12530. AN DEN ETATSMINISTER GRAF FINCKENSTEIN IN MAGDEBURG.

Meissen, 23. November 1760.

Zuvorderst habe ich die Ehre, Ew. Excellenz ein höchsteigenhändiges Schreiben von des Königs Majestät, so Dieselbe mir zur weiteren Beförderung zuschicken lassen, hierbei zuzusenden.106-1 Es ist leider an dem, was darin wegen der letzteren Briefe von Konstantinopel enthalten; ich muss aber doch gegen Ew. Excellenz zu meiner Justification, insonderheit wegen der darauf erfolgten Antwort,106-2 von welcher eine Abschrift hierbei zu legen mir die Freiheit nehme, sagen, dass, da ich des Königs Majestät das Déchiffré gedachter Dépêche selbst überbracht, Dieselbe Sich zwar nicht die Zeit geben wollen, solche wegen ihrer Weitläufigkeit zu lesen, ich aber doch<107> Deroselben das Précis davon mündlich referiret und darauf die Resolution wegen des von dem von Rexin zu nehmenden Congé dergestalt erhalten, wie solche in seiner Antwort befindlich ist, in welcher ich solche verbotenus gefolget bin, ohne das geringste abzunehmen noch hinzuzusetzen, so dass ich vor mich in der ganzen Antwort nichts zugesetzet, als was darin wegen des Absterben des Königs von Engelland und wegen der Torgauer Bataille zu finden: Umstände, die ich geglaubet habe, dass der Rexin nothwendig informiret sein müsste, die ich auch, als ich die Dépêche zur königlichen Unterschrift geschicket, mit angezeiget und die darauf Approbation erhalten haben. Ich wünsche übrigens nicht, dass es das tout de bon des Königs sein möge, was er an Ew. Excellenz wegen der Affaires geschrieben. Bis dato ist es leider zu meiner höchsten Bekümmerniss und Chagrin zum Theil geschehen; ich hoffe aber, dass, wenn der erstere Dépit wegen nicht reussirter Absicht auf Dresden, so sich doch in einer puren Ohnmöglichkeit gründet, vorbei sein wird, es sich mit dem übrigen wohl legen und insonderheit Ew. Excellenz vielleicht baldige Ueberkunft nach Leipzig das meiste dazu contribuiren werde. Die Conjoncturen seind jetzo Deroselben am besten bekannter Maassen zur höchsten Crise gekommen und die Zeit, etwas zu negociiren, dergestalt précieux und kurz, dass es mit der Boutonn[om]ancie107-1 schlecht gehen dörfte; indess ist es gewiss, dass, woferne währendem instehendem Winter es nicht zu einem guten Frieden gebracht werden kann und das englische Ministère nicht auf solchen Fall allen Ernst gebrauchet und alle Efforts thut, um die Pforte in Bewegung zu bringen, damit solche gleich mit angehendem künftigen Frühjahr eine puissante Diversion machet und sich dazu schon instehenden Winter arrangiret, alsdenn des Königs Militairaffaires insoutenables bleiben und es ohnmöglich gehen kann, wenn auch unsere Fonds an Gelde noch so stark wären, wann die Russen kommenden Sommer wieder anfangen zu agiren und des Königs Majestät alsdenn zugleich die ganze schon überwiegende Forces derer Oesterreicher, der Schweden, der Reichsarmee und deren Appendix, den Württemberger, so schlecht solche auch sein mögen, auf dem Leibe haben sollen und es wegen der Menge und wegen der Diversionen an allen Orten fast nicht fehlen kann, als dass die schon sehr detraquirte Maschine völlig ecrouliren, deren Umsturz aber alsdenn den von des Königs von Engelland teutschen Provinzien, auch Braunschweig und Hessen entrainiren, vielleicht auch gar den Krieg in Engelland spielen müsste; denn es dort mit denen Seeforces nicht allemal ausgerichtet ist, und, da die feindliche Alliirte jetzo kein anderes Recht als ihre Convenance haben, noch gelten lassen wollen, Holland vielleicht wozu forciret werden kann, welches es sonsten abhorriret haben würde.

Ich bitte Ew. Excellenz um Vergebung, wenn dergleichen gegen Deroselben mich nach meiner grossen Schwachheit in dergleichen Sachen gegen Dieselbe entfallen lassen, die alles dergleichen weit besser penetriren; ich schreibe aber, wie mir solches mein beklommenes Herz eingiebet. Die Providence hat uns dieses Jahr auf eine fast miraculeuse Art aus einem ohnendlichen Labyrinth etwas gezogen; es ist aber schwer, auf die Folgen zu schliessen, und ich habe angemerket, dass unsere Feinde jedesmal nach geendigter Campagne wohl darauf raffiniret haben, worin sie es in solcher versehen und gefehlet haben, um es hiernächst ärger gegen uns machen zu können.. .

Die von Ew. Excellenz zugesandte Anzahl Exemplarien von der corrigirten Relation wegen der Torgauer Bataille107-2 habe gestern Abend noch gleich an des Königs Majestät gesandt, welche hoffentlich davon ganz zufrieden sein werden. Ich kann auch nicht anders als alles dasjenige, so Ew. Excellenz deshalb disponiret haben, höchstens applaudiren. Was in Wien wegen dieser Bataille passiret ist und warum man sich dort vielleicht mit einer ausgebreiteten Victoire so sehr präcipitiret hat, werden Dieselbe aus anliegender Abschrift einer zu Leipzig aufgemachten<108> Dépêche108-1 zu ersehen geruhen, desgleichen, was man Österreichscher Seits nachher, wie eine andere Anlage zeiget, in Wien deshalb publiciret hat.108-2 Ich wünschete wohl, dass unsere auswärtige Herrn Minister, so viel geschehen kann, davon einigt Notice hätten, um das ridicule deshalb ihrer Orten zeigen zu können, da nicht zu zweifeln, dass die Wiener dortiger Orten den Anstrich, so sie der Sache gegeben, effrontément werden souteniren wollen. Ich hoffe auch nächstens von Torgau zu erfahren, um welche Stunde am Tage der Bataille eigentlich Daun seinen Courier von dar nach Wien depechiret hat, so Ew. Excellenz alsdenn zu communiciren nicht ermangeln werde. Der Umstand von der Zietenschen Nachtaffaire ist eine lächerliche Invention, da jedermann weiss, dass um 1/4 nach 9 Uhr Abends die ganze Bataille vorbei gewesen und so Freund als Feind wegen Finsterheit der Nacht nicht, wie man saget, die Hand vor Augen sehen, letzterer aber davon profitiret hat, sich in der möglichsten Eil' theils über die drei vorhin schon geschlagene Schiffbrücken, theils durch die affreuse Défilés auf Belgern zu ziehen, so dass es von ihnen des Morgens um 8 Uhr ganz reiner Tisch bei Torgau gewesen und die Garnison sich auch à la sourdine herausgezogen hat. . .

[Eichel übersendet dem Minister das Schreiben Mitchells aus Glogau.] Die Antwort, so er darauf erhalten,108-3 um bald wichtiger Angelegenheiten halber hieher zu kommen, und das noch gracieusere Postscriptum, so des Königs Majestät eigenhändig beigefüget und den 16. dieses108-4 von hier bei Gelegenheit eines Couriers abgegangen, machen mir die Hoffnung, er werde, zumalen bei jetzo dortigen sicheren Wegen, bereits auf der Retour begriffen sein. Es ist Zeit, dass er dorten wegkommet, denn ich sonst besorge, er werde sein Métier vergessen; vor die Güte von seinem Herzen wollte ich wohl selber repondiren, obgleich ich ihn zu kennen glaube, dass solches zuweilen etwas leicht von Impressionen ist und er ehrliche Leute um sich haben muss...

Eichel.

P. S.

Sogleich laufet die Nachricht von dem Herrn Generallieutenant von Hülsen vom 21. dieses ein, dass, nachdem er sich mit seinem Corps gegen Chemnitz genähert habe, die Reichsarmee, nachdem sie ihre Artillerie und Bagage aus Précaution schon zwei Tage vorher weggeschicket, sich des Nachts um 2 Uhr mit ihrem sie jetzt commandirenden General Hadik so eilfertig auf den Marsch von Chemnitz gegen Zwickau und so weiter gegeben habe, dass auch unsere grüne Husaren, so bald darauf gekommen und sich alle Mühe gegeben haben, sie einzuholen, dennoch es nicht vermögend gewesen und nicht mehr als 2 Officiers und 60 Husaren gefangen machen können. Selbst die sächsischen Landleute haben ihre Eilfertigkeit und geschwindes Laufen nicht gnug beschreiben können.

Auszug aus der Ausfertigung,

<109>

106-1 Nr. 12524.

106-2 Nr. 12516.

107-1 Vergl. S. 103.

107-2 Nr. 12467. Vergl, Nr. 12509.

108-1 D. d. Wien 8. November, gerichtet an den Fürsten von Anhalt-Zerbst; schildert die maasslose Freude über die falsche Nachricht von dem österreichischen Sieg und die Bestürzung beim Eintreffen der Nachricht von der Niederlage.

108-2 D. d. Wien 8. November. Der Verlauf der Schlacht bei Torgau wird darin so dargestellt, als hätten die Oesterreicher den Sieg in der Hand gehabt und hätten sich nur durch die Besetzung der Süptitzer Höhen durch Zieten in der Nacht „veranlasst gesehen, den behaupteten Wahlplatz mit Anbruch des Tages zu verlassen“ .

108-3 Nr. 12506.

108-4 Das Schreiben war jedoch vom 15. datirt.