<61>Ließ' Gott sich unser Schicksal nahe gehn,
Als Hüter, Wächter — wär' es zu versteht!,
Daß er die Hand je könnte reichen
Zu solchem Jammer ohnegleichen?
Wär's denkbar, daß er in guter Ruh
Dem Weltflug des Dämons schaute zu,
Der Mord, Verwüstung, Waffenklang
Von Aufgang trägt gen Niedergang?
All diese Greul! All diese Wut!
Die Felder verwüstet, unschuldig Blut
Sinnlos vergossen; ach, und dann
Das blutige Ringen von tausend Fechtern,
Und die Vernichtung von ganzen Geschlechtern —
Ihn ficht's nicht an.
Mit gutem Grund! Denn sichtbarlich
Trotz all dem Graus, den Schicksalsplagen,
Damit die Menschheit stets geschlagen.
Sieghaft behauptet die Gattung sich!

Wie schleunig erfuhr doch ein König das,
Mit seinem hochweisen Ausrottungserlaß,
Wider die räuberische Spatzenbrut!1
Wenn sie im Ernst auch etwas litt —
Mit ihrer Fruchtbarkeit kommt keiner mit!
So kreist auch immerdar ein frisches Blut
Beim lieben Vieh in unsrer Fron und Hut:
Ob unsre Gier von seinem Fleisch sich nährt,
Es stirbt so schnell nicht hin, wie sich's vermehrt!
Das Beispiel jener Seuche liegt mir eben
Nur allzu nah, die uns von Trift und Pflug
Das Rindvieh rafft!2 Die Weiden ohne Leben!
Ein grimmes Sterben unsre Herden schlug,
Als tat ein würgend Schwert darüber schweben;
Und keine Menschenkunst, die helfen mag!
Die Felder unbestellt und ohn' Ertrag,
Der Landmann grübelt trost- und hoffnungslos


1 Anspielung König Friedrichs auf den von ihm selbst gegebenen Erlaß vom 22.Juni 1744: „Renovirtes und geschärftes Edict wegen Ausrottung der Sperlinge und Krähen.“

2 Ende der vierziger Jahre herrschte ein großes Viehsterben in den preußischen Provinzen.