9509. AN DEN ETATSMINISTER GRAF PODEWILS IN MAGDEBURG.

Leipzig, 12. November 1757.

...23-4 Da auch des Königs Majestät Höchsteigenhändig eine Relation von der, gottlob, so glücklichen und glorreichen Bataille vom 5. dieses aufgesetzet haben, so übersende auf allergnädigsten Befehl Ew. Excellenz eine Abschrift davon hierbei,23-5 um davon nach Sr. Königl. Majestät Intention denen Herrn Ministern an auswärtigen Höfen Communication davon zu thun, als auch solche denen teutschen und französischen Zeitungen überall in- und ausserhalb Landes inseriren zu lassen.23-6 Ich muss vor mich bekennen, dass solche wiederum mit vieler Modestie abgefasset und nicht das allergeringste darin exag[er]iret worden, auch die darin angezeigete Trophées nicht nur zu jedermanns Gesichte auf dem Schlosse zu Merseburg stehen, sondern verschiedene darin, so nachher und noch heute gebracht worden, nicht mitgezählet worden seind. Die Artillerie ist ganz neu und so schöne wie möglich, die mehriste von solchen französisch, verschiedene nürenbergische und reichsstädtsche, anspachsche, auch einige von denen, so die Franzosen aus denen Zeughäusern zu Weimar und Gotha genommen. Die Anzahl<24> der Gefangenen würde weit beträchtlicher und vielleicht an 20,000 Mann gegangen seind, wann nicht die Dunkelheit der eingefallenen Nacht verhindert hätte, diejenigen, so bereits alle das Gewehr gestrecket und nur auf ihre Abforderung gewartet haben, zu sehen und zu nehmen, die aber hernach von der Nacht profitiret und weiter gegangen seind; wie dann auch nicht zu leugnen, dass viele von denen bereits gefangenen, da sie in der Nacht in grossen Haufen transportiret worden, von der Dunkelheit profitiret und sich verlaufen haben. So seind auch viele Blessireten von ihren Truppen mitgenommen worden. Die eigentliche Anzahl derer Todten vom Feinde habe ich nicht ausfindig machen können, weil die unsrigen, zumalen bei Verfolgung des Feindes, sich nicht viel Mühe darum gegeben und die sächsischen Bauren mit deren Beerdigung geeilet haben. Verschiedene andere Officiers, so sich auf dem Champ de bataille darnach umgesehen, wollen einige dererselben über 800, andere über 1000, andere über 1500 gezählet haben. Die beiden österreichschen Cavallerieregimenter Pretlack und Trauttmansdorf aber und sonderlich das erstere haben sehr gelitten, da es mit 60 Mann par compagnie zur Bataille aufmarschiret ist und hernach die stärksten Compagnien sich mit 13 Mann retiriret haben sollen. Es ist noch auf der Retraite bis Erfurt viele Equipage und dabei viele mit Seiden gefutterte Officierzelter [zur] Beute gemachet worden. Die Consternation und Furcht derer feindlichen Truppen auf der Retraite soll nach allgemeiner Aussage aller dererjenigen, so sie begegnet und gesehen haben, ganz ohnbeschreiblich gewesen seind, da sie auf ihrer Flucht, auch ohne einen verfolgenden Feind zu sehen, Gewehre und alles, was sie vermeinet an ihrem geschwinderen Fortkommen hinderlich zu sein, von sich und weggeworfen haben, so dass drei Viertel von ihnen ohne Gewehr seind.

Dahergegen ist ihre Rage gegen den armen sächsischen Bauren und Unterthanen um so grösser gewesen, als welche sie indistinctement rein und theils bis auf das Hemde, Thüren, Kisten und Kasten erbrochen und geplündert, derer Kirchen nicht nur mit der Plünderung gar nicht geschonet, sondern auch die Vilenie begangen haben, auf die Altäre zu steigen und darauf zu hofieren; dergleichen denn auch denen Bauren und sonsten mit ihren wenigen Mehl- und Brodvorräthen verschiedentlich widerfahren, da sie das Mehl in denen Fässern durch ihre Ordures verdorben, die Brode aber aushöhlet und die sogenannte Krume heraus, hergegen ihre Unfläthereien herein gethan und so den Bauren wieder auf den Tisch geleget haben. Ofen und Fenster seind eingeschlagen, das Vieh aber todtgestochen oder weggejaget worden. Und dieses alles ist von denen sogenannten Erretters derer Sachsen geschehen! Es seind auch des Königs Majestät, da die armen sächsischen Unterthanen solches bitterlich geklaget haben, darüber so indigniret worden, dass Sie mir exprès befohlen, Ew. Excellenz solche schändliche Procédés zu melden, um zu besorgen, dass solche auf gute Art, in specie aber die gewaltthätige Plünderungen derer Kirchen und geschehenen Vilenien auf<25> denen Altären, in denen öffentlichen Zeitungen25-1 und insonderheit ausländischen und denen, so in das Reich kommen, bekannt gemachet werden. Das bouquet de Saxe also, wozu der Maréchal de Richelieu nach des Benoît neulichem Bericht dem König von Polen Hoffnung gemachet, wird also nicht gut ausfallen. Im übrigen haben sich die französische Truppen hinter Erfurt und nach dem Eisenachschen gezogen, ohne dass man noch weiss, wo sie weiter bleiben werden. Die Kreistruppen, so sich sehr dissipiret und viele von ihnen bei uns Dienst genommen, sollen sich wieder den Weg, so sie gekommen, gezogen haben.

Was die unsrigen anbetrifft, da hat man insonderheit dem Höchsten zu danken, dass auch noch bis dato wir unseren Verlust an Todten und Blessirten, deren ersteren ohnehin wenig seind, noch nicht völlig auf 350 rechnen können. Mit der Blessur des Prinzen Heinrich's Hoheit hat es gar nichts auf sich, die mehr eine Contusion ist, als eine Blessur zu nennen, und von denen Generalmajors Meinecke und Seydlitz hat mir heute noch der Herr p. Cothenius, der sie besuchen müssen, nach seiner Retour versichert, dass solche ohne alle Gefahr noch Suites wären.

Ich unternehme mich, Ew. Excellenz eine Designation von der gefangenen französischen Generalität und Officiers beizufügen,25-2 sowie des Königs Majestät mir solche in Merseburg gegeben haben, muss aber dabei melden, dass solche wegen der darin angesetzeten zwar richtig, aber nicht complet sei, indem an Officiers noch viele und über 50 nachher dazugekommen seind. Der in der zweiten aufgeführte Boulanger ist kein gemeiner Bäcker, sondern das, was bei uns der Oberbackmeister und noch mehr ist; der auch in einem sehr reich galonirten Kleide getroffen worden. Des Königs Majestät haben die gefangene französische Generals und Officiers auf das gracieuseste accueilliret, verschiedene von ihnen zur Tafel gezogen, mit vielen Sich umständlich unterredet; sowie denn auch des Prinz Heinrich Hoheit an vielen Blessirten von ihnen viel gracieuses gethan haben.

Dieses wäre nun insoweit vorbei, und stehet zu erwarten, was es weiter vor Impression in denen Affairen machen wird.

Der Major und Flügeladjutant Grant gehet heute wiederum25-3 als Courier an des König von Engelland Majestät ab. Morgen aber und da die Truppen sich erst etwas ruhen müssen, treten des Königs Majestät Dero Marsch über Torgau und die Lausnitz nach Schlesien an, wo die Oesterreicher die Belagerung von Schweidnitz sehr pressiren sollen. Der Höchste gebe nur, dass Dieselbe noch bei guter und rech<26>ter Zeit dahin kommen, und segne Dero Waffen alsdenn mit gleichem Success wie hier, so dörfte alsdenn [nicht nur] die diesjährige Campagne mit Anfang Decembers zu Ende gebracht, sondern demnächst auch, wenn zumalen die Destinations des Generalfeldmarschall von Lehwaldt und ein und andere mehrere Entreprises von Success sein, auch die Engelländer nicht säumen in Petersburg zu pressiren, um etwas gedeihliches auszurichten, ein guter und honorabler Frieden in kommendem Winter erfolgen können.

Soeben da noch die Ehre habe, den Herrn Obristen Lentulus zu sprechen, welcher nach der Blessur des Generalmajor von Seydlitz die Avantgarde von des Königs Corps [gefähret], so den Feind poussiret und beständig im Rücken gelegen, auch noch viele Gefangene gemachet und Canons und Trophées genommen hat, versichert mir derselbe, wie die Anzahl der wirklich gefangenen Officiers und Gemeinen, so mehrentheils noch zu Merseburg befindlich, weit höher gehe, als des Königs Majestät solche in der Relation gesetzet, daher ich mir auch die Freiheit genommen, solche in der Relation zu ändern und drüber zu setzen.26-1 Erwähnter Herr Obrister versichert mich auch auf das höchste, wie er repondire, dass über 10,000 Stück Gewehre in der Saale lägen, so beiderseitige feindliche Truppen auf der Flucht darin geworfen. Seit der Bataille von Ramillies26-2 haben also wohl die französischen Armées [keine] dergleichen Défaite als diese gelitten, wie solches auch der Maréchal de camp M. de Custine26-3 in einem an den Comte d'Argenson adressireten und offen abgegebenen Schreiben sehr wohl remarquiret hat. Es seind auch nach mir gegebener Versicherung sowohl die französische Armee als die von denen Cercles dergestalt auseinander, dass sie zu Corps von 2, 3 bis höchstens 8000 Mann marschiren.

Ich muss endlich aufhören und Ew. Excellenz tausend Mal um Vergebung bitten, dass mich vor dieses Mal so sehr étendiret und Deroselben Geduld missbrauche. Die Correspondance dörfte nach dem morgenden Aufbruch und insonderheit nachher wohl etwas difficile werden und sonder Chiffre nicht zu hasardiren seind; daher mich inzwischen zu Ew. Excellenz gnädigem Andenken und Wohlwollen mit meinem gewöhnlichen Respect und getreuesten Attachement unterthänig empfehle.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.



23-4 Im Eingange übersendet Eichel dem Minister mehrere nicht mehr vorhandene Schreiben des Königs an Mitglieder der königlichen Familie.

23-5 Vergl. Nr. 9510.

23-6 Die Relation wurde am 14. November an die preussischen Gesandten, am 15. an die befreundeten deutschen Höfe verschickt. In den Berliner Zeitungen erschien sie Donnerstag, 17. November, vergl. „Berlinische Nachrichten“ Nr. 138; in den Danziger „Beyträgen“ in Bd. III, S. 547—552.

25-1 Ein entsprechender Artikel erschien in den „Berlinischen Nachrichteft“ Sonnabend 19. November, Nr. 139.

25-2 Die Liste ist gedruckt: „Berlinische Nachrichten“ Donnerstag 17. November, Nr. 138; Danziger „Beyträge“ , Bd. III, S. 552—555.

25-3 Grant, ein geborener Engländer, war auch mit der Siegesbotschaft von Prag nach London gesandt worden. Vergl. Bd. XV, 475.

26-1 Vergl. Nr. 9510. S. 29. Anm. 1 und Nr. 9511.

26-2 23. Mai 1706.

26-3 Custine war in der Schlacht gefangen worden.