<3>

Januar 1770.

A.

Januar 1770

Der König in Berlin.

2. Januar 1770

Speist bei der Königin, desgl. den 7ten, 14ten und 21sten.

4. Januar 1770

Der König an Voltaire :

- etc. - "Jeder wird mit einem gewissen Talent geboren. Sie haben Alles von der Natur bekommen, aber diese gute Mutter ist nicht gegen jedermann eben so freigebig gewesen. Sie schreiben Ihre Werke für den Ruhm, ich zu meinem Zeitvertreibe. Es glückt uns Beiden, obgleich auf eine ganz verschiedene Art. Denn so lange die Sonne die Welt erleuchtet, so lange sich nur ein Anstrich von Wissenschaft, ein Funken von Geschmack erhält etc., so lange werden Ihre Werke dauern, und Ihr Name wird die weite Reihe von Jahrhunderten erfüllen, die zur Ewigkeit führt. Von den meinigen wird man sagen : "es ist viel, daß dieser König doch nicht ganz und gar ein Schwachkopf gewesen ist; das ist noch ganz erträglich; wenn er als Privatmann geboren worden wäre, so hätte er wenigstens mit Korrigiren in irgend einer Buchdruckerei sein Brodt verdienen können." Dann wirft man das Buch hin, dann macht man Papilloten daraus, und dann ist nicht mehr die Rede davon. etc. - Ich schicke Ihnen einen Aufsatz, den ich für die Akademie bestimmt habe 3-+. Der Gegenstand ist wichtig, die Materie<4> philosophisch, und ich schmeichle mir, Sie werden mit mir über das Princip einverstanden sein, das ich nach meinen besten Kräften darin zu entwickeln suche. etc." Der König läßt wieder mehrere Tausend Thaler für die Armen auszahlen.

4. Januar 1770

Der König an d'Alembert :

"Der Norden, mein Herr Protagoras, ist jetzt ruhiger, als Sie glauben; im Osten aber, da herrschen Unruhe, Krieg und Verwirrung. Wir sogenannten Greise von Europa sind zu unbehülflich, um Händel anzufangen, wie eine gewisse südliche Nation thut, welche man die Welschen 4-+ nennt. Diese muntere Nation steckt ihr Näschen überall hin, oft auch da, wo sie nichts zu suchen hat, und verbreitet die Unruhe, welche sie selbst innerlich verzehrt, von einem Pol der Erdkugel zum andern 4-+. Sie glaubt wahrscheinlich, durch das Mittheilen den ihr zugefallenen Antheil zu vermindern und künftig nicht mehr so viel eigene Unruhe zu haben, allein man sagt, das Alles sei nur verlorne Mühe, und um sie ruhiger zu machen (vernünftiger erkühne ich mich nicht zu sagen), müsse man den Teufel, der sie besitzt, durch Exorcismus austreiben. etc." - Der König überschickt ihm zugleich seine Abhandlung über die Selbstliebe, und erbittet sich sein Urtheil.

6. Januar 1770

Der König speist mit dem General von Lentulus bei der Prinzessin Amalie.

11. Januar 1770

Die Abhandlung des Königs: "Ueber die Selbstliebe," wird in der Akademie vorgelesen. Feier des Geburtsfestes des Prinzen Heinrich. Große Mit<5>tagstafel bei der Königin wo auch der König gegenwärtig ist. Der Prinz erhält vom Könige eine Tabatiere von hohem Werth zum Geschenk.

23. Januar 1770

In Begleitung des Generals von Lentulus besieht der König das Zeughaus.

24. Januar 1770

Feier des Geburtstags des Königs, welcher mit der Königin und dem übrigen Königlichen Hause das Mittagsmahl bei em Prinzen Heinrich einnimmt, und dann mit dem General von Lentulus nach Potsdam geht.

Um diese Zeit schrieb der König das eben so merkwürdige als bittere Gedicht über die Regenten seiner Zeit, darin er auch sich selbst erwähnt. Es hat die Überschrift "Codicill" und steht in den H. W. VII. 178.

Februar.

A.

Februar 1770

Der König in Potsdam.

5. Februar 1770

Der König an den Minister von Münchhausen :

"Ohngeachtet Ich Euch bereits vor geraumer Zeit zu erkennen gegeben, wie wenig Ich den dermaligen Abt zu Klosterbergen bei Magdeburg geschickt halte, diesen dem Lande so ersprießlichen Anstalten mit Nutzen vorzustehen, und denselben ihr ehemaliges Lustre wieder zu geben, und wie nöthig es demnach sei, die Direction derselben einem andern dazu besser aufgelegten, und in Schulsachen berühmten Mann anzuvertrauen; so habe Ich doch bis diese Stunde von Euch weder einen Bericht noch sonstige Anzeige erhalten, ob und was für Maßregeln Ihr genommen habt oder zu nehmen gedenkt, um Meinen landesväterlichen Absichten hierunter ein Genüge zu leisten. Vielmehr muß Ich annehmen, daß gedachte Anstalten immer mehr sich verschlimmern, und wohl gar unter der Aussicht des jetzigen Abtes gänzlich zu Grunde gehen dürften. Wenn Ich aber demselben hierunter durchaus keine weitere Nachsicht gestattet<6> wissen will, er auch überhaupt zur Direktion dieser Anstalten keine Fähigkeit hat, als befehle Ich Euch hiermit nochmals und wiederholentlich, ohne den geringsten ferneren Anstand darauf bedacht zu sein, damit ein anderer berühmter, und mit den zu dergleichen Anstalten erforderlichen Fähigkeiten und Eigenschaften begabter, von allem pedantischen Wesen entfernter Mann an seine Stelle berufen, er aber mit einer convenablen Pfarre, wozu er sich vielleicht besser schicken wird, versorgt werden möge. Ihr habt Euch deshalb sofort alle mögliche Mühe zu geben. etc."

Der König beschenkt die Gemalin des Prinzen Heinrich an ihrem Geburtstage (den 23sten) mit einer Tabatiere und einem Ringe von hohem Werth.

Der Fürst von Anhalt-Dessau erhält vom König einen Phaeton und einen Zug Pferde mit prächtigem Geschirr.

30. Februar 1770

Der General von Krockow aus Schlesien zum König nach Potsdam.

B.

5. Februar 1770

Octroi der Getreide-Handels-Compagnie.

8. Februar 1770

Octroi der Berliner Feuer-Versicherungs-Gesellschaft.

8. Februar 1770

Edict, daß alle Verträge, deren Gegenstand über 50 Thaler beträgt, schriftlich sein sollen.

März.

A.

März 1770

Der König in Potsdam.

16. März 1770

Der König an den Prediger Steinbart 6-+

<7>

"Ihre Schrift und den dabei befindlich gewesenen Brief habe ich erhalten. Ich sehe mit Vergnügen, daß Sie mit mir gemeinschaftliche Sache machen, und die Rechte und Vorzüge der Tugend stark und deutlich vertheidigen. Als ich die Selbstliebe zu einen, Grundsatz der Moral annahm, wollte ich die andern gar nicht verwerfen. Ich weiß nur zu gut, daß man nie Stützen und Bewegungsgründe genug haben kann, um die Moral aufrecht zu erhalten, und die Menschen zur Ausübung derselben anzutreiben, und daß ein Principium, welches auf Einige Wirkung thut, bei Andern gar keine äußert. Daher billige ich Ihre Methode und das Principium, das Sie zu dem meinigen hinzusetzen, um diesem letztern den Grad von Kraft zu geben, den Sie ihm wünschen.

Aber wenn, Ihrer Behauptung zufolge, die Gesetze des Gewissens eine stärkere Autorität nöthig haben, um die Menschen den willkührlichen Einschränkungen zu entziehen, welche der Verstand zu ersinnen sich bemühet, - weshalb erklären und beschränken denn diejenigen, welche diese Autorität in der Religion finden, die sie glauben und bekennen, die Verpflichtungen, welche die Rechtschaffenheit ihnen auflegt, nach ihrer Phantasie, und nach geringerem oder größerem anscheinenden Nutzen? Sehen Sie nur Ihren Seelsorger an; er ist ein calvinistischer, vielleicht auch lutherischer Christ, und macht sich in gewissen Umständen eine Moral, welche der, die er als göttlich ansieht, ganz entgegengesetzt ist.

Es wäre nützlich und sehr wichtig, diese Schwierigkeit gut zu heben, und die beste Art aufzusuchen, die Menschen so zu bilden, daß die Selbstliebe (wenn Sie wollen mit Unterstützung Ihres Principiums) in allen Umständen ihres Lebens den schnellsten, sichersten, allgemeinsten und dauerhaftesten Eindruck auf sie machte. etc."

Um diese Zeit hatte der König die kleine Schrift Dialogue de morale à l'usage de la jeune noblesse, Berlin 1770, verfaßt. (In einem Deutsch. Explr. dieser Schrift, welches<8> der Herausgeber dieser Blätter besitzt, ist handschriftlich bemerkt: "Der Entwurf in Französischer Sprache ist von Sr. Majestät dem Könige, diese Übersetzung von Rammler und beide zum Druck befördert, auf Se. Majestät Befehl von Sr. Excellenz dem Herrn General-Lieutenant von Buddenbrock").

April.

A.

1. April 1770

Der König in Potsdam (Sanssouci); bei ihm der Fürst von Lobkowitz, Kaiserl. General-Feldmarschall.

3. April 1770

Schreibt der König die Epistel: "Ueber meine Genesung," an seine Schwester ***.

3. April 1770

Der König schreibt an d'Alembert, der in Bezug auf des Königs Schrift, über die Selbstliebe etc., einige Zweifel über die uneingeschränkte Anwendbarkeit dieses Princips der Moral geäußert hatte, und besonders den Einwurf macht, ob z. B. diejenigen, die nichts haben, die der bürgerlichen Gesellschaft Alles geben, und nicht so viel besitzen, ihre Familie zu ernähren, denen aber die Gesellschaft Alles versagt etc., ob diese Menschen einen andern moralischen Grundsatz haben können, als das Gesetz? etc. Hierauf bestreitet der König zuerst die Möglichkeit eines solchen Falles, und sagt dann: "Aber diesen unmöglichen Fall gesetzt, es fände sich eine Familie, die alles Beistandes beraubt und in der schrecklichen Lage wäre, in der Sie sie schildern, dann würde ich kein Bedenken tragen, mich in Rücksicht derselben für die Rechtmäßigkeit des Diebstahls zu erklären. Und das aus folgenden Gründen: 1) Weil man ihr Ansuchen abwies, anstatt ihr zu helfen. 2) Weil es ein viel größeres Verbrechen ist, sich selbst, sein Weib, seine Kinder umkommen zu lassen, als einem Andern etwas von seinem Ueberfluß zu entwenden. 3) Weil die Absicht dieses Diebstahls tugendhaft, und dessen Ausübung unumgänglich notwendig ist. Auch bin ich versichert, daß es keinen Ge<9>richtshof giebt, der nicht, wenn die Wahrheit des Factums richtig ausgemittelt worden, auf die Lossprechung eines solchen Diebes erkennen wurde. Die Bande der Gesellschaft gründen sich auf gegenseitige Dienstleistungen; besteht aber diese Gesellschaft aus unbarmherzigen Gemüthern, dann sind alle Verbindungen zerrissen, und man tritt in den bloßen Stand der Natur zurück, in welchem durchgehends das Recht des Stärkern entscheidet. etc.

Sie legen mir ferner die Frage vor: Ob es nützlich sei, das Volk zu täuschen? Wenn wir uns in die erste Zeit der Welt versetzen, so werde ich darauf Nein antworten, denn da Irrthum und Aberglaube noch unbekannt sind, so muß man sie nicht einführen, ja man muß sogar ihr Aufkeimen verhindern. Bei der Uebersicht der Geschichte finde ich zwei Arten des Betrugs; dem Aufkommen des einen diente der Aberglaube zum Fußschemmel; die andere Art aber konnte, vermittelst einiger Vorurtheile, dazu dienen, den Geist des Volks zu seinem eigenen Besten zu lenken. Zur ersten Klasse dieser Betrüger gehören die Bonzen, die Zoroaster, die Ruma, die Mahomed etc. Die zweite Klasse aber besteht aus den Staatsweisen, die zum größten Vortheil der Regierung ihre Zuflucht zum System des Wunderbaren nahmen, um die Menschen lenksam, um sie gelehrig zu machen. etc. Alle, die es mit einem großen vermischten Haufen von Menschen zu thun haben, um sie zu einerlei Zweck zu leiten, werden gezwungen sein, ihre Zuflucht bisweilen zu Täuschungen zu nehmen; und wenn sie das Publikum aus den Gründen, die ich eben angeführt habe, täuschen, so halte ich sie nicht für strafbar. Anders aber ist es mit dem groben Aberglauben, dieser ist eines von den schädlichen Kräutern, welche die Natur auf dieser Erde ausgesäet hat, und welcher sogar mit dem Charakter des Menschen innig verbunden ist. etc.

Ich glaube allerdings, daß es gut und sehr nützlich ist, die Menschen aufzuklären. etc. Aber ich glaube zugleich : es wäre<10> unklug und sehr gefährlich, wenn man jene Nahrungsmittel des Aberglaubens abschaffen wollte, die man öffentlich den Kindern austheilt, um sie dem Willen ihrer Väter gemäß damit zu nähren. etc. Der Mensch ist ein Thier, das nicht zu bessern steht, und das mehr nach Sinnlichkeit als nach Vernunft handelt. Indeß habe ich für dies Thier einen Katechismus 10-+ verfertigt, den ich Ihnen hier schicke. etc."

13. April 1770

Der König an die Prinzessin Amalie, seine Schwester: "Epistel, um sie über den Verlust des Fräuleins von Hertefeld zu trösten" ("in Potsdam und auf dem Weinberg").

- etc. - "Ein Mittel nur, o Schwester, hat der Mensch,
Das vor dem Eigensinn des Glücks ihn schützt:
Er sei auf ihn gefaßt, erwart' ihn dann,
Mit Muth, und widerstehe seinem Sturm. etc.
- - - etc. des Schicksals Macht
Bestimmt Dein Loos. Nur darum lebst Du hier,
Damit Du leiden sehn, und klagen, seufzen
Und sterben sollst. Verlorst Du Alles erst,
Was nur Dein Herz geliebt, dann trifft auch Dich
Die Reih', und Du wirst selbst vernichtet sein. etc."

17. April 1770

Der König schickt die von ihm selbst verfaßte kleine Schrift: "Ueber die Erziehung," an den Minister von Münchhausen, weil, wie er dabei bemerkt, "einige Reflectiones darin enthalten sind, von welchen bei den Universitäten Gebrauch zu machen nicht ohne Nutzen sein dürfte." (Bei Lebzeiten gedruckte Werke etc. II. 358. Deckersche Ausgabe).

18. April 1770

Der König schenkt seiner Gemalin ein sehr vollständiges Tafelservice und zwei Theeservice vom feinsten Porzellan. Um diese Zeit hatte der Verbrauch der gebrannten Cichorienwurzel, statt Caffee, auch im Preußischen Eingang gefun<11>den, und der König ertheilte dem Braunschweigschen Major von Heine und dem Christian Gottlieb Förster unter dem 29. April d. J. ein Privilegium zur privativen Fabrikation des Cichoriencaffees auf 6 Jahr, worauf die Entreprenneurs in Berlin, Breslau, Magdeburg den Anbau und die Fabrikation des Cichoriens einrichteten.

B.

5. April 1770

Stirbt der Baron von Bielfeld auf seinem Gute Treben im Altenburgschen.

Mai.

A.

Mai 1770

Der König in Potsdam (Sanssouci).

6. Mai 1770

Der König an Fouqué "am Tage der Prager Schlacht:" "Werthester Freund. Ich übersende Ihnen alten Ungarwein, um Sich damit an eben dem Tage zu laben, wo Sie vor dreizehn Jahren so grausam durch unsere Feinde verwundet wurden.

Ich habe die Gicht gehabt, diesmal hat sie mich durch alle drei Anfälle hintereinander an beiden Füßen sowohl als an den Knieen gar sehr gemißhandelt; doch das ist bereits vergessen.

Wir exerciren, daß es eine Lust ist, und ich gehe meinen alten Gang, so lange mich nur noch ein Hauch von Leben beseelt. etc."

11. Mai 1770

Der König nach Charlottenburg, von da nach dem Berliner Thiergarten, die Regimenter zu mustern, dann zurück.

12. Mai 1770

Desgleichen und nach Potsdam.

12. Mai 1770

Der Kaiserliche Oberstallmeister von Dietrichstein in Potsdam.

Um diese Zeit hatte der König die Schrift: "Prüfung des Versuchs über die Vorurtheile," verfaßt. Sie befindet sich<12> im zweiten Theile der Deckerschen Ausgabe der bei Lezeiten des Königs gedruckten Werke, und ist gegen die Schrift des Pariser Parlaments-Advocaten Du Marsais gerichtet, welche 1769 erschienen war. Der König übersandte sie an d'Alembert und auch an Voltaire.

17. Mai 1770

Der König an d'Alembert :

- etc. - "Während meiner Genesung war das erste Buch, welches mir in die Hände fiel: "Der Versuch über die Vorurtheile." Es entriß mich der Unthätigkeit, in welcher mich der Verlust meiner Kräfte hielt; und da über viele Gegenstände meine Gedanken in umgekehrtem Verhältniß mit den Gedanken des seinwollenden Philosophen, der dieses Buch geschrieben hat, stehen; so habe ich die gesammte Kraft meiner Organisation angewandt, um dessen Fehler zu zeigen. Ich fühlte zurückstoßende Bewegungen bei den Meinungen des Verfassers, welcher behauptet, daß, da die Wahrheit für den Menschen gehöre, man sie ihm zu jeder Zeit sagen müsse. Auch so oft der Verfasser auf die Könige, auf die Feldherren, auf die Dichter schimpft, haben seine Ideen nicht identisch mit den meinigen werden können, weil ich die Ehre habe, ein ziemlich schlechter Poet (oder nach seinem Ausdruck, ein öffentlicher Giftmischer) zu sein; weil ich die Ehre gehabt habe, mich bisweilen als General (oder als gedungener Henker) herum zu schlagen, und weil ich endlich die Ehre habe, eine Art von König (oder von barbarischem Tyrannen) zu sein. etc. Doch welchen Endzweck hat dieser vermeinte Philosoph sich bei seinem Buche vorgesetzt? Die Religion umzukehren? Ich habe ihm bewiesen, daß dies unmöglich ist. Die Regierungen anders einzurichten? Nie werden Schimpfreden sie verbessern, aber wohl vielleicht erbittern. etc. Vorzüglich zeigt sich die Unvernunft des Verfassers in seinen Verläumdungen gegen die christliche Religion. Man muß wahrlich sehr wenig wissen, wenn man ihr Verbrechen zur Last legt. Im Evangelium heißt es: Thue Andern nicht, was Du nicht willst, das sie Dir thun<13> sollen! Nun enthält aber diese Lehre den Inbegriff der ganzen Moral. Es ist also lächerlich, und eine unvernünftige Übertreibung, wenn man behauptet : diese Religion erzeuge nichts als Bösewichter. Gesetz und Mißbrauch müssen nie vermengt werden, das Gesetz kann nützlich, und der Mißbrauch schädlich sein. etc."

19. Mai 1770

Der König von Potsdam über Spandau nach Charlottenburg.

20. Mai 1770 bis 23. Mai 1770

In Berlin, wo er vor dem Landsberger Thore und bei Weißensee Revue hält.

24. Mai 1770

In Charlottenburg; schreibt an Voltaire (und schickt ihm zugleich seine Abhandlung: "Prüfung des Versuchs über die Vorurtheile") :

- etc. - "Der heilige Vater hat Sie in Rom verbrennen lassen. Glauben Sie nicht, daß Sie diese Gunstbezeigung allein genossen haben. Der Auszug aus dem Fleury hat ein gleiches Schicksal gehabt. Unter uns Beiden findet, ich weiß selbst nicht was für eine Aehnlichkeit Statt; ich nehme die Jesuiten in Schutz, Sie die Kapuziner, Ihre Werke werden in Rom verbrannt, die meinigen auch. etc." Die Berliner Zeitung meldet, daß an diesem Tage die Gemalin des PrinzenFerdinand von einer Prinzessin von sieben Monat entbunden worden, welche desselben Tags Nachmittag die Taufe empfangen. Unter den Taufzeugen war auch der König. Die neugeborene Prinzessin erhielt die Namen: Friederike Louise Dorothee Philippine. (Sie ward 1796 vermält mit dem Fürsten Anton Radziwil und starb in Berlin als dessen Wittwe den 7. Dezbr. 1836). Der hohen Wöchnerin schenkte der König sein Portrait, reich in Brillanten gefaßt.

24. Mai 1770

Der König über Cüstrin nach Stargard zur Musterung.

26. Mai 1770

In Stargard bis den 28sten.

28. Mai 1770

In Freienwalde.

29. Mai 1770

In Alt-Landsberg (zum ersten Male). Hier unterhält sich der König mit dem Bürgermeister Mertens, und läßt sich eine<14> Nachweisung über den Nahrungszustand der Stadt vor legen.

29. Mai 1770

In Potsdam.

31. Mai 1770

Die sämmtlichen Minister aus Berlin zum König nach Potsdam zur gewöhnlichen, alle Jahr um diese Zeit Statt findenden Minister-Conferenz.

In diesem Monat besuchte der König, in Begleitung des regierenden Herzogs von Braunschweig, den kranken General von Zieten in Berlin, dem er bald nachher ein Geschenk von 10000 Thlr. macht, weil er durch den Oberst von Prittwiß erfahren, daß auf dem Gute des Generals von Zieten die Viehseuche viel Schaden gethan.

Der General von Ramin erhielt vom König ein sehr schönes Reitpferd.

Juni.

A.

1. Juni 1770

Der König ladet die sämmtlichen Minister zur Conferenz zu sich nach dem Neuen Palais in Sanssouci ein. Von den hierbei Statt gehabten merkwürdigen Unterredungen etc. des Königs, welche der Minister von Derschau dem Geh.-Rath von Brenkenhof in einem Briefe mittheilte, findet man einen sehr interessanten Auszug in der 13. Sammlung der Anekdoten und Charakterzüge aus dem Leben Friedrichs II, Seite 87, und in (de la Veaux) La vie de Fr. II, Strasb. 1788, V. 186.

2. Juni 1770

Der König nach Magdeburg zur Revue.

9. Juni 1770

Ueber Salzthal nach Potsdam zurückgekommen.

10. Juni 1770

Der König an den Minister von Münchhausen :

"Mein lieber Etats-Minister von Münchhausen. Die von Euch vor einiger Zeit zur Versetzung des Abts Hähn zu Klosterbergen bei Magdeburg verlangte Frist, dauert zu lange. Ich habe bei Meiner letzten Anwesenheit in Magdeburg nicht ohne Mißfallen vernehmen müssen, daß es mit<15> diesen Anstalten von Tage zu Tage schlechter wird, und wenn nicht bald ein neuer vernünftiger Mann denselben vorgesetzt wird, solche nothwendig durch die wunderlichen Grillen und Aufführung dieses Direktors ganz zu Grunde gehen müssen. Meine für dergleichen sonst so blühende Schule tragende landesväterliche Vorsorge, erlaubt Mir demnach keine längere Nachsicht, und Ich will vielmehr, daß Ihr diesen Mann ohne weitem Anstand, allenfalls mit einer Inspektion auf dem Lande, versorgen, und an seine Stelle einen andern guten Schulmann, welcher dem Pietismo nicht ergeben, sonst aber die Jugend zur Tugend und zu nützlichen Gliedern des Staats, ohne Kopfhängerei, zu bilden fähig ist, zum Director zu Klosterbergen aussuchen und annehmen sollt. etc."

Um diese Zeit langte die regierende Landgräfin von Hessen-Darmstadt 15-+ in Potsdam beim König an, und ging den 19ten über Berlin nach Schönhausen zur Königin. Bald nachher kehrt sie nach Potsdam zurück.

B.

9. Juni 1770

Es wird ein Ober-Bau-Collegium errichtet.

Es werden Anstalten getroffen, vor dem Potsdamer und Oranienburger Thore, in der Gegend des botanischen Gartens, des Invalidenhauses und des Weddings einige hundert Gärtnerfamilien zur Anlegung von Gärten etc. anzusetzen.

Juli.

A.

2. Juli 1770

Der König von Potsdam nach Charlottenburg.

3. Juli 1770

Nach dem Wedding zum Artillerie-Manövre, dann über Charlottenburg nach Potsdam (Sanssouci).

3. Juli 1770

Der König an d'Alembert :

- etc. - "Kaum hatte ich Ihnen meine Bemerkungen über jenen Versuch über die Vorurtheile etc. geschickt, als<16> mir ein anderes Buch in die Hände gerieth; und da ich einmal im Zuge war, philosophische Werke zu prüfen und Bücher zu schreiben, so habe ich auch diese Anmerkungen aufs Papier geworfen, und schicke sie Ihnen. Ich meine nämlich das System der Natur 16-+. Ich habe bloß die handgreiflichsten Widersprüche, und die falschen Folgerungen, welche mir am auffallendsten waren, rügen wollen. Es wäre noch sehr viel darüber zu sagen, und man könnte sich noch vielmehr aufs Einzelne einlassen, welche mir die Zeit nicht gestattet, ich habe mich nur auf die vier Hauptpunkte eingeschränkt, die der Verfasser abhandelt.

In Rücksicht des ersten, wo er behauptet, daß eine verstandlose Natur, bloß mit Hülfe der Bewegung, alles hervorbringt, - glaube ich, daß es ihm unmöglich sein wird, diese Meinung gegen meine Einwürfe zu behaupten. Der zweite Punkt betrifft den Fatalismus; da bleiben ihm freilich noch Antworten übrig, und nach meiner Einsicht ist die Auflösung dieser Frage die schwerste in der ganzen Metaphysik. Ich schlage einen Mittelweg vor; eine Idee, die für mich etwas Reizendes hat, und die leicht wahr sein könnte. Ich nehme ein Mittelding zwischen der Freiheit und der Nothwendigkeit an: ich setze der Freiheit des Menschen sehr enge Grenzen; aber ich lasse ihm doch den Theil, welchen ich nach der gemeinen Erfahrung von den menschlichen Handlungen,

<17> ihm nicht versagen kann. Die beiden letzten Punkte beziehen sich auf die Religion und die Regierung. Außerdem sind in diesem Werke noch unzählige Stellen, wo der Verfasser Blößen zeigt. Er behauptet unter andern entscheidend: daß die Summe des Guten die Summe des Bösen überwiege. Hierin bin ich mit ihm nicht einerlei Meinung; und es möchte ihm unmöglich fallen, seinen Satz zu erweisen, etc. - etc. Es ist gut, daß die Menschen ein Ideal, ein Muster der Vollkommenheit vor Augen haben. etc. Aber mit allem Dem werden sie nie diese Vollkommenheit erreichen, die sich auch leider mit ihrer Natur nicht verträgt. Darauf komme ich immer wieder zurück, und schließe daraus, daß diejenigen, welche aufrichtig für das Wohl der Gesellschaft arbeiten, gut gemeinte Träume hervorbringen, so wie Ihr verstorbener Abbé de St. Pierre. Aber das hält mich nicht ab, in dem kleinen Kreise, worin mich der Zufall gesetzt hat, auch daran zu arbeiten, die Bewohner desselben glücklich zu machen; und die Erfahrungen, die mir täglich vorkommen, lehren mich, wie schwer dies ist. Glauben Sie mir, mein Bester, ein Mensch, der die Kunst besäße, Ihnen eine bessere Verdauung zu verschaffen, würde der Welt mehr nützen, als ein Philosoph, der alle Vorurtheile daraus verbannte. etc."

7. Juli 1770

Der König an Voltaire:

- etc. - "Loretto könnte dicht neben meinem Weinberge liegen, und ich würde es doch gewiß nicht anrühren. Die dortigen Schätze könnten einen Mandrin, Conflans, Turpin, Richelieu und ihres Gleichen verführen. Ich achte zwar die Geschenke nicht, die der Stumpfsinn geheiligt hat, aber man muß Schonung gegen Das haben, was das Publikum verehrt, und Niemand Aergerniß geben. Hält man sich auch für weiser, als andere Leute, so muß man doch aus Gefälligkeit, oder aus Mitleiden mit ihrer Schwäche, ihre Vorurtheile nicht antasten. Es wäre zu wünschen, daß<18> die seinwollenden Philosophen unserer Zeit eben so dächten. Mir ist wieder ein Werk von ihrer Fabrik in die Hände gefallen. Es schien mir so tolldreist, daß ich mich nicht enthalten konnte, einige Anmerkungen über das System der Natur zu machen etc. Ich theile sie Ihnen mit. etc."

18. Juli 1770

Der Prinz Heinrich in Potsdam, bis den 23sten.

26. Juli 1770

Im Neuen Schloß in Sanssouci wird die Oper L'avaro punito aufgeführt.

27. Juli 1770

Die Prinzessin Amalie zum König nach Potsdam.

28. Juli 1770

Auf d'Alembert's Bitte, daß der König zur Errichtung einer Bildsäule für Voltaire, etwas beitragen möchte, antwortet ihm der König : "Voltaire's schönstes Ehrendenkmal ist dasjenige, welches er sich selbst errichtet hat - : seine Schriften. Sie werden länger dauern, als die St. Peterskirche in Rom, als das Louvre, und als alle die Gebäude, welche die Eitelkeit der Menschen für die Ewigkeit aufführt. Man wird nicht mehr Französisch reden, wenn Voltaire noch in die auf das Französisch folgende Sprache wird übersetzt werden. Indessen könnte ich, - voll des Vergnügens, welches mir seine so mannichfaltigen Geisteswerke, deren jedes in seiner Art so vollkommen ist, verschafft haben, - könnte ich nur als ein Undankbarer mich Ihrem Antrage entziehen, etwas zu dem Denkmale beizutragen, welches die öffentliche Dankbarkeit ihm errichtet. Sie dürfen mich nur wissen lassen, was man von mir fodert; ich werde nichts zu dieser Statue verweigern, die den Gelehrten, welche sie ihm weihen, mehr zur Ehre gereichen wird, als Voltaire'n selbst. etc."

In den letzten Tagen dieses Monats kam die Gemalin des Prinzen Heinrich nach Potsdam, dem König einen Besuch abzustatten.

August.

A.

August 1770

Der König in Potsdam (Sanssouci).

<19>

3. August 1770

Der König stattet der Prinzessin von Preußen, welche (in Potsdam) des Morgens von einem Prinzen 19-+ war entbunden worden, Nachmittags um 3 Uhr einen Besuch ab.

8. August 1770

Wird der am 3ten geborne Sohn des Prinzen von Preußen, Nachmittags 3 Uhr, getauft, wobei der König, Taufzeuge ist,

Willkommen, holdes Kind! Nimm diesen frommen Wunsch
Von unsern Herzen an, die segnend Dich empfangen,
Wir sehen Friedrich's Bild auf Deinen jungen Wangen,
Nimm von Ihm Stern und Band, und Seinen ersten Kuß.
Sieh, Preußens Schutzgeist naht sich Deiner Purpurwiegen,
Sein heit'res Auge wacht für Dich, für uns're Ruh,
Wir seh'n des Weihrauchs Duft vom Altar aufwärts fliegen,
Weissagend ruft er Dir mit holden Lippen zu :
Prinz! aus dem Heldenstamm der Hessen und der Brennen,
Auch Dich wird man einst groß, gleich Deinem Ahn-
herrn, nennen.

<20>

und den jungen Prinzen selbst über die Taufe halt; er erhielt die Namen Friedrich Wilhelm. Der Hofprediger Cochins verrichtete den Taufactus. Die übrigen Taufzeugen waren: der Römische Kaiser Joseph II, die Kaiserin von Rußland Catharina II, der Prinz Heinrich, Bruder des Königs, die Prinzessin von Oranien, Schwester des Prinzen von Preußen, und der regierende Fürst von Pfalz-Zweibrücken.

Den 14. Oktbr. erhielt der junge Prinz von der Kaiserin von Rußland den St. Andreasorden, reich mit Brillanten besetzt.

Der König verehrte der hohen Wöchnerin einen ungemein kostbaren Haarschmuck von Brillanten, und der Mutter derselben, der regierenden Landgräfin von Hessen-Darmstadt, sein Portrait in Brillanten gefaßt.

12. August 1770

Die regierende Landgräfin von Hessen-Darmstadt geht über Berlin nach Darmstadt zurück.

13. August 1770

Prinz Friedrich von Hessen-Cassel beim König in Potsdam. oder 15ten 20-+. Der König an d'Alembert :

- etc. - "Ich stehe im Begriff, nach Schlesien und Mähren zu reisen; nach meiner Zurückkunft wird man Ihnen in Paris die Summe einhändigen, welche Sie verlangen 20-++.<21> Es ist ein Trost für mich, daß die so sehr verschmähten Könige den Philosophen doch zu einigem Nutzen gereichen können; man sieht, sie sind doch zu etwas gut. etc."

?? August 1770

Der König an Voltaire :

- etc. - "Ich schreibe, um mich zu unterrichten, und mir die Zeit zu vertreiben, das ist mir genug. Als ich meine Widerlegung gegen den Atheisten (den Verf. des Systems der Natur etc.) vollendet hatte, glaubte ich, sie sei sehr orthodox, aber ich habe sie wieder durchgelesen und finde, daß sie nichts weniger als das ist. Es sind Stellen darin, die den Furchtsamen wild machen, und den Andächtigen ärgern würden etc. Ich fühle, daß meine Seele und mein Styl ganz und gar nicht theologisch sind, und begnüge mich also damit, daß ich meine Überzeugungen in Frieden für mich behalte, ohne sie zu verbreiten, und auf einen Boden fallen zu lassen, der ihnen nicht günstig ist. etc.

Ich reise nach Schlesien, und werde den Kaiser sehen, der mich zu seinem Lager in Mähren eingeladen hat. Dieser Fürst ist liebenswürdig und verdienstvoll, schätzt Ihre Werke liest sie, so viel er kann, ist nichts weniger als abergläubig; mit einem Wort: ein Kaiser, wie Deutschland lange Zeit keinen gehabt hat. Wir lieben Beide die Ignoranten und Barbaren nicht, aber das ist noch kein Grund, sie auszurotten. etc."

<22>

15. August 1770

Der König reist von Potsdam über Cöpnick nach Schlesien zur Revue, mit dem Prinzen von Preußen, Prinzen Ferdinand, Erbpr v. Braunschweig, Prinzen Friedrich v. Hessen-Cassel etc.

18. August 1770

In Silberberg.

?? August 1770

In Glatz.

21. August 1770

In Breslau.

25. August 1770

Im Hauptquartier zu Pasterwitz.

28. August 1770

Von Pasterwitz nach Neisse.

B.

8. August 1770

Die Polnischen Conföderirten erkennen den König Stanislaus der Krone für verlustig.

In der ersten Hälfte dieses Monats war der Abt Michelessi aus Venedig, Verf. der Mém. concern. Ia vie et les écrits du Comte Algarotti, in Potsdam.

Der Prinz Heinrich war in diesem Monat nach Schweden gereist, seiner Schwester, der Königin, einen Besuch abzustatten, und befand sich Ende dieses Monats in Drottingholm.

24. August 1770

nach Andern d. 27sten, starb an einer Entzündung der Prinz Wilh. Adolph von Braunschweig, Neffe des Königs und Oberst in Preuß. Diensten. Er befand sich als Freiwilliger bei der Russis. Armee, die unter Romanzow gegen die Türken focht.

September.

A.

2. September 1770

Der König von Neisse nach Roswalde zum Grafen Hoditz, bis den 3ten.

3. September 1770

In Mährisch-Neustadt (bei Austerlitz), wo die bekannte Zusammenkunft mit dem Kaiser Joseph Statt fand. Im Gefolge des Königs befanden sich : der Prinz von Preußen, der Prinz Ferdinand, der Erbprinz und der Prinz Leopold von Braunschweig, und der General von Lentulus. Der Aufenthalt des Königs dauerte hier bis den 7ten, während welcher Zeit Kriegsübungen und auch Opern und andere Lustbarkeiten Statt hatten. Hier hatte der König auch die bekannte Unterredung mit dem geistreichen Fürsten Karl Joseph von<23> Aremberg-Ligne, Kaiserlichen General-Feldzeugmeister. (S. Mémoire sur le Roi de Prusse Frédéric le Grand par Msgr.Le P. de L. Berlin 1789).

12. September 1770

Rückkunft des Königs in Potsdam.

13. September 1770

Der König an den Minister von Münchhausen :

"Allein lieber Etats-Minister von Münchhausen. Wie steht es denn mit Unserm Abt zu Klosterbergen, und der Verbesserung der dasigen Schulanstalten? und was hat Eure dahin zu dem Ende abgesandte Commission hierunter ausgerichtet? Ihr wisset, wie sehr Mir an dieser Verbesserung gelegen ist, und wie nothwendig Ich die Entfernung des gegenwärtigen Abts wünsche, und Ich will daher ohne den geringsten Anstand von Euch benachrichtigt sein, wie weit Meine Befehle, in Ansehung dieser beiden Punkte, von Euch befolgt worden sind."

16. September 1770

Der König an Voltaire :

- etc. - "Die Kleinigkeiten, die ich schreibe, dienen mir zum Zeitvertreib, und ich unterrichte mich selbst, wenn ich über philosophische Materien nachdenke, und zuweilen meine Gedanken darüber allzudreist hinwerfe. Die Schrift über das System der Natur ist zu kühn für die Leser, denen sie gegenwärtig in die Hände fallen könnte. Ich will Niemand ärgern, und habe, als ich sie schrieb, nur mit mir selbst gesprochen; denn wenn es darauf ankommt, dem Publikum etwas vorzutragen, so habe ich den Grundsatz, man müsse zarter abergläubiger Ohren schonen, Niemanden beleidigen, und abwarten, bis das Jahrhundert aufgeklärt genug sei, daß man ungestraft ganz laut denken könne, lassen Sie also, ich bitte Sie darum, dieses matte Werk in der Dunkelheit, zu der es der Verfasser verurtheilt hat. etc. Meine Hauptbeschäftigung besteht darin, daß ich in den Provinzen, zu deren Beherrscher mich der Geburtszufall gemacht hat, die Unwissenheit und die Vorurtheile bekämpfe, die Köpfe aufklare, die Sitten anbaue und die Leute so glücklich zu machen suche, als es sich<24> mit der menschlichen Natur verträgt, und als es die Mittel erlauben, die ich darauf verwenden kann. etc."

19. September 1770 bis 24. September 1770

Der König in Potsdam bei den Manövres, die bis zum 24sten dauern.

26. September 1770

Der König an d'Alembert :

- etc. - "Talente muß man allerdings auszeichnend ehren, zumal wenn sie in einem sehr hohen Grade vereinigt sind. Schöne Seelen arbeiten nur für die Ehre; und es ist hart, sie darauf hoffen zu lassen, ohne sie je in den Besitz derselben zu setzen. Nur durch diesen Balsam können die Widerwärtigkeiten, die allen Ständen der Menschen ankleben, versüßt werden; und ein wenig von diesem Balsam bedürfen selbst die größten Menschen. etc."

26. September 1770

Der König an Voltaire :

- etc. - "Ich habe von meiner Kindheit an die Künste, die schönen und die hohem Wissenschaften geliebt, und wenn ich etwas zu ihrer Aufnahme beitragen kann; so thue ich es mit allem Eifer, dessen ich nur fähig bin; denn ohne sie giebt es ja in dieser Welt kein wahres Glück. etc.

26. September 1770

Dafür, daß Sie Antheil an dem Kinde nehmen, das uns geboren worden ist 24-+, danke ich Ihnen. Ich wünsche, er möge die Eigenschaften haben, die er haben soll, und, anstatt eine Geißel der Menschheit zu sein, ihr Wohlthäter werden. etc."

26. September 1770

Ankunft der verwittweten Kurfürstin von Sachsen, Marie Antonie 24-++, beim König in Potsdam, Abends 6 Uhr, und<25> des Prinzen Ferdinand, Bruders des Königs, mit seiner Gemalin, desgleichen der Prinzessin Heinrich aus Berlin, und der Prinzessin Philippine aus Schwedt. Während des Aufenthalts der Kurfürstin fanden verschiedene Lustbarkeiten im Neuen Palais Statt, als Feuerwerke, Illumination der großen Colonade, Opern, Concerte etc. 25-+. In einem der letztern blies der König die Flöte und die Kurfürstin sang.

Den 2. Oktbr. ging die Kurfürstin nach Berlin, der Königin einen Besuch abzustatten, welche große Tafel gab. Nach deren Aufhebung kehrte sie nach Potsdam zurück, wo sie bis den 5ten verweilte, und an diesem Tage nach Dresden zurückreis'te.

Oktober.

A.

Oktober 1770

Der König in Potsdam (Sanssouci).

15. Oktober 1770

Der Prinz Karl von Schweden 25-++ kommt zum König nach<26> Potsdam. Während seines Aufenthalts in Potsdam fanden verschiedene Festlichkeiten Statt, den 17ten ward das Intermezzo La Serra scaltra auf dem Schloßtheater aufgeführt, den 18ten war Concert beim König, nach dessen Beendigung er dem Prinzen den Schwarzen Adlerorden selbst umhing. Den 19ten reiste der Prinz nach Schönhausen und Berlin, wo er der Königin und den Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses Besuche ablegte, die Sehenswürdigkeiten der Stadt in Augenschein nahm, auch Charlottenburg besuchte.

?? Oktober 1770

Der Minister von der Hagen beim König in Potsdam, bis den 10ten.

18. Oktober 1770

Der König an d'Alembert :

"Meine Reise nach Mähren, und der Besuch der Kurfürstin von Sachsen bei mir, sind gültige Entschuldigungen, daß ich Ihnen bis jetzt das unbeantwortet gelassen habe, was weder Sie, noch ich, jemals recht verstehen werden. Seitdem habe ich meinem Geiste einige Ruhe verstattet, um ihn von der Zerstreuung der großen Welt zu sammeln, und ihm seine philosophische Stimmung wieder zu geben. Sie zwingen mich, gegen Sie im Dunkeln zu fechten; und ich werde mit Ihnen ausrufen :

Laß uns das Tageslicht wieder, o Jupiter, leuchten,
dann magst Du
Kämpfend wider uns stehn! *)

Aber da ich nun doch dieses Labyrinth betreten muß, so kann nur der Faden der Vernunft zur Leitung darin dienen. Diese Vernunft zeigt mir so erstaunenswürdige Verbindungen in der Natur, und legt mir so auffallende, so einleuchtende Endursachen vor, daß ich gezwungen bin, zuzugeben : ein denkendes Wesen walte über dieses Weltall, um die allgemeine<27> Maschine in Ordnung zu erhalten. Dieses Wesen (Intelligenz) denke ich mir als den ersten Urstoff des Lebens und der Bewegung. Das System einer Entwicklung des Chaos scheint mir ganz unstatthaft; denn es würde noch mehr Geschicklichkeit dazu gehört haben, das Chaos zu bilden und zu erhalten, als die Dinge so zu ordnen, wie sie jetzt sind. Das System einer Schöpfung der Welt aus Nichts ist widersprechend und folglich ungereimt. Es bleibt also nichts übrig, als die Ewigkeit der Welt; eine Idee, die keinen innern, Widerspruch in sich schließt, und die mir die wahrscheinlichste scheint, weil das, was heute ist, auch sehr wohl schon gestern dagewesen sein kann, und so fort. Da nun der Mensch Materie ist, aber doch denkt und sich bewegt; so sehe ich nicht ein, warum nicht ein ähnliches denkendes und handelndes Urwesen mit der allgemeinen Materie sollte vereinigt sein können. Ich nenne es nicht Geist, weil ich keinen Begriff von einem Wesen habe, welches keinen Raum einnimmt, und folglich nirgends existirt. Da aber unser Denken eine Folge der Organisation unsers Körpers ist, warum sollte nicht das unendlich mehr als der Mensch organisirte Weltall eine Denkkraft besitzen, die unendliche Vorzüge vor der Verstandeskraft eines so schwachen Geschöpfes hätte?

Diese mit der Welt gleich ewige Denkkraft kann, nach meinen Begriffen, die Natur der Dinge nicht ändern, und weder das Schwere leicht, noch das Brennende kalt machen. Den ewig unveränderlichen und unerschütterlichen Gesetzen unterworfen, kann sie bloß zusammensetzen, und sich der Dinge nur in so weit bedienen, als deren innere Beschaffenheit es gestattet. Die Elemente z. B. haben feste Regeln des Daseins, und konnten nicht anders sein, als sie sind. Wenn man aber daraus folgern will, daß die Welt nothwendig sei, weil sie ewig ist, und daß daher Alles, was existirt, einem unveränderlichen Verhängniß unterworfen sei, so glaube ich, nicht diesen Satz unterschreiben zu müssen. Mir scheint es, die Na<28>tur schränke sich darauf ein, die Elemente mit ewigen und beständigen Eigenschaften begabt, und die Bewegung unveränderlichen Gesetzen unterworfen zu haben, deren Einfluß auf die Freiheit allerdings sehr beträchtlich ist, ohne doch diese gänzlich aufzuheben. Die Organisation und die Leidenschaften der Menschen haben ihren Grund in den Elementen, aus welchen sie zusammengesetzt sind. Gehorchen sie nun diesen Leidenschaften, so sind sie Sclaven, allein sie sind frei, so oft sie denselben widerstehen. Sie werden mich noch weiter treiben und mir sagen: "Aber sehn Sie denn nicht, daß diese Vernunft, durch welche die Menschen ihren Leidenschaften widerstehen, der Nothwendigkeit unterworfen ist, welche dieser Vernunft die Wirksamkeit auf die Menschen giebt?" Dies kann, genau genommen, wahr sein. Indeß, wer zwischen seiner Vernunft und seinen Leidenschaften wählt, und sich darnach bestimmt; der ist, dünkt mich, frei; oder ich weiß nicht mehr, welchen Begriff man mit dem Worte Freiheit verbindet. Was nothwendig ist, ist unbedingt. Wenn nun der Mensch, nach aller Strenge, dem Verhängniß unterworfen ist, so werden weder Strafen noch Belehrungen diese überwiegende Gewalt erschüttern oder zerstören. Da uns aber die Erfahrung vom Gegentheil überzeugt, so muß man zugeben, daß der Mensch bisweilen der Freiheit genießt, wiewohl dieselbe oft eingeschränkt ist. Allein, mein Lieber, wenn Sie verlangen, daß ich Ihnen umständlicher erklären soll, was diese Denkkraft sei; so muß ich Sie bitten, mich dessen zu überheben. Mich dünkt, ich nehme so etwas von diesem denkenden Wesen wahr, wie man einen Gegenstand undeutlich durch einen Nebel sieht; es ist schon viel, dieses Wesen zu errathen; es zu kennen und zu bestimmen ist dem Menschen nicht vergönnt. etc.

Nach einem so aufrichtigen Geständniß werden Sie nicht sagen, daß Vorurtheile der Kindheit mich bewogen haben, die Vertheidigung der christlichen Religion gegen jenen schwärme<29>rischen Philosophen 29-+ zu übernehmen, der sie mit so vieler Feindseligkeit verunglimpft. Erlauben Sie aber, Ihnen zu sagen, daß unsere jetzige Religionen der Religion Christi so wenig gleichen, wie der Irokeseschen. Jesus lehrte die Duldung, und wir verfolgen; Jesus predigte eine gute Sittenlehre, und wir üben sie nicht aus; Jesus hat keine Lehrsätze festgesetzt, und die Concilien haben reichlich dafür gesorgt. Kurz, ein Christ des dritten Jahrhunderts ist einem Christen des ersten gar nicht mehr ähnlich. Jesus war eigentlich ein Essäer, er nahm die Moral der Essäer an, die wenig von Zeno's Moral verschieden ist. Seine Religion war reiner Deismus; und nun sehn Sie, wie wir sie aufgeputzt haben. Da dem so ist, so vertheidige ich, wenn ich die Sittenlehre Christi vertheidige, eigentlich die Sittenlehre aller Philosophen, aber alle Lehrsätze, die nicht von ihm herrühren, gebe ich Ihnen preis, etc."

23. Oktober 1770

Der König nach Berlin.

24. Oktober 1770

Der König wohnt den Kriegsübungen der Berliner Garnison vor dem Halleschen Thore bei, wo auch der Prinz Karl von Schweden zugegen ist.

25. Oktober 1770

Der König nach Potsdam (Sanssouci).

30. Oktober 1770

Der Konig an Voltaire. Nachdem er über den Tod seines Neffen, des Prinzen von Braunschweig, Wilhelm Adolph (s. oben Seite 22), gesprochen, fährt er fort: "Wenn es möglich wäre, daß nach diesem Leben noch etwas existirte, so wüßte er jetzt gewiß mehr, als wir Alle zusammen; allein höchst wahrscheinlich weiß er ganz und gar nichts. Ein Philosoph unter meiner Bekanntschaft, ein Mann, der fest auf seine Meinungen besteht, bildet sich ein, wir hätten genug Wahrscheinlichkeitsstufen, um zu der Gewißheit zu kommen, daß post mortem nihil est. Er behauptet: der Mensch sei kein<30> doppeltes Wesen, wir wären nur Materie, die von der Bewegung belebt werde, und sobald die abgenutzten Triebfedern ihre Wirkung versagten, zerstörte sich die Maschine, und ihre Theile fielen auseinander. Dieser Philosoph sagt auch : es sei viel schwerer von Gott zu sprechen, als von den Menschen; denn wir kämen auf den Gedanken, daß er existire, nur durch die Vermuthungen, und das am mindesten Alberne, was uns die Vernunft über ihn an die Hand gäbe, bestehe in dem Glauben: er sei das verständige Princip der Bewegung und alles dessen, was die Natur beseelt. Mein Philosoph ist sehr überzeugt: dieses verständige Wesen bekümmere sich um den Allerchristlichsten nicht mehr, als um Mustapha, und das, was den Menschen begegne, beunruhige es eben so wenig, als was einem Ameisenhaufen zustoße, den ein Botenläufer, ohne es zu merken, zertritt. Er sieht das Thiergeschlecht als eine Accidenz der Natur an, wie den Sand, der von den Rädern in Bewegung gesetzt wird, obgleich diese Räder eigentlich nur dazu bestimmt sind, daß sie einen Wagen schnell fortschaffen sollen. Dieser sonderbare Mann behauptet auch: es exristire gar keine Relation zwischen den lebendigen Geschöpfen und dem höchsten verständigen Wesen; denn schwache Creaturen könnten diesem Wesen weder schaden noch Dienste leisten; unsere Laster und unsere Tugenden hätten bloß auf die menschliche Gesellschaft Beziehung, und wir hätten an den Strafen oder Belohnungen, die daraus folgten, schon genug, etc."

B.

12. Oktober 1770

Der Prinz Heinrich, Bruder des Königs, kommt aus Schweden in Petersburg an 30-+.

<31>

26. Oktober 1770

Bekanntmachung der Vegünstigungen etc., welche Fremden, die sich in den Preußischen Landen niederlassen wollen, zugesichert werden.

28. Oktober 1770

Abreise des Prinzen Karl von Schweden aus Berlin nach Stockholm.

November.

A.

1. November 1770

Der König, in Potsdam (Sanssouci), an d'Alembert :

"Sie und Voltaire machen sich auf meine Kosten lustig, wenn Sie mir sagen, daß ich den Fortschritten der Philosophie nützlich sein könne. Ein Descartes, ein Newton, ein d'Alembert, ein Bayle, ein Voltaire, solche Männer haben die Wissenschaften verherrlicht; ich aber bin nichts mehr, als was man in Italien einen Dilettanten nennt, ich stehe mit andern Liebhabern im Parterre, und klatsche Dem, was schön ist, Beifall zu. etc. Sie werden jetzt von mir ein ungeheures Schreiben erhalten haben, in welchem ich für Sie alle Waffen erschöpfe, die mir mein Zeughaus von metaphysischen Beweisen an die Hand giebt. Von diesen abstracten Ideen ist nur eine des Erweises fähig, nämlich der Materialismus. Ist dieser Punkt deutlich bestimmt, so kann man sich in Rücksicht der übrigen mit den verschiedenen Stufen der Wahrscheinlichkeit begnügen; denn diese übrigen sind bloß Gegenstände der Speculation. etc. - Alles wohl erwogen ist es für Jedermann wichtiger, gut zu verdauen, als das innere Wesen der Dinge zu erkennen. etc."

12. November 1770

Grundsätze der Lagerkunst und Taktik (vom König).

16. November 1770

Der Minister von Finkenstein beim König, bis den 28sten.

B.

9. November 1770

Der Großkanzler von Jariges stirbt 64 Jahr alt.

<32>

18. November 1770

Der Ober Amts-Präsident zu Brieg, von Zedlitz, wird Minister.

Dezember.

A.

Dezember 1770

Der König in Potsdam.

4. Dezember 1770

Der König schickt sein Gedicht : "der Kaiser von Sina" (H. W. VII. 189) an Voltaire.

12. Dezember 1770

Der König an d'Alembert :

- etc. - "Ich schicke Ihnen hier die Träumerei eines gewissen Philosophen, auf welchen Voltaire sehr aufgebracht ist. etc. 32-+ Heute sage ich Ihnen nichts von Philosophie, ich habe Ihnen ganze Packete voll Metaphysik zugeschickt, die Sie in Paris finden werden. Genau betrachtet gleicht diese Materie einem Graben; je mehr man ihn aushöhlt, je tiefer wird er. Aber viel Dinge können uns auch ohne Gefahr unbekannt bleiben. Das Wichtigste ist: wohl leben, einer erträglichen Gesundheit genießen, Freunde besitzen, und eine ruhige Seele haben. Alles dieses wünsche ich Ihnen. etc."

18. Dezember 1770

Der König an d'Alembert :

"Vielleicht finden Sie es sonderbar, daß ich mich in fremde Dinge mische, und als ein sechzigjähriger Schüler mir einfallen lasse, mich auf die Bänke der Doctoren der Metaphysik zu setzen, um Dinge abzuhandeln, wovon die Gelehrtesten um nichts mehr verstehen, als die Ungelehrtesten. Aber eben darum, glaube ich, ist es mir so gut erlaubt, als jedem Andern, über metaphysische Gegenstände zu reden. etc. Ich fange also mit Gott an, und mit dem von diesem Wesen uns zu machenden Begriffe, der noch den wenigsten Widerspruch in sich hat. Ich bin überzeugt, daß dies Wesen nicht materiell<33> sein kann; denn sonst würde es durchdringlich, theilbar und endlich sein. Sage ich : er ist ein Geist, so bediene ich mich eines metaphysischen Ausdrucks, den ich nicht verstehe; denke ich mir ihn nach der Erklärung der Philosophen, so sage ich etwas Ungereimtes, weil ein Wesen, welches keinen Raum einnimmt, wirklich nirgends existirt, und es sogar unmöglich ist, daß ein solches Wesen da sei. Mithin gebe ich die Materie und den reinen Geist auf, und - um einigermaßen einen Begriff von Gott zu haben - stelle ich mir ihn als das Sensorium des Ganzen vor, als die mit der ewigen Organisation aller existirenden Welten verbundene Denkkraft (Weltseele), und hierdurch nähere ich mich weder dem System des Spinoza, noch der Stoiker, die alle denkende Wesen für Ausflüsse des großen allgemeinen Geistes hielten, mit welchem sich ihre Denkkraft nach ihrem Tode wieder vereinigte. Die Beweise für diese Intelligenz oder für dieses Sensorium der Natur, sind folgende: die erstaunenswürdigen Verhältnisse, die sich in der ganzen physischen Anordnung der Welt, der Pflanzen und der belebten Geschöpfe finden; ferner auch die Intelligenz (Denkkraft) des Menschen; denn wäre die Natur roh und geistlos; so hätte sie uns ja etwas mitgetheilt, was sie selbst nicht hat, welches ein grober Widerspruch wäre.

Der Punkt von der Freiheit ist nicht minder dunkel, als der vom Dasein Gottes; hier sind jedoch einige Bemerkungen, die Erwägung verdienen. Woher kommt es, daß alle Menschen ein Gefühl von Freiheit haben; und woher kommt es, daß sie es lieben? Könnten sie jenes Gefühl und diese Liebe haben, wenn wirklich die Freiheit nicht da wäre? Weil man aber mit den Worten, die man gebraucht, einen deutlichen Sinn verbinden muß, so definire ich die Freiheit durch : die Handlung unsers Willens, zufolge welcher wir unter verschiedenen Entschlüssen wählen, und welche unsere Wahl bestimmt. Uebe ich nun diese Handlung zuweilen aus, so ist<34> dies ein Zeichen, daß ich jenes Vermögen besitze. Unstreitig bestimmt sich der Mensch nach Gründen; wenn er anders handelte, wäre er unsinnig; die Idee von seiner Erhaltung und seinem Wohlsein ist einer der mächtigen Beweggründe, die ihn antreiben, sich dahin zu neigen, wo er diese Vortheile anzutreffen glaubt. Indessen giebt es auch edelgesinnte Seelen, die das Rechtschaffene dem Nützlichen vorzuziehen wissen, die ihr Vermögen und ihr Leben freiwillig dem Vaterlande aufopfern; und diese ihre Wahl ist die größtmögliche Ausübung ihrer Freiheit. Sie werden antworten: alle diese Entschlüsse sind eine Folge unsrer Organisation und der äußern Gegenstände, welche auf unsere Sinne wirken. Allein ohne Organe würden wir eben so wenig denken können, als ein Klavier ohne Saiten Töne hervorbringen kann. Ich gebe zu, daß wir alle unsere Kenntnisse durch die Sinne erhalten, allein Sie müssen doch diese Kenntnisse von unsern Gedankenverbindungen unterscheiden, wodurch wir jene Kenntnisse bearbeiten, umstalten und bewundernswürdig anwenden. Sie dringen noch weiter, und führen mir die Leidenschaften an, die in uns wirken. Ja! wenn die Leidenschaften stets die Oberhand hätten, so könnten Sie Ihr Siegeslied anstimmen, aber oft widersteht man denselben. Ich kenne Leute, die sich ihre Fehler abgewöhnt haben. etc. Gäbe es nun eine unbedingte Nothwendigkeit; so würde sich Niemand bessern können. etc. Ich wage es also in diesem System des unvermeidlichen Verhängnisses irgend einen Widerspruch zu vermuthen, denn nimmt man es in aller Strenge an; so muß man die Gesetze, Erziehung, Strafen und Belohnungen für überflüssig und unnütz halten. Ist Alles nothwendig, so findet keine Aenderung Statt. Dagegen aber beweiset mir meine Erfahrung, daß die Erziehung Viel über die Menschen vermag, daß man sie bessern, sie aufmuntern kann, und täglich finde ich mehr, daß die Strafen und Belohnungen gleichsam die Schutzmauern der bürgerlichen Gesellschaft sind. Daher kann ich eine Mei<35>nung nicht annehmen, die den Wahrheiten der Erfahrung zuwider läuft; Wahrheiten, die so einleuchtend, sind, daß selbst die Anhänger des Systems des Fatalismus demselben beständig zuwider handeln, sowohl in ihrem Privatleben, als in ihren öffentlichen Handlungen. Was heißt denn aber ein System, welches uns zu lauter Thorheiten verleiten würde, wenn wir uns buchstäblich darnach richteten?

Wir kommen nun zur Religion, und ich darf mir schmeicheln, daß Sie mich in diesem Punkt für einen unpartheiischen Richter halten. Ich denke, ein Philosoph, der es sich einfalen ließe, dem Volke eine ganz einfache Religion zu predigen, würde Gefahr laufen, gesteinigt zu werden. Fände er irgend noch einen völlig neuen Kopf, der noch für keinen Gottesdienst eingenommen wäre; so möchte es ihm vielleicht gelingen, diesen zu überreden, eine vernünftige Religion den durch so viele Fabeln herabgewürdigten Glaubenslehren vorzuziehen. Allein gesetzt auch, man brächte es dahin, die Religionen der Socrate und der Cicerone in einem Ländchen einzuführen; binnen Kurzem würde ihre Reinheit durch mannigfachen Aberglauben besteckt sein. Die Menschen verlangen Gegenstände, die auf ihre Sinne Eindruck machen, und ihrer Einbildungskraft Nahrung geben. Das sehen wir bei den Protestanten, die einem zu nackten, zu einfachen Gottesdienst anhängen; sie werden oft katholisch, bloß aus Liebe zu den Feiertagen, den Ceremonien und den schönen Kirchenmusiken etc., so z. B. der Landgraf von Hessen, Pöllnitz etc. Gesetzt aber auch, Sie könnten die Menschen so vielen Irrthümern entreißen, so bleibt noch die Frage übrig : ob sie der Mühe, sie aufzuklären, werth sind?"

22. Dezember 1770

Der König nach Berlin, wo er gewöhnlich an den sogenannten Geldtagen, wo der Soldat die Löhnung erhält, und auch zuweilen außer diesen, die Wachtparaden besieht. Es geschah dies in der Regel immer, wenn er mehrere Tage in Berlin blieb, eben so wie in Potsdam.

<36>

23. Dezember 1770

Zum Anfang des Carnevals große Cour und Tafel beim König.

24. Dezember 1770

Der König an Fouque :

"Ich übersende hier ein kleines Merkmal meiner Freundschaft. Sie werden es hoffentlich annehmen, da es von Ihrem ältesten und treusten Freunde kommt. Ich wünsche, daß Sie mit dem neuen Jahre Stimme, Gesicht und Gehör wieder erhalten mögen. etc."

30. Dezember 1770

Der König ertheilt dem neuen Oestreichischen Gesandten von Switen Audienz.

Während des diesjährigen Carnevals berief der König mehrmals den Director Merian und einige seiner Collegen bei der Akademie zur Abendunterhaltung zu sich. (S. Eloge de Merian in den Abhandl. der Akademie 1804-1811, pag. 81).

B.

23. Dezember 1770

Anfang des Carnevals. Die Ordnung wie im vorigen Jahre. (Nachträglich wird bemerkt, daß an den Tagen, wo Redoute ist, der Hof gewöhnlich im Opernhause an fünf Tafeln zu Abend speist).

Es wurden aufgeführt die Opern il Re pastore und Montezuma; das Französische Trauerspiel Phedre et Hypolith, und die Schauspiele Menechmes und L'école des amis.

28. Dezember 1770

Instruction etc. wegen Prüfung aller sich dem Verwaltungsfach widmenden Königlichen Beamten.

28. Dezember 1770

Starb der Polizei-Präsident von Berlin Karl David Kircheisen, 66 1/2 Jahr alt. An seine Stelle trat der ehemalige Regiments-Auditeur Philippi.


10-+ Diese Schrift ist die Instruction morale à l'usage de la noblesse. Darin sagt der König unter andern, daß man vorzüglich dahin trachten soll, die jungen Leute für die Tugend zu begeistern.

15-+ Siehe oben II. Abtheilung, Seite 211.

16-+ Der Titel ist: Système de la nature ou des lois du monde physique et du monde moral, London. 1770. Der wahre Verfasser davon ist lange unbekannt geblieben. Man hat Mirabeau und auch La Grange dafür gehalten. Jetzt weiß man aber, daß Paul Thiry Baron von Holbach (geb. 1723 in der Pfalz, gest. 1789 zu Paris) das Werk verfaßt hat. Grimm er Diderot Correspond. P.III. T. V. p. 212). Es sind dagegen viele Widerlegungen erschienen, welche in Krug's Handb. der philosophischen Wissenschaften Thl. II. 391 angeführt sind. Die Widerlegung des Königs steht im 6. Thl. der H. W. Seite 111 - 136.

19-+ Dieser Prinz, nachheriger König Friedrich Wilhelm III, ward des Morgens (nach der Vossischen Zeitung vom 7. Aug. : "in der Nacht um ein Viertel auf 3 Uhr;" nach der Spenerschen Zeitung vom 4. Aug.: "um 6 Uhr Morgens") in Potsdam geboren und zwar in dem an der Ecke des Neuen Markts und der Schwertfegergasse gelegenen ehemals Lehmannschen Hause, welches 1765 mit dem an der andern Ecke des Neuen Markts, dem Königl. Reitstall gegenüber befindlichen, vorher Krumbholzischen Hause in Eins zusammen gezogen, ausgebaut, und zur Wohnung für den damaligen Prinzen von Preußen, nachmaligen König Friedrich Wilhelm II, eingerichtet wurde. Jenes, das ehemals Brauer Lehmannsche Haus, enthielt die Zimmer der Prinzessin, dieses (das Krumbholzische) die des Prinzen von Preußen, ihres Gemals.
     Die Geburt des Prinzen erregte eine allgemeine Freude. Sie wurde der Stadt an demselben Morgen um 8 Uhr durch Trompeten- und Paukenschall von dem Thurm der Nicolaikirche bekannt gemacht; und von dem Glockenspiel der Garnisonkirche ertönte bald nachher das Herr Gott Dich loben wir. In Berlin wurde dieses erfreuliche Ereigniß den Einwohnern durch dreimalige Abfeuerung von 24 im Lustgarten ausgefahrnen Kanonen bekannt gemacht.
     Von den bei dieser Gelegenheit erschienenen Gedichten verdienten manche der Vergessenheit entzogen zu werden; darunter folgendes :

20-+ Dieser Brief, und der folgende an Voltaire, sind beide in den hinterl. Werken d. K. vom 18ten datirt, das aber nicht richtig sein kann, da aus beiden hervorgeht, daß sie vor des Königs Reise nach Schlesien, die er schon den 15ten antrat, geschrieben worden. So muß auch das Datum in d'Alembert's Brief - Paris, den 12. August - auf welchen die obige Beantwortung des Königs erfolgte, falsch sein, denn schwerlich konnte jener Brief vom 12. bis 15. August von Paris in Potsdam anlangen.

20-++ Auf des Königs Anfrage an d'Alembert (s. oben bei dem 28. Juli), wie viel er zu der Büste Voltaire's beizutragen habe, antwortete derselbe: "Ew. Maj. verlangen zu wissen, wie viel wir von Ihnen zu diesem Denkmale wünschen? Einen Thaler, Sire, und Ihren Namen, den Sie uns auf eine so würdige und großmüthige Art bewilligen. Der Marschall von Richelieu hat 20 Louisd'or gegeben; an Subscribenten fehlt es uns nicht, allein ohne die Ihrige würden sie nichts sein, und wir werden mit Dank annehmen, was Ew. Majestät zu geben geruhen.
N. S. So eben hat die Französische Akademie einmüthig beschlossen, daß der Brief, womit Ew. Maj. mich beehrt haben, in ihre Verhandlungen als ein dem Herrn von Voltaire und den Wissenschaften ehrenvolles Denkmal soll eingerückt werden. Sie hat mir ausgetragen, Ihnen ihren unterthänigsten Dank und ihre tiefste Ehrfurcht zu Füßen zu legen."
Der König überschickte 200 Thaler.

24-+ Der nachherige König Friedrich Wilhelm III.

24-++ Der wiederholte Besuch der Kurfürstin beim König in Potsdam, und die höchst freundliche Aufnahme, welche sie hier fand, wird nicht befremden, wenn man weiß, das diese geistreiche Fürstin ganz ausgezeichnete Talente in der Malerei, der Poesie (Deutsche, Französische und Italienische) und der Musik besaß. Sie hat einige Opern verfertigt, und auch in Musik gesetzt, die in Druck erschienen sind. Ihr, von ihr selbst in Pastell gemaltes Bildniß, ist von Canale in Kupfer gestochen worden. Als ein Mitglied der arkadischen Gesellschaft in Rom führte sie den Namen: Ermelinda Talia Pastorella Arcada, welchen sie auf ihren Werken mit den vier Buchstaben E. T. P. A. anzeigte. Im Neuen Palais zu Sanssouci, in der sogenannten blauen Kammer, befindet sich (nach Nicolai III. 1236) ein Kamminschirm, welchen sie selbst gestickt hat.
Den Bau der Kirche und ihres schönen Thurms in dem Potsdamschen Amtsdorfe Eichow, verdankt man der Sage nach dieser Fürstin, welche, als sie bei ihrem vorigen Besuch die Gegend um Potsdam in Augenschein nahm, dem Könige zu erkennen gegeben haben soll, daß eine geschmackvolle Kirche und Thurm dieses dem Neuen Palais so nahe gelegenen Dörfchens dem Auge viel Reiz gewahren würde. Der Bau dieser Kirche mit dem Thurm hat 8950 Thaler gekostet.
Die Kurfürstin war die Tochter Kaiser Karl's VII von Baiern, ward geboren den 18. Juli 1724, vermält 1747 mit dem Kurfürsten von Sachsen, Christian, und starb den 23. April 1780.

25-+ Den 27sten Concert, den 28sten Französisches Trauerspiel Andromarque, den 30sten Ecole des femmes p. Moliere, den 1. Oktober il Re Pastore nach Hasse's Composition, den 2ten und 3ten Illumination und Feuerwerk.

25-++ Er hatte den Titel : Herzog von Südermannland, war der zweite Sohn der Schwester des Königs, und starb als König von Schweden (Karl XIII) den 5. Februar 1818.

29-+ Den Verfasser des Systems der Natur.

3-+ Es war die Abhandlung: "Versuch über die Selbstliebe, als ein Grundsatz der Moral betrachtet." Sie ward am 11. Januar in der Akademie der Wissenschaften von Thiebault vorgelesen. (Siehe davon weiterhin unter dem 16. März).

30-+ Bekanntlich geschah die Reise hauptsächlich in Bezug auf die damaligen Verhältnisse Polens, und war von sehr wichtigen Folgen. (S. H. W. V. 46 etc. Hier ist auch der 9. Dezbr. als Tag der Ankunft des Prinzen in Petersburg angegeben, allein die Berliner Zeitung vom 30. Oktbr. meldet schon die Ankunft unter dem 12. Oktbr.).

32-+ Dieses Gedicht scheint verloren zu sein. d'Alembert nennt es in seiner Antwort: einen reizenden, dichterischen, witzigen und zugleich philosophischen Scherz.

4-+ Der König und Voltaire bezeichnen die Franzosen öfters mit diesem ihrem alten Namen.

6-+ Als die oben erwähnte Schrift des Königs: "Versuch über die Selbstliebe etc." erschien, hatte der Prediger Steinbart eine andere in demselben Sinn abgefaßte Schrift, unter dem Titel : "Prüfung der Beweggründe zur Tugend, nach dem Grundsatz der Selbstliebe etc. Züllichau 1770" herausgegeben, und dem König zugeschickt, worauf er die obige Antwort erhielt.