8998. AN DEN GENERALLIEUTENANT HERZOG VON BRAUNSCHWEIG - BEVERN IM LAGER BEI KOLIN.

Im Lager bei Prag, 26. Mai 1757.

Durchlauchtiger Fürst, freundlich geliebter Vetter. Ew. Liebden danke Ich sehr vor die Nachrichten, so Dieselbe Mir vermittelst Dero Bericht vom 25. dieses zu melden belieben wollen. Auf dass wir uns aber beide in allen Stücken wegen eines Marsches gegen Habern89-1 ganz und gar verstehen, so schreibe Ich Deroselben nochmalen deshalb, dass die Idee wegen dieses Marsches auf drei Sachen gegründet ist:

1) Dass Ich versichert bin, dass Leopold Daun Ordre habe, nicht zu schlagen.

2) Dass dieser absolut seine noch habende Magazins souteniren müsse und das von Deutsch-Brod, Hohenmauth oder Leutomischl ohnmöglich verlassen kann.

3) Dass die österreichischen Leute wegen ihres neuen Systeme darauf bestehen, sich nur attaquiren zu lassen, und nicht ihren Feind zu attaquiren, aus der Ursache, dass wenn sie attaquiren, sie ohnmöglich die Artillerie in der Ordnung rangiren können, wie sie solche haben wollen; worinnen ihre ganze Force bestehet.

Der Vortheil, der vor uns aus obgedachter Operation erwachset, bestehet darin, dass

1) wir den Succurs vom Feinde je mehr und mehr von Prag eloigniren;

2) dass, wenn sich der Feind von der Elbe eloigniret, er alle die Partieen, die in der Gegend von Gitschin, Böhmisch-Aicha, Melnik p. herum vagiren, nothwendig an sich ziehen muss, um zu verhindern, dass solche nicht coupiret werden, und

3) dass, wenn man den Feind durch den Marsch so tourniret oder forciret, dass er nach Böhmisch-Brod, Leutomischl oder dergleichen Orten marschiren muss, solches Mich in dem Stande setzet, die Augmentation derer schlesischen Regimenter, so jetzo bei Landshut stehet, an Mich zu ziehen, desgleichen die Bagage derer schlesischen Regimenter,89-2 welche sie sehr vonnöthen haben, herkommen zu lassen; nicht zu gedenken, dass in gegenwärtigen Umständen es immer sehr<90> avantageux ist, auf den Feind Terrain zu gewinnen und ihn von denen Orten, wo er uns Abbruch thun kann, zu entfernen.

So viel Ich die dortigen Gegenden kenne, so glaube Ich, dass Ew. Liebden den Marsch thun und die Berge und Défilés rechter Hand lassen können; Meine Idee ist auch gar nicht, dass Dieselbe ganz und gar nach Habern oder Goltsch-Jenikau marschiren sollten, wohl aber glaube Ich, dass auf die erste Demonstration, so Ew. Liebden thun werden, rechts abzumarschiren, der Feind sodann fortgehen werde. So viel man hier höret, so hat Leopold Daun 24 Bataillons und 9 bis 10 Regimenter Cavallerie. Ueber 4 à 5,000 Husaren kann er nicht haben. Allhier in Prag seind ohngefahr 3000 Panduren; also kann er nicht über 5000 Panduren dort haben.

Hier bei Prag seind wir so weit fertig, dass wir gewiss den 28. Abends um 12 Uhr aus 18 Wurfgeschützen und 30 Canons mit glühenden Kugeln von allen Seiten attaquiren werden;90-1 wenn also Ew. Liebden um diese Zeit und nachher schiessen hören sollten, Dieselbe nicht denken oder Sich vorstellen werden, dass etwas anderes vorfället. Dieses kann Ich Ew. Liebden versichern, dass unsere weiteste Batterie 800 Schritt von den Wällen ab ist. Ich bin Ew. Liebden freundwilliger Vetter

Friderich.

Nach der Ausfertigung.



89-1 Vergl. 73. 81.

89-2 Vergl. S. 72.

90-1 Vergl. S. 81.