9023. AN DEN GENERAL DER INFANTERIE PRINZ MORITZ VON ANHALT-DESSAU IM LAGER BEI PRAG.

Lager bei Prag, 1. Juni 1757.

Durchlauchtiger Fürst, freundlich geliebter Vetter. Ich habe Ew. Liebden Schreiben vom heutigen Dato erhalten, aus welchem Ich dann ganz gerne vernommen, dass von der Seite der Beraun und nach Pisek zu alles stille ist.

Ich glaube, dass wir dem Feind die Nacht ein paar Magazins angezündet haben, weil der Rauch davon sehr schwarz und dicke gewesen. Was die heutige Ausrückung der Garnison111-1 sagen wollen, solches kann Ich nicht wohl errathen; Meine erste Gedanken seind gewesen, wie sie probiren würden, ihre Cavallerie durchzubringen, weil diese zuerst ausmarschirete; denn wenn sie pur einen Ausfall thun wollen, so hätten sie die Infanterie vorhaben müssen und probiren Ehren halber etwas. Einige Meiner Officiers waren der Meinung, dass, weil es dem Feind so sehr an Fourage gebreche, sie herausgekommen wären, um eine Fouragierung zu machen; aber ihre Manœuvres sehen allem diesen nicht ähnlich, so dass Ich nicht errathen kann, was sie damit haben sagen wollen, noch was es bedeutet hat, und glaube Ich, dass es vielleicht der Prinz Karl von Lothringen nicht besser weiss wie Ich.

Heute seind wir erst in den dritten Tag von unserem Bombardement, und weil die Komödie noch länger dauren dörfte, so glaube Ich, dass sie es in einigen Tagen erschrecklich überdrüssig werden möchten. Sollte das Glück dabei wollen, dass wir ihnen noch etliche Magazins ansteckten, so würde Ich hoffen, dass wir uns noch mit Ehren aus dieser schweren Entreprise ziehen werden. Ich bin Ew. Liebden freundwilliger Vetter

Friderich.

Nach der Ausfertigung im Herzog. Haus- und Staatsarchiv zu Zerbst.



111-1 Vergl. S. 108.