<227> folglich auch ihre Werke unvollkommen sind. Weil die Bürger im Drang der Leidenschaften sich durch ihr Sonderinteresse verblenden lassen, das stets dem allgemeinen Interesse zuwiderläuft. Endlich, weil nichts auf dieser Welt Bestand hat. In den Staaten mit Adelsherrschaft pfiegt Mißbrauch der Gewalt, wie ihn die ersten Glieder des Staatsganzen treiben, gewaltsame Umwälzungen nach sich zu ziehen. Die Demokratie der Römer wurde vom Volke selbst gestürzt; die blinde Masse der Plebejer ließ sich von ehrgeizigen Bürgern verführen, danach unterdrücken und ihrer Freiheit berauben. Dies ist das Schicksal, worauf England sich gefaßt machen kann, wenn das Unterhaus nicht den wahrhaften Interessen der Nation den Vorzug vor der schmählichen Korruption1 gibt, die sie erniedrigt.

Von der monarchischen Regierungsform kennt man die unterschiedlichsten Abarten. Die alte Feudalherrschaft, die vor ein paar Jahrhunderten in Europa fast allgemeine Geltung hatte, war aus den Eroberungen der Barbaren hervorgegangen. Der Feldherr, der eine Horde führte, machte sich zum unabhängigen Herrscher des eroberten Landes und verteilte die Einzelbezirke an seine Hauptleute. Sie waren ihm zwar als ihrem Lehnsherrn Untertan und lieferten ihm Truppen, sobald er es forderte; da aber etliche dieser Vasallen ebenso mächtig wie das Oberhaupt wurden, so bildeten sich Staaten im Staat. Das ward zu einer Pfianzschule für die Bürgerkriege, die soviel Unheil über die Allgemeinheit brachten. In Deutschland sind diese Vasallen unabhängig geworden; in Frankreich, England und Spanien wurden sie niedergerungen. Das einzige Beispiel dieser abscheulichen Regierungsform, das uns verblieb, bietet noch die Republik Polen. Der Beherrscher der Türkei ist Despot; straflos darf er die empörendsten Grausamkeiten begehen. Dafür begibt es sich freilich oft genug — durch ein Umsturzstreben, das in allen Barbarenvölkern steckt, oder auch durch gerechte Vergeltung — daß der Despot seinerseits erdrosselt wird. Die wahrhaft monarchische Regierung2 ist die schlimmste oder aber die beste von allen, je nachdem sie gehandhabt wird.

Wir haben gesehen, daß die Bürger einem ihresgleichen immer nur darum den Vorrang vor allen zugestanden, weil sie Gegendienste von ihm erwarteten. Diese Dienste bestehen im Aufrechterhalten der Gesetze, in unbestechlicher Pflege der Gerechtigkeit, in kraftvollstem Widerstand gegen die Sittenverderbnis, im Verteidigen des Staates gegen seine Feinde. Der Staatslenker muß sein Augenmerk auf die Bodennutzung gerichtet halten, er muß für reichliche Beschaffung von Lebensmitteln Sorge tragen, muß Handel und Gewerbe fördern. Er gleicht einer ständigen Schildwache, die über die Nachbarn und das Verhalten der Feinde zu wachen hat. Von ihm wird verlangt, daß er mit weitblickender Klugheit zur rechten Zeit Verbindungen anknüpfe und Bundesgenossen wähle, wie sie den Interessen seines Gemeinwesens am


1 Für die Bestechlichkeit des englischen Parlaments vgl. auch Bd. II, S. 27 f.

2 Die absolute Monarchie.