9009. AN DEN GENERALLIEUTENANT HERZOG VON BRAUN— SCHWEIG-BEVERN IM LAGER BEI KOLIN.

Im Lager bei Prag, 29. Mai 1757.100-1

Durchlauchtiger Fürst, freundlich geliebter Vetter. Nachdem Ich Mein gestriges Schreiben an Ew. Liebden bereits gestern Abend mit einem deshalb commandirten Commando Husaren bereits abgesandt, so habe Ich heute früh Deroselben Schreiben vom 27. dieses mit vieler Zufriedenheit erhalten100-2 und dessen Einhalt mit mehrern ersehen. Was Ew. Liebden wegen Dero vorhabenden Mouvements schreiben, solches approbire Ich ganz und gar; so viel aber des Feindes Stärke angehet, da werden Ew. Liebden Sich über das Quantum der 40,000 Portiones nicht wundern, indem ganz bekannter Maassen die Generals und Officiers von solchen zu 20 und 30 Portiones, weil ferner kein Wachtmeister noch Feldwebel ist, der nicht 2 à 3 Portiones hat. Wenn man hierzu die Leute vom Proviantfuhrwesen, die Artillerie, Bediente, Knechte und was sonst zum Generalstab gehöret, rechnet, so muss bei dem Feinde gewiss eine Armee von 30,000 Mann auf 40,000 Portiones gerechnet werden. Bei uns würden wir auf dergleichen Corps 36,000 Portiones ohngefähr nöthig haben, und ist also bei denen Oesterreichern 40,000 nicht zu viel.

Was die Aussagen verschiedener Deserteurs und anderer wegen des Marschall Leopold Daun angehet, ingleichen was seine Desseins und Projecte anbetrifft, so kann Ich sagen, dass, so viel Ich davon errathen und judiciren kann, derselbe nicht offensive agiren darf,100-3 und dass deshalb auch die hier in Prag nichts anders intendiren, als Mich hier so lange aufzuhalten, als es möglich sein wird, um Zeit zu gewinnen.

Bis dato ist nach allen Meinen Nachrichten noch nichts von Franzosen in Bewegung, so Mich obligirete, das geringste Mouvement zu machen. Was ich indess vom Feinde in Prag hier erfahre, ist, dass ihr Proviantmehl aufgehöret hat, und dass sie jetzo von dem Korn leben, so sie in der Stadt mahlen lassen. Heute Abend wird man gegen solche Ernst gebrauchen und wird man dann sehen, wie weit man damit kommet, da inzwischen an den Schlaf nicht viel zu gedenken sein wird. Binnen einer Zeit von acht Tagen werden wir mehr wie jetzo wissen können. Ich bin Ew. Liebden freundwilliger Vetter

Friderich.

Nach der Ausfertigung.

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100-1 Das Schreiben führt den Eingangs-Vermerk „30. Mai Nachts 12 Uhr“ , das vorangehende (Nr. 9008) „,30. Mai Nachmittags 6 Uhr“ .

100-2 Vergl. Nr. 9006.

100-3 Vergl. S. 72. 89.