich bezahlt werden. Obgleich die Armee nach dem Kriege durch Entlassungen auf 150 000 Mann herabgesetzt war, fiel es schwer, das nötige Geld zu ihrer Besoldung aufzutreiben. Während des Krieges hatte man sich bei allen Zahlungen, die nicht das Heer betrafen, mit Papiergeld Wolfen. Auch diese Schuld mußte abgetragen werden; sie fiel außer den übrigen Zahlungen schwer zur Last. Trotzdem erreichte es der König schon im ersten Friedensjahre, alle Staatsgläubiger zu befriedigen und keinen Heller Kriegsschulden mehr zu haben.

Doch es schien, als hätten die Verheerungen des Krieges noch nicht hingereicht, um den Staat zu zerrütten und zugrunde zu richten. Kaum war der Friede geschlossen, so stifteten zahlreiche Feuersbrünsie fast ebensoviel Schaden, wie die Feinde angerichtet hatten. Zweimal ging Königsberg in Flammen auf (1765 und 1769). In Schlesien ereilte ein gleiches Schicksal die Städte Freistadt, Ober-Glogau, Parchwitz, Haynau, Naumburg am Queis und Goldberg, in der Kurmark Nauen, in der Neumark Callies und einen Teil von Landsberg, in Pommern Belgard und Tempelburg. Diese Unglücksfälle erforderten immerfort neue Ausgaben und Hilfeleistungen.

Um so viele außergewöhnliche Bedürfnisse zu bestreiten, mußte man sich neue Einnahmequellen ersinnen. Denn außer den Summen, die zur Wiederherstellung der Provinzen nötig waren, verlangten die neuen Befestigungen und das Umgießen der Geschütze beträchtliche Aufwendungen, von denen seinerzeit die Rede sein wird. Die Bestreitung so großer Ausgaben, die die Notlage heischte, erforderte Fleiß.

Die Einkünfte aus Zöllen und Akzise waren nachlässig verwaltet worden, well den Beamten die Aufsicht fehlte. Um diesen wichtigen Zweig der Staatseinkünfte auf eine solide Basis zu stellen, sah der König sich gezwungen, Ausländer heranzuziehen, da die früheren Leiter dieses Verwaltungszweiges während des Krieges gestorben waren. Zu dem Zweck nahm er ein paar Franzosen in Dienst, die lange Erfahrung in diesem Berufe besaßen58-3. Er setzte keine Generalpächter ein, sondern schuf als geeignetstes Mittel eine Regie, durch die er verhindern konnte, daß die Steuerbeamten<59> das Volk drückten, wie dies in Frankreich nur zu sehr der Fall ist. Die Kornzölle würden ermäßigt und der Bierpreis zum Ausgleich etwas erhöht. Dank dieser neuen Einrichtung nahmen die Einkünfte, besonders aus den Zöllen, zu, und durch sie kam fremdes Geld ins Land. Der größte Vorteil aber, der sich daraus ergab, war das Nachlassen des Schmuggels, der jedes Land, das Manufakturen hat, schwer schädigt.

Exportiert ein Land wenig Erzeugnisse und ist es genötigt, den Gewerbfleiß seiner Machbaren in Anspruch zu nehmen, so muß sich eine ungünstige Handelsbilanz ergeben. Es zahlt mehr Geld ans Ausland, als es erhält, und dauert der Zustand an, so ist es nach einer Reihe von Jahren ohne Geld. Man entnehme aus einer Börse täglich Geld und tue keins wieder hinein, so wird sie bald leer sein. Ein Beispiel dafür liefert Schweden. Um diesem Übelstand abzuhelfen, gibt es nur ein Mittel: die Vermehrung der Manufakturen. An den eigenen Rohstoffen verdient man alles und an den ausländischen wenigstens den Arbeitslohn. Diese Tatsachen, die ebenso wahr wie handgreiflich sind, wurden zur Richtschnur für die Regierung; nach ihr wurden alle Handelsoperationen geleitet. So ergab sich denn im Jahre 1773 eine Vermehrung der Fabriken in den Provinzen um 264. Unter anderm wurde in Berlin eine Porzellanmanufaktur begründet59-1, die 500 Arbeiter ernährte und die sächsische bald übertraf. Man führte die Tabaksfabrikation im großen ein, die einer Kompagnie übertragen wurde. Sie unterhielt Fabriken in allen Provinzen, die das Land selbst versorgten und durch Verkauf ans Ausland so viel verdienten, als ihnen der Ankauf des virginischen Rohtabaks kostete. Dadurch hoben sich die Staatseinkünfte, und die Aktionäre erhielten 10 % Zinsen aus ihren Einlagen.

Durch den letzten Krieg war der Wechselkurs für den preußischen Handel nachteilig geworden, obwohl seit der Unterzeichnung des Friedens das schlechte Geld umgeprägt und auf den früheren Fuß gebracht worden war. Nur die Gründung einer Bank konnte diesem Übelstand abhelfen. Voreingenommene Leute, die den Gegenstand nicht genügend durchdacht hatten, behaupteten zwar, eine Bank könne nur in einer Republik gedeihen; nie aber würde ein Mensch Vertrauen zu einer Bank haben, die in einer Monarchie errichtet würde. Das war falsch: es gibt Banken in Kopenhagen, Rom und Wien. Man ließ das Publikum also reden und schritt zur Tat. Um festzustellen, welches System den Landesverhältnissen am besten entsprechen würde, verglich man die verschiedenen Bankarten miteinander und erkannte eine Girobank mit Lombardverkehr als die geeignetste. Zu ihrer Gründung59-2 schoß der Hof ein Grundkapital von 800 000 Talern vor. Zu Anfang hatte die Bank einige Verlusie durch die Unwissenheit oder Unehrlichkeit ihrer Leiter. Sobald aber Hagen an ihre Spitze trat, kam Genauigkeit und Ordnung hinein. Banknoten wurden nur so weit ausgegeben, als Deckung durch Bargeld vorhanden war. Außer der Bequemlichkeit, die das Institut für den Handel brachte, erwuchs aus ihm noch ein<60> anderer Vorteil für das Publikum. Bisher hatten die Mündelgelder bei den Gerichten deponiert werden müssen, und die Mündel hatten während der Dauer ihrer Prozesse keine Zinsen von ihren Kapitalien erhalten, sondern noch jährlich 1 % zuzahlen müssen. Seitdem wurden diese Gelder bei der Bank deponiert, die den Mündeln 3 % Zinsen auszahlte, sodaß sie also unter Anrechnung dessen, was sie früher an die Justiz bezahlten, tatsächlich 4 % erhielten. Als dann durch den Zusammenbruch von Neufville60-1 und anderen ausländischen Firmen einige preußische Kaufleute bankrott machten, wäre der Kredit gesunken, hätte die Bank ihn durch ihr Eingreifen nicht gehalten und wieder hoch gebracht. Bald kam der Wechselkurs auf pari; nun sahen die Kaufleute, durch die Tatsachen überführt, die Nützlichkeit und Notwendigkeit des Instituts für ihren Handel ein. Schon hatte die Bank Zweigstellen in allen Großstädten Preußens; mehr noch, sie besaß eigene Häuser in allen europäischen Handelsplätzen. Das erleichterte den Geldumlauf, die Zahlungen der Provinzen, und zugleich verhinderte das Lombardsystem, daß die Wucherer die armen Fabrikanten aussogen, die ihre Produkte nicht rasch genug losschlagen konnten. Aber nicht nur das Publikum hatte Vorteil davon, auch die Regierung schuf sich durch den Bankkredit Hilfsquellen für die großen Staatsbedürfnisse.

Fürsten wie Bürger müssen einerseits Geld ansammeln, wenn sie andrerseits Ausgaben zu machen haben. Gute Landwirte leiten die Wasserläufe auf unfruchtbare Äcker, die ohne Bewässerung keinen Ertrag geben würden. Nach dem gleichen Prinzip vermehrte die Regierung ihre Einkünfte, um sie zu nötigen Ausgaben für das Gemeinwohl zu verwenden. Sie beschränkte sich nicht darauf, die Schäden des Krieges zu heilen, sie wollte auch alles vervollkommnen, was verbesserungsfähig war. Sie nahm sich also vor, jede Art von Boden nutzbar zu machen, Sümpfe auszutrocknen, dem Ackerbau durch Erhöhung des Viehbestandes aufzuhelfen, ja selbst Sandboden durch Anpflanzung von Wäldern nutzbar zu machen.

Obwohl wir hier auf kleine Einzelheiten eingehen müssen, glauben wir doch, sie können der Nachwelt von Wert sein. Die erste Unternehmung dieser Art war die Urbarmachung des Warthe- und Netzebruchs, nachdem das stehende Wasser durch mehrere Kanäle abgeleitet war, die es auf verschiedenem Wege zur Oder führten. Die Kosten betrugen 750 000 Taler; 3 500 Familien wurden dort angesiedelt. Der Adel und die an diesen Wasseradern liegenden Städte erhöhten ihre Einkünfte beträchtlich. Das ganze Werk war 1773 beendet; die dortige Bevölkerung belief sich bereits auf 15 000 Seelen. Danach wurden der Madü-See und die Sümpft bei Friedeberg abgeleitet und dort 400 Familien aus dem Auslands angesiedelt60-2. In Pommern wurde der Leba-See abgeleitet; dadurch gewann der Adel 30 000 Morgen Ähnliche Kanalisierungen fanden in der Umgegend von Stargard, kammin, Treptow, Rügenwalde und Kolberg statt. In der Mark wurden die Havel<61>sümpft, das Rhinluch bei Fehrbellin, die Finowsümpfe zwischen Rathenow und Ziesar kanalisiert, ganz zu geschweigenn von den bedeutenden Summen, die zur Melioration der Adelsgüter aufgewandt wurden. Gleichzeitig wurden in Friesland, und zwar im Dollart, Deiche errichtet, durch die man dem Meere Fuß um Fuß das Land abrang, das es im Jahre 1724 überschwemmt hatte. Im Magdeburgischen wurden 2000 neue Familien angesiedelt. Ihre Arbeitskraft war dort um so erwünschter, als bisher die thüringischen Bauern zur Erntearbeit ins Land gekommen ware61-1; seitdem wurden sie entbehrlich. Die Krone besaß zuviel Vorwerke. Mehr als 150 wurden in Dörfer verwandelt. Was sie dadurch an Einkünften verlor, gewann sie durch Bevölkerungszuwachs reichlich wieder. Ein Vorwerk hat nicht mehr als sechs Insassen.; seit sie in Dörfer verwandelt wurden, hatte jedes mindestens dreißig Einwohner. Soviel Fürsorge der verstorbene König auf die Neubevölkerung Ostpreußens verwandt hatte, das 1709 von der Pest verheert worden war, es war ihm doch nicht gelungen, das Land wieder auf die frühere Höhe zu bringen. Der jetzige König wollte, daß die Provinz den anderen nicht nachstände; er hatte sie seit dem Tode seines Vaters um 13 000 neue Familien vermehrt. Wird sie in Zukunft nicht vernachlässigt, so kann die Volkszahl noch um mehr als 100 000 Seelen gesteigert werden.

Schlesien erforderte nicht weniger Fürsorge und Aufmerksamkeit als die anderen Provinzen. Man begnügte sich nicht damit, das Land wieder auf den alten Stand zu bringen, sondern wollte es auch verbessern. Die Geistlichen mußten zum Gemeinwohl beitragen: die reichenÜbte wurden genötigt, Manufakturen anzulegen Hier wurde Tafelleinen hergestellt, dort erstanden Ölmühlen oder Gerbereien; wo anders wurden Lederwaren- oder Drahtfabriken eingerichtet, je nach der örtlichkeit und nach den Erzeugnissen der Gegend. Auch die ackerbautreibende Bevölkerung in Niederschlesien wurde um 4 000 Familien vermehrt. Man erstaunt gewiß, daß dies in einem Lande gelang, wo kein Feld unbestellt bleibt. Der Grund ist der, daß viele Gutsherren zur Vergrößerung ihres Grundbesitzes nach und nach die Wer ihrer Bauern aufgekauft hatten. Wäre dieser Mißbrauch geduldet worden, so wären mit der Zeit viele Bauernhöfe verödet, und da es an Arbeitskräften zur Bestellung des Bodens gefehlt hätte, wäre der Ertrag gesunken. Kurz, jedes Dorf hätte seinen Gutsherrn, aber keine Bauern mehr gehabt. Nun aber kettet die eigene Scholle den Besitzer ans Vaterland; denn wer nichts besitzt, empfindet auch keine Anhänglichkeit an ein Land, in dem er nichts zu verlieren hat. Nachdem dies alles den Gutsherren klar gemacht war, bewog man sie, ihre Bauern im eigenen Interesse wieder auf den alten Besitzstand zubringen.

Dafür half der König dem Adel durch beträchtliche Summen, seinen völlig zerrütteten Kredit wiederherzustellen. Viele vor dem Kriege oder während desselben in Schulden geratene Familien standen vor dem Zusammenbruch: die Gerichte gewährten ihnen Moratorien für zwei Jahre, damit sie ihre Güter inzwischen wieder<62> ertragfähig machen und wenigstens die Zinsen bezahlen konnten. Aber die Moratorien untergruben den Kredit des Adels vollends. Der König, dem es Freude machte und der es auch als seine Pflicht ansah, den ersten und glänzendsten Stand seines Staates zu unterstützen, bezahlte dem Adel 300 000 Taler Schulden; aber die Schuldenlast der Güter betrug 25 Millionen Taler, und so galt es, wirksamere Mittel ausfindig zu machen. Der Adel wurde zu „Landschaften“ organisiert, und diese Verbände hafteten für die aufgenommenen Schulden62-1. Es wurden für 20 Millionen Pfandbriefe ausgegeben, und diese stellten nebst 200 000 Talern, die der König zur Bestreitung der dringendsten Zahlungen hergab, den verlorenen Kredit bald wieder her. Vierhundert der vornehmsten Familien dankten dieser heilsamen Maßregel ihre Erhaltung. In Pommern und der Neumark ging es dem Adel ebenso schlecht wie in Schlesien. Die Regierung zahlte für ihn 500 000 Taler Schulden und gab weitere 500 000 Taler aus, um seine Güter wieder ertragfähig zu machen.

Auch die Städte, die während des Krieges am meisten gelitten hatten, bekamen Unterstützungen. Landeshut erhielt 200 000 Taler, Striegau 40000, Halle 40 000, Krossen 24 000, Neppen 6 000, Halberstadt 40 000, Minden 20 000, Bielefeld 15 000 und die Städte im Hohensteinschen 13 000 Taler.

Alle diese Ausgaben waren nötig; man mußte sich eilen, Geld in die Provinzen zu bringen, um ihnen desto rascher wieder aufzuhelfen. Hätte man unter solchen Umständen geknausert, das Land hätte sich vielleicht erst in hundert Jahren wieder erholt. Aber dank der Tatkraft, mit der die Sache angefaßt wurde, kehrten mehr als 100 000 Einwohner, die ihr Vaterland verlassen hatten, wieder heim. Und so hatte die Bevölkerung 1773 gegenüber dem Jahre 1756 einen Zuwachs von über 200 000 Menschen aufzuweisen. Doch dabei blieb man nicht stehen. In der Erwägung, daß die Einwohnerzahl den Reichtum der Herrscher bildet, fand man Mittel und Wege, in Oberschlesien 213 neue Dörfer mit 23 000 Seelen zu errichten. Auch wurde der Plan aufgestellt, die Landbevölkerung in Pommern um 50 000 und in der Kurmark um 12 000 Seelen zu vermehren; er kam gegen 1780 zur Vollendung. Wollen wir das Ergebnis dieser Kolonisation feststellen, so brauchen wir nur die Einwohnerzahl von 1740 mit der von 1779 zu vergleichen.

ProvinzEinwohnerzahl
17401779
Ostpreußen370 000780 000
Kurmark480 000710 000
Magdeburg und Halberstadt220 000280 000
Schlesien1 100 0001 520 000
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Die Vermehrung betragt also insgesamt 1 120 000 Seelen.

Vielleicht glaubt man, solche ungeheuren Aufwendungen hätten die Staatsmittel und Einkünfte erschöpft. Dazu kamen aber noch die Ausgaben für die Festungen, sowohl für den Ausbau der alten wie für die Anlage von neuen, und die Summen, die die Wiederinstandsetzung der Artillerie verschlang, insgesamt 5 Millionen 900 000 Taler. Doch die Regierung bestritt alle Kosten. Der König gab nichts für Schaugepränge aus, wie es an großen Höfen üblich ist. Er lebte nur als Privatmann, um den höchsten Pflichten seines Amtes zu genügen. Dank strenger Sparsamkeit wurde der große und der kleine Staatsschatz aufgefüllt, jener für die Kriegsausgaben, dieser zum Ankauf der Pferde und für die Mobilmachungskosten. Ferner wurden 900 000 Taler in Magdeburg und 4 Millionen 200 000 Taler in Breslau niedergelegt zum Ankauf von Fourage63-1. Dies Geld war vorhanden, als der Krieg zwischen der Zarin Katharina II. und Mustapha ausbrach (1769). Laut dem Vertrage mußten alljährlich 500 000 Taler Subsidien an Rußland gezahlt werden63-2, solange die Wirren in Polen und in der Türkei währten. Das Staatswohl und die Bundestreue verlangten diese Ausgabe, die übrigens sehr ungelegen kam, besonders wegen der großen Finanzoperationen, die eben im Gange waren und die allein beträchtliche Summen verschlangen. Es war also Sache der Politik, den Staat für die nach Rußland gesandten Gelder zu entschädigen, die unter den damaligen Umständen den preußischen Provinzen nützlicher gewesen wären.

Im folgenden Jahre (1770) entstand in ganz Nordeuropa eine große Teuerung infolge des lang anhaltenden Frostes, der alle Feldfrüchte vernichtete. Neues Elend drohte dem Volke; eine neue Notwendigkeit gebot, ihm zu helfen. Die Armen erhielten umsonst Brotkorn. Da aber der Nahrungsmittelkonsum zurückging, so hatte die Akzise einen Ausfall von 500 000 Talern. Der König hatte große Vorratsmagazine in Schlesien und in seinen Erblanden angelegt. 76 000 Wispel waren zur Ernährung der Armee für zwölf Monate aufgespeichert. Außerdem bestand noch ein Lager von 9 000 Mispeln für die Bedürfnisse der Hauptstadt. Diese weisen Vorkehrungen beschützten das Volk vor der drohenden Hungersnot (1771). Die Armee wurde aus den Magazinen beköstigt; auch das Volk erhielt Brot- und Saatkorn aus ihnen. Ebenso brachte das folgende Jahr (1772) eine Mißernte, aber wenn der Scheffel Weizen im preußischen Staate auf 2 Taler und einige Groschen stieg, so war das Elend bei den Nachbarn noch viel größer: in Sachsen und Böhmen wurde er mit 5 Talern bezahlt. Sachsen verlor über 100 000 Einwohner, die teils verhungerten, teils auswanderten. Böhmen verlor wenigstens 180 000 Seelen. Wer 20 000 böhmische und sächsische Bauern suchten in Preußen Zuflucht gegen die Not. Sie wurden mit offenen Armen aufgenommen und dienten zur Besiedlung der neu erschlossenen Gebiete.

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Die Leiden, die die Untertanen anderer Mächte zu erdulden hatten, rührten daher, daß in keinem Lande, außer in Preußen, Magazine vorhanden waren. Hier allein war man gegen die Notlage gerüstet und konnte sie durch Maßregeln beheben, die die Klugheit diktiert hatte. So hinderte sie die Regierung nicht, den vorgezeichneten Plan der Verbesserungen im Lande mit gleicher Tatkraft weiterzuverfolgen.

Wie die Erfahrung lehrte, war die Sterblichkeit des Viehes in der Mark größer als in Schlesien. Man suchte nach den Ursachen und entdeckte ihrer zwei. Erstens benutzte man in der Mark wie in den anderen Provinzen nicht, wie in Schlesien, das Steinsalz, das dort aus den Salzbergwerken von Wieliczka bezogen wurde. Zweitens kannten die Einwohner der Mark und Pommerns keine Stallfütterung, sondern trieben ihr Vieh auf die Weide, auch wenn das Futter durch den Brand verdorben war. Seitdem die neue Fütterungsart eingeführt war, nahm das häufige Viehsterben sichtlich ab, und die Gutsbesitzer hatten weniger Schaden als früher.

Da man sorgfältig alle Produkte überwachte, die vom Ausland eingeführt wurden, ergab sich bei Prüfung der Zollregister, daß für 280 000 Taler fremde Butter eingeführt wurde. Um ein so wichtiges Nahrungsmittel selbst zu liefern, berechnete man alles, was die neuen Meliorationen einbringen konnten. Eine Kuh, deren Milch zu Butter gemacht wird, bringt durchschnittlich 5 Taler ein. Man berechnete nun, wieviel Kühe durch die neuen Urbarmachungen ernährt werden konnten, und es ergab sich die Summe von 48 000 Kühen, gleich einer Einnahme von 240 000 Talern. Nun mußte aber der Konsum der Besitzer abgezogen werden. Rechnete man das hierfür nötige Vieh hinzu, so mußte die Anzahl der Kühe auf 62 000 erhöht werden. Das Problem blieb noch zu lösen, aber man konnte doch dahin gelangen; denn nach allem bisher Geleisteten blieben nur noch kleinere Gebiete urbar zu machen, die für den Rest genügt hätten.

Die Regierung hatte sich vorgenommen, alles Mangelhafte im alten Betriebe zu vervollkommnen. Sie prüfte die verschiedenen Zweige der Landwirtschaft mit Aufmerksamkeit und stellte fest, daß alle sogenannte Gemeinwirtschaft dem allgemeinen Wohl schadete. Erst mit der Aufteilung des Gemeingutes war die englische BodenWirtschaft vorwärts gekommen. Eine monarchische Regierung, die die Bräuche republikanischer Staaten nachahmt, verdient den Vorwurf des Despotismus nicht. Jenes löbliche Beispiel ward also nachgeahmt. Man setzte Gerichts- und Ökonomiekommissare ein, um die gemeinsamen oder im Gemenge durcheinanderliegenden Weiden und Äcker aufzuteilen. Anfangs stieß der Plan auf große Schwierigkeiten; denn die Gewohnheit, die Herrscherin der Mode, schaltet gebieterisch über beschränkte Geister. Als aber einige solche Aufteilungen zur Zufriedenheit der Besitzer ausschlugen, machte das Eindruck auf die Öffentlichkeit, und bald kam das gleiche Verfahren in allen Provinzen zur Anwendung.

In einem Teil der Mark und Pommerns gibt es höher gelegene Landstriche, die von Flüssen und Wasserläufen weit entfernt sind. Infolgedessen fehlt es ihnen an <65>Weideland und am nötigen Dünger für den Ackerbau. Der Fehler lag mehr an der Örtlichkeit als am mangelnden Fleiß der Eigentümer. Obwohl der Mensch die Natur nicht verändern kann, wollte man doch ein paar Versuche machen, um erfahrungs-mäßig festzustellen, was ausführbar war und was nicht. Zu dem Zweck stellte man einen englischen Pächter an, der auf einer der Krondomänen eine Probe machte. Nach seiner Methode wurden sandige Felder mit Steckrüben, auf englisch turnips, bepflanzt. Man ließ sie verfaulen und säte dann Klee und Grasarten darauf, die das Feld künstlich zur Wiese machten. Auf diese Weise wurde der Viehbestand auf jedem Gute um ein Drittel gehoben. Nachdem die Probe so gut gelungen war, wurde diese vorteilhafte Wirtschaft in allen Provinzen eingeführt.

Wie schon gesagt, hatten der Krieg und die häufigen feindlichen Einfälle eine verderbliche Anarchie in den alten Provinzen gezeitigt. Sie erstreckte sich auf alles, nicht bloß auf Landwirtschaft und Finanzen, sondern auch auf die Wälder, die von den Oberforstmeistern willkürlich abgeholzt waren, da niemand ein Auge auf sie gehabt hatte. Während jenes erbitterten Krieges, der nicht immer Erfolge bringen konnte, hielten diese elenden Forstbeamten und einige Fittanzräte, die an ihrer RäuberWirtschaft teilnahmen, den Staat für rettungslos verloren. Sie glaubten, er werde binnen kurzem den Feinden zur Beute fallen, und sie könnten in einer so verzweifelten Lage nichts Besseres tun, als alles irgend schlagreife Holz zu ihrem Vorteil zu verkaufen; denn niemand würde sie wegen ihrer Unterschleife zur Rechenschaft ziehen. Infolge dieser ebenso falschen wie gemeinen Denkart hatten sie die Wälder derart abgeholzt, daß statt der dichten Forsten, die früher dort standen, kaum noch einzelne Bäume zu sehen waren. Die Schuldigen wurden weggejagt und verdientermaßen bestraft. Neue Bestimmungen mußten erlassen werden, sowohl für die Aufforstung wie für das Schlagen der Bäume, je nach ihrer verschiedenen Art und Beschaffenheit. Es galt, Regeln aufzustellen, die niemand überschreiten durfte, vor allem aber auch dafür zu sorgen, daß stets genug Vorrat an Bau- wie Brennholz da war, ein Punkt, der in keinem nordischen Lande übersehen werden darf. Vor dem Kriege hatte die Krone aus dem Holzverkauf in der Mark und Pommern eine jährliche Einnahme gehabt, die oft 150 000 Taler überstieg. Man mußte auf Mittel sinnen, diesen Ausfall zu decken. Zu dem Zweck wurde ein Durchgangszoll für ausländisches Holz eingeführt, das auf der Elbe und Oder geflößt wurde. Dadurch konnte man das sächsische, böhmische und polnische Holz billig kaufen und es mit Vorteil an die Völker weiter verkaufen, die Handelsflotten oder Kriegsschiffe zu bauen haben. Durch dies Mittel schonte man die Wälder, denen man Zeit zum Wachsen geben mußte, und ersetzte den Ausfall aus den Einkünften auf bleibende Art.

Die Regierung darf sich nicht auf einen einzigen Gegenstand beschränken. Der Vorteil darf nicht der einzige Beweggrund ihres Handelns sein. Das Gemeinwohl, das so viele Zweige umfaßt, bietet ihr eine Fülle von Aufgaben, denen sie sich zu widmen hat.

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Die Jugenderziehung ist als eine der Vornehmsten zu betrachten66-1. Ihr Einfluß macht sich auf alles geltend. Sie kann nichts erschaffen, wohl aber Fehler verbessern. Diese so wichtige Aufgabe war in früheren Zeiten vielleicht zu sehr vernachlässigt worden, insbesondere auf dem flachen Lande und in den Provinzen. Die abzustellenden Mängel waren folgende. In den Dörfern der Edelleute versahen Schneider das Amt als Schullehrer. Auf den Krondomänen bestimmten die Amtleute die Schullehrer ohne jedes Verständnis. Um einem so verderblichen Mißstande abzuhelfen, verschrieb sich der König aus Sachsen gute Schulmeister, erhöhte ihr Einkommen und ließ darauf halten, daß die Bauern ihre Kinder zu ihnen in die Schule schickten. Zugleich erschien ein Erlaß, der den Geistlichen einschärfte, die jungen Leute nur dann zum Abendmahl zuzulassen, wenn sie in der Schule in ihrer Religion unterrichtet worden waren. Derartige Maßnahmen tragen nicht sofort Früchte; erst mit der Zeit zeigt sich ihr Nutzen.

Die gleiche Fürsorge wurde allen höheren Schulen zugewandt. Die Lehrer gingen nur darauf aus, das Gedächtnis ihrer Schüler anzufüllen, gaben sich aber gar keine Mühe, ihr Urteil zu bilden und zu vervollkommnen. Dieser Mißbrauch, eine Folge alter deutscher Pedanterie, wurde abgestellt. Ohne die Bereicherung des Gedächtnisses zu vernachlässigen, wurden die Lehrer angehalten, ihre Schüler von klein an mit der Logik vertraut zu machen, damit sie durch Ziehen richtiger Schlüsse aus den bewiesenen, feststehenden Voraussetzungen ihr Urteil bildeten und so richtig denken lernten.

Während alles im Staate Nerv und Anspannung war und ein jeder in seinem Wirkungsbereiche nach Vervollkommnung strebte, kam die Teilung Polens zustande. Preußen erwarb, wie berichtet66-2, Pomerellen, die Woiwodschaften Kulm und Marienburg, das Bistum Ermland, die Stadt Elbing und einen Teil von Kujavien und von Posen. Die neue Provinz zählte etwa 500 000 Einwohner. Der gute Boden ist nach Marienburg zu, längs der Weichsel, an beiden Netze-Ufern und im Bistum Ermland. Dafür hat Pomerellen und das Kulmer Land viel öde Sandsirecken. Der Hauptvorteil der Erwerbung war also der, daß eine Verbindung zwischen Pommern und OftPreußen entstand, daß Preußen zum Herrrn des Weichsellaufs und damit des polnischen Handels wurde und durch die starke Getreideausfuhr Polens nie mehr eine Teuerung oder Hungersnot zu befürchten hat.

Diese Erwerbung war nützlich und konnte bedeutsam werden, nachdem durch weise Maßregeln Ordnung geschaffen war. Doch in welchem Zustande fiel die Provinz an Preußen! Alles war Anarchie, Verwirrung und Unordnung, wie sie nun einmal bei einem barbarischenVolk herrscht,das in Unwissenheit und Stumpfsinn dahindämmert. Man begann mit der Vermessung des Landes, um die Abgaben danach zu regeln. Die<67> Kontribution wurde nach dem gleichen Maßstab festgelegt wie in Ostpreußen. Die Geistlichen entrichteten ihre Abgaben nach dem Muster der schlesischen Bischöfe und Äbte. Die Starosteien wurden zu Domänen gemacht. Sie waren Lehen auf Lebenszeit gewesen, wie die der Timarlis in der Türkei67-1. Der König entschädigte die Besitzer durch einmalige Abfindung in Höhe von 500 000 Talern. Das halbwilde, barbarische Land erhielt Post, vor allem aber Gerichte, etwas, das in jenen Gegenden kaum dem Namen nach bekannt war. Eine Anzahl ebenso wunderlicher wie maßloser Gesetze wurde abgeschafft; als oberste Instanz für die Rechtssprechung ward das Kammergericht in Berlin eingesetzt. Der König ließ für 700 000 Taler einen Kanal von Nakel nach Bromberg graben, der die Netze mit der Weichsel verband67-2. Dadurch erhielt dieser Strom direkte Verbindung mit Oder, Havel und Elbe. Der Kanal bot auch noch den Vorteil, daß er die stehenden Gewässer in weiten Landstrichen ableitete, wo nun fremde Kolonisten angesiedelt werden konnten. Alle Wirtschaftsgebäude waren verfallen; ihre Wiederherstellung kostete über 300 000 Taler.

Die Städte waren im traurigsten Zustande. Kulm hatte wohl gute Stadtmauern und große Kirchen, doch an Stelle von Straßen sah man nur die Keller der Häuser, die dort einst gewesen waren. Auf dem Marktplatz standen 40 Häuser, davon 28 ohne Türen, Dächer und Fenster und ohne Besitzer. Bromberg war im gleichen Zustand. Der Ruin der Städte datierte vom Jahre 1709, wo die Pest dort gewütet hatte; doch die Polen kamen garnicht auf den Gedanken, daß man den Schaden wieder gutmachen müsse. Man wird es schwerlich glauben, daß in diesen unglücklichen Gegenden ein Schneider eine Seltenheit war. Man mußte in allen Städten welche ansiedeln, ebenso Apotheker, Stellmacher, Schreiner und Maurer. Die Städte wurden wiederaufgebaut und bevölkert.

Kulm erhielt ein Kadettenkorps für 50 junge Adlige, deren Lehrer sich die größte Mühe geben, sie zu unterrichten; 180 protestantische und katholische Schullehrer wurden in den verschiedenen Orten angestellt und von der Regierung besoldet. Was Erziehung war, wußte man in jenem unglücklichen Lande überhaupt nicht; daher auch seine Sittenlosigkeit und Unwissenheit. Schließlich wurden über 4 000 Juden, die bettelten oder die Bauern bestahlen, nach Polen abgeschoben.

Da der Handel den Hauptzweig der Erträge Westpreußens bildet, suchte man ihn auf alle Weise zu heben. Am meisten gewann dadurch Elbing, das den früher von Danzig betriebenen Handel an sich riß. Eine Handelsgesellschaft für den Verkauf von Salz bildete sich, die für eine jährliche Abgabe von 70 000 Talern an den König von Polen das Salzmonopol für ganz Polen erhielt. Dadurch wurden die Österreicher gezwungen, ihr Salz aus Wieliczka an sie zu verkaufen, was die Gesellschaft sehr in Blüte brachte.

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Nachfolgend eine Übersicht der Einnahmen der Krone aus der neuen Erwerbung:

Kontribution497 000 Taler,
Domänen410 000 „
Akzise360 000 „
Getreide8 000 „
Stempel13 000 „
Post53 000 „
Forstwirtschaft40 000 „
Zölle vom Danziger Werder und der Drewenz730 000 „
Insgesamt2 111 000 Taler.

Diese Einkünfte nebst dem, was die Bank, die Akzise und die Tabaksregie abwarf, erhöhten die Staatseinnahmen um mehr als 5 Millionen Taler.

Derart vermag ein stets vervollkommnetes und vom Vater auf den Sohn befolgdes Finanzsystem die Lage der Regierung zu verändern und sie aus ursprünglicher Armut heraus so reich zu machen, daß sie ihr Gran in die Wagschale der europäischen Großmächte werfen kann.


58-1 Joachim Christian von Blumenthal; Valentin von Massow; Ludwig Philipp von Hagen; Karl Heinrich von Wedell.

58-2 Feldherr Julius August Friedrich von der Horst.

58-3 1766.

59-1 Der König kaufte Gotzkowsky, dem Begründer der Berliner Porzellanfabrik, diese 1763 ab und nahm sie in staatlichen Betrieb.

59-2 Die Gründung der Preußischen Bank erfolgte 1765.

60-1 Bankhaus in Amsterdam.

60-2 Vgl. Bd. VII, S. 136.

61-1 Vgl. Bd. VII, S. 135.

62-1 Die schlesische „Landschaft“ wurde 1770 begründet, die „Kreditsozietät“ für die kur- und Neumark 1777; Pommern folgte dann 1780.

63-1 Vgl. Bd. VI, S. 222; VII, S. 211.

63-2 Vgl. S. 17 f.

66-1 Vgl. für das Folgende auch den Erlaß des Königs über das Unterrichtswesen an den Minister Freiherrn von Zedlitz vom 5. September 1779 (Bd. VIII, S. 313 ff.).

66-2 Vgl. S. 29.32.

67-1 Timar ist das Lehngut, das die türkischen Krieger auf Lebenszeit erhielten, und nach dem sie ihren Namen Timarli führten.

67-2 Der Bromberger Kanal wurde 1772 begonnen und 1775 vollendet.