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10548. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.

Dresden, 18. November 1758.

Eichel sendet weitere Mittheilungen über den Rückzug des Feldmarschalls Daun nach Böhmen.1

Von ganz guter Hand hat mir gesaget werden wollen, wie anfänglich, als der Feldmarschall Daun mit seiner Armee hier vor Dresden gerücket ist und sein Hauptquartier in einem Dorfe Lockwitz, wo des Königs Majestät im Frühjahre vorigen Jahres vor der Expedition in Böhmen cantonniret haben,2 genommen, er sehr fier gesprochen und arroganter Weise versichert habe, dass, da er mit seiner ganzen Macht vor Dresden wäre, die preussische Garnison nebst dem Trüppel3 von Volk, so noch von Preussen hinter Dresden stände, solches bald verlassen und weglaufen, mithin er binnen gar wenig Tagen selbst in Dresden sein würde. Und als ihm darauf modestement geantwortet worden, wie die Preussen eben nicht gewohnet wären, sogleich ihre Posten zu verlassen und wegzulaufen, hat er die Worte: „er und seine ganze Macht“ , in Antwort verschiedentlich wiederholet. Als er aber den 15. dieses seine Anstalten zum Abzüge gemachet und dieselbe Person, mit welcher er vorhin erwähntes Entretien gehabt, gesprochen, hat er zu derselben mit gelassenem Ton gesaget: „Der König von Preussen kommet, der Dohna und Wedell desgleichen, so wie auch Prinz Ferdinand von Braunschweig, und das Corps Preussen bei Dresden ist auch noch da;“ dieses sei ihm zu viel und also müsse er sich nach Böhmen zurückziehen.

Ew. Excellenz wollen nicht ungnädig nehmen, dass Ich Dieselbe mit dergleichen Bagatellen incommodire; es ist aber nur, um einiges Échantillon von dieses Mannes Caractère zu geben, welchem die französischen Zeitungen so viel imaginirte Lauriers zuwerfen, wovon er vielleicht selbst zum oftern nichts weiss und es erst aus solchen Zeitungen erfahren muss. Nach Aussage aller in starker Menge hierher kommender Deserteurs hat man dem österreichschen gemeinen Mann weiss gemachet, dass in Dresden nichts weiter als ein paar schlechte Bataillons zur Garnison sei[en], die ohngefähr 6 Canons zur Defension hätten; als aber neulich die Fête wegen der aufgehobenen Belagerung von Neisse celebriret worden und der österreichische gemeine Mann dabei an 100 Canons von den Wällen jedesmal lösen sehen,4 auch das starke Lauffeuer der Garnison gehöret, hat derselbe darüber alle Contenance verloren und zugleich sehr rüde gegen ihre5 Generalität öffentlich gesprochen, welche sie so gröblich hintergehen wollen; welches der Abmarsch noch mehr befördert haben soll. Der hiesige junge Hof ist um so mehr capot



1 Vergl. S. 379.

2 Vergl. Bd. XIV, 411—515.

3 Oesterreichische Deminutivform von „Trupp“ .

4 Vergl. S. 378.

5 So.