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Die großen Städte nimmt er sich zum Ziel
Und schafft dem Gegner immer neue Not,
Erscheint bald hier, bald dort, führt irr, bedroht
Zugleich drei Plätze durch sein wechselnd Spiel.
Indes er Schrecken in die Herzen sät,
Der Feind in immer größre Not gerät.
Von keinem Orte kommt ihm Zufuhr mehr
Und kämpfen muß das eingeschloßne Heer.
Sieg oder Tod — dies Schicksal bleibt ihm nur.
Das junge Reh folgt stets der Mutter Spur:
So wagt der Feldherr lieber auch sein Leben,
Als seine Vorratskammern preiszugeben.

Sucht Euch der Feind die Tatkraft einzudämmen
Und Euch durch eines Stromes Lauf zu hemmen,
Mögt Ihr bei Hannibal zur Lehre gehn.
Die Römer an dem Rhoneufer siehn;
Der Konsul wähnt, nun sei der Feind gebannt;
Der aber täuscht ihn, geht an andrer Stelle
Über den Fluß1, eint so die List mit Schnelle,
Verspottend seines Gegners Widerstand.

Du würdiger Ritter Deiner Königin,
Mein Gegner Karl: mit unbefangnem Sinn,
Den Rache nicht und schnöder Haß verblenden,
Will ich das wohlverdiente Lob Dir spenden.
Dich hemmte nicht der Rhein, der meeresgleich
Frankreich auf ewig trennt vom Deutschen Reich.
Der Feinde Scharen an dem Strom entlang
Verwehrten Dir umsonst den Übergang.
Ein kluger Feldherr wird mit allem fertig!
Rhein, Feind, Gefahren, nichts hemmt seinen Lauf:
Karl blicht geteilt in vier Kolonnen auf
Und schlägt, wo Coigny keines Feinds gewärtig,
Kühn seine Brücke, überrascht den Feind
Und dringt ins Elsaß, eh' man es vermeint2.


1 Hannibal täuschte 218 v. Chr. den Konsul Publius Cornelius Scipio und ging über die Rhone,

2 Der Rheinübergang des Prinzen Karl von Lothringen erfolgte bei Germersheim zu Anfang Juli 1744 (vgl. S. 52 und Bd. II, S. 169 f.).