12072. AN DEN GEHEIMEN COMMERZIENRATH VON REXIN IN KONSTANTINOPEL.

Lager bei Meissen, 10. Mai 1760.

Bei der Gelegenheit, da der englische Minister M. Mitchell allhier von seinem Hofe chargiret worden, einen expressen Courier nach M. Porter mit neuen Instructionen zu senden,333-1 habe Ich nicht versäumen wollen, Euch nochmalen hierdurch zu schreiben, dass, weil nach Euren vorigen Berichten die Pforte sich so favorabel über Meine Alliance declariret hat,333-2 Ich also auch nicht zweifele, dass Ihr nunmehro den Tractat bereits gezeichnet haben werdet.

Ich hoffe, dass Meine Briefe an den Sultan und an den Grossvezier333-3 Euch schon vor einigen Wochen richtig zugekommen, und Ihr dem letzteren alle Versicherungen von Meiner sinceren Absicht gegen die Pforte, von Meiner Resolution, einen aufrichtigen Tractat mit ihr zu schliessen, und dass, wenn sie mit Gottes Hilfe das Banat erobert haben wird, [Ich] ihr solches garantiren, auch niemalen den Frieden mit Meinen jetzigen Feinden machen will, ohne die Pforte express mit einzuschliessen, [gegeben haben werdet,] auch die Türken sonst wegen des ausgesprengeten falschen Gerüchtes von einem Friedenscongress und schon geschlossenen Frieden völlig desabusiret haben werdet, so dass solche nicht die geringste Soupçons mehr deshalb behalten haben wird; wie Ihr dann auch dem Grossvezier die Stärkeste Versicherung geben könnet, dass die Oesterreicher mit denen Russen den Krieg gegen Mich durchaus continuiren wollen, und dass sich also auch die Chipotage, so zwischen denen Engelländern und denen Franzosen gewesen, gänzlich zerschlagen hat, und der Krieg also nach als vor continuiren wird.

Wäre aber der Tractat zwischen Euch und dem Grossvezier noch nicht wirklich gezeichnet, so sollet Ihr denen Türken insinuiren, dass Ich jetzo alle französische Friedensnegociations unterbrochen hätte, um der Pforte ein Zeichen von Meiner aufrichtigen Gesinnung gegen ihr zu geben, dahergegen aber sie auf der andern Seite gewiss versichert sein möchte, dass, wenn Meine Alliance mit ihnen nicht jetzo baldigst zu Stande käme, Ich Mich auch ohnmöglich länger von ihnen aufhalten lassen könnte, sondern Meine Conditions mit denen andern, so Ich könne, würde machen müssen; dabei Ihr ihnen mit sehr guter Art und mit Adresse inspiriren sollet, wie die Oesterreicher und die Russen ganz<334> ouvertement gesprochen, dass, sobald sie Mich nur erst aus dem Spiele haben würden, sie alsdenn auf die Türken losgehen und solche angreifen wollten, zumalen da sie jetzt schon alle Armements gemachet und also in einem Zug nur immer auf die Türken gehen wollten.

Wie das englische Ministerium den Porter jetzo instruiret hat, davon schicke Ich eine Abschrift zu Eurer Nachricht hierbei, so wie Mir solche dessen Hof selbst getreulich communiciret hat.334-1

Woferne aber der Tractat zwischen der Pforte und Mir schon zu der Zeit gezeichnet ist, wenn Ihr dieses Mein Schreiben bekommet, so müsset Ihr die Vorsicht gebrauchen und denen Türken nichts von vorgedachtem sagen, weil alsdenn dergleichen nicht mehr von der Zeit und es damit hors de saison sein würde. Vielmehr müsset Ihr dieselbe äusserst pressiren, damit sie ihre Operationes bald und gleich anfangen, denn Ich Euch, jedoch auch nur vor Euch, reine heraus schreiben will, dass, wenn Ich nicht bald Hilfe von dort bekomme, Ihr gewiss versichert sein könnet, dass Ich wegen der gar zu grossen Uebermacht derer Feinde bald übern Haufen gehen muss.

Deswegen repetire Ich Euch nochmals hierdurch, dass Ihr weder Fleiss, Adresse, noch Geld sparen sollet, die Türken bald in den Harnisch zu bringen. Ich habe Euch nach Meinem vorigen Schreiben334-2 schon 500000 Reichsthaler zu solchem Behuf assigniret; Ich autorisire Euch aber von neuem hierdurch, dass, um es bald dahin zu bringen, dass die Türken schliessen und ihre Operationes noch wirklich im nächstkommenden Monate Juni anfangen, Ihr deshalb zusammen 800000 Reichsthaler, ja bis zu einer Million Reichsthaler anwenden sollet, um davor den Grossvezier, andere Veziers, den Mufti, den Kanzler und dergleichen nöthige Personen, auch den Dolmetscher des Sultans und selbst in dem Serail einige Personen, die uns helfen können, zu gewinnen.

Ich muss es Euch gestehen, dass, da Ich so wenig Nachrichten von Euch erhalte, Ich in der grössten Inquiétude bin und besorge, dass, wenn Ihr auch die Sache auf einen guten Fuss gebracht, dennoch<335> durch die viele und leichte Veränderungen bei der Pforte, davon die häufigen Exempel vorhanden, leicht etwas vorgehen könne, wodurch aller Eurer Fleiss und Eure Mir davon gemachte Hoffnung unterbrochen werden könnte. Ziehet Mich alsobald aus dieser Unruhe durch einige gute Nachrichten von der wirklich angefangenen Operation der Türken.

Ich überlasse Eurer Ueberlegung, ob Ihr es vor gut und diensam findet, wenn der Tractat noch nicht geschlossen wäre, die Janitscharen durch Geld aufzubringen, dass sie den Krieg fordern und pressiren, denn hier alle Mittel, die anzubringen möglich, nöthig seind: wenn Ihr unter sie ausbringen lasset, dass die Türken das Banat dadurch wieder bekommen können, und dass Ich alsdenn der Pforte das Banat garantiren will. Da Ihr an Ort und Stelle seid, so müsset Ihr wissen, ob dergleichen rathsam sei oder nicht; welches Ich Euch alles überlassen muss.

Ihr sollet Mir auch schreiben, ob, woferne die Türken wirklich agiren, Ich alsdenn einen Officier zu ihrer Armee hinschicken kann, so sich bei dem Grossvezier aufhalte und eine Correspondance zwischen diesem und Mir unterhalten könne„, damit er wisse, was hier bei uns passiret; alsdenn Ich darauf denken will, einen recht tüchtigen und vernünftigen Officier auszusuchen und ihn hinzuschicken.

Schreibet Mir auch, ob Skrodski bei Euch angekommen und Euch den Brief, worin ein Plan zu Eröffnung einer Campagne vor die Türken,335-1 mitgebracht hat.

Wenn der Tractat gezeichnet ist, so machet nur, dass sie sich bald entschliessen und gleich agiren. Suchet den Grossvezier deshalb auf alle Art und Weise zu gewinnen, dass er agire.

Sobald der Krieg beschlossen ist, müsset Ihr sehen, ob es angehe, unter denen Janitscharen public zu machen den Vorthel, den sie davon haben würden, und mit was leichter Mühe sie das Banat erobern könnten. Denen Chefs der Spahis und insonderheit dem, so die Tartarn commandiret, muss Geld gegeben und ihnen vorgestellet werden, dass, wenn sie sogleich Incursions in Ungern von Seiten der Donau bis etwa gegen Pressburg und von Seiten des Saustroms bis gegen Fünfkirchen machen, sie sehr viel Beute und Geld erobern würden.

Schreibet Mir auch, was die Türken wegen der Russen vor Absicht haben, ob sie auch diesen eine Diversion machen oder wie sie es sonsten wegen ihrer halten werden.

Den Dolmetscher der Pforten, so eigentlich dort den Minister der auswärtigen Affairen vorstellen soll, müsset Ihr auch durch ein Présent von 20 bis 30000 Thaler vor uns zu gewinnen suchen, durch dessen Canal Ihr von allem informiret und zugleich die Avantage haben werdet, alles dem Sultan vortragen lassen zu können, welches, wie Ihr wisset, bei diesem Hofe sonst schwer ist.

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Wenn Ihr Connexiones in dem Serail bekommen könnet, müsset Ihr es nicht vergessen, und wenn es erst dazu kommen wird, dass Ich die Präsente vor den Sultan und vor den Grossvezier schicken werde, so werde Ich die Sultane favorite, auch die Mutter des Sultans, auch den Mufti nicht vergessen. Ihr müsset Euch nur unter der Hand und auf eine adroite Art erkundigen, was ihnen angenehm sein dörfte, und Mir solches melden; man hat Mir sagen wollen, dass ihnen auch zuweilen Nürenberger Puppenwerk Plaisir gemacht habe.

Je besser Eure Sachen dorten gehen, je mehr müsset [Ihr] wegen aller heimlichen und listigen Intrigues auf Eurer Hut und wachsam sein und Euch [durch] den guten Anschein nicht blenden und sicher machen lassen. Ihr könnet leicht erachten, wie viel heimliche und öffentliche Intriguen Euch sowohl die österreichsche als russische, schwedische und französische Ministres, auch wohl die von anderen Puissancen spielen werden, um Eure Sachen zu hintertreiben, wowider Ihr Eure Vigilance und Vorsicht verdoppeln müsset, um Euch nicht auf einmal betrogen zu sehen. Wenn es zum Kriege kommet und Ihr die Erlaubniss erhaltet/ nach Adrianopel und dem Grossvezier zur Armee mit zu folgen, so müsset Ihr Euch bemühen, jemanden in Konstantinopel zu haben, der Euch von allen Intriguen, so inzwischen dorten bei dem Sultan, im Serail und sonsten vorgehen, wohl avertire. Was Ich Euch zuletzt noch sehr recommandire, ist, die Türken, wenn der Tractat gezeichnet ist, gleich und baldigst zum Bruch und zur wirklichen Operation zu bringen.

Friderich.

Bei der Chipotage, so zwischen denen Franzosen und denen Engelländern, um über gewisse Friedenspräliminarien unter sich übereinzukommen, gewesen, so aber nun ganz abgebrochen worden, haben die Holländer an alle kriegende Puissancen die Stadt Breda zum Ort des Congresses vorgeschlagen,336-1 wenn es zu einem Friedenscongress kommen sollte: da die Engelländer durch ihren336-2 Gesandten im Haag denen Staaten ein schriftliches Promemoria übergeben lassen und darin declariret haben, dass, wenn es zum Friedenscongress käme, sie alsdenn sich die gedachte holländische Stadt Breda dazu gerne gefallen lassen wollten.336-3 Aus Complaisance gegen die Engelländer und da die Holländer Mir dieses auch angetragen, habe Ich Mir solches auch gefallen und durch Meinen Minister im Haag ebenso schriftlich antworten lassen.336-4 Welches alles aber nunmehr wegfället, da alle Friedenschipotage ganz unterbrochen worden.336-5

Ich schreibe Euch dieses nur, dass, auf den Fall die dortigen österreichschen, russischen und sächsischen, auch andere Uebelgesinnete von vorigem Umstände nach ihrer gewöhnlichen lügenhaften calumniösen<337> Art einen bösen Gebrauch und die Pforte von neuem irre machen wollten, Ihr gleich au fait und im Stande seid, solche Lügen abzulehnen.337-1

Nach dem Concept.



333-1 Vergl. Nr. 12071.

333-2 Vergl. Nr. 12036.

333-3 Vergl. S. 212. 216. 296.

334-1 D. d. 25. April 1760, unterschrieben von Pitt. Darin die Stelle: „J'ai particulièrement à recommander à Votre Excellence d'employer toute la vivacité et toute l'énergie possible dans la persécution d'un objet, le succès duquel Sa Majesté a si fortement à cœur. C'est pour cet effet que le Roi a ordonné à Votre Excellence de faire savoir dans les termes les plus fortes au Grand-Vizir, usant cependant toujours la précaution de ne rien donner en écrit aux ministres ottomanes, que le Roi, souhaitant ardemment l'établissement d'une bonne intelligence entre la Sublime Porte et le roi de Prusse, avait appris avec beaucoup de regret que l'accomplissement du traité d'une alliance défensive entre ces deux puissances avait été interrompu, au moment de sa conclusion, par la nouvelle faussement et artificieusement répandue à Constantinople qu'une paix générale s'était faite en Europe .... Sa Majesté espère que la Porte Ottomane, connaissant ses propres intérêts, reprendra ses dispositions en faveur de Sa Majesté Prussienne et conclura, sans perte de temps, cette alliance défensive.“

334-2 Nr. 12036.

335-1 Vergl. S. 297.

336-1 Vergl. S. 262.

336-2 In der Vorlage: „durch ein von ihrem“ .

336-3 So.

336-4 Vergl. S. 279.

336-5 In der Vorlage: „wolten“ .

337-1 In einem zweiten Schreiben vom 10. Mai an Rexin werden die Berichte, die der König von ihm „in diesem Jahre gehabt“ , und die darauf erfolgten Antworten aufgezählt. — Eichel ersucht, Meissen 12. Mai, den Minister Schlabrendorff, das obige Schreiben mit der von Mitchell an Porter übersandten „impouanten Ordre“ durch einen „recht vernünftigen und gescheiten Menschen“ weiter befördern zu lassen.