9453. AN DEN GENERAL DER INFANTERIE PRINZ MORITZ VON ANHALT-DESSAU.450-3

Grochwitz, 21. October 1757.

Durchlauchtiger Fürst, freundlich geliebter Vetter. Ew. Liebden Schreiben vom 20. dieses habe Ich heute früh erhalten, und dienet Deroselben auf dessen Einhalt in Antwort, wie zuvörderst Ich nicht zweifeln will, dass sowohl der gestern früh von Mir zu Annaburg noch abgefertigte Officier Mein ihm mitgegebenes Schreiben450-4 Deroselben richtig abgeliefert, als auch der gestern Mittag von hier abgefertigte Feldjäger450-5 wohl bei Deroselben angekommen sein werde.

So viel demnächst den Einhalt Dero oberwähnten Schreibens angehet, da werden Ew. Liebden bereits aus erwähnten Meinen Schreiben ersehen haben, auch Selbst einsehen, dass, nachdem der General Hadik sich schon wieder zurück von Berlin gezogen hat, Ich gar keine Ursache mehr habe, noch weiss, worum Ich nunmehro auf Berlin marschiren, noch dahin kommen sollte,450-6 indem gewiss Meine Intention nicht ist oder sein kann, den Feind dahin und in dortige Gegend Meiner Lande zu ziehen. Das vornehmste also, worauf Ew. Liebden zu attendiren, und worum Dieselbe Sich am meisten zu bekümmern haben, seind die Oesterreicher, so Ew. Liebden dortiger Orten, nachdem nunmehro<451> die Leute von Dero Corps ausgeruhet seind, zu poussiren und zu pressiren haben. Dass der General Hadik laufet, was er marschiren kann, solches glaube Ich sehr wohl, indem er eilen wird, seinen gemachten Raub in Sicherheit zu bringen.

Was auch von einem feindlichen Corps über Beeskow gemeldet werden wollen, ziehe Ich zuvorderst noch in Zweifel; es kann aber auch sein, dass es dasjenige ist, so Hadik, als er mit dem bei Berlin gewesenen Corps vorausgegangen, zurückgelassen, und nun solches ihm entgegenkommen lässet, um seinen Plunder, so er geraubet, so viel mehr zu decken. Noch weniger aber kann Ich den Umstand von einem angegebenen starken Corps unter dem Generalmajor451-1 Esterhazy vor ganz richtig halten, als welchem dergleichen Commando von einigen tausend Mann noch nie, wohl aber von 1000 bis 1500 höchstens gegeben worden. Ew. Liebden werden also es an nichts ermangeln lassen, den Feind zu treiben und dorten zu expulsiren, auch wenn derselbe auf die Stadt Frankfurt etwas tentiren wollte, solches nicht leiden, sondern verhindern.

Was die Schweden angehet, deshalb haben Dieselbe Sich gar nicht zu embarrassiren, indem des Generallieutenant Prinz Ferdinand von Braunschweig Liebden den 23. oder 24. wenigstens mit Dero Tête von Cavallerie bei Berlin sein werden, an welche Ich die Ordre gegeben, allda vorerst stehen zu bleiben,451-2 bis sich dorten alles wieder calmiret haben wird, so dass Ew. Liebden Sich nur allein um die Oesterreicher zu bekümmern haben. Ich verlange daher auch sehr, dass Ich bald einen recht umständlichen Rapport von dem Generalmajor von Seydlitz451-3 bekomme, damit Ich daraus sehen und urtheilen könne, wohin eigentlich der Feind allda seinen Marsch nimmet, und so viel Mich angehet, so erwarte Ich dann auch von Ew. Liebden die Nachricht, wohin Dieselbe den Feind treiben, und ob Ew. Liebden bei Lübben oder bei Guben zu Mir stossen können; denn ob Ew. Liebden den Feind gegen Guben oder sonsten verfolgen, solches ist Mir einerlei, wenn Dieselbe sonsten nur Mich avertiren, an was vor Orten Ich zu Deroselben stossen kann; alsdenn wir schon weiter agiren wollen, inzwischen Ich Mich gerade wieder nach dem Orte ziehen werde, davon Ew. Liebden Mich avertiren werden, dass bei Forttreibung des Feindes zu Mir stossen können. Ich bin Ew. Liebden freundwilliger Vetter

Friderich.

Nach der Ausfertigung im Herzogl. Haus- und Staatsarchiv zu Zerbst.

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450-3 Prinz Moritz datirt seine Berichte vom 19.—21. October aus Berlin, am 22. aus Mittenwalde, am 23. aus „Gross-Ziethen eine Meile vor Baruth“ , am 24. aus Dahme.

450-4 Nr. 9440.

450-5 Vergl. Nr. 9448.

450-6 Vergl. S. 437. 444.

451-1 Nicolas Esterhazy war nach der Schlacht bei Kolin zum Feldmarschalllieutenant erhoben worden.

451-2 Vergl. Nr. 9445.

451-3 Vergl. S. 445.