33. AN DEN KÖNIG FRIEDRICH WILHELM I.

Cüstrin, den 18. December 1731.



Allergnädigster König und Vater,

Ich übersende hierbei in aller Unterthänigkeit den Plan wegen des schlesischen Commercii, womit ich nicht eher habe fertig werden können, dieweil meine Meinung im Anfang nur allein dahin ging, um die crossensche Zollrolle für die schlesischen Traficanten zu erhöhen und die brandenburgischen Kaufleute darunter zu favorisiren; nun aber habe aus den Acten gesehen, dass dieses unmöglich sei, indem ein Accord mit dem kaiserlichen Hofe geschlossen ist, kraft dessen die Schlesier befuget sind, über den Neuen Graben und Elbe immediate nach Hamburg zu handeln, wofür sie hingegen zwölf hundert Last hallesches Salz nehmen müssen. Durch dieses Project aber bleibt der Accord in seinem ganzen Werth, und kann, wie ich glaube, der schlesische Handel doch hierdurch gestöret werden. Ich habe zum wenigsten keine andere Intention dabei gehabt, als meines allergnädigsten Vaters Vortheil und das Beste des Handels zu befördern, und bitte meinen allergnädigsten Vater, zu glauben, dass ich für Seinen Dienst und Bestes mein Leben und Alles in der Welt gern sacrificiren werde, indem ich bis an mein Ende stets mit unterthänigstem Respect, kindlicher Liebe und Gehorsam verbleiben werde, u. s. w.

<36>Plan wegen des Commercii nach Schlesien.3_40-a

Das Commercium ist eine von denen Sachen, die ein Land sehr bereichern können. Dieses kann man nicht besser in Augenschein nehmen, als wenn man siehet wie viel Geld seit dem Monat April hier in dieser Provinz allein durch die russische Compagnie herein gekommen ist. Diese Summe betraget sich, ohne den ordinairen Debit, auf 221,500 Thaler; wenn man nun hierzu addiret, was es denen Tuchbereitern, Färbern und Appretirern kostet, so erstrecket sich diese Summe auf 250,000 Thaler; und so viel fremd Geld ist allein in so kurzer Zeit gezogen worden. Ob nun zwar die russische Compagnie nicht lauter baar Geld, sondern auch Waaren zurücke nehmen muss, so versilbert sie doch solche Waaren ausser Landes, oder verhindert, dass kein Geld ausser Landes geschicket werden dürfe. Hieraus kann man genugsam ersehen, was das Commercium für eine vortheilhafte Sache für ein Land ist, und dass, wenn man fremde Commercia an sich ziehen kann, ein grosser Vortheil darin stecke. Der König besitzet von der Peene bis nach Memel meist die ganze Ostsee-Küste unter seiner Botmässigkeit, welcher District sich auf hundert zehn Meilen betrifft. Daraus folget nun, dass alle nordische und ostische Waaren, sie mögen Namen haben wie sie wollen, deren die hinterlegenen Provinzien, als Polen, Schlesien, Böhmen, Sachsen, Mähren und Oesterreich, unumgänglich benöthiget sind, durch diese Länder passiren und dahin geführet werden müssen. Hieraus erhellet nun, dass ein sehr ansehnliches Commercium etabliret werden könnte, wenn durch einheimische Kaufleute der Handel nach der Ost- und Westsee getrieben, und sie diese Waaren in auswärtigen obbemeldten Landen zu Gelde machen könnten. Aber hiermit stehet es ganz anders, indem der Profit, welchen unsere Kaufleute durch die Situation des Landes ziehen könnten, ihnen durch fremde Kaufleute, welche immediate durch das Land handeln, benommen wird, wie folgend wird gesehen werden. Die dahinten belegenen Länder, als Polen, Böhmen, u. s. w., brauchen alle Jahr eine grosse Menge Heringe, Stock- und andere Fische, Leinsamen, Thran, allerhand Materialien, Specereien und Gewürze, welche Waaren ihnen nicht anders, als durch die Märkte können zugeführet werden, und zwar durch den Elb- oder Oderfluss allein. Wenn nun, wie gesaget, die brandenburgischen Kaufleute die obbenannten Waaren aus Frankreich, England, Norwegen über Hamburg und Stettin selbst, kommen Hessen, und mit <37>zwanzig, dreissig Procent Profit nach denen auswärtigen Landen wieder verhandeln, so kann man leichtlich begreifen, dass solchergestalt jährlich etliche Tonnen Goldes ins Land könnten gezogen werden. Allein man siehet alle Tage, wie viel schlesische Schiffe durch Berlin passiren, und dass die Schlesier diese Waaren selbst holen, den Profit davon ziehen, und sich der berlinischen Kaufleute allein als Commissionairs gebrauchen. Dieses aber ist vor diesem nicht so gewesen; denn vor der Neue Graben gemacht wurde, verstattete die Stadt Frankfurt, laut ihrer Privilegien, keinem Schlesier unterhalb Crossen den Handel auf der Oder; sondern alle die von Holland über die Elbe, Spree und Havel von Hamburg kommenden Waaren mussten, oberhalb Fürstenwalde, am Kersdorfer See, ausgeladen, und von dar auf der Axe nach Frankfurt gebracht werden, von dar sie die hiesigen Kaufleute weiter nach Schlesien verhandelt. Als aber der Neue Graben gemacht wurde, Anno 1678,3_41-a konnten die brandenburgischen Kaufleute wegen des schwedischen Krieges3_41-b nichts Rechtes entrepreniren. Als das die Schlesier sahen, erboten sie sich, Anno 1678, dass sie durch den Neuen Graben nach Hamburg handeln wollten, woferne die Zölle nicht zu hoch gesetzet würden; und da sich doch die Stadt Frankfurt dieser Sache widersetzte, so wurde es demohngeachtet accordiret, und eine aparte Zollrolle deshalb gemachet, und seit der Zeit haben die Schlesier den Handel ganz an sich gezogen. Dieses ist nachgehends so weit gegangen, dass kein brandenburgischer Kaufmann den Handel treiben konnte, indem die moderirte Zollrolle nur für Schlesier, und nicht für hiesige Kaufleute gelten sollte, und dieses machte einen solchen Unterschied, dass wenn, exempli gratia, ein schlesischer Kaufmann von Lenzen bis Crossen für ein Fass Zucker sechs bis sieben Thaler Zoll geben musste, der brandenburgische wohl fünfzig Thaler geben musste. Hieraus siehet man klärlich, dass die hiesigen Kaufleute ihre Waaren nicht so wohlfeil, wie die Schlesier, geben konnten, und dass sie folglich nicht dabei bestehen können. Wenn nun ein Handel hier im Lande sein soll, so ist höchstens nothwendig, dass dieser schlesische immediate Handel gestöret werde, und weilen dieses sich nicht platterdings wegen des kaiserlichen Hofes will thun lassen, massen auch ein Rescript von Hofe, sub dato des 27. Martis 1727, eingelaufen, welches in sich hält den Accord, welcher zwischen unserm und dem kaiserlichen Hofe ist gemachet worden, so lässt sich diese Sache nicht schlechterdings thun, sondern muss indirectement damit verfahren werden. <38>Anno 24 ist die crossensche Zollrolle cassiret worden, und eine andere in der Stelle gemachet, welche in drei Jahren ein Plus von etlichen tausend Thalern gemacht, und hätte man die Hoffnung gehabt, dass, wenn denen einheimischen Kaufleuten der Impost wäre moderiret worden, sie die Waaren in Schlesien hätten wohlfeiler verkaufen können und also allen den Profit an sich ziehen. Weilen aber diese erhöheten Zollsätze Anno 1727 wieder moderiret wurden, so handeln die Schlesier wieder hier vor wie nach. Der Cours über die Oder und Stettin ist noch bis jetzunder glücklich abgeschlagen worden. Der stettinische Handel bestehet vornehmlich in Stock- und andern Fischen, Kreide, Leinsamen, Thran und andern schlechten Waaren. Dieser Handel importiret nun bei weiten nicht so viel, als dass zwei grosse Kaufmannschaften, als die frankfurtische und stettinische, ihr Conto dabei finden sollten; so ist vorgeschlagen worden, ob es nicht anginge, den Materialien,- Specereien- und Gewürz-Handel über die Oder und Stettin auch zu ziehen, aus Ursachen, den schlesischen, immediate durch den Neuen Graben handelnden Kaufleuten Abbruch zu thun, indem auch vor der Hand kein besser Mittel ist, darinnen zu reussiren, als wenn brandenburgische Kaufleute die Waaren wohlfeiler, als die schlesischen verkaufen können; und dieses ist desto nothwendiger, weilen die Braunschweiger einen neuen Licent zu Hitzacker von den brandenburgischen Traficanten alleine prätendiren. Es stehet aber hierbei im Wege, dass die Imposten auf der Oder viel höher, als auf der Elbe sind, dabei es nicht möglich ist, dass die Kaufleute wohlfeiler als die Schlesier verkaufen können; daher hat auch der König den 17. Aprilis currentis verordnet, dass die Frankfurter allerdings über Stettin und die See Specereien und Materialien können kommen lassen, und die Stettiner desgleichen, Frankfurt vorbei, nach Schlesien handeln können. Weilen hierbei versprochen wurde, dass die Imposten auf der Oder nicht höher als auf der Elbe sollten gesetzet werden, so hat ein frankfurter Kaufmann die Probe gemacht, und seit dem Mai für mehr als zehn tausend Thaler Waaren, welche noch immer über die Oder gekommen, immediate aus Frankreich, England, u. s. w. kommen lassen. Nun arbeitet man an der Balance wegen Regulirung der Imposten, und woferne nur eine ferme Resolution gefasset wird, und auch nachdem darauf gehalten, und denen Stettinern recommandiret, sich allen Fleiss um diese Sachen zu geben, so wird hoffentlich das schlesische Commercium wohl können turbiret werden. Uebrigens würde auch nicht übel sein, wenn der König einige seiner Räthe, welche in Commercien-Sachen erfahren sind, nach Frankfurt auf die Messen beorderte, auf dass sich dieselben mit berlinischen, stettinischen und andern Kaufleuten besprächen, wie die Sache weiter zu treiben, des Königs Interesse und das Beste <39>des Landes in der Sache zu poussiren sei, und dass sie ihre Vorschläge zu des General-Directorii Ueberlegung einsenden müssten, auf dass die Sache mit der Zeil auf solchen Fuss, als die russische Compagnie, möchte gebracht werden.

Friderich.


3_40-a Siehe Band I., S. XX.

3_41-a Der Neue Graben oder Friedrich-Wilhelms-Canal, von welchem der König Band I., Seite 76 unserer Ausgabe spricht, ist von Michael Matthias Smids, aus Rotterdam, 1662-1669, gebaut worden.

3_41-b Siehe Band I., S. 94.