<209> die österreichische Armee aller Lebensmittel beraubt, die sie von der oberen Donau bezieht, und da die 30 000 Mann der Hauptarmee, die die rückwärtigen Verbindungen zu decken hatten, nun teilweise entbehrlich werden, so könnte man sie im Falle großer Erfolge über Skalitz auf Preßburg detachieren. Die Österreicher würden in große Not kommen, und ich glaube, in dieser Lage, wo Wien bedroht wäre, würden sie die Hand zu jedem ihnen vorgeschlagenen Frieden reichen.

Wie ich zugebe, birgt dieser Plan große Schwierigkeiten. Man muß Glück haben, um ihn zu einem guten Ende zu führen. Aber mag es Politik, mag es Krieg, mag es irgend ein menschliches Unternehmen sein, das auf künftigen Zufällen und Wahrscheinlichkeitsrechnung beruht, keins wird gelingen, wenn es nicht vom Glück begünstigt wird.

Vielleicht erscheinen Euch diese Pläne zu groß und weitreichend; doch glaubt nicht, ich sei der einzige, der solche Pläne entwirft. Ich brauche Euch nur an einige Projekte des Prinzen Eugen zu erinnern, dessen großer Geist sich nicht mit Kleinigkeiten begnügte, sondern entscheidende Schläge zu führen suchte, die das Schicksal der Throne und Völker entschieden. Aus der Geschichte seiner Feldzüge könnt Ihr ein gleiches entnehmen. Ich will hier nur mit wenigen Worten daraus eingehen. Der große Kriegsheld wollte Cremona, das Hauptquartier der Franzosen, überfallen. Er drang in die Stadt ein, konnte sich darin aber nicht behaupten, weil Detachements, die zu jener Überrumpelung beitragen sollten, zu spät kamen1. Der Schlag ging fehl, aber darauf kommt es nicht an. Prüfen wir einmal, welche Folgen die Einnahme von Cremona gehabt hätte, wenn Prinz Eugen die Stadt hätte halten können. Erstens hätte er die ganze französische Generalität gefangen genommen. Niemand hätte den in Kantonnementsquattieren zerstreuten Truppen Befehle geben können. Er wäre über die verzettelte feindliche Armee hergefallen, hätte sie im einzelnen vernichtet, und der fliehende Rest wäre glücklich gewesen, in kleinen Trupps die Alpen zu erreichen und sich nach Frankreich zu retten. So hätte ein einziges aufgehobenes Quartier die ganze Lombardei von den Franzosen gesäubert und die Lombardei, Mantua und Parma dem österreichischen Zepter gewonnen.

Noch hat kein Mensch gelebt, dem alle Pläne geglückt wären. Faßt Ihr jedoch nur kleine Pläne, so werdet Ihr stets nur ein mittelmäßiger Mensch sein. Gelingen Euch aber von zehn großen Unternehmungen, die Ihr plant, nur zwei, so macht Ihr Euren Namen unsterblich. Wenn aber auch der Anschlag des Prinzen Eugen auf Cremona fehlschlug, er entschädigte sich dafür doch bald durch den klugen und geschickten Marsch auf Turin, bei dem er französische Detachements ruhig hinter sich ließ, um La Feuillade aus seinen Verschanzungen bei Turin zu vertreiben (1706). Dadurch säuberte er Italien mit einem Schlage von den Franzosen, die seit 1701, wo der Krieg anfing, Herren des Landes waren.


1 Vgl. S.31. VI 14