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Doch genügt's unserem Staatsweisen nicht, die Leichtigkeit des Verbrechens schlecht und recht, nach seiner Art, nachgewiesen zu haben, gleich muß er auch Herausstreichen, wie prächtig weit man mit der Hinterlist kommt. Ärgerlich ist nur, daß es gerade diesem Cäsar Borgia, dem größten Verbrecher, dem hinterlistigsten Verräter, dem Heros Machiavells, in Wirklichkeit ganz gehörig schlecht gegangen ist; er hütet sich auch wohlweislich, in diesem Zusammenhange auf ihn zu kommen. Beispiele brauchte er, doch wo solche hernehmen als aus den Aufzeichnungen der Kriminalrechtsfälle oder der Geschichte der Päpste? So entscheidet er sich für die zweiten und versichert nun, daß Alexander VI., der falscheste und gottloseste Mensch seiner Zeit, mit seinen Schurkereien immer Glück hatte, denn er verstand sich ausgezeichnet auf die Schwäche der Menschen, ihre Leichtgläubigkeit.

Ich möchte die Behauptung wagen, daß es weniger die Leichtgläubigkeit der Menschen gewesen, als vielmehr ganz bestimmte Ereignisse und Umstände, die die päpstlichen Anschläge gelingen ließen, wozu dann der Wettbewerb des französischen und spanischen Machtanspruchs kam, der Zwist und Haß unter den italienischen Familien, die Leidenschaften und die Schwachheit Ludwigs XII. und die Summen, die Seine Heiligkeit zu erpressen gewußt, die ihm ein großes Übergewicht verliehen; all dies sprach mit.

Betrügerei ist sogar ein ausgesprochener politischer Fehler, wenn man darin zu weit geht. Ich berufe mich auf einen großen Meister der Staatskunst, den Kardinal Mazarin; der sagte dem Don Luis de Haro1 nach, er leide an einem großen staatsmännischen Fehler, dem, daß er immer Betrüger sei. Derselbe Mazarin wollte einmal zu einer heiklen Verhandlung den Marschall de Fabert verwenden, da erklärte ihm der: „Monseigneur, gestatten Sie, daß ich es ablehne, den Herzog von Savoyen zu betrügen, um so mehr, da es hier nur eine Sache von untergeordneter Bedeutung gilt; man kennt mich in der Welt als Ehrenmann, sparen Sie meinen ehrlichen Namen für eine Gelegenheit auf, wo es sich um das Wohl und Wehe Frankreichs handelt.“

Ich lasse an dieser Stelle die Frage von Ehre und Tugend einmal ganz beiseite, halte mich nur an das, was einem Fürsten frommt, und da sage ich: sie machen ihre Sache spottschlecht, wenn sie Schurken sein wollen und der Welt ein X für ein U machen; einmal gelingt's, damit haben sie aber das Vertrauen aller Fürsten verwirkt.

Eine gewisse Großmacht2 legte in einem Manifest bündig die Gründe ihres Vorgehens dar; nachher handelte sie in einer Weise, die ihrer Erklärung ins Gesicht schlug. Ich muß gestehen, derartige Ungeheuerlichkeiten ertöten jegliches Vertrauen; je unmittelbarer die Widersprüche sich folgen, um so gröber wirken sie. Die römische Kirche hat denn auch, um sich derartige Widersprüche zu ersparen, mit großer Weisheit für alle, die sie unter die Heiligen aufzunehmen gedenkt, ein Noviziat von hundert Jahren, von ihrem Tode an gerechnet, angeordnet; auf diese Weise schwindet die Er-


1 Spanischer Staatsmann.

2 Gemeint ist Kaiser Karl VI.