8970. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN BERLIN.

Hauptquartier bei Prag, 20. Mai 1757.

Des Königs Majestät haben hierbei an Ew. Excellenz noch zu melden befohlen, wie Dieselbe dahin sehen möchten, damit es insonderheit in auswärtige Zeitungen gesetzet werde, ohne dass es scheine, von<64> Ew. Excellenz gekommen zu sein, dass des Königs Majestät nunmehro 40,000 Mann von der Armee detachiren würden, auch alles dazu bereits disponiret wäre, um fordersamst der Orten zu marschiren, wo Sie es am nöthigsten zu sein erachten würden, welches Corps d'armée denn auch, wo nicht schon aufgebrochen wäre, dennoch ersterer Tagen sich in Marsch setzen würde. Welches ich dann hierdurch schuldigst melden sollen.

Ew. Excellenz beide gnädige Schreiben vom 7. und 10. dieses habe ich zu erhalten die Ehre gehabt. Wegen des nach der blutigen Bataille hier vorgefallenen beziehe ich mich auf dasjenige, was ich unter dem 17. dieses an des Etatsminister Herrn Grafen von Finckenstein Excellenz zu melden die Ehre gehabt,64-1 so Ew. Excellenz ausser Zweifel Communication davon gethan haben werden. Der Feind hält sich in Prag ganz geschlossen, und hat bisher sich nichts ausser denen Thoren der Stadt sehen lassen, als was das Pandurenvolk ist, welches man aus der Stadt getrieben und nicht wieder hereinlässet, und welches eine schlechte und übele Rôle zu souteniren hat. Ob der Feind deshalb nichts tentiret, weil er insonderheit seiner Infanterie nicht trauen darf, als welche nach Aussage der demohnerachtet aus der Stadt kommenden Deserteurs sich mehrentheils zerstreuen würde, wenn sie in das Freie kommen würde, oder aber ob der Feind sonst seine Absichten hat, solches muss ich billig denen, die vom Métier seind, zu dijudiciren überlassen. Der Prinz Karl von Lothringen nebst der Generalität und Volontaires von Condition sollen sich sonsten auf den sogenannten Wischerad, aus Furcht eines Bombardements der Stadt, retiriret haben.64-2 Es wäre zu wünschen, dass solches gleich nach denen ersteren Tagen der Bataille, und da man in Prag noch in der ersteren Consternation gewesen, hätte geschehen können, allein es ist eine Ohnmöglichkeit, alles auf einmal zu arrangiren. Nunmehro wird es sich in 10 bis 12 Tage Zeit ausweisen müssen, wie sich die Sachen hier decidiren werden. Einmal scheinet es wohl, dass vor dieses Jahr und wenigstens bis nach der Ernte die Campagne vor die Oesterreicher in Böhmen verloren ist, wie dann auch das Corps Oesterreicher unter Leopold Daun sich mehr und mehr gegen Mähren zu repliiret und alle Nachrichten geben, dass der Feind seine auf der Seite gegen Schlesien übrig habende Magazine nach Mähren retiriret,64-3 auch die aus der prager Bataille sich sonst nach Beneschau retirirte feindliche Regimenter sich hinter Budweis und nach denen mährischen Grenzen zu gezogen haben sollen. Es machet aber einen grossen Unterschied aus, ob Prag in des Königs oder in des Feindes Händen ist, und ersteres machet dem König die Arme viel freier, als es sonst nicht sein kann.

Wann die Herrn Hannoveraner nur so lange das ihrige thun und sich in der Positur setzen, dass die Franzosen weder an einem noch<65> andern Orte in denen hannoverschen Landen perciren können, bis es sich mit Prag decidiret hat, alsdenn wird zu allem sein Rath, und werden des Königs Majestät das Ihrige redlich thun. Der Herr Generallieutenant Graf Schmettau65-1 aber machet mir eine schlechte Idee von der guten Intention und von dem Savoir-faire des hannoverschen Ministerii, den einzigen Herrn von Münchhausen ausgenommen,65-2 und so gross und schön der Eifer und die Sentiments des Duc de Cumberland sein sollen, so soll er doch nicht die Freiheit haben, von dem Nervo rerum gerendarum disponiren zu können und bei der Generalität wenig Assistance haben.

Die Umstände seind also wohl allemal noch sehr critique, und die Providence wird uns, wie zu wünschen, noch durch mehr als ein glückliches Évènement die Hand bieten müssen, sonsten solche noch allemal sehr embarrassant bleiben werden, da derer Orten zu viel werden, wo überall eine efficace Hilfe nöthig ist. Gott lenke alles zum besten und zu einem baldigen redlichen und allgemeinen Frieden! Ew. Excellenz gnädigem Wohlwollen empfehle ich mich mit meinem vollenkommensten Respect.

Eichel.65-3

P. S.

Der Herr Hecht zu Hamburg hat wohl wegen der ostfriesischen Correspondance65-4 viel zu viel Terreur panique genommen und gegeben, und hätte er sich darunter weit besser nehmen können, wenn nicht seine Commodité dabei gelitten. Des Königs Majestät haben zeither noch posttäglich Schreiben von dem Präsidenten Lenz gehabt, der letztere ist vom 10. Mai gewesen, nach welchem dort noch alles ruhig, die vorigen habe mir die Freiheit genommen, Ew. Excellenz zu adressiren, um solches damit darzuthun.

Nach der Ausfertigung.



64-1 Nr. 8956.

64-2 Vergl. S. 55.

64-3 Vergl. S. 50. 60. 63.

65-1 Vergl. Bd. XIV, 550.

65-2 Vergl. Bd. XIV, 385 Anm. 1.

65-3 In einem Zusatz meldet Eichel von körperlichen Leiden, denen er ausgesetzt ist, und die ihn am häufigeren Schreiben hindern.

65-4 Vergl. Bd. XIV, 448.