1935. AN DEN GENERALFELDMARSCHALL FÜRST VON ANHALT-DESSAU IN DESSAU.

Lager bei Chlum, 26. Juli 1745.

Durchlauchtigster Fürst, freundlich geliebter Vetter. Ew. Liebden Schreiben vom 19. dieses habe durch den exprès damit geschickten Jäger sowohl, als auch zu gleicher Zeit das Duplicat davon, richtig zu erhalten das Vergnügen gehabt, und nachdem Ich dessen Einhalt mit mehrerem ersehen, so danke Ich Deroselben gar sehr wegen alle Mühe, so Dieselbe Sich geben wollen, Mir Dero Sentiments über das bekannte Sujet mit so viel soliden und sehr gegründeten Raisons zu detailliren. Es ist eigentlich Mein Project gewesen, den Marsch nach den Gegenden von Hohenmauth zu thun, um Mich da zu setzen, welcherwegen dann es Mir eine Freude gemacht, zu sehen, dass Ew. Liebden solches vor anderen approbiret haben. Nichts desto weniger habe Ich inzwischen vor noch nöthiger und besser gefunden, ein Mouvement mit der Armee hierher zu machen, und zwar aus nachstehenden bewegenden Ursachen. Zuvorderst habe Ich Nachricht bekommen, dass die Sachsen von den Baiern 6000 Mann Hülfsvölker negociiren und haben wollen, um sie in Sachsen zu gebrauchen und alsdann wieder so viel von dem itzigen nierher zu detachiren. Es ist nicht zu zweifeln, dass der Sachsen und Oesterreicher Dessein sei, woferne der Herzog von Lothringen die Kaiser<236>wahl forciret, das Reich mit in das Spiel zu ziehen und Mich alsdann, wie einen Alliirten von Frankreich, als einen Mitfeind des Reichs zu declariren, welches alsdann denen Sachsen genug Vorwand geben möchte, Mich in Meinen Landen zu attaquiren. Um nun solchem Uebel vorzukommen, bleibt Mir nichts übrig, als dass Ich das Praevenire spiele und dass Ich die Sachsen, so gegen Mich den Krieg angefangen und Mir dadurch Gelegenheit genug gegeben haben, den Krieg in ihr Land spiele; diese Ursachen haben Mich determiniret, die Position hier über die Elbe zu nehmen. Ew. Liebden wollen aber nicht glauben, dass die Veränderung so gross sei; denn Mein linker Flügel stehet an der Ecke, wo Mein rechter gestanden, den Feind und Königgrätz haben wir in derselben Position vor uns, mit dem Unterschied, dass wir in einem Lande leben, wo wir 6 Wochen Fourage und vollauf zu leben haben; dann habe Ich noch eine Avantage hier, so da ist, dass, wenn Ich Ew. Liebden in Sachsen einrücken lassen werde und an Dieselbe detachiren müsste, quer vor zwischen Sachsen und zwischen der feindlichen Armee stehe, um Meine Détachements zu machen, und können die Sachsen von hier aus keine Mouvements machen, die Ich nicht aus Meinem Zelte sehen kann. Ich sehe Mich wegen dieser Umstände nicht anders an als eine Observationsarmee, die Ew. Liebden Operationes decken muss; und da Ew. Liebden mit dem Renfort, so Ich Deroselben schicke, nicht stark genug sein würden, um in Sachsen Dero Operationes mit Success zu poussiren, im Fall der Herzog von Weissenfeis mit dem ganzen oder mit einem Theile seines Corps dahin detachiren sollte, so bin Ich von hier im Stande, Ihnen durch die Oberlausnitz nach Torgau oder der Gegend, wo Ew. Liebden etwa sein möchten, allezeit eine so ansehnliche Anzahl Truppen zu schicken, als der Herzog von Weissenfeis mitnehmen oder schicken kann, um so viel mehr noch, dass, wann Ich von hier detachire, gehen die Truppen gerade auf Zittau und halten den nächsten Weg, die grade Linie fort, dagegen der Herzog von Weissenfeis ummarschiren muss und nicht anders als bei Prag oder Melnik über die Elbe gehen, um seinen Marsch so weiter fortzusetzen.

Ich habe gewisse Nachrichten, dass das Corps, so der Generalmajor Bose commandirt, sobald Ew. Liebden im Anmarsch wären, Ordre habe, sich zurückzuziehen, und nichts weiter tentiren als Dresden decken soll, um daselbst den Succurs vom Herzog von Weissenfels abzuwarten.

Ew. Liebden werden also aus vorstehendem allen sehen, dass die Resolution, so Ich genommen, zu dem Dessein ziemlich convenabel ist, und Ich dadurch à portée bin, alle Bewegungen, so der Feind machen kann, zu observiren, so dass derselbe nichts thun noch machen kann, worüber Ich nicht schon einige Arrangements gemacht hätte. Ich will Ew. Liebden noch weiter im Vertrauen eröffnen, dass Ich lieber Oberschlesien auf einige Zeit, und wenn es die Noth erfordert, verlassen will, um Ew. Liebden im Stande zu halten, mit aller Macht zu agiren. Um diesen Krieg aber noch zu verhüten, habe Ich noch eine Ten<237>tative gethan, darauf in einigen Tagen Antwort erwarte; worauf alles beruhet. Es sind auch schon die Regimenter und Bataillons auf dem Sprunge, dass sie nebst dem Prinz Dietrich und Moritz und anderen Generalmajors alle Zeit marschiren können. Ich bin Ew. Liebden freundwilliger Vetter

Friderich.

Nach der Ausfertigung im Herzogl. Archiv zu Zerbst.