10390. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN BERLIN.

Dresden, 4. October 1758.

Eichel bestätigt den Empfang eines nicht mehr vorliegenden Schreibens vom 30. September.

Was den unglücklichen Vorfall mit dem Schreiben nach Gotha anbetrifft,286-3 so werden Ew. Excellenz das gnädige Sentiment von mir<287> hegen, wie ich wohl sehr weit entfernet davon bin, auch nur einen Augenblick den Gedanken zu hegen, als ob von Seiten Deroselben etwas an der richtigen Beförderung dieses Schreibens unterlassen worden.

Eichel tadelt, wie schon am 1. October, die Unbedachtsamkeit des Hofpostmeisters Jordan und des Postmeisters Marcus.

Angehend das von des Königs Majestät verlangete Pamphlet,287-1 so wird es so sehr darunter nicht pressiren, dass es nicht damit bis zu der von Ew. Excellenz beliebten Zeit damit anstehen könnte, zumal ich glaube, dass mein Séjour allhier sich bis dahin trainiren dörfte, und ich noch wohl selbiges selbst zu des Königs Majestät werde mitnehmen können.

Die von Ew. Excellenz mir adressirete gedruckte Bulletins287-2 hat mir der Herr Mitchell insgesammt bis auf ein einiges Exemplar, so ich des Herrn von Borcke Excellenz, die es hier nachdrucken lassen wollen, zugestellet, abgenommen. Ersterer verlanget dergleichen allemal mit grossem Empressement, um seinen Gebrauch davon sowohl in Engelland als auch sonsten zu machen, daher ich mich nur seinem Verlangen conformiren müssen.

Ich glaube übrigens, dass, wenn der Herr Generalmajor von Wedell weiter fortfahren wird, den vor ihm stehenden Feind bei allen Gelegenheiten zu inquietiren und ihm wenig Ruhe zu lassen, dieser des dortigen längeren Bleiben bald überdrüssig werden und auf seine Retraite denken wird. Sollte er aber auch en force gegen gedachten Herrn General vorgehen wollen, so bin ich persuadiret, dass dieser entweder so gute Posten, daran es dorten gar nicht fehlet, nehmen oder vielleicht gar dem Feind währendem seinem Marsch auf den Hals fallen oder auch solchem einen Flügel zu culbutiren suchen wird, dass der Feind seine Unternehmungen gar sehr zu regrettiren Ursach haben dörfte, zumalen da bis dato gottlob! des Königs Armeen und Corps noch keine andere Bataillen als gegen einen allemal en forces gar inegal superieuren Feind gehabt und denselben demohnerachtet tüchtig geschlagen haben; welches, wie es die vielfältige Erfahrung zeiget, auch angehet, wenn nur Audace und zugleich vernünftige und kluge Disposition dabei ist.

Von dem ohnlängst geschehenen Anprellen einer kleinen Partie österreichscher Husaren bis an die nächsten bei Berlin belegenen Dörfer287-3 auf der einen Seite der Stadt hat man hier vorhin schon etwas erfahren, man prätendiret aber zugleich hier zu wissen, dass es eigentlich keine österreichsche Husaren, sondern vielmehr eine Bande von liederlichem Gesindel und russischen, österreichschen, auch selbst von unsern Deserteurs gewesen sein solle, die unter dem Namen von österreich<288>schen Husaren und Ansehen von solchen von Dorf auf Dorf herumgezogen und denen Unterthanen Geld abpresseten. Sollte dieses richtig sein, so hielte ich davor, dass man die sogenannte Kammerhusaren288-1 gegen solches Gesindel besser als gegen die Schweden gebrauchen, auch durch Zusammenstehung der Bauerschaften, Läutung derer Sturmglocken und dergleichen sich solcher partis bleus und sans aveu bald entlasten könnte, zumalen wenn man sich einiger von ihnen bemächtigen könnte und solche alsdenn denen andern zum Exempel an den ersten den besten Baum executirete. So aber und wenn dergleichen Gesindel sich gefürchtet stehet, und nichts gegen selbige geschiehet, so ist sehr zu besorgen, dass deren Muthwillen mehr und mehr überhand nehmen wird.

Es folgen Mittheilungen über einen Chiffre für den Minister von Borcke.

Von des Königs Majestät Armee habe ich noch keine weitere Nachricht, als dass alles noch in der letztgenannten Position stehen, Bautzen inzwischen occupiret und dabei ohngefähr 150 Mann von denen Oesterreichern gefangen, auch noch Vorräthe von Magazin, Brod und viel zum Backen schon gekneteter Teig gefunden worden sein soll, welches uns hier von einem unserer Husarenofficier, so daher gekommen, versichert werden wollen, wiewohl aus der Armee selbst wir noch keine Nachrichten deshalb haben.

Eichel.

Nach der Ausfertigung.



286-3 Vergl. S. 279.

287-1 Vergl. S. 271.

287-2 Finckenstein's Bericht liegt nicht vor. Wahrscheinlich ist das Bulletin, d. d. Berlin 26. September, über die Vertreibung der Schweden, oder dasjenige, d. d. Berlin 30. September, über die gleiche Sache, oder es sind auch beide zusammen gemeint.

287-3 Vergl. S. 280.

288-1 Die neu errichteten, in Berlin stehenden kurmärkischen Provinzialhusaren, die nach dem Vorbild der neumärkischen, von der dortigen Kammer allein unterhaltenen Husaren auch Kammerhusaren hiessen. Ueber sie vergl. Schwarz, Preuss. Landmilizen im siebenjähr. Kriege S. 145. 180. (Staats- u. socialwissensch. Forschungen hrsg. v. Schmoller, Bd. VII, Heft 4.)