<374> und ihr Lebensmittel liefern. Der Ersatz und aller sonstige Kriegsbedarf tonnte zur See oder über Finnland zur Armee gelangen. Der König deckte seine schönsten Provinzen und blieb in der Nähe seiner Grenzen. Seine Siege waren glänzender, und Niederlagen konnten ihn nie in eine verzweifelte Lage bringen. Nahm er Petersburg, so zerstörte er die neue Gründung des Zaren, Rußlands Fenster nach Europa und die einzige Verbindung mit unserm Erdteil. Nach Beendigung dieses großen Zuges lag es in seiner Hand, seinen Vorteil noch weiter zu verfolgen. Was er aber auch tun mochte, der Friede, so scheint mir, war gesichert, ohne daß er ihn in Moskau hätte zu diktieren brauchen1.

Zu meiner Belehrung will ich nun die Regeln, die uns die großen Meister der Kriegskunst hinterlassen haben, mit der Handlungsweise des Königs in jenen beiden Feldzügen vergleichen.

Nach diesen Regeln dürfen Armeen nie aufs Spiel gesetzt werden. Vor allem müssen die Feldherren weite Vorstöße von der Grenze vermeiden2. Karl drang bis ins Gouvernement Smolensk, ohne die Verbindung mit Polen irgendwie zu sichern. Unsre Lehrmeister sagen, man müsse sich eine Operationsbasis schaffen, um sich den Rücken frei zu halten, seine Lebensmitteldepots zu sichern und sie durch die Armee zu decken. Die Schweden waren dicht bei Smolensk und hatten nur für vierzehn Tage Brot. Ihre ganze Kriegführung lief darauf hinaus, den Moskowitern auf den Fersen zu folgen, ihre Nachhut zu schlagen und ihnen auf gut Glück nachzujagen, ohne recht zu wissen, wohin der vor ihnen fliehende Feind sie führte. Die einzige Fürsorge, die der König für die Verpflegung traf, bestand darin, daß er den General Lewenhaupt der Armee mit einem starken Proviantzuge folgen ließ. Da man seiner so dringend bedurfte, mußte man ihn nicht so weit hinter sich zurücklassen. Ehe man in die Ukraine eindrang, mußte man auf Lewenhaupt warten; denn je mehr man sich von ihm entfernte, um so größeren Gefahren gab man ihn preis. Klüger wäre es gewesen, die Truppen nach Litauen zurückzuführen: der Zug nach der Ukraine bereitete der schwedischen Armee den Untergang.

Zu diesem planlosen Verhalten, das allein schon zum Scheitern des Zuges führen mußte, traten noch Unglücksfälle, die zum Teil vom Zufall herrühren mochten. Der Zar griff Lewenhaupt dreimal an und nahm den von ihm geführten Prooiantzug weg. Der Schwedenkönig muß also von den Absichten und Bewegungen der Russen keinerlei Kenntnis gehabt haben. Geschah das aus Nachlässigkeit, so hatte er sich schwere Vorwürfe zu machen. Konnte er sich infolge unüberwindlicher Hindernisse keine Nachrichten verschaffen, so muß man diese Hindernisse einem unentrinnbaren Verhängnis zurechnen.

Führt man Krieg in halbbarbarischen und wüsten Ländern, so muß man, um sich darin zu halten, feste Stützpunkte anlegen. Das sind Neuschöpfungen. Die Truppen


1 Vgl. Bd. I, S. 111 f.

2 Vgl. S. 8 f. 107. 211.