9455. AN DEN GENERALLIEUTENANT HERZOG VON BRAUNSCHWEIG-BEVERN.

Quartier Grochwitz, 21. Qctober 1757.

Ew. Liebden beide Schreiben vom 13. und vom 16. dieses habe Ich allhier fast zu gleicher Zeit erhalten.

Was die von Deroselben darin gemeldete dortige Umstände angehet, so erkenne Ich hier sehr wohl, dass solche bis dato etwas embarrassant sein müssen, indessen Dieselbe doch auch erkennen werden, dass Dero Umstände dorten leichter wie hier und anderer Orten sein, da Dieselbe Sich in einem Lande befinden, wo viele Festungen sich befinden und gute Positiones und feste Lager zu nehmen seind. Ich hätte dahero wohl sehr gewünschet, dass Ew. Liebden gleich vorhin schon gute und feste Positiones genommen, um den Feind in dem weiteren Eindringen in das Land zu arretiren und alles darunter schwer zu machen; dahero Ich dann auch das weitere Zurücklaufen nicht approbiren kann noch werde.

Es werden Ew. Liebden Selbst nunmehro judiciren, dass, wenn Dieselbe Sich nach den übel digerirten und schlechten Sentiments einiger unter Dero Ordre stehenden Generals über die Oder gezogen und Breslau hinter Sich so zu sagen abandonniret gelassen hätten,453-1 dadurch nunmehro ganz Schlesien verloren und Dero unterhabende Armee fast völlig ruiniret gewesen sein würde. Ich habe es also Dero sehr gutem Entschluss, und dass Dieselbe ein Vertrauen zu Sich Selbst gefasset und keinen Rriegesrath, als die schlechteste Sache von der Welt und worinnen mehrentheils die lâchesten andere brave Leute überstimmen, weiter gehalten, hauptsächlich mit zu verdanken, dass vorerwähnte ohnersetzliche Unglücke nicht geschehen seind, und die Sachen sich auf einem solchen Fuss finden, dass mit Gottes Hülfe alles redressiret werden kann; nur müssen Dieselbe nicht leiden, dass von weiterem Zurücklaufen gesprochen werde, welches Ich, da es hier auf Land und Leute ankommet, niemalen gut heissen werde.

Dass Ew. Liebden den Feind jenseits der Oder mehr in Respect setzen und dadurch die Correspondance und Zufuhre erleichtern lassen, ist sehr gut gewesen, und werden Dieselbe darunter überall nach Möglichkeit continuiren.

Ich approbire auch, dass denen Leuten tuchene Hosen gemachet und gegeben worden, wie dann Dieselbe die Conservation derer Regimenter Sich überall nach Möglichkeit angelegen sein und die Generals und Chefs der Regimenter, auch derer Compagnien wohl anzuhalten und zugleich zu controliren haben, dass keiner von ihnen wegen miserablen Eigennutzes halber denen Leuten etwas entziehen, sondern ihnen vielmehr, bei infamer Cassation, alles richtig und redlich geben müsse. Was Ich aber hierbei Ew. Liebden ganz besonders recommandire und<454> zugleich durchaus haben will, ist, dass Dieselbe zum höchsten [auf]454-1 strenge Disciplin halten und die Leute nicht ausschwärmen, noch plündern oder rauben lassen, sondern dass Ew. Liebden vielmehr auf rechtschaffene Ordre und Disciplin sehen und diejenigen, so dawider handeln, nach aller Rigueur bestrafen lassen und darunter von dem Officier anfangen, bis auf den gemeinen Mann und Rnecht.

Was Ew. Liebden Mir bei Gelegenheit des letzteren Theresientag geschrieben,454-2 hat Mich so sehr befremdet als betrübet. Ich hoffe, Meine Generals und Officiers werden so ehrliebend und brav sein, sich weder vor Theresien- noch andere Tage, wie sie heissen, furchten und gleichsam ein Dankfest machen, wenn sie solchen Tages keinen Feind gesehen. Vielmehr sollten sie froh sein und Gott danken, wenn dergleichen ihnen Gelegenheit gäbe, mit dem Feind anzubinden und denselben wie ehrliebende Leute rechtschaffen zu schlagen. Ich wünsche daher auch, dass Ew. Liebden niemalen mehr in Dero Schreiben an Mich etwas dergleichen als dieses Mal erwähnen mögen.

Was endlich Mich anlanget, so wird beikommendes Postscript Ew. Liebden Mein ganzes jetziges Projet zu Meiner Operation und Schluss der Campagne zeigen, worauf Ich Mich beziehe, und welches Deroselben zu Dero Instruction dienen soll. Ich muss aber Deroselben hierdurch zugleich aufgeben, das höchste Secret davon zu halten und zur Zeit auch nicht das geringste davon an einen Dero Generals noch Officiers davon lesen zu lassen, noch zu sagen, auch selbst wegen desjenigen, welchen Ew. Liebden zum Dechiffriren des Postscripts brauchen werden, Ihre Sicherheit und Précautions zu nehmen; denn Ich Mich wegen des Geheimnisses, und dass nicht das geringste davon eclatire, lediglich an Ew. Liebden halten muss und werde.

Friderich.

P. S.

Quartier Grochwitz, 22. October 1757.

Meine hiesige Umstände angehend, so erwarte Ich zuvorderst noch ein Regiment Cavallerie von dem Corps des Prinz Ferdinand von Braunschweig,454-3 und dass demnächst der Prinz Moritz mit seinem Corps zu Mir stosse. Alsdenn Ich ein Projet vorhabe, so Ich wo möglich und mit göttlicher Hülfe executiren werde. Ich werde nämlich gerade nach Görlitz marschiren. Da haben die Oesterreicher, wie Ich weiss, 4000 Kranke. Der bei Bautzen stehende österreichsche General Marschall muss also da halten oder die Kranken fallen Mir in die Hände. Ich denke aber, dass dieses eine gute Gelegenheit sein wird, ihn zu attaquiren oder ihn zu zwingen, nach Böhmen zu gehen.

<455>

Alsdenn denke Ich Meinen Marsch gerade auf Schweidnitz zu nehmen, im Fall sonst der Feind diesen Ort attaquiret, da Ich dann gerade auf ihn marschire. Hierdurch nun werden Ew. Liebden nicht nur Luft kriegen, sondern Ich glaube auch fest, dass die gegen Dieselbe stehende feindliche Armee über Hals und Kopf sich zurückziehen und retiriren werde. Alsdenn müssen Ew. Liebden mit aller Force auf solche agiren, ihre Arrieregarde attaquiren und ihnen allen nur möglichsten Schaden thun. Wollen solche auf Mich marschiren, so marschiren Ew. Liebden gerade auf Schweidnitz, alsdenn der Feind Dieselbe hinter sich hat; Ich aber ziehe Mich wieder zurück, und dann muss der Feind doch nach Böhmen zurück.455-1

So viel Ich weiss, so hat der Feind sich vorgenommen, bis zum 1. December Campagne zu halten, Ich denke aber, dass wir ihm solches wohl verhindern wollen. Wenn der Obriste Werner mit seinem Husarenregiment sich aus Schweidnitz von dieser Seite ziehen und zu Mir stossen könnte, so würde es sehr gut und Mir interessant sein.

Sonsten avertire Ich noch Ew. Liebden, dass Ich von hier aus gute Nachrichten von Schweidnitz her einziehen, aber nicht eher dahin marschiren werde, bis der Feind Canons en batterie gebracht hat, sonst es zu früh und zu zeitig wäre.

Ueber alles dieses recommandire Ich Ew. Liebden das allerhöchste Secret.

Friderich.

Nach dem Concept.



453-1 Vergl. Nr. 9406. 9414.

454-1 In der Vorlage: und.

454-2 Bevern hatte, Lager bei Pöpelwitz, 13. October, gemeldet, es werde verbreitet: „am Tage Theresie, als übermorgen, werde man die Preussen attaquiren, und mache sich wegen der Supériorité grosse Hoffnung auf Erfolg“ . Ueber den Theresientag am 15. October vergl. auch Bd. XIII, 550. 551.

454-3 Vergl. S. 444.

455-1 An den Minister von Schlabrendorff in Breslau schreibt der König, Grochwitz 21. October: „Gebe Euch auch in Antwort, dass Ihr nur noch etwas Geduld haben sollet, weil Ich die Sachen noch dahin zu lenken gedenke, dass mit göttlicher Hülfe dieselbe noch ein anderes Ansehen gewinnen, und wir das platte Land bald noch wiederum von dem Feinde ganz frei kriegen werden.“ [Ausfertigung im Kriegsarchiv des Königl. Grossen Generalstabs zu Berlin.] Vergl. auch Nr. 9446.