<83>Und wenn beim Händler Ihr ein Buch erstanden,
So glaubt Ihr gleich, Euch ständ' ein Urteil frei.
Der eine liebt es schlicht, der andre hochgesinnt,
Man dürfte über den Geschmack nicht zanken.
Doch jeder sammelt ernsthaft die Gedanken,
Wenn wichtige Dinge zu entscheiden sind,
Dinge, woran sein Glück, sein Leben hängt:
Da sieht man gleich, wohin die Narrheit lenkt...

Bredow, Ihr lacht ob meiner Argumente,
Als ob ich sie im Scherz nur nennte,
Der heitern Muse zum gefälligen Spiele,
Auf daß ihr Spott auf Narrn und Gaukler fiele?
Ihr glaubt, mich triebe wohl die Spottsucht heute,
Vernünftig wären doch die meisten Leute,
Ich malte ganz mit Teniers' dunklem Braun
Und ließe bloß des Pöbels Narrheit schaun.

Vielleicht! Doch was Ihr so den Pöbel heißt,
Umfaßt die meisten, und Ihr müßt gestehen:
Drei Viertel dieser Welt, wohin wir sehen,
Ist blind und toll und handelt ohne Geist...

Wenn so ein Dummkopf aus der Kirche schreitet,
Lauscht er dem Freigeist, der die „Schrift“ bestreitet,
Verschlingt mit Wonne die willkommnen Lehren
Und wähnt im Witz ein tiefes Wort zu hören.
Erst töricht ftomm, dann Freigeist kurzerhand,
Hat er sich schnell vom Christentum gewandt.
Sein Geist, der alsobald den Halt verlor,
Ist noch viel schwacher als ein schwankes Rohr.
Urteilen will das Volk, klug dünkt sich, wer belesen,
Vernünfteln, nicht Vernunft ist unser Wesen.

Laßt mich in Ruh mit Newtons hohem Lob,
Der über Plato sich und Archimedes hob
Und lehrte, wie wir um die Sonne kreisen.
So groß er war, er schrieb sein „Jüngst Gericht“ ;1


1 Vgl. Bd. VII, S. 76 und 239.