9028. AN DEN GENERALLIEUTENANT HERZOG VON BRAUNSCHWEIG-BEVERN IM LAGER BEI KOLIN.

Im Lager bei Prag, 2. Juni 1757.

Durchlauchtiger Fürst, freundlich geliebter Vetter. Ew. Liebden Schreiben vom 31. voriges habe Ich heute früh erhalten. Worauf<114> Deroselben in Antwort dienet, wie die letzten Worte, so Mir der selige Feldmarschall Schwerin gesaget, diese waren: „Frische Eier, gute Eier!“ Es haben Ew. Liebden anfänglich die Leute nicht attaquiren wollen, ehe sie im Stande waren; sie werden immer mehr Verstärkung und Bataillons bekommen, so dass zuletzt das Ding ohnmöglich werden wird.

Wann Ew. Liebden die Panduren und Husaren von der Höhe wegjagen, so sehe Ich nicht ab, wie Sie Sich mit dem Feinde engagiren können, da solcher noch eine Meile davon stehet; au contraire, Ich glaube vielmehr, dass, wenn Dieselbe sie angreifen, solche gleich weglaufen werden. Ich lasse Ew. Liebden vermittelst der abschriftlichen Anlage ein Schreiben des sächsischen Ministers zu Wien, General Graf Flemming, communiciren, damit Dieselbe daraus sehen, wie die Leute eher an eine Retraite, als sonsten vor der Hand etwas anzufangen gedenken.114-1

Dass Ew. Liebden bei jetzigen Umständen den Leopold Daun in seinem Lager attaquiren sollten, solches gehet nicht an, aber die leichten Truppen vor sich wegzubringen, daran werden Dieselbe nicht sonderlich gehindert werden können, um alsdenn des Feindes Mouvements und Absichten um so besser zu erfahren. Ich habe den Marsch von Kuttenberg nach Czaslau gethan114-2 und bin vier Stunden unterwegens gewesen, weil alles voll Ravins und Défilés ist. Indess, da Ich dorten nicht gegenwärtig bin, so kann Ich nichts positives deshalb sagen, sondern Ew. Liebden werden Selbst einsehen und beurtheilen müssen, was an Ort und Stelle zu thun ist; auch ist Meine Intention nicht, dass Ew. Liebden [den festen Posten des Feindes]114-3 da nehmen sollen, sondern wenn Dieselbe sie114-4 dorten zurückgejagt, so können Dieselbe wieder in Dero Lager zurückgehen und auf des Feindes Mouvements vigilant sein, um solchen zu präveniren.

Mein letzteres Schreiben114-5 werden Ew. Liebden durch das Wied'sche Bataillon empfangen haben. In Prag hat der Feind gestern früh einen starken Ausfall thun wollen,114-6 mit Cavallerie und Infanterie, der aber schlecht vor ihn abgelaufen, denn er auf einige Kanonschüsse, so er in der Flanke bekommen, gleich in der grössesten Confusion davon- und zurückgelaufen ist. In der Stadt haben wir sehr viel Feuer gebracht, und ist ein ziemlicher Theil davon abgebrannt. Da sich etwas von Husaren und Panduren vom Feinde hinter der Sazawa zusammenrottiret<115> hat, so schicke Ich den Obristen von Seydlitz mit 700 Pferde und einem Bataillon dahin,115-1 um solche wegzujagen. Ew. Liebden können also den Obristen von Puttkammer davon gleich avertiren. Den Marsch nimmet der Obriste Seydlitz auf Beneschau, Diwischau, Sternberg oder Kammerburg und Rattay, um sich denn nacher Kaurzim zu repliiren und so weiter hieher. Vielleicht können der Obriste Puttkammer und der von Seydlitz mit einander zusammenstossen. Ich bin Ew. Liebden freundwillieer Vetter

Friderich.

Nach der Ausfertigung.



114-1 Ein aufgefangenes Schreiben Flemming's an den Minister Brühl in Warschau, d. d. Wien 10. Mai. Flemming äusserte die Meinung, Daun werde, wenn die Preussen ihn bedrängen, nach Kolin und im Nothfall von dort weiter nach Tabor sich zurückziehen. Man wolle in Wien die Hülfe der Bundesgenossen abwarten und Couriere nach Paris und Petersburg entsenden, um den Marsch der Franzosen und Russen zu beschleunigen.

114-2 Vor der Schlacht bei Czaslau am 17. Mai 1742. Vergl. Bd. II, 164.

114-3 Ergänzt nach dem Bericht Bevern's vom 31. Mai.

114-4 Die leichten Truppen der Oesterreicher.

114-5 Nr. 9021.

114-6 Vergl. S. 111.

115-1 Vergl. Nr. 9026.