<II>

Die Werke Friedrichs des Großen
In deutscher Übersetzung
Zehn Bände
Mit Illustrationen
von Adolph v.Menzel
Verlag von Reimar Hobbing in Berlin
1 9 1 3

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Die Werke
Friedrichs des Großen
Zweiter Band
Geschichte meiner Zeit
Herausgegeben von Gustav Berthold Volz
deutsch von
Friedrich v. Oppeln-Bronikowski
Verlag von Reimar Hobbing in Berlin
1 9 1 3

<IV><V>

Einleitung des Herausgebers

Die Geschichte der beiden ersten Schlesischen Kriege hat König Friedrich dreimal verfaßt. Im Juni 1742 hatte er den Breslauer Frieden geschlossen, der dem ersten Kriege ein Ende setzte, und Mitte November desselben Jahres war er, durch Voltaires Schriften angeregt, bereits damit beschäftigt, die Geschichte dieses Krieges niederzuschreiben. Die ersten Zeugnisse finden sich in zwei Briefen an den Kabinettsminister Graf Podewils und an Voltaire. Dem Minister schreibt Friedrich am 13. November: „Ich arbeite an meinen Memoiren und sitze bis über die Ohren in den Archiven.“ Und dem Dichter am 15.: er habe „sehr interessante“ Denkwürdigkeiten unter der Feder; nur Fragmente daraus werde er ihm mitteilen können, denn das Werk im ganzen sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Am 6. April 1743 kündet der König dem Franzosen die baldige Übersendung des Vorworts an, die dann am 21. Mai erfolgt. „Der Rest“, so wiederholt Friedrich, „eignet sich nicht zur Mitteilung.“

Nur das Vorwort und die im folgenden abgedruckten Fragmente sind uns von dieser ersten Niederschrift erhalten, und zwar in dem heut in Petersburg aufbewahrten Nachlaß Voltaires.

Kaum war der Dresdener Friede unterzeichnet, so nahm der König seine historiographische Tätigkeit wieder auf. Am 7. April 1746 berichtet er darüber an den ihm befreundeten Präsidenten der Akademie Maupertuis: „Ich schreibe, ich zerreiße, ich feile und glätte mein Werk, soviel ich kann.“ Bemerkenswert ist, daß Friedrich sich zunächst an die Darstellung des Zweiten Schlesischen Krieges machte und erst nach deren Vollendung unter Zugrundelegung der ersten Redaktion die Geschichte des Ersten Krieges nochmals verfaßte. Im Frühjahr 1747 war das gesamte Werk beendet.

Auch diese Fassung war noch nicht die endgültige. Nachdem der König im Winter 1763/64 die Geschichte des Siebenjährigen Krieges, darauf zu Beginn des Jahres 1775 die der polnischen Teilung und des Russisch-Türkischen Krieges aufgezeichnet hatte, nahm er im Sommer 1775 von neuem die Geschichte der beiden Schlesischen Kriege vor. Mitten aus dieser Arbeit heraus schreibt er am 12. Juli an Voltaire: „Ihr Brief findet mich mit der Feder in der Hand und damit beschäftigt, alte Denkwürdigkeiten durchzukorrigieren, die Sie, wie Sie sich vielleicht erinnern, früher gesehen haben. Sie waren wenig fehlerfrei, schlecht durchgesehen und schlecht gearbeitet.<VI> Wie eine Bärin lecke ich meine Jungen und suche sie zu glätten. Dreißig Jahre liegen dazwischen; da genügt man sich nicht mehr. Und obwohl das Werk dazu bestimmt ist, für immer in irgendeinem staubigen Archiv vergraben zu bleiben, so wünsche ich doch nicht, daß es schlecht gemacht sei.“ Nach seinem eigenhändigen Vermerk auf dem Manuskript war am 1. Juni 1775 die Umarbeitung des Ersten, am 20. Juli die des Zweiten Schlesischen Krieges vollendet.

Die „Geschichte meiner Zeit“ — so nannte Friedrich jetzt das Werk; denn nicht von Anfang an führte es diesen Titel. Bei den beiden ersten Fassungen von 1742 und 1746 gebrauchte der König den Ausdruck „Denkwürdigkeiten“ oder „neue Denkwürdigkeiten“, wenn er von seinen Aufzeichnungen sprach. Aber schon bei der Fassung von 1746 hatte er etwas Größeres im Sinn, als nur seine Memoiren zu schreiben oder Kommentarien zur Zeitgeschichte zu liefern. Jene Niederschrift von 1746 war vielmehr gedacht als Teil eines großen Werkes, das die brandenburgisch-preußische Geschichte von den frühesten Zeiten bis auf die Gegenwart darstellen sollte. Den Anfang dieses Werkes bilden die „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg“VI-1, die bis zur Thronbesteigung König Friedrichs führen. Das Manuskript der Niederschrift der beiden Schlesischen Kriege trägt daher den ausdrücklichen eigenhändigen Vermerk: „Zweiter und Dritter Teil der Geschichte Brandenburgs“. Und nur einem allgemeinen Brauche folgen wir, wenn wir diese Fassung von 1746 als erste Redaktion der „Geschichte meiner Zeit“ bezeichnen.

Wenn auch der König bei seinen späteren Umarbeitungen die früheren Niederschriften zugrunde legte, so weisen die einzelnen Fassungen doch bedeutsame Unterschiede untereinander auf. Der Stil der ersten Redaktion von 1742 ist, soweit die Fragmente ein Urteil gestatten, kurz und abgerissen; die Darstellung hat etwas Lapidares; sie gleicht mehr einem Entwurfe, in dem der Gang der Ereignisse mit knappen Stichworten skizziert wird, als einer fertigen Ausarbeitung. Auch die Redaktion von 1746 hat diesen Charakter noch keineswegs verloren; ihr fehlt die Ausgeglichenheit, der leichte Fluß, Mängel, denen der König nach seinem eigenen Geständnis bei der letzten Überarbeitung durch Feilung und Änderung abzuhelfen sucht.

Mit der äußeren Form wandelte sich der innere Gehalt. Die Bedeutung der beiden ersten Niederschriften von 1742 und 1746 liegt darin, daß sie unter dem frischen unmittelbaren Eindruck der Ereignisse entstanden sind. Sie sind, wie schon Leopold von Ranke für die Redaktion von 1746 betonte, für die allgemeinen Verhältnisse von Europa und selbst für die Anschauung einiger Begebenheiten von selbständigem Wert; denn überall finden sich Einzelheiten erzählt, „welche das Bild vervollständigen, die Motive der Entschlüsse, die Ursachen und Erfolge klarer herausstellen“.

Erscheint in diesen früheren Redaktionen der König inmitten des Flusses der Ereignisse, so steht er in der letzten Fassung von 1775 über den Dingen, auf hoher Warte.<VII> Nicht mehr der tatenfrohe junge Friedrich hat das Wort, sondern der abgeklärte, durch schwerste Erfahrung gereifte Herrscher. Schon dadurch tritt das persönliche Moment zurück, daß er von sich nicht mehr in der ersten Person spricht. Wo von ihm die Rede ist, heißt es „der König“, wenn nicht die noch allgemeiner gehaltene Wendung „man“ gebraucht wird. Dem entspricht ferner die schon erwähnte Änderung des Titels des Werkes. Denn wenn auch für den König die preußische Monarchie immer im Mittelpunkt seines Interesses und seiner Darstellung steht, so steht sie doch nicht allein in der Welt. Nicht bloß Einen Staat, sondern Staaten und Staatensysteme zeigt die Wirklichkeit. Schon durch die umfassende Übersicht der europäischen Mächte im ersten Kapitel hatte Friedrich dem universalgeschichtlichen Standpunkt Rechnung getragen. Es charakterisiert daher die erhöhte Weite seines Blickes, wenn er die neue Fassung nicht mehr als Fortsetzung der „Geschichte Brandenburgs“ bezeichnete, sondern ihr den selbständigen Titel gab: „Geschichte meiner Zeit“.

Auch der Inhalt der Darstellung änderte sich. Was Friedrichs Auffassung von 1775 nicht mehr entsprach oder bereits an Interesse für ihn verloren hatte, ist fortgefallen. Dafür finden sich mancherlei Zusätze. Noch rückhaltloser spricht er von sich und den Beweggründen seiner Handlungen; auf der anderen Seite hat er über Personen und Verhältnisse mehrfach sein Urteil gemildertVII-1. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt aber vor allem in der Reflexion: der militärisch-didaktische Zweck steht allenthalben im Vordergrund. Nach dem Worte Rankes ist es der alte Meister des Krieges, welcher spricht.

Endlich bedürfen die Vorreden zu den drei Fassungen des Werkes noch eines erläuternden Hinweises. Zwei große Fragen der allgemeinen Politik beschäftigen darin den König.

Das erste Problem, den Gegensatz zwischen Moral und Politik, hatte Friedrich schon im „Antimachiavell“ zum Gegenstand der Betrachtung gemacht. Der moralphilosophischen Tendenz dieses Jugendwerkes entsprechend hatte er dort den Standpunkt des Florentiners, der in der Politik keine Moral gelten lassen wollte, heftig bekämpft. Es gäbe keinen doppelten Maßstab, so erklärte der Prinz und forderte daher, seine Anschauung an einem Beispiel der praktischen Politik erläuternd, die peinlichste Beobachtung der Staatsverträge durch den Fürsten. Aber auch schon im „Antimachiavell“ hatte Friedrich die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß eine traurige Notlage und das Wohl des Volkes den Fürsten zwingen könnten, Verträge und Bündnisse zu brechenVII-2. Dieser Fall trat für den König im Jahre 1742 ein: er schloß, obwohl mit Frankreich verbündet, einen Sonderfrieden mit dem Wiener Hofe. Damit war das Problem aus der Sphäre rein theoretischer Betrachtung auf den Boden der realen Verhältnisse gerückt.

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Wie Friedrichs Anschauungen sich abwandelten, wie er als Staatsmann sich in der Praxis mit diesem Problem auseinandersetzte, das zeigen nun die drei Vorreden. Schon in der von 1742 machte er das weitgehende Zugeständnis, daß die Moral der Fürsten „vielfach als das Gegenteil der Privatmoral erscheine“. Mit Freimut gab er zu, daß er mit dem einseitigen Friedensschluß nichts anderes getan habe, als „den Brauch der Fürsten mitzumachen“. So offen und rückhaltlos ist die Sprache dieser Vorrede, daß nach ihrer Lektüre Voltaire gestand, der Eroberungsgeist, der den König beseele, lasse die Moral zu kurz kommen. In dem Vorwort von 1746 zieht Friedrich dann mit aller Schärfe den Unterschied zwischen der Privatmoral und der Staatsraison, um endlich 1775 das Recht des Fürsten zum Vertragsbruch auf vier bestimmte, genau umschriebene Fälle einzuschränken.

Das zweite Problem betrifft die Frage der Zu- oder Unzulässigkeit der Kriege. Der König eifert gegen alle Unternehmungen, die blinder Ehrgeiz heraufbeschwört. Aber auch ganz allgemein erhebt er das schwerwiegende Bedenken, daß die Erfolge eines Krieges die ungeheuren Anstrengungen und Opfer, die er erfordere, nicht lohnten. Auch hier ist die praktische Erfahrung sein Lehrmeister gewesen; denn es ist deutlich, daß ihm der Ausgang des Zweiten Schlesischen Krieges vorschwebt, der ihm nur den Besitz Schlesiens bestätigte. Daher findet sich diese Betrachtung auch erst in der Vorrede von 1746. Dasselbe gilt für das Vorwort von 1775; denn auch der Siebenjährige Krieg hatte zu keinem neuen Landerwerb geführt.

Man würde aber irren, wollte man dem König die Absicht beimessen, als verzichte er damit auf jeden Gedanken an einen neuen Krieg. Daß dieses für 1746 nicht zutrifft, lehrt das sechs Jahre später verfaßte Politische Testament. Und in dem Vorwort von 1775 erklärt Friedrich als „Gesetz“ für jeden Staatsmann: die günstige Gelegenheit für die Ausführung eines Unternehmens zu ergreifen, sie aber nicht herbeizuzwingen, indem man alles aufs Spiel setze. Daß dieses „Gesetz“ auch für den König galt, wer wollte das bestreiten? Um so mehr, als wiederum die Politischen TestamenteVIII-1 zeigen, wohin seine Blicke schweiften, und die Lande uns bezeichnen, durch deren Erwerbung, wofern die Gelegenheit sich bot, der preußische Staat konsolidiert werden sollte.

Soviel über die drei Vorreden, die im folgenden zum Abdruck gelangen.

Für die „Geschichte meiner Zeit“ ist auf Wunsch des Verlages die letzte Fassung von 1775 gewählt worden. Der französische Text, der der Übertragung zugrunde liegt, ist abgedruckt in den „Œuvres de Frédéric le Grand“, Bd. II und III; die Fassung von 1742 ist veröffentlicht von H. Droysen in dem Programm des Königstädtischen Gymnasiums, Heft 2 (Berlin 1905), die von 1746 von M. Posner in den „Publicationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven“, Bd. IV (Leipzig 1879).

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Geschichte meiner Zeit

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Denkwürdigkeiten (1742)

I. Vorwort

Viele haben Geschichte geschrieben, aber sehr wenige haben die Wahrheit gesagt. Schlecht unterrichtete Schriftsteller wollten Anekdoten schreiben und haben sie erdichtet oder Volksgerüchte für bewiesene Tatsachen genommen und sie der Nachwelt dreist aufgetischt. Andere wollten berichten, was sich hundert Jahre vor ihrer Geburt zugetragen hat. Sie haben Romane verfaßt, in denen höchstens die Haupttatsachen nicht entstellt worden sind. Sie haben den Menschen, deren Leben sie überlieferten, Gedanken, Worte und Taten zugeschrieben, und die leichtsinnige Welt, die betrogen sein will, hat die Hirngespinste der Verfasser für geschichtliche Wahrheiten gehalten. Wieviel Lügen! Wieviel Irrtümer! Wieviel Betrug!

In der Überzeugung, daß es nicht irgendeinem Pedanten, der im Jahre 1840 zur Welt kommen wird, noch einem Benediktiner der Kongregation von St. Maur1-1 zusteht, über Verhandlungen zu reden, die in den Kabinetten der Fürsten stattgefunden, noch die gewaltigen Szenen darzustellen, die sich auf dem europäischen Theater abgespielt haben, will ich selbst die Umwälzungen beschreiben, deren Augenzeuge ich war und an denen ich den regsten Anteil hatte. Gehen diese großen Ereignisse doch mein Haus ganz besonders an. Ja, man kann die Epoche seiner Größe erst von diesem Zeitpunkt ab datieren.

Ich halte mich sogar für verpflichtet, der Nachwelt eine wahre und exakte Darstellung der Ereignisse zu geben, die ich selbst gesehen habe; denn seit dem Untergange des römischen Reiches1-2 verdient kaum ein geschichtliches Ereignis so viel Beachtung wie der Krieg, den eine mächtige Liga zum Sturze des Hauses Habsburg unternahm.

Originalurkunden, Briefe wie Verträge, werden die von mir berichteten Tatsachen rechtfertigen. Ich will den Leser nicht durch weitschweifige Erzählungen kleiner Umstände ermüden. Vielmehr werde ich ihm nur das vorführen, was seine Aufmerksamkeit verdient. Kleine Züge, die den Zeitgeist kennzeichnen, sollen jedoch nicht fortbleiben, auch manche Kleinigkeiten nicht, die zu Großem geführt haben.

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Da ich zur Nachwelt rede, so lasse ich mich durch keinerlei Rücksicht behindern. Ich schone die Fürsten meiner Zeit nicht und verhehle nichts von dem, was mich selbst betrifft.

Ich hoffe, die Nachwelt, für die ich schreibe, wird bei mir den Philosophen vom Fürsten und den Ehrenmann vom Politiker zu scheiden wissen. Ich muß gestehen: wer in das Getriebe der großen europäischen Politik hineingerissen wird, für den ist es sehr schwer, seinen Charakter lauter und ehrlich zu bewahren. Immerfort schwebt er in Gefahr, von seinen Verbündeten verraten, von seinen Freunden im Stich gelassen, von Neid und Eifersucht erdrückt zu werden, und so steht er schließlich vor der schrecklichen Wahl, entweder seine Völker zu opfern oder sein Wort zu brechen.

Als Grundgesetz der Regierung des kleinsten wie des größten Staates kann man den Drang zur Vergrößerung betrachten. Diese Leidenschaft ist bei jeder weltlichen Macht ebenso tief eingewurzelt wie beim Vatikan der Gedanke der Weltherrschaft.

Die Fürsten zügeln ihre Leidenschaften nicht eher, als bis sie ihre Kräfte erschöpft sehen: das sind die feststehenden Gesetze der europäischen Politik, denen jeder Staatsmann sich beugen muß. Wäre ein Fürst weniger auf seinen Vorteil bedacht als seine Nachbarn, so würden sie immer stärker, er zwar tugendhafter, aber schwächer werden. Was entscheidet also über den Erfolg in dem allgemeinen Wettstreit des Ehrgeizes, in dem so viele sich mit gleichen Waffen zu vernichten und sich mit den gleichen Listen zu hintergehen suchen? Einzig und allein der weitschauende Scharfblick und die Kunst, seine Pläne mit kluger Voraussicht auf mehr als einem Wege zur Reife zu bringen.

Diese Kunst erscheint, wie ich gestehe, vielfach als das Gegenteil der Privatmoral. Sie ist aber die Moral der Fürsten, die sich auf Grund eines stillschweigenden Übereinkommens und zahlloser geschichtlicher Beispiele leider gegenseitig das Vorrecht verliehen haben, ihren Ehrgeiz um jeden Preis zu befriedigen, immer nur das zu tun, was ihr Vorteil erheischt. Zu diesem Zweck brauchen sie entweder Feuer oder Schwert oder Ränke, Listen und Verhandlungen. Sie spotten selbst der gewissenhaften Beobachtung der Verträge, die, um die Wahrheit zu sagen, nichts als falsche und treulose Schwüre sind.

Die Geschichte jedes Staates, jedes Königreiches, jedes republikanischen Gemeinwesens weist politische Vereinbarungen und Bündnisse auf, die ebenso rasch gebrochen wie geschlossen, Friedensverträge, die alsbald wieder verletzt und von neuem geschlossen wurden. Der einzige Unterschied besteht darin, daß die Politik der Kleinstaaten ängstlicher ist als die der Großmächte, und daß Europa in unserem zivilisierten Jahrhundert sich schämen und entrüsten würde, wenn man noch heute zu Gift und Dolch griffe wie im 11. und 12. Jahrhundert. Man muß hoffen, daß eine noch aufgeklärtere Zeit der Ehrlichkeit den ihr gebührenden Platz einräumen wird.

Nicht verteidigen will ich hier die Staatskunst, die durch den steten Brauch der Völker bis auf die Gegenwart sanktioniert worden ist. Ich setze einfach die Gründe auseinander, die jeden Fürsten nach meiner Meinung zwingen, der Praxis zu folgen,<3> die den Betrug und den Mißbrauch der Macht autorisiert, und ich sage offen: seine Nachbarn würden sich seine Rechtschaffenheit nur zunutze machen, und man würde ihm, auf Grund falscher Vorurteile und verkehrter Meinungen, das als Schwäche auslegen, was nur Tugend ist.

Solche und viele andere, reiflich erwogene Gedanken haben mich veranlaßt, den Brauch der Fürsten mitzumachen. Die Geschichte des Zeitalters liefert Beispiele genug zur Rechtfertigung meines Verhaltens. Angesichts all der schlimmen Praktiken, der Falschheit, Doppelzüngigkeit und Treulosigkeit meiner Nachbarn, wage ich zu behaupten, habe ich mich gegen sie noch ziemlich hochherzig benommen, und wenn auch der allgemeine Brauch meinen Verstand unterjochte, so ist mein Herz doch nicht verdorben.

Aber von mir soll hier nicht die Rede sein. Was ich der Nachwelt darstellen muß, ist größer und anziehender als meine Persönlichkeit. Es handelt sich hier auch nicht um eine moralische Abhandlung, sondern um geschichtliche Tatsachen. Da nur die über den guten Ruf eines Fürsten urteilen können, die kein Interesse daran haben, ihm zu schmeicheln, und sich nicht zu fürchten brauchen, ihn zu tadeln, so will ich ihnen alle Beweggründe meines Handelns auseinandersetzen und mich dann ihrem strengen Urteil unterwerfen.

2. Aus den Denkwürdigkeiten
Vor der Thronbesteigung

Betrachtet man mit politischen Blicken die Lage des preußischen Staates, so bemerkt man unschwer, daß sie zur Offensive wenig geeignet ist. Preußen erstreckt sich in der Länge über 180 deutsche Meilen. Bei Memel stößt es an Rußland, dazwischen schiebt sich Polen; bei Krossen berührt es die Kaiserlichen Staaten; die Kurmark und das Bistum Magdeburg grenzen an Sachsen, Pommern an Schweden. Eingeschoben sind das Land Hannover, die Staaten des Kurfürsten von Köln, und endlich ist das preußische Kleve benachbart mit Holland. Was sollte man bei dieser Lage gegen das Herzogtum Berg unternehmen, wenn dort die Frage der Erbfolge eintrat3-1? Im Rücken hatte man den Kaiser, der sich von Frankreich leiten ließ, den Kurfürsten von Sachsen, der gleichfalls Erbansprüche erhob, Schweden, über das Frankreich ver<4>fügen konnte, und die Nachbarschaft von Hannover, das nur auf eine Gelegenheit lauerte, um Preußen zu demütigen, dank der erblichen Eifersucht zwischen beiden Höfen und einem Rest von Gereiztheit, der seit dem Zerwürfnis des verstorbenen Königs von Preußen mit dem König von Großbritannien4-1, seinem Schwager, bestand. In der Flanke hatte man zudem die Holländer, deren republikanischer Geist die etwaige Erwerbung Bergs durch Preußen nicht dulden wollte, und schließlich in der Front das am schwersten zu bezwingende Hindernis, nämlich die Streitkräfte der französischen Monarchie.

Der Versailler Hof hatte dem Pfalzgrafen von Sulzbach, der einer Seitenlinie angehörte, die Erbfolge in Jülich gewährleistet, um durch diesen Schritt den Kurfürsten von der Pfalz zur Neutralität während des 1732 ausgebrochenen Krieges4-2 zu bewegen. Die französische Politik sah alle festen Plätze am Rhein und die Einfallspforten ins Reich lieber in den Händen kleiner Fürsten, über die sie verfügen konnte, als in denen von mächtigeren, mit denen sie hätte kämpfen müssen, um diese Grenzsperre Deutschlands zu durchbrechen.

Um die dem verstorbenen König gegebene Garantie der Erbfolge ein für allemal zu beseitigen, hatte der Kaiser den Grafen von Seckendorff, der die Verhandlungen darüber geführt hatte, gefangensetzen lassen4-3. Man nahm ihm alle Papiere fort, durch die er seinen Schritt rechtfertigen konnte; dadurch wurde er öffentlich dementiert. Bei diesem Sachverhalt wird man leicht einsehen, daß ich gezwungen war, mich an das mit dem verstorbenen König über diese Erbfolge getroffene Abkommen zu halten, was weder mein Vorteil war, noch meinen Ehrgeiz befriedigte.

Das Herz blutete mir von all den Demütigungen, die man dem verstorbenen König in seinen letzten Regierungsjahren zugefügt hatte. Europa hatte seinen Charakter erforscht, und man legte ihm den Wunsch, mit seinen Nachbarn in Frieden zu leben, als Schwäche aus. Einige Zerwürfnisse, die er im Jahre 1727 mit Hannover und ein paar Jahre darauf mit den Holländern gehabt und bei denen er angeblich nicht Tatkraft genug bewiesen hatte, hatten dies falsche Urteil veranlaßt.

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Regierungsantritt

Beim Tode meines Vaters fand ich ganz Europa in Frieden. England und Spanien bekriegten sich freilich, aber dieser Krieg spielte sich in Amerika ab. Kaiser Karl VI. hatte soeben mit den Türken einen Frieden geschlossen5-1, in dem er Belgrad, Serbien und die Walachei dem osmanischen Reiche abtrat. Die letzten Regierungsjahre dieses Fürsten waren so unglücklich gewesen, daß er das Königreich Neapel, Sizilien und einen Teil der Lombardei verlor5-2, den die Spanier im Bunde mit den Franzosen und dem König von Sardinien ihm entrissen hatten. Um den Frieden mit Frankreich zu erkaufen, hatte er sich andrerseits gezwungen gesehen, ihm Lothringen abzutreten5-2 und dieses seinem Schwiegersohne, dem Herzog dieses Landes5-3, zu nehmen, der das Herzogtum auf Grund uralten Erbrechts besessen hatte. Der Kaiser schloß einen Vertrag mit Frankreich, das ihm, freilich unter allen erdenklichen Einschränkungen, das Hausgesetz garantierte5-4.

Die Minderjährigkeit des jungen Zaren Iwan5-5 ließ mich hoffen, daß Rußland sich mehr um seine inneren Angelegenheiten bekümmern würde als um die Garantie der Pragmatischen Sanktion.

Außerdem war ich im Besitz schlagfertiger Truppen, eines gut gefüllten Staatsschatzes und von lebhaftem Temperament: das waren die Gründe, die mich zum Kriege mit Therese von Österreich, Königin von Böhmen und Ungarn, bewogen.

Ihnen entgegen standen die folgenden Schwierigkeiten und Erwägungen: die Hilfsquellen des Hauses Österreich, die stets unerschöpflich waren; Staaten, welche die Pragmatische Sanktion garantiert hatten; ein etwaiges Bündnis des Königs von England mit dem Reiche zur Unterstützung der Königin von Ungarn; der Beistand, den der Herzog von Kurland5-6, ein Mietling Österreichs, dem Hause von seiten Rußlands verschaffen konnte; der mögliche Entschluß des Wiener Hofes, einige Gebiete an Sachsen zu opfern5-7, um dieses zu einer Diversion gegen Preußen zu bringen; das wechselnde Kriegsglück; die schlechte Ernte, welche die Ernährung der Heere erschwerte, und schließlich der Unterschied zwischen meinen Truppen, die nichts als

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Revuen mitgemacht hatten, und denen der Königin, die eben aus dem Türkenkrieg heimkamen.

Der Ehrgeiz, mein Vorteil, der Wunsch, mir einen Namen zu machen, gaben den Ausschlag, und der Krieg ward beschlossen.

Zwanzig Bataillone und sechsunddreißig Schwadronen erhielten Befehl, in das offene und von Truppen fast entblößte Land einzurücken; alles sollte im Monat Dezember marschbereit sein; sechs Bataillone sollten nachfolgen. Die Teuerung des Jahres 1740 zwang mich, diesen ersten Feldzug mit möglichst geringen Truppen zu führen, um Zeit zur Anlage von Magazinen zu gewinnen und das Heer ernähren zu können.

Da bricht eine neue Revolution in Rußland aus. Die Prinzessin von Mecklenburg hatte sich mit Hilfe des Marschalls Münnich der Person des Herzogs Biron von Kurland bemächtigt. Der Umschwung war meinen Plänen sehr günstig. Von meinem Schwager, dem Prinzen Anton Ulrich von Braunschweig, dem Vater des Zaren, durfte ich alles erhoffen, und die Anhänglichkeit Birons an das Haus Österreich war ziemlich bekannt. Die Prinzessin von Mecklenburg, die Gattin des Prinzen von Braunschweig und Iwans Mutter, besaß alle Launen und Schwächen ihres Geschlechts und keinerlei männliche Tugend. Ihr Gatte war ein beschränkter Geist, persönlich tapfer, doch unsicher in seinem Benehmen und in allem vom Rate seiner Verwandten abhängig. Graf Münnich, jener bereits erwähnte Held, der dem neuen Regenten zur Herrschaft verholfen hatte, mußte dem Augenschein nach den größten Anteil an der Regierung haben. Das brachte mich auf den Gedanken, Winterfeldt6-1, Münnichs Schwiegersohn und meinen Adjutanten, nach Petersburg zu senden. Unter dem Vorwande, die neuen Herrscher zu beglückwünschen, galt Winterfeldts Sendung dem Grafen Münnich. Geschenke, Versprechungen, Schmeicheleien, nichts wurde gespart.

Aus dem Frühjahr 1741

Der Marschall Belle-Isle und sein Bruder waren nur ein Wesen; der Marschall war die Phantasie und der Chevalier der gesunde Menschenverstand.

Unter dem Vorwande, Fräulein Mengden, ein Ehrenfräulein der Regentin von Rußland, zu heiraten, erhob Graf Lynar6-2 seine Blicke zu der Fürstin selbst und fand bei ihr Gegenliebe. Er machte seinem Herrn diese zarten Beziehungen zunutze, und die Liebe besorgte in Rußland die Geschäfte des Königs von Sachsen.

Der Marschall Belle-Isle war als Gesandter des allerchristlichsten Königs zum Reichstag geschickt worden. Kaum erfuhr er den Sieg von Mollwitz6-3, so kam er in mein Lager, wo er in den letzten Tagen des April anlangte.

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Der Marschall Belle-Isle verbindet die Freimütigkeit und Aufrichtigkeit eines Soldaten mit der Höflichkeit eines Hofmannes. Er behauptet die Würde, mit der er bekleidet ist, ohne daß er den verletzenden Hochmut zur Schau trägt, durch den die Gesandten Ludwigs XIV. ihrem Herrn mehr Feinde machten, als sein Glück ihm Neider geschaffen hat. Seine Gesundheit ist zart, doch seine Phantasie ist um so lebhafter. Die Verhandlungen, die ich mit ihm führte, bezogen sich hauptsächlich auf die Kaiserwahl, auf ein etwaiges Bündnis und den Rest des Erbes der Königin von Ungarn. Wir vereinbarten, daß ich, wenn Frankreich mir den ungestörten Besitz von ganz Niederschlesien bis zur Neiße gewährleisten wollte, auf die Erbfolge in Jülich und Berg verzichten und meine Stimme bei der künftigen Kaiserwahl dem Kurfürsten von Bayern7-1 geben würde. Ferner, daß Frankreich, wenn die Aufteilung der Staaten des Hauses Österreich zustande käme, dem Kurfürsten von Bayern ein starkes Heer nach Deutschland zu Hilfe schicken sollte, daß ein anderes Korps die hannoverschen Truppen am Niederrhein in Schach halten und daß zuvörderst Schweden an Rußland den Krieg erklären müßte. Dies war nur ein Vertragsentwurf zwischen uns, ohne bindende Abmachungen7-2.

Ich betrachtete dieses Bündnis mit Frankreich als die letzte Sehne an meinem Bogen, und bevor ich es einging, wollte ich alte Möglichkeiten gütlicher Auseinandersetzung mit der Königin von Ungarn, die mir etwa blieben, erschöpfen, da ich den Weg der Güte, wenn irgend möglich, dem der Gewalt vorziehen wollte.

Der ganze Monat Mai verging über diesen Verhandlungen. Sachsen, das auf meine Erfolge und meine Vergrößerung eifersüchtig war, setzte alle Hebel seiner Politik in Bewegung, um mir Schwierigkeiten zu bereiten und mich zugrunde zu richten. Ein Plan war aufgestellt, in welcher Weise Sachsen, Rußland und Hannover sich in meine Staaten teilen sollten. Die Intrigen des Marchese Botta und der Liebreiz Lynars im Verein mit dem Ehrgeiz des Grafen Ostermann hatten Münnich gestürzt7-3. Die Briefe der Kaiserin-Witwe und ihrer Mutter, der alten Herzogin von Braunschweig-Blankenburg7-4, hatten den schwachen Geist des Prinzen Anton Ulrich zugunsten der Königin von Ungarn umgestimmt. Die Russen waren bereit, in Preußen einzufallen; eine große Truppenmacht stand in Livland und Kurland; Lord Finch7-5 trieb, soviel er vermochte, zur Ausführung dieses Unternehmens an. Der König von England sollte im Verein mit Sachsen gleichzeitig gegen die Alt- und Mittelmark vorgehen. Um die nötige Zeit für ihre Vorbereitungen zu gewinnen, führten diese Mächte gegen mich eine schmeichelnde Sprache.

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Geschichte meiner Zeit (1775)

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Vorwort

Die meisten unserer Geschichtswerke sind zusammengestoppelte Lügen, mit einigen Wahrheiten untermischt. Von der staunenswerten Fülle der uns überlieferten Tatsachen kann man allein die als erwiesen annehmen, die in der Erhebung oder in dem Sturze der Reiche Epoche gemacht haben. Es steht außer Zweifel, daß die Schlacht von Salamis geschlagen und daß die Perser von den Griechen besiegt worden sind. Es ist völlig gewiß, daß Alexander der Große das Reich des Darius bezwungen und daß die Römer die Karthager, den Antiochus und Perseus11-1 überwunden haben. Dies ist um so zuverlässiger, als sie alle diese Länder in Besitz hatten. Noch mehr Glaubwürdigkeit verdient die Geschichte da, wo authentische Berichte von Zeitgenossen vorliegen, wie über die Bürgerkriege zwischen Marius und Sulla, Pompejus und Cäsar, Augustus und Antonius. Man zweifelt nicht im mindesten am Untergange des oströmischen und weströmischen Reiches; denn aus dem zerstückelten Römerreiche sieht man neue Staaten entstehen und Form gewinnen. Treibt uns aber die Wißbegier, auf die Einzelheiten jener fernen Zeiten einzugehen, so geraten wir in ein Labyrinth voller Dunkelheit und Widersprüche, aus dem uns kein Faden hinausführt. Die Vorliebe der Verfasser für das Wunderbare, ihr Vorurteil, ihr blinder Eifer für ihr Vaterland, ihr Haß gegen die Völker, die dem eignen widerstanden, alle diese verschiedenen Leidenschaften, die ihnen die Feder führten, dazu der große zeitliche Abstand zwischen den Ereignissen und deren Niederschrift haben die Tatsachen so entstellt und verschleiert, daß man sie auch mit Luchsaugen jetzt nicht mehr zu durchschauen vermöchte.

Indes entdeckt man unter der Menge der alten Schriftsteller mit Vergnügen Xenophons Beschreibung von dem Rückzuge der Zehntausend, die er unter seiner eigenen Führung nach Griechenland zurückbrachte. Thukydides besitzt fast die gleichen Vorzüge. Mit Entzücken lesen wir in den uns gebliebenen Bruchstücken des Polybius, des Freundes und Gefährten des Scipio Africanus, von den Taten, deren Augenzeuge er gewesen ist. Ciceros Briefe an seinen Freund Atticus tragen das gleiche Gepräge: er spielte selbst eine Rolle in den großen Szenen, von denen er erzählt. Nicht vergessen will ich Cäsars Kommentarien, die mit der edlen Einfalt eines großen Mannes geschrieben sind. Was auch Hirtius gesagt hat11-2, so decken sich<12> doch die Berichte der andern Geschichtschreiber völlig mit den von Cäsar beschriebenen Ereignissen. Aber seit Cäsar enthält die Geschichte nichts als Lobreden oder Satiren. Die Barbarei der folgenden Zeiten hat aus der Geschichte des späteren Kaisertums ein wüstes Chaos gemacht, in dem nur die Aufzeichnungen der Tochter des Kaisers Alexios Comnenos12-1 einigen Wert besitzen, weil diese Prinzessin beschreibt, was sie selbst gesehen hat. Seitdem haben die Mönche, die allein einige Kenntnisse besaßen, Chroniken hinterlassen. Man hat sie in ihren Klöstern gefunden und zur deutschen Geschichte benutzt. Aber was für ein Geschichtsmaterial war das! Die Franzosen haben einen Bischof von Tours, einen Ioinville und das Tagebuch des Estoile12-2 gehabt, schwache, zusammengestoppelte Werke von Leuten, die das aufzeichneten, was der Zufall ihnen zutrug, und die schwerlich recht unterrichtet sein konnten. Seit der Wiedergeburt der Wissenschaften hat sich die Schreiblust zur Schreibwut verwandelt. Wir haben Memoiren, Anekdoten und Berichte in Fülle. Aber man muß sich lediglich an die kleine Zahl der Schriftsteller halten, die hohe Staatsämter bekleideten, die bei den Ereignissen mitwirkten, zum Hofe gehörten oder denen von den Fürsten erlaubt ward, in den Archiven zu forschen. So schrieb der einsichtsvolle Präsident de Thou12-3, so Philipp de Comines12-4, Vargas, der kaiserliche Bevollmächtigte beim Konzil zu Trient, Mademoiselle von Orleans12-5, der Kardinal von Retz12-6 usw. Dazu kämen dann die Briefe des Herrn d'Estrades12-7 und die Memoiren von de Torcy12-8, merkwürdige Denkmale, besonders das letzte, das uns die Wahrheit über jenes oft angezweifelte Testament König Karls II. von Spanien enthüllt.

Diese Betrachtungen über die Ungewißheit der Geschichtsschreibung haben mich oft beschäftigt und in mir den Gedanken angeregt, die wichtigsten Begebenheiten, an denen ich teilhatte oder deren Zeuge ich doch war, für die Nachwelt niederzuschreiben, damit die, welche den preußischen Staat künftig regieren werden, Kunde erhalten von der wahren Lage der Dinge zur Zeit meines Regierungsantritts, von den Ursachen meines Handelns, von meinen Hilfsmitteln, von den Anschlägen meiner Feinde, den Verhandlungen und Kriegen und vor allem von den Ruhmestaten unserer Offiziere, die sich gerechten Anspruch auf Unsterblichkeit erworben haben.

Seit den Umwälzungen, die zuerst das weströmische, dann das oströmische Reich zu Falle brachten, seit dem unermeßlichen Glück Karls des Großen, seit der glänzenden Epoche der Regierung Karls V., nach den dreißigjährigen Wirren, welche die<13> Reformation in Deutschland hervorrief, und endlich nach dem Kriege, der über die spanische Erbfolge ausbrach, ist nichts so merkwürdig und interessant wie der Tod Kaiser Karls VI., des letzten Habsburgers im Mannesstamm, und dessen Folgen.

Der Wiener Hof sah sich von einem Fürsten angegriffen, den er zu einem solchen Wagnis nicht für mächtig genug halten konnte. Alsbald entstand eine Verschwörung von Fürsten und Herrschern, die alle an der großen habsburgischen Erbschaft teilhaben wollten. Die Kaiserkrone kam an das Haus Bayern. Da, als schon alle Ereignisse zum Untergange der jungen Königin von Ungarn zusammenzutreffen schienen, rettete sich diese durch ihre Glaubhaftigkeit und Geschicklichkeit aus der gefährlichen Lage und erhielt sich die Monarchie durch Preisgabe Schlesiens und eines geringen Teiles der Lombardei. Dies war alles, was man von einer jungen Fürstin erwarten konnte, die, kaum auf den Thron gelangt, sogleich den Geist der Regierung erfaßte und die Seele ihres Staatsrates wurde.

Da mein Buch für die Nachwelt bestimmt ist, bin ich von dem Zwange befreit, die Lebenden zu schonen und gewisse Rücksichten zu nehmen, die mit dem Freimut der Wahrheit unvereinbar sind. Ich werde rückhaltlos und ganz laut sagen dürfen, was man sonst nur im stillen denkt. Ich werde die Fürsten schildern, wie sie sind, ohne Vorurteil für meine Verbündeten und ohne Haß gegen meine Feinde. Von mir selbst werde ich nur da reden, wo es unvermeidlich ist, und man wird mir erlauben, alles, was mich selbst betrifft, nach Cäsars Vorbild in der dritten Person zu erzählen, um den häßlichen Schein der Selbstsucht zu vermeiden. Der Nachwelt kommt es zu, uns zu richten; doch wenn wir weise sind, müssen wir ihr zuvorkommen, indem wir uns selbst streng beurteilen. Das wahre Verdienst eines guten Fürsten ist seine treue Hingabe an das allgemeine Wohl, die Liebe zum Vaterlande und zum Ruhme. Ja, zum Ruhme! Denn der glückliche Instinkt, der den Menschen drängt, sich einen Namen zu machen, treibt ihn in Wahrheit auch zu Heldentaten. Er ist die Kraft, welche die Seele aus ihrer Trägheit erweckt und sie zu nützlichen, notwendigen und edlen Taten begeistert.

Für alles, was ich in meinen Denkwürdigkeiten behaupte, es mag sich auf Verhandlungen, Briefe von Herrschern oder Verträge beziehen, liegen die Beweise in den Archiven. Für die Kriegsbegebenheiten kann der Verfasser als Augenzeuge bürgen; mancher Schlachtbericht wurde um drei, vier Tage aufgeschoben, um ihn genauer und zuverlässiger zu liefern.

In diesen Denkwürdigkeiten wird die Nachwelt vielleicht mit Erstaunen von geschlossenen und wieder gebrochenen Bündnissen lesen. Ähnliche Beispiele sind zwar in der Geschichte allgemein, aber das würde den Verfasser dieses Werkes nicht rechtfertigen, wenn er keine besseren Gründe zur Entschuldigung seines Verhaltens hätte.

Das Wohl des Staates soll die Richtschnur der Fürsten sein. Die Fälle, wo Verträge gebrochen werden dürfen, sind folgende: 1. wenn der Bundesgenosse seine Verpflichtungen nicht erfüllt, 2. wenn er uns hintergehen will und uns kein andrer<14> Ausweg bleibt, als ihm zuvorzukommen, 3. wenn eine höhere Gewalt uns niederdrückt und uns zum Bruch unsres Bündnisses zwingt, und endlich 4. wenn die Mittel zur Fortsetzung des Krieges erschöpft sind. Es ist nun einmal Schicksal, daß von dem leidigen Geld alles abhängt. Die Fürsten sind die Sklaven ihrer Mittel. Das Staatswohl ist ihr Gesetz, und zwar ein eisernes Gesetz. Ist ein Fürst verpflichtet, seine Person für seine Untertanen zu opfern, wieviel mehr muß er ihnen Bündnisse opfern, deren Fortdauer ihnen schädlich werden würde. Beispiele von solchen Vertragsbrüchen sind in der Geschichte allgemein. Ich will sie nicht alle entschuldigen, aber das behaupte ich: es gibt Fälle, wo die Not oder die Klugheit, die Überlegung oder die Wohlfahrt des Landes die Fürsten zum Vertragsbruch zwang, als ihnen kein andres Mittel blieb, den Staat vom Untergange zu retten. Hätte Franz I. den Vertrag von Madrid (1526) erfüllt, so hätte er durch Abtretung von Burgund sich einen Feind in das Herz seiner Staaten gesetzt; damit wäre Frankreich in den unglücklichen Zustand zurückgesunken, worin es sich unter Ludwig XI. und Ludwig XII. befand. Hätten die Fürsten des Schmalkaldischen Bundes nach dem Siege Karls V. bei Mühlberg14-1 sich nicht durch den Beitritt Frankreichs verstärkt, sie hätten unvermeidlich die Ketten tragen müssen, die der Kaiser ihnen seit langem schmiedete. Hätte England nicht das seinen Interessen so nachteilige Bündnis Karls II. mit Ludwig XIV. gebrochen14-2, so wäre seine eigne Machtstellung durch das Übergewicht Frankreichs im europäischen Konzert stark erschüttert worden. Der Weise, der die Folgen in den Ursachen voraussieht, muß den Ursachen, die seinem Vorteil so schroff entgegenstehen, rechtzeitig begegnen.

Ich möchte mich über diesen heiklen Gegenstand, der noch gar nicht methodisch abgehandelt worden ist, genauer auslassen. Es scheint mir klipp und klar festzustehen, daß ein Privatmann sein Wort gewissenhaft halten muß, auch wenn er es unbedachtsam verpfändet hat. Wird ihm das Wort gebrochen, so kann er Schutz bei den Gesetzen suchen, und was auch daraus entsteht, so hat doch immer nur ein einzelner zu leiden. Aber vor welchem Gericht soll ein Herrscher klagen, wenn ein andrer Fürst ihm sein Versprechen bricht? Vom Wort eines Privatmannes hängt nur das Unglück eines einzelnen ab, vom Worte der Herrscher Wohl und Wehe ganzer Völker. Die Streitfrage läßt sich so formulieren: ist es besser, wenn das Volk zugrunde geht oder wenn der Fürst seinen Vertrag bricht? Wer wäre so schwachsinnig, bei Entscheidung dieser Frage zu schwanken? Die zuvor angeführten Fälle zeigen, daß man, um über die Handlungen eines Menschen zu urteilen, vorerst reiflich erwägen muß, unter welchen Verhältnissen er sich befand, wie sich seine Bundesgenossen betrugen, welche Mittel ihm zur Erfüllung seiner Versprechungen zur Verfügung standen und welche ihm fehlten. Wie gesagt, der gute oder schlechte Zustand der Finanzen<15> ist gleichsam der Puls eines Staates und hat auf politische und militärische Geschäfte mehr Einfluß, als man glaubt und weiß. Das Publikum, das solche Einzelheiten nicht kennt, urteilt nur nach dem äußeren Schein und muß sich deshalb in seinen Entscheidungen irren. Die Klugheit verbietet, ihm die Augen zu öffnen. Denn es wäre der Gipfel der Unvernunft, aus eitler Ruhmsucht die Schwäche des Staates selbst zu verraten. Die Feinde würden sich über eine solche Entdeckung sehr freuen und sie ungesäumt ausnutzen. Die Überlegung verlangt also, dem Publikum die Freiheit seines dreisten Urteilens zu lassen; und da man sich bei Lebzeiten nicht verteidigen kann, ohne das Staatsinteresse in Gefahr zu bringen, so muß man sich mit einer Rechtfertigung vor der unparteiischen Nachwelt begnügen.

Vielleicht interessiert es, wenn ich nun noch einige allgemeine Betrachtungen über die Begebenheiten meiner Zeit hinzufüge. Ich sehe zunächst, daß kleine Staaten den größten gewachsen sind, wenn sie sich keine Mühe verdrießen lassen und ihre Geschäfte in Ordnung halten. Ich finde, daß in den großen Reichen Mißbräuche und Schlendrian die Regel sind, daß sie sich nur durch ihre gewaltigen Hilfsmittel und durch ihre innere Schwerkraft erhalten. Die Kabalen ihrer Höfe würden minder mächtige Staaten zugrunde richten; so aber richten sie wohl einigen Schaden an, heben jedoch das Gewicht zahlreicher Heere nicht auf. Ich bemerke, daß Kriege, die man fern von seinen Grenzen unternimmt, nicht den gleichen Erfolg haben wie die in der Nähe des Vaterlandes geführten. Sollte dies nicht an einem uns natürlichen Gefühl liegen, nach dem es uns rechtmäßiger dünkt, sich zu verteidigen, als seine Nachbarn anzufallen? Aber am Ende ist der physische Grund doch stärker als der moralische: die Schwierigkeit nämlich, weitab von der Landesgrenze für Lebensmittel zu sorgen, rechtzeitig Ersatz der Mannschaft, der Pferde, der Kleidungsstücke und des Kriegsbedarfs herbeizuschaffen. Dazu kommt, daß die Truppen, je weiter sie sich in fremde Länder hineinwagen, desto mehr fürchten, daß ihnen der Rückweg abgeschnitten oder doch äußerst erschwert wird.

Ich sehe, welch ausgesprochene Übermacht die englische Flotte über die vereinigte französische und spanische Flotte hat, und erstaune, daß die Seemacht Philipps II., die der englischen und holländischen einst überlegen war, ihr großes Übergewicht nicht hat behaupten können. Auch bemerke ich mit Verwunderung, daß alle diese Rüstungen zur See mehr zum Prunk als zum wirklichen Nutzen dienen und daß sie weder den Handel schützen, noch seine Zerstörung hindern. Auf der einen Seite steht der König von Spanien, Herr von Peru, aber in Europa verschuldet an seine Staats- und Hofbedienten in Madrid; auf der andern Seite der König von England, der die Guineen, die dreißigjähriger Gewerbfleiß ihm eingebracht hat, mit vollen Händen vergeudet, nur um die Königin von Ungarn und die Pragmatische Sanktion aufrechtzuerhalten. Trotzdem muß diese Königin doch einige Provinzen opfern, um das übrige zu retten. Die Hauptstadt der Christenheit steht dem ersten besten offen, und der Papst wagt nicht, gegen die, welche ihm Kriegssteuern aufbürden, seinen Bannstrahl zu schleudern;<16> vielmehr muß er sie segnen. Italien ist von Ausländern überschwemmt, die sich um seine Unterjochung schlagen. Wie ein wütender Bergstrom reißt das Beispiel Englands die Holländer mit in einen Krieg, der sie gar nichts angeht; und diese Republikaner, die zur Zeit, als Helden wie Eugen und Marlborough ihre Heere befehligten, Deputierte entsandten, um die Kriegsunternehmungen zu leiten, senden jetzt, wo ein Herzog von Cumberland an der Spitze ihrer Truppen steht, niemanden hin. Auch der Norden fängt Feuer, und es entbrennt ein für Schweden verhängnisvoller Krieg. Dänemark wird aufmerksam, gerät in Bewegung, beruhigt sich aber wieder. Sachsen wechselt zweimal die Partei, doch in beiden Fällen mit dem einzigen Erfolg, daß es die Preußen ins Land zieht und sich zugrunde richtet. Das Widerspiel der Ereignisse ändert die Ursachen des Krieges, aber die Wirkungen bleiben, obwohl die Ursachen verschwunden sind. Das Glück ist launisch und wechselt rasch die Partei; aber Ehrgeiz und Rachsucht nähren und erhalten das Feuer des Krieges. Es ist, als sähe man einen Haufen Spieler, die ihren Verlust wieder wettmachen wollen und die Partie nicht eher aufgeben, als bis sie alles verspielt haben. Fragte man einen englischen Minister: „Welcher Grund treibt euch, den Krieg so in die Länge zu ziehen?“ so würde er antworten: „Weil Frankreich die Kosten des nächsten Feldzuges nicht mehr aufbringen kann.“ Stellte man einem französischen Minister die gleiche Frage, so würde die Antwort ungefähr ebenso lauten. Das traurigste bei dieser Politik ist, daß sie mit Menschenleben ihr Spiel treibt und daß so verschwenderisch vergossenes Menschenblut umsonst geflossen ist. Denn könnten durch einen Krieg die Grenzen dauernd bestimmt, könnte durch ihn das unter den Fürsten Europas so nötige Gleichgewicht der Macht hergestellt werden, so könnte man die Gefallenen noch als Schlachtopfer zum Besten der öffentlichen Sicherheit und Ruhe ansehen. Aber man braucht sich nur Provinzen in Amerika zu mißgönnen, und sofort zerfällt Europa in entgegengesetzte Parteien, die sich zu Lande und zur See bekämpfen. Die Ehrgeizigen sollten doch vor allem bedenken, daß die Waffen und die Kriegskunst in Europa überall so ziemlich gleich sind und daß die Bündnisse gewöhnlich eine Gleichheit der Kräfte zwischen den kriegführenden Parteien herstellen, sodaß die Fürsten zu unserer Zeit von ihren größten Erfolgen nicht mehr erwarten können, als durch wiederholte Siege eine kleine Grenzstadt oder einen Landstrich zu erobern, der die Zinsen der Kriegskosten nicht einbringt und dessen ganze Bevölkerung nicht die Zahl der Bürger erreicht, die in den Feldzügen gefallen sind.

Wer noch ein Herz im Busen hat und Verstand genug, diese Dinge kaltblütig zu betrachten, den muß das Unglück rühren, das die Staatsmänner aus Mangel an Überlegung oder aus Leidenschaft über die Völker bringen. Die Vernunft schreibt uns hierfür ein Gesetz vor, von dem nach meiner Meinung kein Staatsmann abweichen darf. Es lautet: Man ergreife die günstige Gelegenheit, um ein Unternehmen auszuführen, suche sie aber nicht herbeizuzwingen, indem man alles aufs Spiel setzt. Es gibt Augenblicke, die man mit Aufbietung seiner ganzen Tatkraft<17> ausnutzen muß; aber es gibt auch andre, wo die Klugheit uns gebietet, untätig zu bleiben. Dieser Gegenstand verdient das tiefste Nachdenken; denn man muß nicht nur die Sachlage gründlich prüfen, sondern auch alle Folgen einer Unternehmung voraussehen; man muß die eignen Mittel gegen die seiner Feinde abwägen, um zu beurteilen, wohin das Übergewicht geht. Entscheidet hier nicht der Verstand allein und mischt sich Leidenschaft darein, so kann eine solche Unternehmung unmöglich von Erfolg gekrönt werden. Die Staatskunst erfordert Geduld, und der geschickte Mann muß seine Meisterschaft darin suchen, stets zur rechten und gelegenen Zeit zu handeln. Die Geschichte liefert uns nur zu viele Beispiele von leichtsinnig unternommenen Kriegen. Man braucht sich nur an das Leben Franz l. zu erinnern und an den von Brantôme berichteten Anlaß zu dem unglücklichen Feldzuge in der Lombardei, der mit der Gefangennahme des Königs bei Pavia endete17-1. Man braucht nur zu sehen, wie wenig Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg die gute Gelegenheit ausnutzte, Deutschland zu unterjochen. Man braucht nur die Geschichte des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zu betrachten, um einzusehen, wie übereilt er sich in eine Unternehmung einließ, die über seine Kräfte ging17-2. Und aus unserer neuesten Zeit erinnere ich an Maximilian von Bayern17-3, der im Erbfolgekriege, als sein Land von den Verbündeten gleichsam eingeschlossen war, auf die Seite der Franzosen trat und dadurch seine Staaten verlor. In noch neuerer Zeit gibt uns König Karl XII. von Schweden einen noch schlagenderen Beweis für die schlimmen Folgen, die Eigensinn und falsche Entschlüsse der Fürsten über die Untertanen bringen. Die Geschichte ist die Schule der Herrscher: sie müssen aus den Fehlern der vergangenen Jahrhunderte lernen, um sie zu vermeiden und einzusehen, daß man sich ein System entwerfen und es Schritt für Schritt befolgen muß, und daß allein der, welcher seine Schritte am richtigsten berechnet hat, denen überlegen sein kann, die weniger planmäßig verfahren als er.

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1. Kapitel

Einleitung

Zustand Preußens beim Tode Friedrich Wilhelms. Charakter der Fürsten Europas, ihrer Minister, ihrer Generale. Übersicht ihrer Kräfte, ihrer Hilfsquellen und ihres Einflusses auf die europäische Politik. Zustand der Wissenschaften und Künste. Veranlassung zum Kriege gegen das Haus Österreich.

Die Einkünfte Preußens betrugen beim Tode König Friedrich Wilhelms nur 7 400 000 Taler. Die Bevölkerung in allen Provinzen belief sich höchstens auf drei Millionen Seelen. Der verstorbene König hinterließ im Schatze 8 700 000 Taler, keine Schulden, die Finanzen in guter Verwaltung, aber wenig Industrie; die Handelsbilanz verlor jährlich 1 200 000 Taler an das Ausland. Das Heer zählte 76 000 Mann18-1, darunter fast 26 000 Ausländer: ein Beweis, daß seine Stärke die Kräfte des Landes überstieg und daß drei Millionen Einwohner nicht einmal zum Ersatz von 50 000 Mann hinreichten, zumal in Kriegszeiten. Der verstorbene König hatte sich in kein Bündnis eingelassen, um seinem Nachfolger freie Hand zu lassen, welche Bündnisse er nach Zeit und Umständen als die für den Staat vorteilhaftesten eingehen wollte. Europa hatte Frieden, abgesehen von England und Spanien, die sich über ein paar englische Ohren, welche die Spanier abgeschnitten hatten18-2, in der Neuen Welt bekriegten und ungeheure Summen für Handelsobjekte vergeudeten, die in keinem Verhältnis zu dem großen Kraftaufwande standen.

Kaiser Karl VI. hatte durch Vermittlung des französischen Gesandten in Konstantinopel, Villeneuve, den Frieden von Belgrad mit den Türken geschlossen (1739). Durch diesen Frieden trat er dem osmanischen Reiche das Königreich Serbien, einen Teil der Walachei und die wichtige Stadt Belgrad ab. Die letzten Regierungsjahre Karls VI. waren überhaupt sehr unglücklich gewesen. Die Königreiche Neapel und Sizilien sowie ein Teil der Lombardei waren ihm von den Franzosen, den Spaniern<19> und dem König von Sardinien entrissen worden. Außerdem hatte er durch den Frieden von 173819-1 das Herzogtum Lothringen, in dem das Haus seines Schwiegersohnes seit altersgrauen Zeiten geherrscht hatte, an Frankreich abgetreten19-2. Durch diesen Vertrag gab der Kaiser Länder hin und erhielt außer leeren Bürgschaften von Frankreich allein Toskana, das man aber nur als unsicheren Besitz ansehen kann. Frankreich garantierte dem Kaiser jenes Hausgesetz über seine Erbfolge, das in Europa als Pragmatische Sanktion so bekannt geworden ist19-3. Dieses Gesetz sollte seiner Tochter die Unteilbarkeit seiner Erbschaft sichern.

Man erstaunt mit Recht, am Ende der Regierung Karls VI. den Glanz so verblichen zu sehen, der sie zu Anfang umschimmert hatte. Die Ursache für das Mißgeschick dieses Herrschers liegt in dem Verluste des Prinzen Eugen. Nach dem Tode dieses großen Mannes war keiner da, der ihn ersetzen konnte. Der Staat hatte seine Kraft verloren und sank in Schwäche und Verfall. Karl VI. hatte von Natur alle Eigenschaften eines guten Bürgers, aber nicht eine einzige zu einem großen Manne. Er besaß Edelmut, aber keine Urteilskraft, einen beschränkten, nicht durchdringenden Verstand, Fleiß, aber kein Genie, so daß er bei reichlichem Arbeiten wenig leistete. Er beherrschte das deutsche Recht, sprach mehrere Sprachen und war ein vorzüglicher Lateiner, ein guter Vater und Ehemann, aber bigott und abergläubisch wie alle Fürsten aus dem Hause Österreich. Man hatte ihn zum Gehorchen erzogen, nicht zum Befehlen. Seine Minister unterhielten ihn mit Entscheidungen von Reichshofratsprozessen, mit pünktlicher Beobachtung der Etikette des Hauses Burgund; und während er sich mit diesen Nichtigkeiten abgab oder seine Zeit auf der Jagd vertat, schalteten sie als wahre Herrscher despotisch im ganzen Staate.

Österreichs guter Stern hatte den Prinzen Eugen von Savoyen in die Dienste des Hauses Habsburg geführt19-4. Der Prinz war in Frankreich Abbé gewesen; Ludwig XIV. schlug ihm eine Pfründe aus; Eugen bat um eine Kompanie Dragoner, erhielt sie aber ebensowenig. Man verkannte sein Genie, und die jungen Herren am Hofe hatten ihm den Spottnamen „Dame Claude“ gegeben. Als Eugen alle Türen des Glückes verschlossen sah, verließ er seine Mutter, Madame von Soissons, und Frankreich, um seine Dienste dem Kaiser Leopold anzubieten. Der machte ihn zum Obersten und gab ihm ein Regiment. Sein Können trat schnell zutage. Seine ausgezeichneten Dienste und die Überlegenheit seines Geistes erhoben ihn bald auf die höchsten militärischen Stufen: er wurde Generalissimus, Präsident des Hofkriegsrates und schließlich Premierminister Kaiser Karls VI. So war der Prinz Chef des kaiserlichen Heeres; er regierte nicht nur die österreichischen Erblande, sondern auch das Reich. Eigentlich war er Kaiser. Solange Prinz Eugen in der Vollkraft seines Geistes stand, war das Glück mit den Waffen und den Unterhandlungen<20> Österreichs. Aber als Alter und Krankheiten ihn schwächten, ward dieser Kopf, der so lange für das Wohl des Kaiserhauses gearbeitet hatte, unfähig, die Arbeit fortzusetzen und die gleichen Dienste zu leisten. Eine demütigende Betrachtung für unsre Eitelkeit! Ein Condé, ein Eugen, ein Marlborough sehen ihren Geist eher hinsterben als ihren Leib, und die größten Genies enden in Verblödung! Arme Sterbliche, nun rühmt euch noch, wenn ihr mögt!

Als Eugens Kräfte sanken, setzten die Intrigen aller österreichischen Minister ein. Graf Sinzendorff20-1 erlangte den meisten Einfluß auf seinen Herrn. Er arbeitete wenig und liebte gutes Essen; er war der Apicius des kaiserlichen Hofes, und der Kaiser pflegte zu sagen, die guten Gerichte seines Ministers zögen ihm selbst böse Händel zu. Sinzendorff war stolz und hochfahrend; er hielt sich für einen Agrippa und zugleich für einen Mäcenas. Die Reichsfürsten waren empört über die Härte seiner Regierung. Sie stand in direktem Widerspruch zur Regierungsart Prinz Eugens, der die Reichsstände durch Sanftmut viel sicherer zu seinen Zielen leitete. Als Graf Sinzendorff zum Kongreß nach Cambrai20-2 geschickt wurde, glaubte er dort den Charakter des Kardinals Fleury zu durchschauen. Doch der Franzose, durchtriebener als der Deutsche, überlistete ihn, und Sinzendorff kehrte mit der Wahnhoffnung nach Wien zurück, er würde den Hof von Versailles nun ebenso regieren wie den des Kaisers.

Kurz darauf sagte Prinz Eugen zum Kaiser, der immerfort auf Mittel sann, wie er seine Pragmatische Sanktion sicherstellen könnte, das einzige Mittel dazu sei ein<21> Heer von 180 000 Mann. Wenn der Kaiser darauf einginge, wolle er die Geldmittel zur Bezahlung dieser Truppenvermehrung angeben. Der Kaiser, dessen Geist von Eugens Genie überwältigt war, wagte ihm nichts abzuschlagen; die Vermehrung um 40 000 Mann wurde beschlossen, und bald war das Heer vollzählig. Aber die Grafen Sinzendorff und Starhemberg21-1, Feinde des Prinzen Eugen, stellten dem Kaiser vor, daß seine Lande, schon durch unerschwingliche Steuern gedrückt, den Unterhalt eines so großen Heeres nicht aufbringen könnten, und wenn man Österreich, Böhmen und die andern Provinzen nicht ganz und gar zugrunde richten wollte, so müßte diese Vermehrung wieder rückgängig gemacht werden. Karl VI., der von den Finanzen so wenig wußte wie von seinem Lande, ließ sich durch seine Minister bereden und verabschiedete die ausgehobenen 40 000 Mann, gerade vor dem Tode König Augusts II. von Polen (1733).

Zwei Bewerber traten für den erledigten polnischen Thron auf. Der eine war Kurfürst August von Sachsen, der Sohn des letzten Königs von Polen, unterstützt vom römischen Kaiser, der russischen Zarin21-2 und von sächsischem Geld und Truppen. Der andre, Stanislaus Leszczynski21-3, hatte die Stimmung Polens für sich und wurde von seinem Schwiegersohn Ludwig XV. begünstigt; aber die ganze französische Unterstützung bestand aus vier Bataillonen. Er kam nach Polen, ward in Danzig belagert, konnte sich dort nicht halten und verzichtete zum zweitenmal auf die traurige Ehre, König einer Republik zu heißen, in der die Anarchie herrschte.

Graf Sinzendorff rechnete so sicher auf die friedliche Gesinnung des Kardinals Fleury, daß er seinen Hof leichtfertig in die polnischen Wirren verstrickte. Das Vergnügen, die Krone Polens zu vergeben, kostete dem Kaiser drei Königreiche und einige schöne Provinzen. Die Franzosen hatten schon den Rhein überschritten und belagerten Kehl, als man in Wien noch auf ihre Untätigkeit wettete. Der nun entstehende Krieg war ein Werk der Eitelkeit und der nachfolgende Friede ein Werk der Schwäche. Der Name des Prinzen Eugen hatte noch Klang und unterstützte die österreichischen Waffen am Rhein in den Feldzügen von 1734/35. Bald darauf starb er, zu spät für seinen Ruhm.

Zwei Ämter, die im Prinzen Eugen vereinigt waren, der Oberbefehl über das Heer und der Vorsitz im Hofkriegsrate, wurden getrennt. Graf Harrach trat an die Spitze des Hofkriegsrats; Königsegg, Wallis, Seckendorff, Neipperg, Schmettau, Khevenhüller und der Prinz von Hildburghausen bewarben sich um die gefährliche Ehre, die kaiserlichen Heere zu befehligen. Welch eine Aufgabe, gegen den Ruf des Prinzen Eugen anzustreben und einen Platz einzunehmen, den er so glänzend ausgefüllt hatte! Übrigens waren diese Generale so uneins untereinander wie die Nachfolger Alexanders des Großen. Zum Ersatz für die mangelnde Tüchtigkeit nahmen sie ihre Zuflucht<22> zur Intrige: Seckendorff und der Prinz von Hildburghausen stützten sich auf den Einfluß der Kaiserin22-1 und eines Ministers namens Bartenstein, eines geborenen Elsässers aus niedrigem Stande, der aber arbeitsam war und mit zwei Genossen, Knorr und Weber, ein Triumvirat bildete, das damals die kaiserlichen Angelegenheiten besorgte. Khevenhüller besaß Anhang im Hofkriegsrate, und Wallis, der seine Ehre darein setzte, jedermann zu hassen und von jedermann gehaßt zu werden, hatte nirgends Freunde.

Die Russen führten damals Krieg mit den Türken22-2, und das russische Glück machte den Österreichern Mut. Bartenstein wähnte, man könnte die Türken aus Europa verjagen, und Seckendorff strebte nach dem Oberbefehl. Unter dem Vorwand, der Kaiser müßte seinen Bundesgenossen, den Russen, gegen den Erbfeind der Christenheit beistehen, stürzten die beiden das Haus Österreich ins tiefste Unglück. Jedermann wollte den Kaiser beraten: seine Minister, die Kaiserin, der Herzog von Lothringen, jeder setzte ihm auf seine Weise zu. Aus dem kaiserlichen Hofkriegsrate gingen täglich neue Operationspläne hervor; durch die höfischen Kabalen und durch die Eifersucht der Generale scheiterten alle Unternehmungen. Die Befehle, die sie vom Hofe erhielten, widersprachen einer dem andern oder forderten unausführbare Dinge. Diese Verwirrung daheim brachte den österreichischen Waffen mehr Unglück als die Macht der Ungläubigen. Man stellte in Wien das Venerabile aus, indes man in Ungarn Schlachten verlor, und abergläubisch hoffte man auf Wunder, um die Fehler der Ungeschicklichkeit wettzumachen. Seckendorff kam am Ende seines ersten Feldzuges auf Festung, weil, wie man sagte, seine Ketzerei den Zorn des Himmels herbeigezogen hätte. Königsegg befehligte das zweite Jahr und ward darauf Oberhofmeister der Kaiserin. Daher sagte Wallis, der im dritten Jahre das Kommando führte, sein erster Vorgänger sei eingesperrt, der zweite sei Eunuch im Serail geworden, und ihm selbst würde man wohl den Kopf abschlagen. Er irrte nicht, denn nach dem Verlust der Schlacht von Grocka wurde er in Brünn auf die Festung gesetzt. Neipperg, den der Kaiser und der Herzog von Lothringen um Beschleunigung des Friedens angefleht hatten, wurde, nachdem er den Frieden von Belgrad mit den Türken geschlossen hatte, zum Lohne dafür auf die Festung Raab geschickt. So wagte der Wiener Hof es nicht, bis zur Quelle seines Unglücks vorzudringen, zu dem alles Hohe und Höchste beigetragen hatte, sondern er tröstete sich damit, die Werkzeuge seines Mißgeschicks zu strafen.

Nach diesem Friedensschlusse (1739) befand sich das österreichische Heer in gänzlich zerrüttetem Zustande. Bei Widdin, Mehadia, Pancsowa, am Timok und bei Grocka hatte es große Verluste erlitten; die ungesunde Luft und das Sumpfwasser hatten ansteckende Krankheiten verbreitet, und die Nähe der Türken hatte ihm die Pest gebracht. Das Heer war sowohl aufgerieben wie entmutigt. Nach dem Frieden<23> blieb der größte Teil der Truppen in Ungarn; es waren aber nicht mehr als 43 000 Streiter, und niemand dachte daran, die Armee wieder vollzählig zu machen. Im übrigen hatte der Kaiser nur 16 000 Mann in Italien, höchstens 12 000 in Flandern und fünf bis sechs Regimenter zerstreut in den Erbländern, sodaß also das kaiserliche Heer statt seiner Sollstärke von 175 000 Mann tatsächlich nur 82 000 Mann zählte.

Im Jahre 1733 waren die Einkünfte des Kaisers auf achtundzwanzig Millionen veranschlagt; seitdem hatte er recht viel davon verloren, und die Kosten von zwei aufeinanderfolgenden Kriegen hatten ihn derart in Schulden gestürzt, daß er sie mit den übriggebliebenen zwanzig Millionen Einkünften kaum zu bezahlen vermochte. Überhaupt waren die Finanzen in größter Verwirrung. Unter den Ministern herrschte offener Zwist. Eifersucht trennte die Generale. Der Kaiser selbst war durch so viele Mißerfolge entmutigt und der eitlen Größe überdrüssig geworden. Jedoch trotz seiner geheimen Fehler und Schwächen stand Österreich noch 1740 in der ersten Reihe der europäischen Mächte; man war sich klar, daß bei seinen Hilfsquellen ein guter Kopf alles verändern könnte. Inzwischen ersetzte Österreich die mangelnde Kraft durch Stolz, und sein einstiger Ruhm deckte noch die gegenwärtige Demütigung.

Ganz anders stand es mit Frankreich. Seit 1672 war das Königreich nicht in so glänzender Lage gewesen. Einen Teil seines Glückes verdankte es der weisen Leitung des Kardinals Fleury. Ludwig XIV. hatte diesen früheren Bischof von Fréjus zum Erzieher seines Urenkels bestellt. Die Priester sind ebenso ehrgeizig wie andere Menschen und oft verschmitzter. Nach dem Tode des Herzogs von Orleans (1723)23-1 ließ Fleury den Herzog von Bourbon, dessen Nachfolger in der Regentschaft, des Landes verweisen und trat an dessen Stelle. In seiner Staatsverwaltung bewies er mehr Vorsicht als Tatkraft. Vom Bett seiner Mätressen aus verfolgte er die Jansenisten. Alle Bischöfe mußten orthodox sein, und doch weigerte er sich bei einer schweren Krankheit, die Sakramente seiner Kirche zu nehmen. Richelieu und Mazarin hatten alles, was Pomp und Prunk an Ansehen geben können, erschöpft; des Kontrastes halber suchte Fleury seine Größe in der Einfachheit. Seinen Neffen hinterließ er nur eine sehr geringe Erbschaft, aber er machte sie reich durch die unermeßlichen Wohltaten, die der König über sie ausschüttete. Dieser Premierminister zog die Unterhandlungen dem Kriege vor, weil er stark im Intrigenspiel war und keine Heere zu befehligen verstand. Er trug Friedensliebe zur Schau, denn er wollte lieber der Schiedsrichter der Könige sein als ihr Bezwinger. Er war kühn in seinen Plänen, zaghaft in ihrer Ausführung. Seine sparsame Finanzwirtschaft und seine Ordnungsliebe waren überaus nützlich für Frankreich, da dessen Finanzen durch den Erbfolgekrieg und durch eine schlechte Verwaltung erschöpft waren. Das Militär setzte er zu sehr zurück und hielt die Finanzleute zu hoch. Frankreichs Seemacht ward unter<24> seinem Regiment fast vernichtet, und die Landtruppen waren so vernachlässigt, daß sie im ersten Feldzuge von 1733 ihre Zelte nicht aufschlagen konnten. Bei einigen Talenten für die innere Verwaltung galt dieser Minister in Europa für schwach und arglistig, Fehler, die er von der Kirche hatte, in der er erzogen war. Indessen hatte er durch seine gute Wirtschaft dem Königreich die Mittel zur Tilgung eines Teiles der ungeheuren, unter der Regierung Ludwigs XIV. angesammelten Schulden verschafft. Er half der Unordnung ab, die unter der Regentschaft eingerissen war, und unter kluger Finanzwirtschaft erhob Frankreich sich wieder aus der Zerrüttung, die Laws System24-1 verschuldet hatte.

Zwanzig Friedensjahre brauchte diese Monarchie, um sich von ihren zahlreichen Schicksalsschlägen zu erholen. Der Minister Chauvelin, der unter dem Kardinal arbeitete, riß das Reich aus seiner Untätigkeit und setzte jenen Krieg des Jahres 1733 durch, dessen Vorwand die Wahl des Königs Stanislaus war, durch den Frankreich aber Lothringen gewann. Die Höflinge in Versailles sagten, Chauvelin hätte dem Kardinal den Krieg wegstibitzt, aber der Kardinal hätte es mit dem Frieden ebenso gemacht. Chauvelin, dem der Kamm schwoll und der triumphierte, daß sein Probestück ihm so gut gelungen war, schmeichelte sich, der Erste im Staate werden zu können. Dazu mußte er den, der es war, verdrängen; er sparte keine Verleumdung, um den Prälaten bei Ludwig XV. anzuschwärzen. Allein der König, der den Kardinal noch immer für seinen Erzieher hielt und in seiner Abhängigkeit blieb, erzählte ihm alles wieder, und Chauvelin wurde das Opfer seines Ehrgeizes. An seine Stelle setzte der Kardinal Amelot, einen Mann ohne Genie. Aber der Premierminister konnte ihm unbedenklich vertrauen, weil ihm das Talent fehlte, gefährlich zu werden.

Infolge des langen Friedens, den Frankreich genossen hatte, war im Heere die Reihe der großen Feldherren unterbrochen. Villars, der den ersten Feldzug in Italien geführt hatte24-2, war gestorben. Broglie, Noailles, Coigny waren Mittelmäßigkeiten; Maillebois war nicht besser. Dem Herzog von Noailles warf man vor, daß es ihm an kriegerischem Impuls und an rechtem Selbstvertrauen fehlte. Eines Tages fand er einen Degen an seiner Tür hängen mit der Inschrift: „Du sollst nicht töten.“ Die Talente des Marschalls von Sachsen24-3 hatten sich noch nicht entwickelt. Von allen Generalen war der Marschall Belle-Isle am populärsten; man hielt ihn für die Stütze der Mannszucht. Er war ein Mann von umfassendem Geist, ein glänzender Kopf, von verwegenem Mut, ein leidenschaftlicher Soldat, aber ein Phantast durch und durch. Die Pläne, die er schmiedete, gestaltete sein Bruder aus. Man sagte: der Marschall ist die Einbildungskraft und sein Bruder der Verstand24-4.

Seit dem Wiener Frieden war Frankreich der Schiedsrichter Europas. Seine Heere hatten in Italien wie in Deutschland triumphiert. Sein Gesandter Villeneuve<25> hatte den Frieden von Belgrad geschlossen. Die Höfe von Wien, Madrid und Stockholm standen in gewisser Abhängigkeit von Frankreich. Seine Armee war 180 Bataillone zu 600 Mann und 224 Schwadronen zu 100 Mann, zusammen 130 400 Streiter stark, ungerechnet 36 000 Mann Milizen. Seine Flotte war beträchtlich; es konnte 80 Schiffe der verschiedenen Rangklassen einschließlich der Fregatten in Dienst stellen, und zur Bemannung waren an 60 000 verpflichtete Matrosen vorhanden. Die Einkünfte des Königreiches betrugen im Jahre 1740 sechzig Millionen Taler, von denen man aber zehn Millionen zur Zinszahlung der noch aus dem Erbfolgekriege stammenden Kronschulden abrechnen mußte. Kardinal Fleury nannte die Generalpächter, die die Steuern beitrieben, die vierzig Säulen des Staates, weil er den Reichtum der Pächter für die sicherste finanzielle Stütze Frankreichs ansah. Die für die Gesellschaft nützlichste Menschenklasse, die man das Volk nennt und die das Land bebaut, war arm und verschuldet, besonders in den sogenannten eroberten Provinzen. Im Gegensatz dazu glich der Luxus und die Üppigkeit in Paris vielleicht der Pracht des alten Rom zur Zeit des Lukullus. Auf mehr als zehn Millionen schätzte man in der Riesenstadt den Wert des Privatbesitzes an Silbergerät. Aber die Sitten waren entartet; die Franzosen, namentlich die Pariser, waren Sybariten geworden, in Wollust und Weichlichkeit entnervt.

Die Ersparnisse, die der Kardinal während seiner Staatsverwaltung gemacht hatte, gingen teils durch den Krieg von 1733, teils durch die furchtbare Hungersnot von 1740 verloren, welche die blühendsten Provinzen des Königreiches zugrunde richtete. Aus dem Unglück, das Law über Frankreich gebracht hatte, war doch etwas Gutes entstanden: nämlich die Südseegesellschaft, die im Hafen von L'Orient ihren Sitz hatte. Aber die Übermacht der englischen Flotten vernichtete in jedem Kriege aufs neue diesen Handel, den Frankreichs Kriegsmarine nicht hinlänglich zu schützen vermochte, und so konnte sich die Handelsgesellschaft auf die Dauer nicht erhalten.

Das war der Zustand Frankreichs im Jahre 1740: nach außen geachtet, im Innern voller Mißstände, unter der Regierung eines schwachen Fürsten, der sich und sein Reich der Leitung des Kardinals Fleury überließ.

In Spanien herrschte noch Philipp V., den Ludwig XIV. unter eignen schweren Verlusten auf den Thron gesetzt hatte. Er litt zu seinem Unglück unter Anfällen einer schwarzen Melancholie, die an Wahnsinn grenzte. Im Jahre 1724 hatte er zugunsten seines Sohnes Ludwig abgedankt, aber nach dessen Tode die Regierung wiederangetreten25-1. Jener Thronverzicht war gegen den Willen der Königin Elisabeth Farnese, geborenen Prinzessin von Parma, geschehen. Sie hätte die ganze Welt beherrschen mögen und konnte nur auf dem Throne leben. Man bezichtigte sie, den Tod des Infanten Ludwig, eines Sohnes Philipps V. aus dessen erster Ehe, beschleu<26>nigt zu haben. Die Zeitgenossen können sie dieses Mordes weder beschuldigen noch davon freisprechen; denn es lassen sich so geheimnisvoll verborgene Einzelheiten aus der Entfernung nicht ergründen und auch nicht erörtern.

Um zu verhindern, daß der König abermals der Regierung überdrüssig würde, fesselte sie ihn durch fortwährende Kriegsunternehmungen an den Thron. Bald ging es gegen die Barbaresken, bald gegen England oder Österreich. Der Stolz eines Spartaners, die Hartnäckigkeit eines Engländers, italienische Schlauheit und französische Lebhaftigkeit vereinigten sich im Charakter dieser eigenartigen Frau. Sie schritt kühn zur Verwirklichung ihrer Pläne; nichts überraschte sie; nichts konnte sie stutzig machen.

Der seinerzeit so berühmte Kardinal Alberoni, der lange unter ihr arbeitete, war ihr geistig sehr ähnlich. Die Verschwörung des Fürsten Cellamare stürzte ihn. Die Königin mußte ihn des Landes verweisen, um die Rachsucht des Herzogs von Orleans, des Regenten von Frankreich, zu befriedigen26-1. Ein geborener Holländer namens Ripperda nahm seinen wichtigen Platz ein; er besaß Verstand, aber seine Unterschleife waren schuld daran, daß er sich nicht lange halten konnte26-2. Diese Ministerwechsel wurden im Lande jedoch kaum bemerkt, denn die Minister waren nur Werkzeuge in der Hand der Königin, und immer war es ihr Wille, der die Geschäfte leitete.

Im Jahre 1735 hatte Spanien den italienischen Krieg glorreich beendigt. Don Carlos, den die Engländer als den Erben des Giovanni Gaston, des letzten Herzogs aus dem Hause Medici, nach Toskana geführt hatten, war König von Neapel geworden, und Toskana erhielt Franz von Lothringen zur Entschädigung für sein Stammland, das der französischen Monarchie einverleibt ward26-3. Auf diese Weise wurden dieselben Engländer, die so erbittert gegen die Erhebung Philipps V. auf den spanischen Thron gekämpft hatten, die Förderer der spanischen Macht in Italien. So sehr ändert sich die Politik, und so wandelbar sind die Gedanken der Menschen!

Die Spanier sind in Europa nicht so reich, wie sie sein könnten, weil sie arbeitsscheu sind. Die Schätze der Neuen Welt sind für die fremden Nationen da, die unter spanischem Namen ihren Handel an sich gerissen haben. Franzosen, Holländer und Engländer haben den eigentlichen Genuß von Peru und Mexiko. Spanien ist zum Stapelplatz geworden, von dem die Reichtümer ausfließen; die Geschicktesten ziehen das meiste an sich. Spanien hat nicht Einwohner genug zur Bebauung des Landes; die Verwaltung ist vernachlässigt, und der Aberglaube drückt dieses von Natur reichbegabte Volk auf die Stufe halbbarbarischer Nationen herab. Der König hat<27> 24 Millionen Taler Einkünfte, aber die Regierung ist verschuldet. Spanien unterhält 55 OOO bis 60 000 Mann regulärer Truppen; seine Flotte kann bis zu 50 Linienschiffen betragen.

Die Bande des Blutes bewirken ein festes Bündnis zwischen den beiden bourbonischen Häusern; trotzdem war die Königin27-1 durch den Frieden von 1738 beleidigt, den Kardinal Fleury ohne ihr Wissen schloß. Zur Rache schuf sie Frankreich so viel Verdrießlichkeiten, als sie irgend konnte.

Spanien lag damals im Kriege mit England, das den Schmuggel begünstigte. Zwei Ohren, die einem englischen Matrosen abgeschnitten waren, hatten das Kriegsfeuer entzündet, und die Rüstungen kosteten beiden Völkern unermeßliche Summen. Ihr Handel litt darunter, und wie gewöhnlich büßten Kaufleute und Privatpersonen für die Dummheiten der Großen. Dem Kardinal Fleury war dieser Krieg nicht ungelegen. Er rechnete auf die Rolle des Vermittlers oder Schiedsrichters und hoffte für den Handel Frankreichs etwas dabei herauszuschlagen.

Portugal spielte damals in Europa überhaupt keine Rolle. Don Juan27-2 war nur durch seine wunderliche Leidenschaft für die kirchlichen Zeremonien bekannt. Durch ein päpstliches Breve war ihm ein Patriarch zugestanden worden, durch ein anderes Breve das Recht, die Messe zu lesen, bis auf die Konsekration. Sein Vergnügen bestand in priesterlichen Verrichtungen, seine Bauten waren Klöster, seine Soldaten Mönche und seine Geliebten Nonnen.

Unter allen Nationen Europas war die englische die reichste. Ihr Handel umspannte die ganze Welt; ihr Geldvermögen war ungeheuer, ihre Hilfsquellen fast unerschöpflich. Aber trotz aller dieser Vorteile nahm England unter den Mächten doch nicht den Rang ein, der ihm zu gebühren schien.

Georg II., Kurfürst von Hannover, war damals König von England. Er besaß Tugenden und Talente, aber unmäßig heftige Leidenschaften. Er war fest in seinen Entschlüssen, sparsam bis zum Geiz, fleißig, immer ungeduldig, heftig und tapfer. Aber er regierte England nach den Interessen des Kurfürstentums und besaß zu wenig Selbstbeherrschung, um eine Nation zu leiten, deren Abgott die Freiheit ist.

Sein Minister war Sir Robert Walpole. Der fesselte den König an sich, indem er ihm an der Zivilliste Ersparnisse machte, mit denen Georg dann seinen hannoverschen Schatz vermehrte. Er bearbeitete die öffentliche Meinung durch geschicke Verteilung von Ämtern und Pensionen, um sich im Parlament die Majorität zu sichern. Über England hinaus griff sein Geist nicht; in den allgemeinen europäischen Angelegenheiten verließ er sich auf den Scharfsinn seines Bruders Horaz. Als ihn einst Damen zu einer Spielpartie einluden, antwortete er ihnen: „Das Spiel und Europa überlasse ich meinem Bruder.“ Von der großen Politik verstand er nichts. Das führte seine Feinde zu der Verleumdung, er wäre bestechlich.

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Obwohl Walpole ein trefflicher Kenner der inneren Verhältnisse des Reiches war, so mißlang ihm doch ein wichtiges Projekt: die Einführung der Akzise in England. Wäre ihm das geglückt, so hätten die Einnahmen aus dieser Steuer hingereicht, dem König despotische Macht zu verschaffen. Die Nation merkte das und widersetzte sich. Einige Parlamentsmitglieder sagten zu Walpole, er bezahle sie zwar für die gewöhnlichen Torheiten, aber diese ginge über alle Bestechung. Beim Verlassen des Parlaments wurde Walpole angefallen. Man ergriff ihn am Mantel, den er rechtzeitig fahren ließ. Er rettete sich durch den Beistand eines Gardekapitäns, der sich zu seinem Glück in dem Auflaufe befand. Diese Erfahrung lehrte den König, die englische Freiheit zu achten; das Akziseprojekt fiel, und seine Klugheit befestigte den Thron von neuem.

Diese inneren Wirren hinderten England, sich an dem Kriege von 1733 zu beteiligen. Bald darauf entbrannte der Krieg mit Spanien gegen den Willen des Hofes. Kaufleute aus der City brachten Ohren von englischen Schmugglern, welche die Spanier abgeschnitten hatten, vor das Unterhaus. Cäsars blutiges Gewand, das Antonius vor dem römischen Volke ausbreitete, dürfte keinen stärkeren Eindruck in Rom gemacht haben als diese Ohren in London. Die Gemüter erhitzten sich. Man beschloß stürmisch den Krieg. Der Minister mußte nachgeben. Der einzige Vorteil, den der Hof von diesem Kriege hatte, war die Entfernung des Admirals Haddock, dessen Beredsamkeit im Unterhause stärker wirkte als die Bestechungen Walpoles. Der Minister pflegte zu sagen, er kenne den Wert jedes Engländers; denn es gebe keinen, den er nicht erkauft oder bestochen habe. Aber er sah doch, daß seine Guineen nicht immer über die Macht und die Überzeugungskraft der Vernunftgründe siegten.

England unterhielt damals achtzig Kriegsschiffe der ersten vier Rangklassen, fünfzig kleinere Schiffe und gegen 30 000 Mann Landtruppen. Seine Einkünfte beliefen sich in Friedenszeiten auf 24 Millionen Taler; außerdem besaß es unerschöpfliche Hilfsquellen in den Privatvermögen der reichen Untertanen, die leicht zur Besteuerung herangezogen werden konnten. England zahlte damals Subsidien an Dänemark zur Unterhaltung von 6 000 Mann, an Hessen für die gleiche Anzahl. Das verschaffte ihm zusammen mit seinen 22 000 Hannoveranern in Deutschland ein Heer von 34 000 Mann. Die Admirale Wager und Ogle galten als seine besten Seeoffiziere. Im Landheere waren der Herzog von Argyle und Lord Stair die einzigen, die begründete Ansprüche auf die ersten Stellen erheben konnten, wiewohl beide nie Heere geführt hatten.

Lyttelton28-1 galt für den hinreißendsten Redner, Lord Hervey28-2 für den gelehrtesten Mann, Lord Chesterfield für den geistreichsten Kopf und Lord Carteret für den leidenschaftlichsten Politiker.

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Zwar hatten Künste und Wissenschaften in diesem Reiche tiefe Wurzeln geschlagen, aber der sanfte Umgang mit den Musen hatte die Rauheit der Volkssitten nicht gebrochen. Der harte Charakter der Engländer verlangte blutige Trauerspiele. Sie hatten die Gladiatorenkämpfe, den Schandfleck der Menschheit, fortgesetzt. Sie hatten den großen Newton hervorgebracht, aber keinen Maler, keinen Bildhauer, keinen guten Tonkünstler. Pope blühte noch und verschönerte die Dichtkunst durch männliche Gedanken, die ihm ein Shaftesbury und ein Bolingbroke lieferten. Der unvergleichliche Swift überragte seine Landsleute durch seinen Geschmack und zeichnete sich durch seine Kritiken über die Sitten und Bräuche aus. Die Stadt London übertraf Paris an Volkszahl um 200 000 Seelen. Die Einwohner der drei Königreiche beliefen sich auf acht Millionen. Schottland, das noch voll von Jakobiten war, seufzte unter dem Joche Englands, und die Katholiken in Irland klagten über den Druck, unter dem die Staatskirche sie hielt.

Im Gefolge Englands fährt Holland, wie eine Schaluppe im Kielwasser eines Kriegsschiffes folgt, an das sie befestigt ist. Nach der Abschaffung der Statthalterschaft (1702) hatte die Republik aristokratische Formen angenommen. Der Ratspensionär nebst dem Greffier berichtet in der Versammlung der Generalstaaten über die politischen Geschäfte; er erteilt den fremden Gesandten Audienz und hält darüber im Staatsrate Vortrag. Die Beratungen in diesen Versammlungen haben einen langsamen Gang; Geheimnisse werden schlecht gewahrt, weil man die Angelegenheiten einer zu großen Zahl von Deputierten mitteilen muß. Als Republikaner verabscheuen die Holländer die Statthalterschaft, weil sie fürchten, daß sie zum Despotismus führe; und als Kaufleute kennen sie keine andre Staatskunst als ihren Vorteil. Die Grundsätze ihrer Staatskunst machen die Holländer geschickter zur Verteidigung als zum Angriff auf ihre Nachbarn.

Mit Staunen und Bewunderung betrachtet man diese Republik, wie sie sich auf sumpfigem und unfruchtbarem Boden erhebt, halb vom Weltmeer umgeben, das die Dämme wegzuspülen und das Land zu überschwemmen droht. Eine Bevölkerung von zwei Millionen genießt hier die Reichtümer und den Überfluß, die sie ihrem Handel und den Wundern des menschlichen Fleißes verdankt. Zwar beklagte sich die Stadt Amsterdam, daß die ostindische Kompagnie der Dänen und die französische Handelsgesellschaft in L'Orient ihrem Handel Abbruch täte. Aber das waren nur Klagen des Neides. Die Republik befand sich damals in einer andern, wirklicheren Notlage. Eine Art von Würmern, die in den asiatischen Häfen vorkommt, hatte sich in die holländischen Schiffe eingenistet, und von da in die Faschinen, welche die Dämme halten. Sie zernagten beides, Schiffe und Dammbauten, und Holland fürchtete, seine Bollwerke möchten beim ersten Sturme zusammenbrechen. Der Staatsrat fand gegen diese Landplage kein anderes Mittel, als Fasttage im ganzen Land auszuschreiben. Ein Spötter sagte, der Fasttag hätte den Würmern angesetzt werden müssen. Trotz alledem war der Staat sehr reich. Er hatte wohl noch Schulden vom<30> Spanischen Erbfolgekriege her, aber die erhöhten den Kredit der Nation, anstatt ihn zu schwächen.

Der Holland regierende Pensionär van der Heim galt für einen Durchschnittsmenschen. Er war phlegmatisch, bedächtig, ja furchtsam, aber anhänglich an England aus Gewohnheit, aus religiösen Gründen und aus Angst vor Frankreich.

Die Republik konnte zwölf Millionen Taler an Einkünften haben, ohne auf die Hilfsquellen ihres Kredits zurückzugreifen. Sie konnte vierzig Kriegsschiffe in Dienst stellen und unterhielt 30 000 Mann regulärer Truppen, die nach den Bestimmungen des Utrechter Friedens (1713) vornehmlich zur Sicherung der Grenzplätze dienten. Aber die Armee war nicht mehr wie einstmals die Schule der Helden. Seit der Schlacht von Malplaquet (1709), wo die Holländer die Blüte ihrer Mannschaft und den Stamm ihrer Offiziere verloren, und seit der Abschaffung der Statthalterschaft kamen ihre Truppen aus Mangel an Mannszucht und Ansehen herunter. Tüchtige Heerführer waren nicht mehr; ein achtundzwanzigjähriger Friede hatte die alten Offiziere hingerafft, und man hatte versäumt, neue heranzubilden. Der junge Prinz Wilhelm von Nassau-Oranien30-1 schmeichelte sich, die Statthalterschaft zu erlangen, weil er aus der Familie der Statthalter war. Indessen hatte er nur einen geringen Anhang in der Provinz Geldern, und die eifrigen Republikaner waren alle gegen ihn. Sein beißender, satirischer Witz hatte ihm Feinde gemacht, und Gelegenheit, seine Talente zu zeigen, hatte sich nicht geboten. In dieser Lage wurde die niederländische Republik zwar von ihren Nachbarn verschont, aber wenig geachtet wegen ihres geringen Einflusses auf die europäische Politik. Sie war friedlich aus Grundsatz und kriegerisch durch Zufall.

Wenden wir den Blick von Holland nach dem Norden, so finden wir Dänemark und Schweden, zwei Königreiche, fast gleich an Macht, aber nicht mehr so angesehen wie einst.

Unter Friedrich IV. hatte Dänemark dem Hause Holstein das Herzogtum Schleswig entrissen (1720); unter Christian VI.30-2 wollte man das Himmelreich erobern. Die Königin Sophie Magdalene, eine Bayreuther Prinzessin, benutzte die Frömmelei als heiligen Zaum, um ihren Gemahl von Untreue abzuhalten, und der König, ein lutherischer Eiferer, hatte durch sein Beispiel den ganzen Hof fanatisch gemacht. Ist die Einbildungskraft eines Fürsten vom himmlischen Jerusalem entzückt, so verachtet er den Kot dieser Welt. Jeden an die Besorgung der Staatsgeschäfte gewandten Augenblick hält er für verloren. Die politischen Grundsätze sind ihm Gewissensfragen, die Vorschriften des Evangeliums werden sein Kriegsreglement, und die Intrigen der Geistlichen beeinflussen die politischen Erwägungen. Seit dem frommen Äneas, seit den Kreuzzügen des heiligen Ludwig finden wir in der Geschichte kein Beispiel eines religiösen Helden. Denn Mohammed war nicht fromm,<31> sondern nur ein Betrüger, der sich der Religion bediente, um sein Reich und seine Herrschaft zu begründen.

Der König von Dänemark hält 36 000 Mann regulärer Truppen. Er kauft seine Rekruten in Deutschland und verkauft sein Heer an die meistbietende Macht. Er kann 30 000 Mann Landmiliz aufstellen, worunter die Norweger für die besten Soldaten gelten. Die dänische Flotte besteht aus 27 Linienschiffen und 33 von geringeren Rangklassen. Die Marine ist der bestgeordnete Teil der Staatsverwaltung; alle Kenner loben sie. Die Einkünfte übersteigen nicht 5 600 000 Taler. Dänemark stand damals im Solde der Engländer, die ihm 150 000 Taler Subsidien für 6 000 Mann zahlten.

Geniale Männer sind in Dänemark seltener als anderswo. Der Prinz von Kulmbach-Bayreuth31-1 befehligte die Landtruppen; aber weder er noch die anderen dänischen Generale verdienen Erwähnung in unserer Geschichte. Für Schulin, den Minister des Königs, trifft das gleiche zu. Sein ganzes Verdienst bestand darin, sich und seinen Herrn an den Meistbietenden zu verkaufen. Aus alledem wird es klar, daß Dänemark unter die Mächte zweiten Ranges zu rechnen ist, gewissermaßen als Zubehör, das durch seinen Beitritt zu einer Partei ein Gran auf der Wagschale der Kräfte sein kann.

Schweden hat mit Dänemark nichts gemein als die Begierde nach Subsidien. Die schwedische Verfassung ist ein Gemisch von Aristokratie, Demokratie und monarchischer Regierungsform, doch haben die beiden ersteren das Übergewicht. Der Reichstag versammelt sich alle drei Jahre. Man erwählt einen Reichstagsmarschall, der den größten Einfluß auf die Beratungen hat. Sind die Stimmen geteilt, so entscheidet der König, der zwei Stimmen hat. Von drei Kandidaten, welche man ihm vorschlägt, wählt er zur Besetzung der erledigten Stellen einen aus. Der Reichstag ernennt einen geheimen Ausschuß von hundert Mitgliedern aus dem Adel, der Geistlichkeit, der Bürgerschaft und dem Bauernstande; dieser kontrolliert das Verhalten des Königs und des Senates in der Zeit zwischen einem Reichstage und dem nächsten und gibt dem Senat Anweisungen zur Führung der inneren und äußeren Geschäfte.

Die Königin Ulrike, die Schwester Karls XII., hatte ihrem Gemahl, Friedrich von Hessen31-2, die Regierung übertragen. Der neue König achtete gewissenhaft die Volksrechte; er faßte seine Stellung ungefähr so auf, wie ein alter, invalider Oberstleutnant eine kleine Kommandantenstelle als anständigen Ruheposten betrachtet. Ehe er die Königin Ulrike heiratete, verlor er die Schlacht von Castiglione in der Lombardei31-3, um seinem Vater31-4, der beim Heere war, das Schauspiel eines Treffens zu geben.

Graf Oxenstjerna war Kanzleipräsident31-5 gewesen. Er wurde vom Grafen Gyllenborg verdrängt. Der hatte die Offiziere für sich gewonnen und damit eine ansehnliche<32> Partei in Schweden auf seiner Seite. Er wünschte einen Krieg, weil er hoffte, sein Volk durch irgendeine Eroberung wieder zu heben. Noch mehr wünschte Frankreich, die Schweden zu benutzen, um durch sie den russischen Hochmut zu demütigen und den Schimpf zu rächen, den der in Danzig gefangen genommene Botschafter Monti in Petersburg erfahren hatte32-1. Zu dem Zwecke zahlte Frankreich jährlich 300 000 Taler Subsidien an Schweden, das aber dadurch zu keinerlei Feindseligkeit verpflichtet war.

Schweden war nicht mehr, was es einst gewesen. Die neun letzten Regierungsjahre Karls XII. hatten Unglück über Unglück gebracht. Livland, ein großer Teil von Pommern und die Herzogtümer Bremen und Verden waren verloren gegangen, und damit auch alles an Einkünften, Getreide und Soldaten, was Schweden aus diesen Provinzen gezogen hatte. Livland war seine Kornkammer gewesen. Zwar hat Schweden nur gegen zwei Millionen Seelen, aber sein unfruchtbarer, zum Teil mit nackten Felsen bedeckter Boden lieferte nicht einmal Nahrung genug für diese geringe Volksmenge. Durch die Abtretung Livlands kam es vollends in Not. Trotz all des Unglücks, das die Schweden erfahren hatten, hielten sie das Andenken Karls XII. hoch. Aber widerspruchsvoll, wie der menschliche Geist einmal ist, beschimpften sie ihn nach seinem Tode durch die Hinrichtung des Grafen Görtz32-2. Als ob der Minister die Schuld an den Fehlern seines Herrn trüge!

Die Einkünfte Schwedens beliefen sich auf vier Millionen Taler. Das stehende Heer war nur 7 000 Mann stark; 33 000 Mann Landmiliz wurden aus einem andern Fond bezahlt. Zur Zeit Karls XI. hatte man einer Anzahl von Bauern, die zugleich Soldaten waren, Land zur Bewirtschaftung gegeben. Sie mußten sich an den Sonntagen versammeln, um sich zur Verteidigung des Vaterlandes in den Waffen zu üben. Wurden sie aber zum Kriege im Ausland verwandt, so mußten sie aus dem öffentlichen Staatsschatze besoldet werden. In den schwedischen Häfen lagen 24 Linienschiffe und 36 Fregatten. Ein langer Friede hatte die Soldaten zu Bauern gemacht. Die besten Generale waren gestorben. Die Buddenbrock und Lewenhaupt waren mit einem Rehnsköld nicht zu vergleichen. Aber noch war dieses Volk von kriegerischem Geiste beseelt, und es fehlte ihm nur ein wenig Mannszucht und gute Führer: es ist das Land des Pharasmanes, das nur Eisen und Soldaten hervorbringt32-3.

Von allen Völkern Europas ist das schwedische das ärmste. Gold und Silber, die Subsidien ausgenommen, sind dort so wenig bekannt wie in Sparta. Große gestempelte Kupferplatten dienen als Münze, und zur Vermeidung des beschwerlichen Fortbringens dieser plumpen Massen hatte man Papiergeld eingeführt. Die Ausfuhr beschränkt sich auf Kupfer, Eisen und Holz; in der Handelsbilanz verliert Schweden jährlich 500 000 Taler, weil seine Bedürfnisse die Ausfuhr übersteigen. Das rauhe Klima versagt dem Lande alle Industrie; seine grobe Wolle liefert nur <33>Tuch zur Bekleidung des niederen Volkes. Die schönsten Gebäude in Stockholm und die ansehnlichsten Adelspaläste auf dem Lande stammen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

Das Königreich wurde tatsächlich beherrscht durch ein Triumvirat: die Grafen Thure Bielke, Ekeblad und Rosen. Unter republikanischen Regierungsformen bewahrte Schweden noch den Stolz seiner monarchischen Zeiten: ein Schwede hielt sich für mehr als der Bürger jedes andern Volkes. Der Geist Gustav Adolfs und Karls XII. hatte so tiefe Spuren im Gemüt der Nation hinterlassen, daß weder Zeit noch Unglück sie hatte auslöschen können. Schweden erfuhr das Geschick jedes monarchischen Staates, der sich in eine Republik verwandelt: es wurde schwächer. Der Ehrgeiz verwandelte sich in Ränkesucht, die Selbstverleugnung in Begehrlichkeit. Das öffentliche Wohl ward dem persönlichen Vorteil geopfert. Die Bestechungen gingen so weit, daß bald die französische, bald die russische Partei in den Reichstagen die Oberhand gewann. Aber niemand unterstützte die nationale Sache. Bei all diesen Fehlern hatten die Schweden doch den alten Eroberungsgeist bewahrt, der das gerade Gegenteil des republikanischen Geistes ist, welcher friedliebend sein muß, wenn anders er die bestehende Regierungsform erhalten will. Dieser Staat konnte, so wie wir ihn geschildert haben, nur einen schwachen Einfluß auf die allgemeinen Angelegenheiten Europas ausüben, und so hatte er denn auch viel von seinem früheren Ansehen eingebüßt.

Schweden hat zum Nachbarn eine der furchtbarsten Mächte. Vom Nordpol und vom Eismeer bis zu den Ufern des Schwarzen Meeres und von Samogitien bis an die Grenzen von China erstreckt sich das ungeheure Gebiet des russischen Reiches, ein Land, achthundert deutsche Meilen lang, gegen drei bis vierhundert breit. Dieser einstmals barbarische Staat war vor dem Zaren Iwan Wassiljewitsch33-1 in Europa unbekannt. Peter der Große wollte sein Volk kultivieren und bearbeitete es wie Eisen mit Scheidewasser. Er war der Gesetzgeber und der Stifter dieses ungeheuren Reiches. Er schuf Menschen, Soldaten und Minister, erbaute die Stadt Petersburg, gründete eine ansehnliche Seemacht und erreichte, daß ganz Europa sein Volk und seine ungewöhnlichen Talente achtete.

Im Jahre 1740 beherrschte Anna Iwanowna, Peters I. Nichte, dieses weite Reich. Sie war die Nachfolgerin Peters II., des Enkels des ersten Kaisers. Ihre Regierung wurde ausgezeichnet durch eine Menge denkwürdiger Begebnisse sowie durch einige große Männer, die sie geschickt zu benutzen wußte. Ihre Waffen gaben Polen einen König. Sie sandte (1735) dem Kaiser Karl VI. zehntausend Russen an den Rhein zu Hilfe, in ein Land, wo diese Nation wenig bekannt war. Sie führte mit den Türken einen Krieg, der eine einzige Kette von Erfolgen und Triumphen war; und während Kaiser Karl VI. im türkischen Lager um Frieden bitten mußte, diktierte sie dem os<34>manischen Reiche Gesetze. Sie beschirmte die Wissenschaften in ihrer Hauptstadt und sandte selbst nach Kamtschatka Gelehrte, um einen kürzeren Handelsweg zwischen Rußland und China aufzufinden. Sie besaß Eigenschaften, die sie ihres Ranges würdig machten, eine hohe Seele, Festigkeit des Geistes. Sie war freigebig in ihren Belohnungen, streng in ihren Strafen, gütig aus Temperament und wollüstig ohne Ausschweifung.

Ihren Günstling und Minister Biron34-1 hatte sie zum Herzog von Kurland gemacht. Freilich zweifelten die Edelleute seiner Heimat seinen alten Adel überhaupt an. Er war der einzige, der ausgesprochenen Einfluß auf die Kaiserin besaß. Von Natur eitel, grob und grausam, war er fest in den Staatsgeschäften und von kühnem Unternehmungsgeiste beseelt. Bis ans Ende der Welt wollte er in seinem Ehrgeiz den Namen seiner Gebieterin tragen. Übrigens war er ebenso habsüchtig im Zusammenscharren wie verschwenderisch im Ausgeben. Er besaß wohl einige nützliche Eigenschaften, aber keine guten und angenehmen.

Unter der Regierung Peters des Großen hatte sich in der Schule der Erfahrung ein Mann herangebildet, der imstande war, die Last der Staatsgeschäfte unter seinen Nachfolgern zu tragen: Graf Ostermann34-2. Als geschickter Steuermann lenkte er das Staatsschiff mit stets sicherer Hand durch die Stürme der Revolutionen. Er stammte aus der Grafschaft Mark in Westfalen und war von niedriger Herkunft. Aber die Natur teilt die Talente ohne Rücksicht auf den Stammbaum aus. Dieser Minister kannte Rußland wie Verheyen34-3 den menschlichen Körper. Er war vorsichtig und kühn, je nach den Umständen, und entsagte den Intrigen am Hofe, um sich die Leitung des Staates zu erhalten. Außer ihm waren Graf Löwenwolde und der alte Graf Golowkin Minister, die Rußland nützlich sein konnten.

An der Spitze des russischen Heeres stand Graf Münnich, der aus sächsischen Diensten in die Peters des Großen getreten war. Er war der Prinz Eugen der Russen. Er besaß die Tugenden und Laster der großen Feldherren, war geschickt, unternehmend, glücklich, aber stolz, hochmütig und ehrgeizig, bisweilen zu despotisch und opferte das Leben seiner Soldaten für seinen Ruhm auf. Lacy, Keith, Löwendal und andere geschickte Heerführer bildeten sich in seiner Schule. Der Staat unterhielt damals 10 000 Mann Garde, hundert Bataillone, die 60 000 Mann ausmachten, 20 000 Dragoner und 2 000 Kürassiere, zusammen 92 000 Mann regulärer Truppen, dazu 30 000 Mann Landmiliz und so viele Kosaken, Tataren und Kalmücken, als man aufbieten wollte, sodaß Rußland ohne Anstrengung 170 000 Mann ins Feld stellen konnte. Die russische Flotte schätzte man damals auf 12 Linienschiffe, 26 Schiffe von geringeren Rangklassen und 40 Galeeren.

Die Einkünfte des Reiches beliefen sich auf vierzehn bis fünfzehn Millionen Taler. Die Summe scheint mäßig im Verhältnis zu der ungeheuren Ausdehnung des Lan<35>des. Aber dort ist alles wohlfeil. Die den Fürsten nötigste Ware, die Soldaten, kosten an Unterhalt nicht die Hälfte von dem, was die andern Mächte Europas zahlen: der russische Soldat bekommt jährlich nur acht Rubel und Lebensmittel, die billig gekauft werden. Diese Lebensmittel verursachen den ungeheuren Troß, der dem Heere nachfolgt: in dem Feldzuge, den der Marschall Münnich 1737 gegen die Türken führte, zählte man bei seinem Heere ebensoviel Wagen als Streiter.

Peter der Große hatte einen Plan entworfen, den vor ihm noch nie ein Fürst gefaßt hatte. Während die Eroberer sonst nur darauf bedacht sind, ihre Grenzen zu erweitern, wollte er die seinen einschränken. Der Grund war, daß seine Staaten im Verhältnis zu ihrer ungeheuren Ausdehnung zu dünn bevölkert waren. Er wollte die zwölf Millionen Einwohner, die in Rußland verstreut wohnten, zwischen Petersburg, Moskau, Kasan und der Ukraine ansiedeln, um diesen Teil gut zu bevölkern und anzubauen. Zu verteidigen wäre er leicht gewesen durch die Wüsteneien, die ihn dann umgaben und ihn von den Persern, Türken und Tataren trennten. Dieser Plan blieb durch den Tod des großen Mannes unausgeführt, wie so viele andre.

Zur Begründung des Handels hatte der Zar nur die ersten Schritte tun können. Unter der Kaiserin Anna hielt die russische Handelsflotte keinen Vergleich mit den südlichen Mächten aus. Trotzdem deutet alles darauf hin, daß die Bevölkerung, die Kräfte, der Reichtum und der Handel dieses Landes sich gewaltig entwickeln werden.

Der Geist der Nation ist ein Gemisch von Mißtrauen und Unredlichkeit. Die Russen sind faul, aber eigennützig, geschickt im Nachahmen, aber ohne Erfindungsgeist. Die Großen sind rebellisch, die Garde ist für die Herrscher eine stete Gefahr, das Volk dumm, trunksüchtig, abergläubisch und unglücklich. Die geschilderten Zustände sind ohne Zweifel schuld daran, daß die Petersburger Akademie der Wissenschaften bisher noch keine Erfolge in Rußland erzielt hat.35-1

Seit dem Untergang Karls XII., der Thronbesteigung Augusts von Sachsen in Polen und seit den Siegen des Marschalls Münnich über die Türken waren die Russen tatsächlich die Schiedsrichter des Nordens geworden. Sie waren so furchtbar, daß niemand etwas gewann, wenn er sie angriff; denn man mußte eine Art von Wüstenei durchziehen, um sie zu erreichen; wurde man aber von ihnen angegriffen, so war alles zu verlieren, selbst wenn man sich auf einen Verteidigungskrieg beschränkte. Diesen Vorteil verdanken sie der Menge von Tataren, Kosaken und Kalmücken, die sie in ihren Heeren haben. Diese herumstreifenden Horden von Plünderern und Mordbrennern können durch ihre Einfälle die blühendsten Provinzen verheeren, ohne daß die eigentliche Armee sie betritt. Alle Nachbarn schonten Rußland, um solchen Verwüstungen zu entgehen; und wenn die Russen mit anderen Völkern Bündnisse schlossen, so sahen sie das als einen ihren Klienten bewilligten Schutz an.

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Rußlands Einfluß auf Polen war unmittelbarer als auf seine andern Nachbarn. Diese Republik ward nach Augusts II. Tode (1733) gezwungen, August III. auf den Thron zu wählen, den sein Vater besessen hatte. Die Nation war für Stanislaus Leszczynski, aber die russischen Waffen stimmten das Volk um. Polen ist beständig in Anarchie. Die großen Familien sind sämtlich durch Interessengegensätze zersplittert; sie ziehen ihren Privatvorteil dem öffentlichen Wohle vor und sind nur einig in der harten Bedrückung ihrer Leibeigenen, die sie mehr als Lasttiere denn als Menschen behandeln. Die Polen sind eitel, hochfahrend im Glück, kriechend im Unglück, der größten Niedertracht fähig, um Geld zusammenzuscharren, das sie aber, sobald sie es haben, auf die Straße werfen; leichtfertig, urteilslos, stets bereit, ohne Grund eine Partei zu ergreifen und sie wieder zu verlassen und sich durch ihr planloses Betragen in die schlimmsten Händel zu verstricken. Sie haben Gesetze, aber niemand befolgt sie, da keiner sie dazu zwingt. Der Hof sieht seine Partei anwachsen, sobald viele Ämter frei werden; denn der König hat die Befugnis, sie zu vergeben und sich bei jeder Gunsterteilung neue Undankbare zu machen. Der Reichstag versammelt sich alle drei Jahre, bald in Grodno, bald in Warschau. Die Staatskunst des Hofes besteht darin, die Wahl zum Reichstagsmarschall auf eine ihm ergebene Person zu lenken. Trotz aller Bemühungen hat unter der Regierung Augusts III. allein der Pazifikationsreichstag etwas zustande gebracht. Das kann nicht wundernehmen, da ein einziger Landbote durch seinen Widerspruch gegen die gefaßten Beschlüsse den ganzen Reichstag sprengen kann: es ist das Veto der altrömischen Volkstribunen.

Die vornehmsten Geschlechter waren damals die Czartoryski, Potocki, Tarlo und Lubomirski. Der Geist ist in Polen das Erbteil der Frauen: sie spinnen die Intrigen und schalten über alles, indes ihre Männer sich betrinken.

Das Land hat viele Naturprodukte, aber nicht Einwohner genug, um sie zu verbrauchen, da der Boden im Verhältnis zur Einwohnerzahl zuviel hervorbringt. An Städten besitzt Polen nur Warschau, Krakau, Danzig und Lemberg; die übrigen würde man in jedem andern Lande nur schlechte Dörfer nennen. Da es dem Staate gänzlich an Manufakturen fehlt, so beträgt der Überschuß an Getreide, das nicht verzehrt wird, allein 200 000 Wispel. Dazu kommt Holz, Pottasche, Häute, Vieh und Pferde, womit die Nachbarn versorgt werden. So viele Ausfuhrartikel geben Polen eine vorteilhafte Handelsbilanz. Breslau, Leipzig, Danzig, Frankfurt und Königsberg verkaufen ihre Waren den Polen, gewinnen an den von dort bezogenen Naturprodukten und lassen sich die Erzeugnisse ihrer Industrie von diesem unkultivierten Volke teuer bezahlen.

Polen hält in Wirklichkeit 24 000 Mann schlechter Truppen und kann in dringenden Fällen seinen Heerbann aufbieten, der unter dem Namen Pospolite Ruszenie bekannt ist. Aber August II. rief ihn vergebens gegen Karl XII. zusammen. So sieht man denn, daß es für Rußland unter einer vollkommneren Staatsverwaltung leicht war, die Schwäche des Nachbarvolkes auszunutzen und einen überlegenen Ein<37>fluß auf ein so zurückgebliebenes Land zu gewinnen. Die Einkünfte des Königs von Polen übersteigen nicht eine Million Taler. Den größten Teil davon gaben die sächsischen Könige für Bestechungen aus, in der Hoffnung, ihrem Hause die Regierung zu erhalten und das Reich mit der Zeit in eine Monarchie zu verwandeln.

August III. war sanftmütig aus Trägheit, verschwenderisch aus Eitelkeit, unfähig zu jedem Gedanken, der Kombinationen erfordert, ohne Religion, aber seinem Beichtvater gehorsam, ohne Liebe, doch ein gefügiger Ehemann. Ferner neigte er dazu, sich durch seinen Günstling, den Grafen Brühl, leiten zu lassen. Das größte Hindernis, das seiner Erhebung auf den polnischen Thron im Wege stand, war seine Trägheit. Die Königin, seine Gemahlin37-1, war eine Tochter Kaiser Josephs und eine Schwester der Kurfürstin von Bayern37-2. Tisiphone und Alekto konnten im Vergleich zu ihr für Schönheiten gelten. Die Hervorragendste Eigenschaft ihres Geistes war starrer Eigensinn. Hochmut und Aberglaube kennzeichneten ihren Charakter. Sie hätte Sachsen gern katholisch gemacht. Aber das war nicht an einem Tage zu bewerkstelligen.

Graf Brühl und Hennicke waren die Minister Sachsens. Der erste war Page gewesen, der zweite Lakai. Brühl, dem vorigen König treu ergeben, war es auch in erster Linie, der August III. den Weg zum Throne bahnte. Zum Danke dafür wandte dieser ihm die gleiche Gunst zu wie seinem damaligen Liebling Sulkowski37-3. Konkurrenz erzeugt Neid, und der entstand bald zwischen den beiden Nebenbuhlern. Sulkowski hatte einen Plan entworfen, demzufolge August nach dem Ableben Kaiser Karls VI. sich Böhmens bemächtigen sollte, auf das er Erbansprüche erhob: seine Gemahlin sollte als Tochter des Kaisers Joseph I., des ältesten der beiden habsburgischen Brüder, ein näheres Anrecht darauf haben als die Tochter des jüngeren Bruders37-4. Der König fand an diesem Plane Gefallen. Um seinen Rivalen zu stürzen, beging Brühl die Niedertracht, das Projekt dem Wiener Hofe zu verraten, der nun in Gemeinschaft mit ihm daran arbeitete, den Urheber eines für Österreich so gefährlichen Unternehmens in die Verbannung zu schicken. Durch diesen Schritt wurde Brühl an das Interesse des neuen österreichischen Hauses gekettet. Dieser Minister kannte nur die Listen und Ränke, von denen die Staatskunst kleiner Fürsten lebt. Er war doppelzüngig, falsch und zu den niederträchtigsten Handlungen bereit, wenn es seine Stellung galt. Er war in seinem Zeitalter der Mann, der die meisten Kleider, Uhren, Spitzen, Stiefel, Schuhe und Pantoffeln besaß. Cäsar hätte ihn zu den wohlfrisierten und parfümierten Köpfen gezählt, vor denen er sich nicht fürchtete. Es gehörte ein Fürst wie August III. dazu, wenn ein Mensch vom Schlage Brühls die Rolle des Premierministers spielen konnte.

Die sächsischen Generale waren nicht die ersten Kriegshelden Europas. Der Herzog von Weißenfels besaß Mut, aber nicht Geist genug. Rutowski, König Augusts II.<38> natürlicher Sohn, hatte sich bei dem Treffen am Timok ausgezeichnet, war aber zu sehr Genußmensch und zu träge, um den Oberbefehl zu führen. Sachsen hatte wohl einige Männer von Verstand, aber Brühls Eifersucht hielt sie von den Geschäften fern. Der Hof wurde von seinen Spionen sehr gut, jedoch von seinen Ministem sehr schlecht bedient. Er war so abhängig von Rußland, daß er ohne dessen Erlaubnis nicht wagte, sich in irgendeine Verbindung einzulassen. Rußland, der Wiener Hof, England und Sachsen waren damals verbündet.

Sachsen ist eines der reichsten deutschen Länder, dank der Fruchtbarkeit seines Bodens, dem Gewerbfleiß seiner Untertanen und der Blüte seiner Fabriken. Der Kurfürst bezog sechs Millionen Einkünfte, wovon man aber anderthalb Millionen Taler zur Tilgung der in beiden polnischen Kronwahlen gemachten Schulden abrechnete. Er hielt 24 000 Mann regulärer Truppen, und das Land konnte ihm noch eine Miliz von 8 000 Mann stellen.

Nächst dem Kurfürsten von Sachsen ist der von Bayern einer der mächtigsten Fürsten Deutschlands. Damals regierte Karl38-1. Sein Vater Maximilian nahm im Spanischen Erbfolgekriege für Frankreich Partei und verlor durch die Schlacht bei Höchstädt Land und Kinder. Karl selbst ward zu Wien in der Gefangenschaft erzogen. Als er seinem Vater auf dem Throne folgte, hatte er lauter Unglück gutzumachen. Er war sanft, wohltätig, vielleicht zu nachgiebig. Graf Törring war sein Premierminister und zugleich sein Heerführer und vielleicht für beide Ämter gleich untauglich.

Bayern bringt fünf Millionen ein, wovon ungefähr eine Million, wie in Sachsen, zur Tilgung alter Schulden abgeht. Frankreich zahlte dem Kurfürsten damals 300 000 Taler Subsidien. Bayern ist Deutschlands fruchtbarstes und unwissendstes Land: das irdische Paradies, von Tieren bewohnt. Das Kriegsheer des Kurfürsten war zerrüttet. Von den 6 000 Mann, die er nach Ungarn zur Unterstützung des Kaisers gesandt hatte38-2, war nicht die Hälfte zurückgekehrt. Alles, was Bayern ins Feld stellen konnte, waren nicht mehr als 12 000 Mann.

Der Kurfürst von Köln38-3, der Bruder des Kurfürsten von Bayern, hatte sich so viel Mitren aufs Haupt gesetzt, als er irgend hatte bekommen können. Er war Kurfürst von Köln, Bischof von Münster, von Paderborn, von Osnabrück und außerdem Hochmeister des deutschen Ordens. Er hielt acht- bis zwölftausend Mann, mit denen er Handel trieb wie ein Ochsenhirt mit seinem Vieh. Damals hatte er sich an das Haus Österreich verkauft.

Der Kurfürst von Mainz38-4, der Älteste im kurfürstlichen Kollegium, besitzt nicht die gleichen Hilfsquellen wie der von Köln; der von Trier38-5 ist unter allen am übelsten dran. Der Graf von Eltz, damals Kurfürst von Mainz, galt für einen guten Bürger und einen ehrlichen Mann, der sein Vaterland liebte. Da er leiden<39>schaftslos und vorurteilsfrei war, so lieferte er sich nicht blindlings den Launen des Wiener Hofes aus. Der Kurfürst von Trier konnte nichts als kriechen.

Der Kurfürst von der Pfalz39-1 spielte keine große Rolle. In dem Kriege von 1733 hatte er sich neutral gehalten, und sein Land litt unter den Ausschreitungen, welche die beiden feindlichen Heere dort verübten. Er hält acht- bis zehntausend Mann, hat zwei Festungen, Mannheim und Düsseldorf, aber keine Soldaten zu ihrer Verteidigung.

Die übrigen Herzöge, Fürsten und Stände des Reiches wurden vom kaiserlichen Hofe mit ehernem Zepter beherrscht. Die Schwachen waren Sklaven, die Mächtigen frei. Der Herzog von Mecklenburg39-2 stand damals unter Sequester: die kaiserlichen Kommissare schürten die Zwietracht zwischen dem Herzog und seinen Ständen und fraßen beide arm. Die kleinen Fürsten trugen das Joch, weil sie es nicht abzuschütteln vermochten. Ihre Minister bekamen von den Kaisern Gehälter und Titel und unterwarfen ihre Herren dem österreichischen Despotismus.

Das Deutsche Reich ist mächtig, wenn man die Menge seiner Könige, Kurfürsten und Fürsten sieht. Es ist schwach, wenn man die widerstreitenden Interessen welche die Fürsten trennen, betrachtet. Der Reichstag zu Regensburg ist nur ein Schattenbild und eine schwache Erinnerung an das, was er einstens war. Jetzt ist er eine Versammlung von Rechtsgelehrten, denen es mehr auf die Formen als auf die Sache ankommt. Ein Minister, den ein Reichsfürst zu dieser Versammlung schickt, gleicht einem Hofhunde, der den Mond anbellt. Soll ein Krieg beschlossen werden, so weiß der kaiserliche Hof seine Privatstreitigkeiten geschickt mit den Reichsinteressen zu verflechten, um die deutsche Macht zum Werkzeug seiner ehrgeizigen Absichten zu benutzen. Die verschiedenen, in Deutschland geduldeten Religionen erregen nicht mehr wie einst heftige Erschütterungen. Zwar sind die Parteien geblieben, aber der Eifer ist erkaltet. Viele Staatsmänner wundern sich, daß eine so sonderbare Staatsverfassung wie das Deutsche Reich so lange bestehen konnte, und schreiben dies nicht sehr einsichtsvoll dem nationalen Phlegma zu. Das ist nicht der Fall. Die Kaiser wurden gewählt, und seit dem Erlöschen der Karolinger sieht man immer Fürsten aus verschiedenen Häusern zur Kaiserwürde emporsteigen. Sie hatten Streit mit ihren Nachbarn, sie hatten den berühmten Zwist mit den Päpsten über die Investitur der Bischöfe mit Ring und Stab; sie mußten sich zu Rom krönen lassen. Alles dies waren Fesseln, die sie hinderten, das Reich unumschränkt zu beherrschen. Andrerseits waren die Kurfürsten, etliche Fürsten und Bischöfe, wenn sie sich zusammentaten, zwar stark genug, dem Ehrgeiz der Kaiser zu widerstehen, aber nicht so stark, um die Reichsverfassung zu ändern. Seitdem die Kaiserkrone im Hause Österreich erblich blieb39-3, wurde die Gefahr des Despotismus offenbarer. Karl V. konnte sich nach der Schlacht bei Mühlberg zum absoluten Herrn machen, aber er verpaßte den Augenblick. Als dann seine Nachfolger, die Ferdinande, den Versuch unternahmen, vereitelten Frank<40>reich und Schweden, die sich dem eifersüchtig widersetzten, ihr Vorhaben. Was die Mehrzahl der Reichsfürsten betrifft, so hindert sie das wechselseitige Gleichgewicht und gegenseitiger Neid, sich zu vergrößern.

Geht man von Süddeutschland nach Westen, so stößt man auf die sonderbare Republik, die gewissermaßen mit dem Deutschen Reiche vereinigt und gewissermaßen frei ist. Seit Cäsars Zeiten hat die Schweiz ihre Freiheit bewahrt, den kurzen Zeitraum ausgenommen, da das Haus Habsburg sie unterjocht hatte. Lange trug sie dieses Joch nicht. Vergebens machten die Österreichischen Kaiser zahlreiche Versuche, das kriegerische Volk zu bezwingen: die Freiheitsliebe und die steilen Berge schirmen es vor dem Ehrgeiz der Nachbarn. Während des Spanischen Erbfolgekrieges erregte der französische Gesandte, Graf Luc, unter religiösem Vorwande einen Bürgerkrieg in der Schweiz, um diese Republik an einer Einmischung in die europäischen Wirren zu verhindern. Alle zwei Jahre halten die dreizehn Kantone eine allgemeine Bundesversammlung ab, bei der abwechselnd ein Schultheiß aus Bem oder Zürich den Vorsitz führt. Der Kanton Bern spielt in diesem Freistaate die gleiche Rolle wie die Stadt Amsterdam in der niederländischen Republik: er besitzt ein entscheidendes Übergewicht. Zwei Drittel der Schweiz bekennen sich zum reformierten Glauben; der Rest ist katholisch. Die Reformierten gleichen an Strenge den englischen Puritanern, die Katholiken sind fanatisch wie Spanier. Die Regierung hält klüglich darauf, daß die Einwohner nicht bedrückt werden und so glücklich sind, als die Verhältnisse es erlauben. Auch weicht sie nie von den Grundsätzen maßvoller Politik ab, die der Schweiz stets die Unabhängigkeit erhalten haben. Diese Republik kann mühelos 100 000 Mann zu ihrer Verteidigung aufstellen und hat Reichtümer genug gesammelt, um diese Truppen drei Jahre lang zu löhnen. Alle diese klugen und achtbaren Einrichtungen scheinen herabgewürdigt durch den barbarischen Brauch, die Untertanen jedem, der sie bezahlen will, zu verkaufen. So kommt es, daß Schweizer aus ein und demselben Kanton im Solde Frankreichs und in holländischen Diensten gegeneinander Krieg führen. Aber was ist auf Erden vollkommen?

Gehen wir von da nach Italien hinunter, so finden wir das alte römische Reich in so viele Teile zerstückelt, als der Ehrgeiz der Fürsten es nur irgend vermocht hat. Die Lombardei ist zwischen Venedig, Österreich, Savoyen und Genua geteilt. Von diesen Besitzungen scheinen die des Königs von Sardinien die beträchtlichsten. Karl Emanuel40-1 hatte damals den Krieg gegen das Haus Österreich beendet, durch den er einen Teil der Lombardei an sich gerissen hatte. Seine Staaten brachten ihm gegen fünf Millionen Einkünfte, mit denen er in Friedenszeiten 30 000 Mann unterhielt, die er im Kriegsfalle aber auf 40 000 bringen konnte. Karl Emanuel galt in Italien unter den Kennern für einen in der Staatskunst erfahrenen und über seine Angelegenheiten wohlunterrichteten Fürsten. Sein Minister, der Marchese Ormea<41> galt für einen guten Schüler Machiavells. Die Politik Sardiniens bestand darin, zwischen dem Hause Österreich und den beiden Zweigen des bourbonischen Hauses die Wage zu halten, um sich so die Mittel zur Vergrößerung und Vermehrung seiner Besitzungen zu verschaffen. Viktor Amadeus41-1 hatte oft gesagt: „Mein Sohn, die Lombardei ist wie eine Artischocke; man muß sie Blatt für Blatt verspeisen.“ Damals grollte der König von Sardinien den Bourbonen, weil Kardinal Fleury den Frieden von 173741-2 ohne sein Wissen geschlossen hatte, und neigte deshalb mehr auf die Seite des Hauses Österreich.

Der Rest der Lombardei war, wie gesagt, verzettelt. Der Kaiser besaß die Herzogtümer Mailand, Mantua, Pavia und Piacenza; seinen Schwiegersohn, den Herzog von Lothringen, hatte man in Toskana eingesetzt. Die Republik Genua, im Westen von Savoyen, war noch berühmt durch ihre Bank, einen Rest des alten Handels und ihre schönen Marmorpaläste. Korsika hatte sich gegen sie empört. Der erste Aufstand wurde von den kaiserlichen Truppen im Jahre 1732 niedergeschlagen, der zweite von den Franzosen unter dem Befehl des Grafen Maillebois. Diese fremde Hilfe konnte das Feuer wohl auf eine Weile dämpfen, es aber nicht gänzlich ersticken.

Venedig, im Osten gelegen, ist bedeutender als Genua. Die stolze Stadt erhebt sich auf zweiundsiebzig Inseln, die 200 000 Einwohner fassen. Regiert wird Venedig durch einen Rat, an dessen Spitze ein Doge steht, der die lächerliche Zeremonie begehen muß, sich alljährlich mit der Adria zu vermählen. Im 17. Jahrhundert verlor die Republik die Insel Kandia, und im 18. Jahrhundert, als Bundesgenossin Österreichs, da der große Eugen Belgrad und Temesvar eroberte, verlor sie Morea. Venedig hat wohl Schiffe, aber sie genügen nicht zur Bildung einer Flotte. An Landtruppen hält es 15 000 Mann. Ihr Führer ist derselbe Schulenburg, der im Nordischen Kriege, in der Schlacht bei Fraustadt, der Geschicklichkeit Karls XII. entging und der den schönen Rückzug in Schlesien über die Bartsch bewerkstelligte41-3.

Vor Erfindung des Kompasses lieferten Venedig und Genua an Deutschland alle die Waren, welche der Luxus aus den fernsten Gegenden Asiens herbeischaffen läßt. Zu unserer Zeit haben die Engländer und Holländer diesen Handel an sich gerissen und genießen seine Vorteile.

Der Krieg von 1733 hatte den Infanten Don Carlos aus Toskana auf den Thron von Neapel gebracht41-4. Dieses Königreich hatte Ferdinand der Katholische durch Gonsalvo di Cordova, genannt der Große Kapitän, Ludwig XII. entreißen lassen41-5. Nach dem Tode König Karls II. von Spanien (1700) kam es während des Spanischen Erbfolgekrieges an Österreich, aber während des Krieges von 1733 brachte das<42> glückliche Treffen bei Bitonto42-1 Neapel abermals unter die Herrschaft des Don Carlos. Das Hauptvergnügen dieses Fürsten war das Kühemelken, und die Anekdotenjäger behaupten, es sei bei seiner Heirat mit der Tochter König Augusts III. von Polen42-2 (1738) im Ehekontrakt ausgemacht worden, der König solle keine weiße Kuh mehr melken. Da Don Carlos noch zu jung war, um selbst zu regieren, so wurde er vom Grafen von Saint-Estevan geleitet, der in seinem Reiche bloß die Befehle der Königin von Spanien42-3 vollstreckte. Das Königreich Neapel mit Einschluß Siziliens brachte seinem Herrscher etwa vier Millionen ein; der Staat unterhielt nur 12 000 Soldaten.

Wir beschäftigen uns hier weder mit dem Herzog von Modena42-4 noch mit den Republiken Lucca und Ragusa: das sind Miniaturen, die in eine große Gemäldegalerie nicht passen.

Der Heilige Stuhl war durch den Tod von Klemens XII.42-5 aus dem Hause Corsini erledigt. Das Konklave währte ein Jahr lang. Der Heilige Geist blieb unschlüssig bis auf den Tag, da die Parteien der verschiedenen Staaten zu einer Einigung kamen. Kardinal Lambertini, über dieses Hinzögern ungeduldig, sagte zu den andern Kardinälen: „Entschließt euch doch endlich zur Papstwahl! Wollt ihr einen Frommen, nehmt Aldrovandi. Wollt ihr einen Gelehrten, nehmt Coscia. Oder wenn ihr einen Spaßmacher wollt, nehmt mich.“ Der Heilige Geist wählte den Mann des Frohsinns: Lambertini wurde zum Papst erwählt und nannte sich Benedikt XIV.

Als er den päpstlichen Thron bestieg, waren Rom und die Päpste nicht mehr die Herrscher der Welt wie ehedem. Die Kaiser dienten den Oberpriestern nicht mehr als Fußschemel und kamen nicht mehr nach Rom, um sich wie Friedrich Barbarossa zu demütigen. Karl V. hatte sie seine Macht fühlen lassen, und Kaiser Joseph I. behandelte sie nicht sanfter, als er im Erbfolgekriege Comacchio einnahm. Im Jahre 1740 war der Papst nur noch der erste Bischof der Christenheit. Er hatte das Departement des Glaubens, das man ihm ließ, aber er hatte nicht mehr wie früher Einfluß auf die Staatsgeschäfte. Die Wiedergeburt der Wissenschaften und die Reformation hatten dem Aberglauben einen tödlichen Streich versetzt. Man kanonisierte hin und wieder zwar noch Heilige, um nicht aus der Übung zu kommen; hätte aber ein Papst im 18. Jahrhundert Kreuzzüge predigen wollen, so hätte er nicht zwanzig Gassenjungen zusammengebracht. Er war auf das demütigende Geschäft beschränkt, die Amtshandlungen seines Priestertums zu verrichten und in aller Eile seine Nepoten zu bereichern. Alles, was der Papst im Türkenkriege von 1737 für den Kaiser tun konnte, war, daß er ihn durch seine Breven ermächtigte, von den geistlichen Gütern den Zehnten zu erheben und in allen Städten seiner Lande Missionskreuze aufzurichten, zu denen das Volk herbeiströmte, um fromme Verwünschungen gegen die<43> Türken auszustoßen. Das osmanische Reich spürte davon nichts. War es von den Russen geschlagen worden, so blieb es gegen die Österreicher überall Sieger.

Der berühmte Abenteurer Bonneval befand sich damals in Konstantinopel. Aus dem Dienste Frankreichs war er in kaiserliche Dienste getreten, die er aus Leichtsinn verließ, um Türke zu werden43-1. Er war nicht talentlos. Dem Großvezier schlug er vor, die Artillerie auf europäischem Fuß einzurichten, Mannszucht unter die Janitscharen und Ordnung in die zahllose Masse der Truppen zu bringen, die nur in aufgelöster Ordnung fochten. Das Vorhaben konnte den Nachbarn gefährlich werden; es ward aber verworfen, weil es gegen den Koran verstieß, in dem Mohammed vor allem empfiehlt, die alten Gebräuche nicht anzutasten. Die türkische Nation ist von Natur begabt, aber durch Unwissenheit verdummt. Sie ist tapfer, aber ungeschult, versteht nichts von Verwaltung, und von Staatskunst noch weniger. Das Dogma des Fatalismus, woran die Türken hängen, heißt sie, die Ursache alles Unglücks auf Gott schieben, und so bleiben sie stets bei den alten Fehlern. Die Stadt Konstantinopel hat zwei Millionen Einwohner. Die Macht der Türkei beruht auf ihrer großen Ausdehnung; trotzdem würde sie ohne die Eifersucht der europäischen Fürsten nicht mehr bestehen. Damals regierte der Padischah Mahmud I. Durch eine Revolution war er aus den Kerkern des Serails auf den Thron gesetzt worden (1730). Die Natur hatte ihn ebenso impotent gemacht wie seine Eunuchen. Es war für die Schönen des Serails eine gar traurige Regierung.

Der furchtbarste Nachbar der Türken war der Schah Nadir, bekannt unter dem Namen Thamas-Chouli-Kan. Er unterjochte Persien, bezwang den Großmogul, machte der Pforte viel zu schaffen und diente als Gegengewicht gegen ihre Anschläge auf die christlichen Mächte.

Soviel von den Kräften und den Interessen der europäischen Höfe im Jahre 1740. Dieser Abriß war nötig zum Verständnis der folgenden Denkwürdigkeiten. Es bleibt uns nur noch übrig, der Fortschritte des menschlichen Geistes zu gedenken: sowohl in der Philosophie, in den Wissenschaften, in den schönen Künsten, als in der Kriegführung und in den herrschenden Sitten und Gebräuchen. Die Fortschritte in der Philosophie, der Volkswirtschaft, der Kriegskunst, im Geschmack und den Sitten sind unstreitig ein fesselnderes Thema als Betrachtungen über Trottel im Purpurgewande, über Gaukler in der Bischofsmütze und jene Unterkönige, die man Minister nennt: von denen nur sehr wenige einen Platz im Andenken der Nachwelt verdienen. Wer aufmerksam in der Geschichte liest, der wird finden, daß dieselben Szenen oft wiederkehren; man braucht nur die Namen der handelnden Personen zu ändern. Hingegen die Entdeckung neuer Wahrheiten zu verfolgen, den Ursachen der Veränderungen in den Sitten nachzuspüren und die Anlässe zur Vertreibung der finsteren<44> Barbarei zu erforschen, die sich der Aufklärung der Geister widersetzte: das sind sicherlich Gegenstände, der Beschäftigung aller denkenden Geister würdig.

Beginnen wir mit der Physik. Sie ist kaum hundert Jahre alt. Descartes gab seine Grundsätze der Physik im Jahre 1644 heraus. Ihm folgte Newton, der die Gesetze der Bewegung und der Schwerkraft entdeckte (1684) und uns die Mechanik des Weltalls mit erstaunlicher Genauigkeit darlegte. Lange nach ihm haben Forscher an Ort und Stelle, in Lappland wie unter dem Äquator, die Wahrheiten bestätigt gefunden44-1, die der große Mann in seinem Studierzimmer vorgeahnt hatte. Seit jener Zeit wissen wir bestimmt, daß die Erde gegen die Pole abgeplattet ist. Newton tat noch mehr. Mit Hilfe seiner Prismen zerlegte er die Lichtstrahlen und fand darin die ursprünglichen Farben (1666 und 1704). Torricelli wog die Luft und fand das Gleichgewicht zwischen der Luftsäule und einer Quecksilbersäule. Ihm verdankt man auch die Erfindung des Barometers (1643). Otto von Guericke erfand zu Magdeburg die Luftpumpe (1650). Bei der Reibung des Bernsteins entdeckte er eine neue Eigenschaft der Natur, die Elektrizität (1672). Dufay stellte Experimente über diese Entdeckung an (1733), die zeigten, daß die Natur unerschöpfliche Geheimnisse birgt. Höchstwahrscheinlich wird man erst nach vielfachen Versuchen über die Elektrizität zu Kenntnissen gelangen, die für die Gesellschaft nützlich sind. Eller goß zwei durchsichtige weiße Flüssigkeiten zusammen und brachte ein dunkelblau gefärbtes Wasser hervor. Er machte Experimente über die Verwandlung der Metalle und über die festen und salpeterhaltigen Bestandteile des Wassers (1746). Lieberkühn hat durch Einspritzungen die feinsten Verästelungen der Adern sichtbar gemacht (1745), deren zartes Gewebe dem Kreislaufe des Blutes dient; er ist der Geograph der organischen Körper. Boerhave entdeckte (1708) nach Ruysch den flüchtigen Saft, der in den Nerven zirkuliert und der nach dem Tode des Menschen verdunstet; das hatte man nie zuvor geahnt. Unstreitig dient dieser Nervensaft dem menschlichen Willen zum Boten, um dessen Befehle mit Gedankenschnelle in den Gliedern zur Ausführung zu bringen. Leeuwenhoek fand (1677) im menschlichen Samen Tierchen, die vielleicht als Fortpflanzungskeime dienen. Leeuwenhoek (1675 und 1703) und Trembley (1742 und 1744) fanden durch ihre Versuche an Polypen, daß diese merkwürdigen Tiere sich in so viel Stücken, als man sie zerlegt, vermehren. Zu zahllosen Forschungen hat die Menschen ihre Wißbegierde getrieben; sie haben erstaunliche Anstrengungen gemacht, um die Urelemente der Natur zu entdecken: umsonst! Sie stehen zwischen zwei Unendlichkeiten, und es scheint festzustehen, daß der Schöpfer der Dinge sich allein ihr Geheimnis vorbehalten hat.

Die vervollkommnete Physik trug die Fackel der Wahrheit in die Finsternisse der Metaphysik. In England erschien ein Weiser, der, von jedem Vorurteil befreit, keinen andern Führer als die Erfahrung anerkannte. Locke löste die Binde des Irr<45>tums ganz, die sein Vorläufer, der skeptische Bayle, schon teilweise gelockert hatte. Nun erschienen in Frankreich die Fontenelle und Voltaire, in Deutschland der berühmte Thomasius, in England ein Hobbes, Collins, Shaftesbury und Bolingbroke. Diese großen Männer und ihre Schüler versetzten der Religion einen tödlichen Schlag. Die Menschen fingen an, zu untersuchen, was sie bisher stumpf angebetet hatten. Die Vernunft stürzte den Aberglauben. Man empfand Ekel über die Märchen, die man geglaubt, und Abscheu gegen die Gotteslästerungen, denen man in frommem Wahne angehangen hatte. Der Deismus, die schlichte Verehrung des höchsten Wesens, gewann zahlreiche Anhänger. Mit dieser Vernunftreligion kehrte die Toleranz ein, und man feindete den Andersdenkenden nicht mehr an. Wenn der Epikuräismus im Heidentum der Abgötterei Abbruch tat, so nicht minder der Deismus in unsern Tagen den jüdischen Hirngespinsten, die unsere Vorfahren gläubig angenommen hatten.

Die Gedankenfreiheit, die England genießt, hatte viel zu den Fortschritten in der Philosophie beigetragen, ganz anders als in Frankreich, wo die Werke die Spuren des Zwanges trugen, den die theologische Zensur ihnen auferlegte. Ein Engländer denkt ganz laut; ein Franzose darf seine Gedanken kaum erraten lassen. Doch entschädigten sich die Franzosen für die fehlende Freiheit, indem sie die Gegenstände des Geschmacks und alles, was zur schönen Literatur gehört, meisterlich behandelten. Durch Feinheit, Anmut und Leichtigkeit kamen sie allem gleich, was die Zeit uns von den Schriften des Altertums an Kostbarem erhalten hat. Wer unparteiisch ist, wird Voltaires „Henriade“ den Gedichten Homers vorziehen. Heinrich IV. ist kein Märchenheld; Gabrielle d'Estrées steht der Prinzessin Nausikaa nicht nach. Die „Ilias“ schildert uns die Sitten von Kanadiern; Voltaire macht seine Personen zu wahren Helden, und seine Dichtung wäre vollkommen, hätte er noch mehr Interesse für Heinrich IV. zu erregen verstanden, indem er ihn in größeren Gefahren zeigte. Boileau kann sich mit Juvenal und Horaz messen; Racine übertrifft alle seine antiken Nebenbuhler. Chaulieu ist bei aller Nachlässigkeit dem Anakreon in einzelnen Stücken sicherlich weit überlegen. Rousseau war in einigen Oden glänzend; und wenn wir gerecht sein wollen, so stehen die Franzosen in der Technik über den Griechen und Römern. Bossuets Beredsamkeit gleicht der des Demosthenes. Fléchier kann für Frankreichs Cicero gelten, ohne die Patru, Cochin und so viele andre berühmte Gerichtsredner zu rechnen. Werke wie Fontenelles „Gespräche über die Mehrheit der Welten“ (1686) und Montesquieus „Persische Briefe“ (1721) waren dem Altertum unbekannt; sie werden auf die späteste Nachwelt kommen. Haben die Franzosen auch dem Thukydides keinen Schriftsteller an die Seite zu stellen, so haben sie doch Bossuets „Abriß der Weltgeschichte“, haben die Werke des kenntnisreichen Präsidenten de Thou, die „Römischen Staatsumwälzungen“ des Abbé de Vertot, ein klassisches Buch, „Größe und Verfall des römischen Reiches“ von Montesquieu (1734), kurz, so viele historische und literarische, volkswirtschaftliche und unterhaltende Werke, daß ihre Aufzählung zu weit führen würde.

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Man wird sich vielleicht wundern, daß die Wissenschaften, die in Frankreich, in England und Italien blühen, in Deutschland nicht den gleichen Glanz entfalten. Die Gründe dafür sind folgende.

Nach Italien gelangten die Wissenschaften aus Griechenland zum zweiten Male, nachdem sie schon am Ende der Republik und in der ersten Kaiserzeit alle gebührende Achtung genossen hatten. Der Boden war also vorbereitet, um sie zu empfangen, und der Schutz der Medici, besonders Leos X., trug viel zu ihren Fortschritten bei.

In England fanden die Wissenschaften leicht Verbreitung, weil die Regierungsform die Mitglieder des Parlaments berechtigt, Reden zu halten. Der Parteigeist selbst trieb zum Studium an. In den Parlamentsreden galt es, alle Regeln der Rhetorik, insbesondere der Dialektik, anzuwenden, um so das Übergewicht über die Gegenpartei zu erlangen. Daher haben die Engländer fast alle klassischen Autoren im Gedächtnis. Sie sind im Griechischen wie im Lateinischen bewandert und besitzen ebenso geschichtliche Kenntnisse. Infolge ihrer finsteren, schweigsamen, hartnäckigen Geistesart haben sie es in der höheren Geometrie weit gebracht.

In Frankreich waren unter Franz I. einige Gelehrte an den Hof gezogen worden. Sie haben gleichsam den Samen des Wissens ausgestreut; aber die folgenden Religionskriege erstickten die aufkeimende Saat, wie ein später Frost die jungen Pflanzen zurückhält. Die Krisis währte bis ans Ende der Regierungszeit Ludwigs XIII., wo der Kardinal Richelieu, später Mazarin und vor allem Ludwig XIV. den Künsten und Wissenschaften glänzenden Schutz gewährten. Die Franzosen waren eifersüchtig auf die Italiener und Spanier, die ihnen auf dieser Bahn zuvorgekommen waren, aber die Natur brachte bei ihnen einige der glänzendsten Geister hervor, die bald ihre Nebenbuhler übertrafen. Die französischen Schriftsteller zeichnen sich besonders durch ihre Technik und durch verfeinerten Geschmack aus.

In Deutschland wurden die Fortschritte in Kunst und Wissenschaft gehemmt durch die Kriege, die von Karl V. bis zum Spanischen Erbfolgekrieg aufeinanderfolgten. Das Volk war elend, die Fürsten arm. Man mußte zuerst daran denken, das Land wiederanzubauen, um sich den unentbehrlichsten Lebensunterhalt zu sichern. Man mußte Manufakturen einführen, um die vorhandenen Rohstoffe zu verwerten. Diese Aufgabe nahm die Nation fast ganz in Anspruch und hinderte sie, sich aus der Barbarei, die ihr noch anhaftete, vollständig zu erheben. Dazu kommt, daß die Künste in Deutschland keinen Mittelpunkt hatten, wie es Rom und Florenz in Italien, Paris in Frankreich und London in England waren. An den Universitäten saßen zwar gelehrte, aber pedantische und schulmeisterliche Professoren; kein Mensch konnte mit diesen ungehobelten Leuten verkehren. Nur zwei Männer ragten durch ihr Genie hervor und machten der Nation Ehre: der große Leibniz und der gelehrte Thomasius. Wolff lasse ich unerwähnt. Er käute Leibnizens System wieder und wiederholte weitschweifig, was jener mit Feuer geschrieben hatte. Die meisten deutschen Gelehrten waren Handwerker, die französischen waren Künstler. Das war der Grund, warum<47> die französischen Werke so allgemein Verbreitung fanden, warum ihre Sprache die lateinische verdrängte und warum jetzt jeder, der französisch versteht, durch ganz Europa ohne Dolmetscher reisen kann. Der allgemeine Gebrauch der fremden Sprache tat der Muttersprache noch mehr Abbruch. Sie blieb nur im Munde des gemeinen Volkes und konnte den feinen Ton nicht erlangen, den jede Sprache nur in der guten Gesellschaft gewinnt. Der Hauptfehler im Deutschen ist der Wortschwall. Man muß ihn eindämmen und würde durch Milderung einiger Wörter von zu hartem Klang das Deutsche auch wohllautender machen. Der Adel studierte nur das öffentliche Recht, besaß aber keinen Sinn für die schöne Literatur und brachte von den Universitäten nur die Pedanterie seiner Lehrer heim. Kandidaten oder Theologen, die Schusters- oder Schneiderssöhne waren, spielten den Mentor dieser Telemache: daraus schließe man, welche Bildung sie zu geben vermochten! Die Deutschen hatten wohl Schauspiele, aber die waren plump oder gar unanständig. Unflätige Hanswürste spielten geistlose Stücke, bei denen jeder Schamhafte errötete. Unsere Armut zwang uns, bei dem Überfluß der Franzosen Hilfe zu suchen, und an den meisten Höfen sah man französische Schauspielertruppen die Meisterwerke Molières und Racines aufführen.

Am erstaunlichsten aber muß für einen Philosophen die Erniedrigung sein, in die das königliche Volk, die weltbeherrschenden Römer herabgesunken sind. Statt daß Konsuln, wie zu Zeiten der Republik, gefangene Könige im Triumph aufführten, erniedrigen sich in unseren Tagen die Nachkommen eines Cato und Ämilius47-1 bis zur Entmannung für die Ehre, auf den Schaubühnen von Fürsten zu singen, auf welche die Zeit der Scipionen mit der gleichen Verachtung herabsah wie wir auf die Irokesen. O tempora! O mores!

In Deutschland waren Opern, Tragödien und Komödien noch vor sechzig Jahren unbekannt. Im Jahre 1740 hatte Deutschland durch das Aufblühen von Handel und Industrie einen Anteil an den Schätzen erlangt, die Westindien alljährlich über Europa ausschüttet. Die neuen Quellen des Wohlstandes hatten die Vergnügungen, die Bequemlichkeiten und wohl auch die Sittenlosigkeit mit sich gebracht, die eine Folge wachsenden Reichtums zu sein pflegen. Alles hatte sich vermehrt: Einwohner, Hausgerät, Bediente, Wagen und Pferde und Tafelluxus. Was man an schöner Baukunst im Norden sieht, stammt ungefähr aus der gleichen Zeit: das Schloß und das Zeughaus in Berlin, die Reichskanzlei und die Kirche des heiligen Karl Borromäus in Wien, das Schloß zu Nymphenburg in Bayern, die Augustusbrücke und der Zwinger in Dresden, das kurfürstliche Schloß in Mannheim, das Schloß des Herzogs von Württemberg in Ludwigsburg. Sind diese Gebäude auch den Bauten von Athen und Rom nicht vergleichbar, so übertreffen sie doch die gotische Baukunst unserer Vorfahren.

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In den früheren Zeiten schienen die deutschen Höfe Tempel zu sein, in denen Bacchanalien gefeiert wurden. Jetzt sind solche Orgien, als der guten Gesellschaft unwürdig, nach Polen verbannt oder Pöbelbelustigungen geworden. Nur noch an einigen geistlichen Höfen muß der Wein die Priester über eine liebenswürdigere Leidenschaft hinwegtrösten, die ihr Stand ihnen verbietet. Früher gab es keinen deutschen Hof, der nicht voller Hofnarren war. Die Plumpheit ihrer Späße ersetzte den mangelnden Witz der Gäste, und man hörte Torheiten an, weil man selbst nichts Gescheites zu sagen wußte. Diese Unsitte, eine ewige Schande für den gesunden Menschenverstand, ist verschwunden und erhält sich nur noch am Hofe Augusts III., des Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen. Das Hofzeremoniell, für den Unverstand unserer Vorfahren noch die Wissenschaft der Fürsten, scheint dem gleichen Schicksal verfallen wie die Hofnarren. Die Etikette erleidet täglich Abbruch, und einige Höfe haben sie ganz abgeschafft. Indes machte Kaiser Karls VI. Hof eine Ausnahme von der Regel; er war ein zu eifriger Anhänger der burgundischen Hofetikette, um sie aufzugeben. Selbst in seiner letzten Krankheit, kurz vor seinem Ende, traf er noch Anordnungen für die Messen und die Sterbegebete wie für die ganze Leichenfeier, ja, er bestimmte sogar die Personen, die sein Herz in einer goldenen Kapsel, ich weiß nicht in welches Kloster tragen sollten. Die Höflinge bewunderten seine Hoheit und Würde; die Verständigen tadelten seinen Stolz, der ihn noch zu überleben schien.

Es verdient hervorgehoben zu werden, daß infolge der Vermehrung des Geldes in Deutschland, das sich gegen früher sicherlich verdreifacht hatte, nicht nur der Luxus sich verdoppelt, sondern auch die Zahl der Truppen, welche sich die Fürsten hielten, entsprechend zugenommen hatte. Kaiser Ferdinand I. hatte kaum 30 000 Mann gehalten: Karl VI. besoldete im Kriege von 1733, ohne seine Völker zu bedrücken, 170 000 Mann. Ludwig XIII. hatte 60 000 Soldaten gehabt: Ludwig XIV. hielt 220 000 Mann, ja im Erbfolgekriege bis zu 360 000 Mann. Seit jener Zeit hatten alle, bis zu den kleinsten deutschen Fürsten, ihr Heer vergrößert. Es geschah aus Nachahmungsgeist. Im Kriege von 1683 hob Ludwig XIV. so viele Truppen aus, als er nur konnte, um ein entscheidendes Übergewicht über seine Gegner zu haben, und nahm nach dem Frieden keine Verringerung vor. Das zwang den Kaiser und die deutschen Fürsten, so viele Soldaten bei der Fahne zu halten, als sie zu bezahlen vermochten, und so ist es denn bis zum heutigen Tage geblieben. Die Kriege wurden dadurch viel kostspieliger. Die Anschaffungen für die Magazine verschlangen ungeheure Summen, da die zahlreiche Reiterei unterhalten und vor Eröffnung des Feldzuges und während der Jahreszeit, wo man nicht fouragieren konnte, in Kantonnementsquartieren versammelt werden mußte.

Die Infanterie des stehenden Heeres wurde durch stete Arbeit an ihrer Vervollkommnung fast von Grund aus umgestaltet. Vor dem Erbfolgekrieg waren die Bataillone zur Hälfte mit Piken, zur Hälfte mit Musketen bewaffnet. Sie standen<49> sechs Reihen tief im Gefecht. Die Piken wurden gegen die Reiterei gebraucht. Die Musketen gaben nur schwaches Feuer; oft versagten auch ihre Lunten. Deshalb führte man andere Waffen ein. Man vertauschte die Piken und Musketen mit Gewehren, die Bajonette trugen, und vereinigte so die furchtbare Wirkung von Feuer und Schwert. Da man die Hauptstärke der Bataillone in das Feuer setzte, so verminderte man nach und nach ihre Tiefe und dehnte sie in die Breite aus. Fürst Leopold von Anhalt, den man einen Kriegsmechanikus nennen kann, führte den eisernen Ladestock ein und stellte die Bataillone in drei Gliedern auf. Der verstorbene König brachte in seine Truppen mit unendlicher Mühe Mannszucht und eine wunderbare Ordnung und in die Bewegungen und Handgriffe eine bis dahin in Europa unbekannte Genauigkeit. Ein preußisches Bataillon wurde zur wandelnden Batterie, deren Feuergeschwindigkeit die Gefechtswirkung verdreifachte, sodaß ein preußisches Bataillon es mit drei feindlichen aufnehmen konnte. Die andern Staaten ahmten die Preußen seither nach, freilich nur unvollkommen.

Karl XII. hatte in seinem Heere zwei Geschütze bei jedem Bataillon eingeführt. In Berlin goß man Kanonen zu 3, 6, 12 und 24 Pfund, leicht genug, um sie mit Menschenarmen zu regieren und sie in der Schlacht mit den Bataillonen, zu denen sie gehörten, vorrücken zu lassen. So viele neue Erfindungen machten ein Kriegsheer zu einer lebendigen Festung, an die jede Annäherung mörderisch und fürchterlich war.

Während des Krieges von 1672 wurden von den Franzosen die transportablen, kupfernen Pontons erfunden. Da es auf diese Art sehr bequem wurde, Brücken zu schlagen, hörten die Flüsse auf, wirkliche Hindernisse zu sein. Auch die Kunst, feste Plätze anzugreifen und zu verteidigen, verdankt man den Franzosen. Besonders Vauban vervollkommnete die Befestigungskunst. Er machte die Werke bestreichbar und schützte sie derart durch ein Glacis, daß, wenn jetzt die Breschebatterien nicht auf dem Kamm des bedeckten Weges angelegt werden, die Kugeln den Mauerkranz, den sie einschießen sollen, nicht erreichen. Seit Vauban hat man gemauerte, doppelte bedeckte Wege eingeführt, und vielleicht hat man sogar zuviel Befestigungsabschnitte angelegt. Vor allem aber hat die Minierkunst die größten Fortschritte gemacht. Man treibt das Minensystem des bedeckten Weges bis auf dreißig Klafter vom Glacis vor. Plätze mit guten Minenanlagen haben Haupt- und Zweigstollen, bis zu drei Stockwerken übereinander. Der Mineur kann ein und denselben Verteidigungspunkt bis zu siebenmal sprengen. Für den Angriff hat man die Druckkugeln erfunden, die, wenn sie gut angelegt sind, alle Minen des Platzes bis auf eine Entfernung von 25 Schritt vom Herde sprengen. In den Minen liegt jetzt die wahre Stärke der Festungen, und durch ihren rechten Gebrauch können die Kommandanten die Dauer der Belagerung am meisten verlängern. Heutzutage lassen sich Festungen nur durch zahlreiches Geschütz erobern. Man rechnet eine Batterie von drei Geschützen, um eine Kanone der Festungswerke zu demontieren; zu dieser Menge Batterien kommen noch die Rikoschettbatterien, welche den Hauptwall bestreichen; und hat man nicht<50> mindestens sechzig Mörser zur Zerstörung der Festungswerke, so wagt man einen festen Platz nicht zu belagern. Die halben Sappen, die ganzen Sappen, die flüchtigen Sappen, die Waffenplätze50-1 und die Laufgrabenreiter, alles das sind neue Erfindungen, die beim Angriff dazu dienen, Menschen zu sparen und die Übergabe der Festungen zu beschleunigen.

Unser Jahrhundert hat die Leichtbewaffneten wieder aufleben sehen: die Panduren bei den Österreichern, die Legionen bei den Franzosen, die Freibataillone bei uns50-2, ferner die Husaren50-3, die aus Ungarn stammen, aber bei allen anderen Heeren nachgeahmt sind, und die jene zur Römerzeit so berühmte numidische und parthische Reiterei ersetzen. Die Heere der Alten kannten keine Uniformen; es sind noch nicht hundert Jahre her, daß sie allgemein eingeführt worden sind.

Auch das Seewesen hat große Fortschritte gemacht, sowohl im Schiffsbau wie in der Steuerkunst. Allein dieser Gegenstand ist so umfangreich, daß ich ihn verlasse, um nicht allzu weit abzuschweifen.

Aus allem, was wir von den Fortschritten der Künste und Wissenschaften in Europa berichtet haben, ergibt sich, daß die nordischen Länder seit dem Dreißigjährigen Kriege es sehr viel weiter gebracht haben. Damals genoß Frankreich den Vorrang in allem, was zu den schönen Wissenschaften und zu den Dingen des guten Geschmacks gehört, die Engländer in der Mathematik und Metaphysik, die Deutschen in der Chemie, der Experimentalphysik und Gelehrsamkeit, die Italiener begannen zu sinken, aber Polen, Rußland, Schweden und Dänemark waren im Vergleich zu den kultiviertesten Völkern noch um hundert Jahre zurück.

Was vielleicht unsre Aufmerksamkeit am meisten verdient, ist die veränderte Machtstellung der Staaten seit 1640. Wir sehen einige aufsteigen; andre beharren sozusagen unbeweglich in der gleichen Lage; wieder andre geraten in Verfall, und es droht ihnen der Untergang.

Schweden stand unter Gustav Adolf im höchsten Glanze. Es diktierte in Gemeinschaft mit Frankreich den Westfälischen Frieden. Unter Karl XII. besiegte es die Dänen, die Russen und verfügte eine Zeitlang über den polnischen Thron. Es scheint, daß diese Macht damals alle ihre Kräfte zusammenraffte, um wie ein Komet mit großem Glanz zu erscheinen und sich dann in den unendlichen Raum zu verlieren. Seine Feinde zerstückelten es und entrissen ihm Esthland, Livland, die Fürstentümer Bremen und Verden und einen großen Teil Pommerns.

Schwedens Fall war die Epoche der Erhebung Rußlands. Diese Macht schien aus dem Nichts emporzutauchen, um auf einmal gewaltig dazustehen und bald nachher in die Reihe der gefürchtetesten Mächte zu treten. Man könnte auf Peter I. das<51> Wort anwenden, das Homer51-1 von Okeanos sagt: „Mit drei Schritten war er am Ende der Welt.“ In der Tat: Schweden demütigen, Polen hintereinander mehrere Könige geben, die Hohe Pforte erniedrigen und Truppen ausschicken, um die Franzosen an ihren eignen Grenzen zu schlagen — das heißt wirklich, bis ans Ende der Welt gehen! Ebenso sah man das Haus Brandenburg die Bank der Kurfürsten verlassen, um seinen Platz unter den Königen einzunehmen. Im Dreißigjährigen Kriege hatte es gar keine Rolle gespielt; aber der Westfälische Friede brachte ihm Provinzen, die durch gute Verwaltung reich wurden. Der Friede und eine weise Regierung schufen hier eine aufstrebende Macht, die in Europa zuvor fast unbekannt war, weil sie im stillen arbeitete und ihre Fortschritte nicht plötzlich, sondern das Werk der Zeit waren. Man war schier verblüfft, als Brandenburg seine Kräfte zu entwickeln begann.

Frankreichs Gebietserweiterungen, die es sowohl seinen Waffen wie seiner Staatskunst verdankte, kamen rascher und waren ansehnlicher. Die Besitzungen Ludwigs XV. waren um ein Drittel größer als die Ludwigs XIII. Die Freigrafschaft Burgund, Elsaß-Lothringen, sowie ein Teil von Flandern waren dem Königreiche einverleibt und gaben ihm eine sehr viel größere Macht als in der Vergangenheit. Dazu kam vor allem, daß Spanien von einem Zweige des Hauses Bourbon beherrscht wurde, wodurch Frankreich für geraume Zeit von den Diversionen befreit war, die es von den spanischen Königen aus der österreichischen Linie stets zu besorgen gehabt hatte. Es kann jetzt also seine gesamten Kräfte ungehindert gegen jeden seiner Nachbarn wenden.

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England hat sich seinerseits auch nicht vergessen. Gibraltar und Port-Mahon sind für ein Handelsvolk wichtige Erwerbungen52-1. Durch alle Arten von Handel haben sich die Engländer erstaunlich bereichert, und vielleicht ist auch das ihrer Herrschaft unterworfene Kurfürstentum Hannover nicht ohne Nutzen für sie, weil es ihnen Einfluß auf die deutschen Angelegenheiten verschafft, an denen sie früher gar keinen Anteil hatten. Man glaubt allgemein, daß die englische Nation jetzt einen Teil ihrer alten Freiheit dadurch eingebüßt habe, daß sie für Bestechungen zugänglich geworden ist. Wenigstens ist England ruhiger geworden.

Auch das Haus Savoyen hat sich nicht vergessen. Es hat Sardinien und die Königswürde erlangt52-2, hat ein Stück vom Herzogtum Mailand abgerissen, und die Politiker sehen in ihm einen Krebs, der an der Lombardei nagt.

Spanien hatte den Infamen Don Carlos in das Königreich Neapel eingesetzt52-3. Er war ein rechter Despot und behauptete sich bei seiner eigenen Schwäche nur durch den Schutz der Monarchie, mit der er blutsverwandt war und der er den Thron verdankte.

Das Haus Österreich erfreute sich solcher Fortschritte nicht. Zwar hatte der Spanische Erbfolgekrieg Kaiser Karl VI. zu einem der mächtigsten Fürsten in Europa gemacht; aber der Neid seiner Nachbarn entriß ihm bald wieder einen Teil seiner Erwerbungen, sodaß er auf das Niveau seiner Vorfahren zurücksank. Seitdem das Geschlecht Karls V. in Spanien erloschen war (1700), hatte das Haus Österreich erst Spanien verloren, das in die Hände der Bourbonen kam, sowie einen Teil von Flandern, darauf das Königreich Neapel und einen Teil der Lombardei. Es blieben Karl dem Sechsten aus Karls II.52-4 Erbschaft also nur ein paar Städte in Flandern und ein Teil des Herzogtums Mailand. Auch entrissen ihm die Türken Serbien und einen Teil der Walachei, welche ihnen im Frieden von Belgrad (1739) abgetreten wurden. Der einzige Gewinn des Hauses Österreich war die Entstehung eines Vorurteils, das im Reiche, in England und Holland, ja selbst in Dänemark ziemlich verbreitet ist: daß nämlich die Freiheit Europas an das Schicksal dieses Hauses geknüpft sei.

Portugal, Holland, Dänemark und Polen waren geblieben, was sie waren; sie hatten nichts gewonnen und nichts verloren.

Unter all diesen Mächten besaßen Frankreich und England ein entschiedenes Übergewicht, Frankreich durch seine Landmacht und seine großen Hilfsquellen, England durch seine Flotten und die im Handel erworbenen Reichtümer. Beide Mächte waren Nebenbuhler und eifersüchtig auf ihre Vergrößerung; sie wollten die Wage in Europa halten und betrachteten sich als die Häupter zweier Parteien, an welche die Könige und Fürsten sich anschließen mußten. Zu dem alten Hasse gegen England gesellte Frankreich noch eine gleiche Feindschaft gegen das Haus Österreich:<53> eine Folge der fortwährenden Kriege, die zwischen beiden Mächten seit dem Tode Karls des Kühnen von Burgund (1477) geführt worden waren. Frankreich hätte Flandern und Brabant gern in seine Gewalt bekommen und seine Grenzen bis an die Ufer des Rheins ausgedehnt. Ein solcher Plan ließ sich aber nicht von heute auf morgen ausführen; die Zeit mußte ihn reifen, und die Umstände mußten ihn begünstigen. Die Franzosen wollen ihre Feinde besiegen, um ihnen Länder abzunehmen, die Engländer die fremden Fürsten durch Kauf zu ihren Sklaven machen. Alle beide aber suchen die Öffentlichkeit mit falschen Vorspiegelungen zu täuschen, um die Augen der Welt von ihrem eigenen Ehrgeiz abzulenken.

Spanien und Österreich waren sich an Kräften ungefähr gleich. Spanien konnte nur mit Portugal Krieg anfangen oder in Italien mit dem Kaiser. Der Kaiser aber konnte Krieg nach allen Seiten führen. Er hatte mehr Untertanen als Spanien, und durch diplomatische Schachzüge konnte er seine Macht um die des Deutschen Reiches vermehren. Spanien besaß mehr Hilfsquellen in seinen Reichtümern, Österreich gar keine, und soviel Steuern es seinen Völkern auch auferlegen mochte, so bedurfte es doch fremder Subsidien, um seine Truppen ein paar Jahre im Felde zu halten. Damals war es durch den Türkenkrieg erschöpft und mit den Schulden aus diesem Kriege überlastet.

Holland war zwar reich, mischte sich aber in keinen ausländischen Krieg ein, wenn nicht die Not es zwang, seine Grenze gegen Frankreich zu verteidigen. Hollands ganzes Bestreben ging dahin, jede Möglichkeit zur Wahl eines neuen Statthalters fernzuhalten53-1.

Preußen, nicht so stark wie Spanien und Österreich, konnte dennoch hinter diesen in der Reihe der Mächte figurieren, wenn es sich ihnen auch nicht gleichzustellen vermochte. Die Staatseinkünfte überstiegen, wie gesagt, nicht sieben Millionen Taler. Seine Provinzen, durch das Elend des Dreißigjährigen Krieges verarmt und zurückgeblieben, waren nicht imstande, dem Herrscher Hilfsquellen zu bieten; die einzigen, die er hatte, waren seine Ersparnisse. Der verstorbene König hatte einen Schatz angelegt, der zwar nicht sehr bedeutend war, im Notfalle jedoch hinreichte, um eine gute Gelegenheit auszunutzen. Aber Klugheit in der Führung der Geschäfte war nötig. Die Kriege durften nicht in die Länge gezogen werden, vielmehr mußte man seine Pläne rasch ausführen.

Das Mißlichste war die unregelmäßige Gestalt des Staates. Schmale und gleichsam verstreute Provinzen erstreckten sich von Kurland bis nach Brabant. Durch diese Zerrissenheit hatte das Land zwar viele Nachbarn, aber keine innere Festigkeit und war weit mehr Feinden ausgesetzt, als wenn es abgerundet gewesen wäre. Preußen konnte damals nur dann etwas unternehmen, wenn es sich auf Frankreich oder England stützte. Mit den Franzosen im Bunde konnte man sein Glück machen, denn<54> ihnen lag ihr Ruhm und die Erniedrigung des Hauses Österreich sehr am Herzen. Von England konnte man nur Subsidien beziehen, die es zahlte, um sich fremder Kräfte zum eignen Vorteil zu bedienen54-1.

Rußland hatte damals in der europäischen Politik noch zu wenig Gewicht, um durch seinen Beitritt das Übergewicht einer Partei zu entscheiden. Sein Einfluß erstreckte sich vorerst nur auf seine Nachbarn, Schweden und Polen.

Was die Türken betrifft, so galt es damals als politische Regel, daß, wenn die Franzosen sie gegen Österreich oder Rußland aufwiegelten, diese beiden Mächte sich an Thamas-Chouli-Kan wandten, der sie durch eine Diversion gegen die Pforte von aller Gefahr auf dieser Seite befreite.

Was hier angeführt wurde, war der gewöhnliche Gang der Politik. Freilich gab es hin und wieder Ausnahmen von der Regel. Doch wir halten uns hier nur an den durchschnittlichen Verlauf und an das, was eine gesunde Politik der Mächte erheischte.

Europas ganzes Interesse war damals auf die Erbfolge im Hause Österreich gerichtet, die nach dem Tode Kaiser Karls VI., des letzten Habsburgers im Mannesstamm, zur Entscheidung kommen mußte. Um der Zerstückelung der Monarchie vorzubeugen, hatte Karl VI., wie gesagt, ein Hausgesetz unter dem Namen der „Pragmatischen Sanktion“ erlassen, das seine Erbschaft für seine Tochter Maria Theresia sicherstellen sollte: Frankreich, England, Holland, Sardinien, Sachsen und das Deutsche Reich hatten diese Pragmatische Sanktion garantiert. Auch der verstorbene König Friedrich Wilhelm hatte sie verbürgt, unter der Bedingung, daß der Wiener Hof ihm die Erbfolge in Jülich und Berg gewährleistete. Der Kaiser sagte ihm das zu, hielt aber sein Versprechen nicht54-2, sodaß also der König von der Garantie der Pragmatischen Sanktion entbunden war, die sein Vater bedingungsweise übernommen hatte.

Auf die Erbfolge in den Herzogtümern Jülich und Berg54-3, die im Jahre 1740 nahe zu sein schien, war damals das Hauptaugenmerk der Politik des Hauses Brandenburg gerichtet. Friedrich Wilhelm hatte sich im Gefühl seines nahen Endes in kein Bündnis eingelassen, um seinem Nachfolger freie Hand zu lassen, welche Verbindungen er je nach Umständen und Gelegenheit eingehen wollte. Nach dem Tode des Königs knüpfte der Berliner Hof Unterhandlungen in Wien, Paris und London an, um zu ergründen, welche von diesen Mächten seinen Interessen am geneigtesten wäre. Er fand sie alle gleich kühl. Denn nur dann verständigt man sich und kommen Allianzen zum Abschluß, wenn gegenseitige Bedürfnisse das einigende Band bilden. Es lag aber Europa wenig daran, ob der König oder irgendein andrer Fürst das Her<55>zogtum Berg erhielt. Frankreich willigte zwar ein, daß der König einen Streifen des Herzogtums Berg bekäme; allein das war zu wenig, um das Verlangen eines jungen, ehrgeizigen Königs zu befriedigen, der alles oder nichts wollte. Zu betonen ist namentlich, daß Kaiser Karl VI. sich nicht mit einer einmaligen Garantie für das Herzogtum Berg begnügt, sondern dessen Besitz auch dem König von Polen und Kurfürsten von Sachsen zugesagt, ja ein ganz ähnliches Versprechen durch den Gesandten Fürsten Liechtenstein zu Paris auch dem Pfalzgrafen von Sulzbach, dem Erben des Kurfürsten von der Pfalz, gegeben hatte. Sollte man sich zum Opfer der Falschheit des Wiener Hofes machen? Sollte man sich mit dem Streifen des Herzogtums Berg begnügen, dessen Besetzung Frankreich gestattete? Oder sollte man zu den Waffen greifen, um sein Recht selbst zu verfechten?

In dieser Krisis beschloß der König, sich mit Aufbietung aller seiner Hilfsmittel eine furchtgebietende Haltung zu geben, und das führte er ungesäumt aus. Mit weiser Sparsamkeit errichtete er fünfzehn neue Bataillone, und in dieser Stellung wartete er die Ereignisse ab, die das Schicksal ihm darbieten würde, um sich selbst das Recht zu verschaffen, das andre ihm verweigerten.

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2. Kapitel

Gründe zum Kriege gegen die Königin von Ungarn nach dem Tode Kaiser Karls VI. Winterfeldzug in Schlesien 1740.

Die Erwerbung des Herzogtums Berg war sehr schwierig auszuführen. Um sich einen deutlichen Begriff davon zu machen, muß man sich genau in die damalige Lage des Königs versetzen. Er konnte kaum 60 000 Mann ins Feld stellen, und an Hilfsquellen zur Unterstützung seiner Unternehmungen hatte er nichts als den Schatz, den der verstorbene König hinterlassen hatte. Wollte er die Eroberung des Herzogtums Berg wagen, so mußte er alle seine Truppen dazu verwenden, weil er mit einem starken Gegner zu rechnen hatte. Er mußte Frankreich bekämpfen und zugleich die Stadt Düsseldorf einnehmen. Schon die Übermacht Frankreichs reichte hin, um ihn von dieser Unternehmung abzuhalten, hätten ihm auch von andrer Seite nicht ebenso ansehnliche Hindernisse im Wege gestanden. Denn auch das Haus Sachsen erhob die gleichen pfälzischen Erbansprüche, und Hannover war eifersüchtig auf Brandenburg. Rückte der König unter diesen Umständen mit seiner ganzen Macht an den Rhein, so setzte er seine von Truppen entblößten Erblande einem Einfall der Sachsen und der Hannoveraner aus, die eine solche Diversion gewiß nicht unterlassen hätten. Wollte er aber einen Teil seines Heeres in der Kurmark zurücklassen, um seine Staaten gegen die Anschläge seiner Nachbarn zu decken, so wäre er auf beiden Seiten zu schwach gewesen. Frankreich hatte die pfälzische Erbfolge im Jahre 1733 dem Pfalzgrafen von Sulzbach verbürgt, um während seines Krieges am<57> Rheine der Neutralität des alten Kurfürsten sicher zu sein. Diese Garantie hätte den König nun zwar nicht abgehalten, denn gewöhnlich werden solche Zusagen ebenso rasch gegeben wie gebrochen. Aber Frankreichs Vorteil verlangte schwache Nachbarn an den Ufern des Rheins und keine mächtigen, widerstandsfähigen Fürsten. Fast zur selben Zeit erhielt Graf Seckendorff, der auf der Festung Graz gefangen saß, seine Freiheit unter der Bedingung wieder, daß er dem Kaiser sämtliche Befehle einhändigte, durch die dieser ihn ermächtigt hatte, dem verstorbenen König von Preußen die feierlichsten Zusicherungen zur Unterstützung der preußischen Ansprüche auf die Erbfolge in den Herzogtümern Jülich und Berg zu geben57-1.

Diese Darstellung zeigt, wie ungünstig die Umstände für das Haus Brandenburg lagen. Das bestimmte den König auch, sich an das provisorische Abkommen zu halten, das sein Vater mit Frankreich geschlossen hatte57-2. Aber wenn auch so triftige Gründe die Ruhmbegierde des Königs zügelten, so reizten ihn andre, nicht minder starke Beweggründe, beim Antritt seiner Regierung Beweise von Kraft und Entschlossenheit zu geben, um seinem Volke Achtung in Europa zu verschaffen. Allen guten Patrioten blutete das Herz wegen der geringen Rücksicht, welche die Mächte dem verstorbenen König besonders in seinen letzten Regierungsjahren bezeigt hatten, und wegen der Kränkungen, denen der preußische Name in der Welt ausgesetzt war. Gerade das hatte großen Einfluß auf das Vorgehen des Königs, und wir halten uns für verpflichtet, einiges Licht darüber zu verbreiten.

Die weise und vorsichtige Zurückhaltung war dem verstorbenen König als Schwäche ausgelegt worden. Im Jahre 1729 hatte er wegen einiger Kleinigkeiten einen Streit mit den Hannoveranern, der aber gütlich beigelegt wurde57-3. Kurz daraufkam es mit den Holländern zu ebenso unbedeutenden Zwistigkeiten, die gleichfalls eine friedliche Lösung fanden. Aus diesen beiden Beispielen der Mäßigung schlossen die Nachbarn und Neider, daß man den König ungestraft beleidigen könnte, daß er statt wirklicher Macht nur eine Scheinmacht, an Stelle erfahrener Offiziere nur Exerziermeister und statt tapfrer Soldaten nur Söldlinge hätte, die dem Staate wenig anhänglich wären, und daß er selbst den Hahn stets nur spannte, aber nie losdrückte. Die Welt, in ihren Urteilen oberflächlich und leichtsinnig, glaubte solches Gerede, und diese schmählichen Vorurteile verbreiteten sich rasch durch ganz Europa. Der Ruhm, nach dem der verstorbene König trachtete, war gerechter als der Ruhm der Eroberer. Sein Ziel war, sein Land glücklich zu machen, sein Heer zu disziplinieren und seine Finanzen mit Ordnung und weisester Sparsamkeit zu verwalten. Er vermied den Krieg, um nicht von so schönen Unternehmungen abgelenkt zu werden, und erhob sich so in der Stille zur Macht, ohne den Neid der Fürsten zu erregen. In seinen letzten Lebensjahren hatten körperliche Gebrechen seine Gesundheit völlig zerrüttet, und sein Ehrgeiz hätte<58> es nie zugelassen, seine Heere andern Händen als den seinen anzuvertrauen. Unter solchen Umständen war seine Regierung glücklich und friedlich gewesen.

Wäre die Meinung, die man von dem König hatte, nur ein Rechenfehler gewesen, die Welt wäre von ihrem Irrtum früher oder später bekehrt worden. Aber die Fürsten urteilten so ungünstig über seinen Charakter, daß seine Verbündeten auf ihn nicht mehr Rücksicht nahmen als seine Feinde. Ein Beweis dafür ist folgendes. Der Wiener und der russische Hof kamen mit dem verstorbenen König überein (1732), einen Prinzen von Portugal auf den polnischen Thron zu setzen. Plötzlich ließen sie das Projekt fallen und erklärten sich für den Kurfürsten August von Sachsen, hielten es aber für unter ihrer Würde, den König auch nur davon zu benachrichtigen. Kaiser Karl VI. hatte unter gewissen Bedingungen ein Hilfskorps von 10 000 Mann erhalten, das der verstorbene König im Jahre 1734 an den Rhein gegen die Franzosen sandte. Aber der Kaiser setzte sich selbst über seine ärmlichen Verpflichtungen hinweg. König Georg II. von England nannte den König „seinen Bruder Korporal“, hieß ihn den „König der Landstraßen und des römischen Reiches Erzsand streuer“. Das ganze Benehmen Georgs trug das Gepräge tiefster Verachtung. Die preußischen Offiziere, die auf Grund der Vorrechte der Kurfürsten in den Reichsstädten Soldaten anwarben, waren tausend Beschimpfungen ausgesetzt. Man nahm sie gefangen, schleppte sie in die Kerker zu den schlimmsten Verbrechern. Kurz, diese Übergriffe steigerten sich ins Unerträgliche. Ein armseliger Bischof von Lüttich suchte seine Ehre darin, den König zu kränken. Einige Untertanen der Herrschaft Herstall, die zu Preußen gehört, hatten sich aufgelehnt. Der Bischof nahm sie in Schutz58-1. Der König sandte den Obersten Kreytzen mit Vollmacht und Beglaubigungsschreiben nach Lüttich, um die Sache beizulegen. Aber der Herr Bischof dachte gar nicht daran, ihn zu empfangen. Drei Tage hintereinander sah er den Gesandten in den Hof seines Palastes kommen, und jedesmal versagte er ihm den Eintritt.

Dieses Geschehnis und noch viele andre, die ich der Kürze halber übergehe, zeigten dem König, daß ein Fürst sich selbst und vor allem seinem Volke Respekt verschaffen muß, daß die Mäßigung eine Tugend ist, die Staatsmänner in dieser verderbten Zeit nicht immer streng ausüben können, und daß es beim Thronwechsel nötiger war, Beweise von Entschlossenheit als von Sanftmut zu geben.

Um nun alles zusammenzufassen, was das Feuer eines jungen, eben auf den Thron gelangten Fürsten anfachen konnte, so sei noch hinzugefügt, daß Friedrich I., als er Preußen zum Königreich erhob, durch diese eitle Größe einen Keim des Ehrgeizes in seine Nachkommen legte, der früher oder später Früchte tragen mußte. Die Monarchie, die er seinen Nachkommen hinterließ, hatte, wenn ich mich so ausdrücken darf, etwas von einem Zwitterwesen an sich; sie glich mehr einem Kurfürstentum als<59> einem Königreiche. Es war ehrenvoll, diesem Zwitterzustand ein Ende zu machen, und das war sicherlich einer der Beweggründe des Königs bei den großen Unternehmungen, zu denen so vieles ihn reizte.

Hätten sich auch der Erwerbung des Herzogtums Berg nicht schier unüberwindliche Hindernisse entgegengestellt, so war der Gegenstand doch so gering, daß das Haus Brandenburg nur sehr wenig Gebietszuwachs gewonnen hätte. Dieser Gedanke lenkte den Blick des Königs auf das Haus Österreich. Nach dem Tode des Kaisers war die österreichische Erbschaft umstritten und der Kaiserthron ledig. Das war natürlich ein überaus günstiges Zusammentreffen wegen der wichtigen Rolle, die der König in Deutschland spielte, wegen der verschiedenen Ansprüche des sächsischen und bayrischen Hauses auf die österreichischen Erblande, wegen der Menge der Bewerber, die sich zur Kaiserkrone melden würden, und schließlich wegen der Politik des Versailler Hofes, der diese Gelegenheit natürlich ergreifen mußte, um aus den Wirren, deren Ausbruch nach dem Tode Kaiser Karls VI. unausbleiblich war, seinen Vorteil zu ziehen.

Dieses Ereignis ließ nicht lange auf sich warten. Kaiser Karl VI. beschloß sein Leben auf seinem Lustschloß Favorita am 26. Oktober 174059-1. Die Nachricht kam nach Rheinsberg, als der König dort am viertägigen Fieber krank lag. Die Ärzte, in alte Vorurteile verrannt, wollten ihm kein Chinin geben. Er nahm es gegen ihren Willen, denn er hatte Wichtigeres vor, als seine Genesung abzuwarten. Unverzüglich entschloß er sich, die schlesischen Fürstentümer, auf die sein Haus unbestreitbare Ansprüche hatte, zurückzufordern, und zugleich rüstete er sich, um seine Ansprüche, wenn es sein mußte, mit Waffengewalt durchzusetzen. Dieser Plan erfüllte ihn ganz und gar. Das war der Weg, sich Ruhm zu erwerben, die Macht des Staates zu vergrößern und die strittige Erbfolge im Herzogtum Berg zu erledigen. Jedoch bevor der König sich völlig entschloß, wog er erst ab, welche Gefahren bei dem Wagnis eines solchen Krieges drohten, und andrerseits, welche Vorteile davon zu erhoffen waren.

Auf der einen Seite stand das mächtige Haus Österreich, dem es bei seinem ausgedehnten Länderbesitz nicht an Hilfsquellen fehlen konnte; eine Kaisertochter, die, wenn sie angegriffen wurde, im König von England, in der Republik Holland, sowie in der Mehrzahl der Reichsfürsten, die sich alle für die Pragmatische Sanktion verbürgt hatten, Verbündete finden mußte. Der Herzog von Kurland, der damals Rußland regierte, stand im Solde des Wiener Hofes. Zudem konnte die junge Königin von Ungarn Sachsen an sich fesseln, wenn sie ihm ein paar Kreise von Böhmen abtrat. Was schließlich die Einzelheiten der Ausführung betraf, so mußte die Mißernte des Jahres 1740 die Errichtung von Magazinen und die Verpflegung der Truppen als kaum durchführbar erscheinen lassen. Die Gefahren waren groß. Die Unbeständigkeit des Waffenglücks war zu fürchten. Eine verlorene Schlacht konnte alles entscheiden. Der König hatte keine Bundesgenossen und konnte den alten, unter den<60> Waffen ergrauten österreichischen Soldaten, die in so vielen Feldzügen erprobt waren, nur unerfahrene Truppen entgegenstellen.

Andrerseits belebten zahlreiche Erwägungen die Hoffnungen des Königs. Der Wiener Hof befand sich nach des Kaisers Tode in der mißlichsten Lage. Die Finanzen waren in Unordnung, das Heer zerrüttet und mutlos geworden durch die Mißerfolge im Türkenkriege. Das Ministerium war uneins. Dazu denke man sich an der Spitze der Regierung eine junge unerfahrene Fürstin, die eine streitige Erbschaft verteidigen soll, und es ergibt sich leicht, daß diese Regierung nicht als furchtbar erscheinen konnte. Ferner war es unmöglich, daß der König keine Bundesgenossen fand. Die Eifersucht, die zwischen Frankreich und England herrschte, sicherte dem König notwendig eine dieser beiden Mächte. Außerdem mußten alle Bewerber um die Erbschaft des Hauses Österreich ihr Interesse mit dem seinen verknüpfen. Der König hatte eine Stimme zur Kaiserwahl zu vergeben. Er konnte sich bezüglich seiner Ansprüche auf das Herzogtum Berg entweder mit Frankreich oder mit Österreich vergleichen. Endlich war der Krieg, den er in Schlesien führen konnte, die einzige Art von Offensive, welche die Lage seiner Staaten begünstigte, weil er hier nahe an seinen Landesgrenzen blieb und durch die Oder eine stets sichere Verbindung behielt.

Vollends zu seiner Unternehmung bestimmt wurde der König durch den Tod der Kaiserin Anna von Rußland60-1, die bald nach dem Ableben des Kaisers starb. Die russische Krone fiel an den jungen Großfürsten Iwan, den Sohn einer mecklenburgischen Prinzessin und des Prinzen Anton Ulrich von Braunschweig, eines Schwagers des Königs von Preußen60-2. Aller Wahrscheinlichkeit nach mußte Rußland während der Minderjährigkeit des jungen Zaren mehr mit der Erhaltung der Ruhe im eignen Lande beschäftigt sein als mit der Pragmatischen Sanktion, die in Deutschland jedenfalls Unruhen hervorrufen mußte.

Hierzu kam ein schlagfertiges Heer, ein wohlgefüllter Kriegsschatz und vielleicht auch der Drang, sich einen Namen zu machen. Dies alles bewog den König von Preußen zu dem Kriege, den er an Maria Theresia von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen, erklärte.

Es schien eine Zelt der Veränderungen und Umwälzungen zu sein. Die Prinzessin von Mecklenburg-Braunschweig, die Mutter des Zaren Iwan, befand sich samt ihrem Sohne unter der Vormundschaft des Herzogs Biron von Kurland, dem die Kaiserin Anna auf ihrem Totenbette die Verwaltung des Reiches übertragen hatte. Allein die Prinzessin hielt es ihres Standes für unwürdig, einem andern zu gehorchen. Sie meinte als Mutter mehr Anrecht auf die Vormundschaft zu haben als Biron, der weder Russe noch Verwandter des Kaisers war. Geschickt nutzte sie den Ehrgeiz des Marschalls Münnich aus. Biron wurde gefangen gesetzt, dann tief nach Sibirien verbannt, und die Prinzessin von Mecklenburg bemächtigte sich der Regierung. Dieser <61>Umschwung schien vorteilhaft für Preußen; denn Biron, Preußens Feind, war verbannt, und der Gatte der Regentin, Anton Ulrich von Braunschweig, war des Königs Schwager. Aber die mecklenburgische Prinzessin hatte neben ihrem Verstande alle Launen und Fehler einer schlecht erzogenen Frau, und ihr Gatte war schwach, geistlos und besaß keinen andern Vorzug als instinktive Tapferkeit. Münnich, das Werkzeug ihrer Erhebung und Rußlands Heros, hatte zugleich die kaiserliche Macht in Händen. Der König von Preußen schickte Winterfeldt als Gesandten nach Rußland, angeblich, um den Prinzen von Braunschweig und seine Gemahlin zu dem guten Ausgang des Unternehmens zu beglückwünschen. Doch die wahre Ursache und der geheime Zweck dieser Sendung war, Münnich, Winterfeldts Schwiegervater, zu gewinnen und ihn für die Absichten, an deren Ausführung man gehen wollte, günstig zustimmen. Dies gelang Winterfeldt so gut, wie man es nur wünschen konnte.

Trotzdem man in Berlin alle Vorsicht anwandte, um die geplante Unternehmung geheimzuhalten, war es doch nicht möglich, Magazine anzulegen, Geschütze bereitzustellen und Truppen in Marsch zu setzen, ohne daß es gemerkt wurde. Das Publikum ahnte bereits, daß etwas vorging. Demeradt, der Kaiserliche Gesandte zu Berlin, schrieb warnend an seinen Hof, daß ein Gewitter im Anzuge sei, das sich sehr wohl gegen Schlesien entladen könnte. Der Staatsrat der Königin antwortete ihm aus Wien: „Wir wollen und können den von Euch gemeldeten Nachrichten keinen Glauben beimessen.“ Gleichwohl sandte man den Marchese Botta nach Berlin, um dem König zu seiner Thronbesteigung zu gratulieren, aber mehr noch, um zu erforschen, ob Demeradt nur blinden Lärm geschlagen hatte. Der Marchese Botta war schlau und scharfsinnig. Er merkte sofort, um was es sich handelte. Nachdem er in seiner Antrittsaudienz61-1 die üblichen Komplimente gemacht hatte, sprach er von den Unbequemlichkeiten der zurückgelegten Reise und erwähnte besonders die schlechten Wege in Schlesien, die durch Überschwemmungen so verdorben seien, daß man nicht durchkommen könnte. Der König tat, als verstände er das nicht, und antwortete, das Schlimmste, was den Reisenden auf solchen Wegen zustoßen könne, sei, sich zu beschmutzen.

So fest auch der König entschlossen war, den gefaßten Plan durchzuführen, so hielt er es doch für richtig, Versuche zum gütlichen Vergleich beim Wiener Hofe zu machen. Zu diesem Zwecke schickte er den Grafen Gotter nach Wien. Der sollte der Königin von Ungarn erklären: falls sie des Königs Ansprüche auf Schlesien anerkennen wolle, so biete er ihr nicht nur seinen Beistand gegen alle offenen und versteckten Feinde an, welche das Erbe Karls VI. zerstückeln wollten, sondern auch seine Stimme bei der Kaiserwahl für den Großherzog von Toskana. Da vorauszusehen war, daß dieses Anerbieten zurückgewiesen würde, so war Graf Gotter für diesen Fall ermächtigt, der Königin von Ungarn den Krieg zu erklären. Die Armee war flinker als der Ge<62>sandte. Sie rückte, wie man nachher sehen wird, zwei Tage eher in Schlesien ein, als Graf Gotter in Wien anlangte.

Zwanzig Bataillone und sechsunddreißig Schwadronen wurden gegen die schlesische Grenze in Bewegung gesetzt62-1; sechs Bataillone sollten nachfolgen, um die Festung Glogau einzuschließen. So schwach dieses Heer war, so schien es doch stark genug, um sich eines unverteidigten Landes zu bemächtigen. Auch gewann man dadurch den Vorteil, Magazine für den nächsten Frühling anlegen zu können, die eine größere Truppenzahl während des Winters aufgezehrt hätte. Bevor der König zum Heere abreiste, gab er dem Marchese Botta noch eine Audienz62-2 und sagte ihm das gleiche, was Graf Gotter in Wien erklären sollte. Botta rief aus: „Sire, Sie werden das Haus Österreich zugrunde richten, und sich selbst stürzen Sie mit in das Verderben.“ Der König erwiderte: „Es hängt nur von der Königin ab, die ihr gemachten Vorschläge anzunehmen.“ Da wurde der Marchese nachdenklich, faßte sich aber wieder und sagte, von neuem das Wort ergreifend, in ironischem Ton und mit spöttischer Miene: „Ihre Truppen sind schön, Sire, das gestehe ich. Unsere sehen nicht so schmuck aus, aber sie haben Pulver gerochen. Ich beschwöre Sie, bedenken Sie, was<63> Sie tun wollen.“ Der König ward ungeduldig und versetzte lebhaft: „Sie finden meine Truppen schön; bald sollen Sie zugeben, daß sie auch gut sind.“ Der Marchese versuchte noch einige Vorstellungen, um die Ausführung des Vorhabens aufzuhalten. Aber der König machte ihm begreiflich, daß es zu spät sei und daß er den Rubikon schon überschritten habe.

Da das ganze Projekt auf Schlesien jetzt bekannt wurde, so verursachte die kühne Unternehmung eine sonderbare Gärung in den Gemütern. Die schwachen und furchtsamen Seelen prophezeiten den Untergang des Staates. Andere glaubten, daß der König alles auf den Zufall setze und sich Karl XII. zum Muster nehme. Das Militär hoffte auf Glück und sah Beförderungen vor sich. Die Nörgler, die es ja überall gibt, neideten dem Staate die Vergrößerungen, die er sich verschaffen konnte. Der Fürst von Anhalt war wütend, daß nicht er diesen Plan entworfen hatte und nicht das erste Werkzeug bei dessen Ausführung war. Wie Jonas prophezeite er Unheil, das aber so wenig über Preußen kam wie einst über Ninive. Der Fürst betrachtete das kaiserliche Heer als seine Wiege. Auch fühlte er sich Kaiser Karl VI. verpflichtet, da dieser seiner Gattin63-1, einer Apothekerstochter, den fürstlichen Rang verliehen hatte. Zudem fürchtete er die Vergrößerung des Königs, die einen Nachbarn wie den Fürsten von Anhalt zum Nichts herabdrückte. Diese Gründe des Mißvergnügens veranlaßten ihn, Mißtrauen und Schrecken in alle Gemüter zu säen. Ja womöglich hätte er den König selbst gern eingeschüchtert. Aber dessen Entschluß stand felsenfest. Die Dinge waren auch schon zu weit gediehen, als daß man noch hätte zurückweichen können. Um indessen dem übeln Eindruck zu begegnen, den die Meinung eines so großen Heerführers wie des Fürsten von Anhalt bei den Offizieren hätte machen können, hielt der König es für gut, die Offiziere der Berliner Garnison vor seiner Abreise zu sich zu berufen und ihnen die folgende Ansprache zu halten:

„Meine Herren, ich unternehme einen Krieg, für den ich keine andern Bundesgenossen habe als Ihre Tapferkeit und Ihren guten Willen. Meine Sache ist gerecht, und ich vertraue auf mein Glück. Bleiben Sie stets des Ruhmes eingedenk, den Ihre Vorfahren sich erwarben auf den Feldern von Warschau, von Fehrbellin und auf dem Zuge nach Preußen. Ihr Schicksal ruht in Ihren eignen Händen; Auszeichnungen und Belohnungen warten nur darauf, daß Sie sie durch glänzende Taten verdienen. Aber ich brauche Sie nicht erst zum Ruhme anzufeuern. Er allein steht Ihnen vor Augen, nur er ist das würdige Ziel Ihres Strebens. Wir werden Truppen angreifen, die unter dem Prinzen Eugen die Bewunderung der Welt errungen haben. Zwar ist dieser Prinz nicht mehr; aber unsere Siege werden darum nicht weniger ruhmvoll sein, da wir uns mit seinen braven Soldaten zu messen haben werden. Leben Sie wohl! Brechen Sie auf zum Rendezvous des Ruhmes, wohin ich Ihnen ungesäumt folgen werde.“

<64>

Der König verließ Berlin nach einem großen Maskenball und kam am 14. Dezember in Krossen an. Ein Zufall wollte, daß gerade an diesem Tage ein mürbes Seil, woran die Glocke der Domkirche hing, zerriß. Die Glocke stürzte herab, und man sah darin eine schlechte Vorbedeutung; denn im Herzen des Volkes herrschten noch abergläubische Vorstellungen. Um den üblen Eindruck auszulöschen, legte der König dieses Vorzeichen in günstigem Sinne aus. Er sagte, der Sturz der Glocke bedeute, daß das Hohe erniedrigt werden solle; und da das Haus Österreich unvergleichlich viel höher stände als das brandenburgische, so sähe man aus diesem Zeichen deutlich, daß Preußen den Sieg davontragen würde. Wer das Volk kennt, weiß, daß solche Begründungen hinreichen, um es zu überzeugen.

Am 16. Dezember rückte das Heer in Schlesien ein. Die Truppen bezogen Kantonnementsquartiere, teils, weil gar kein Feind da war, teils, weil die Jahreszeit nicht erlaubte, zu kampieren. Auf ihrem Wege verteilten sie eine Darstellung der Rechtsansprüche des Hauses Brandenburg auf Schlesien. Zugleich wurde ein Manifest veröffentlicht, das im wesentlichen besagte, Preußen nähme die Provinz in Besitz, um sie vor den Einfällen eines Dritten zu sichern, woraus deutlich hervorging, daß man sie nicht gütlich verlassen würde. Das bewirkte, daß Volk und Adel Schlesiens den Einmarsch der Preußen nicht für einen feindlichen Überfall hielten, sondern für eine Hilfeleistung, wie sie ein Nachbar seinem Bundesgenossen erweist. Auch trug die Religion, dieses geheiligte Vorurteil des Volkes, dazu bei, die Gemüter preußisch zu machen; denn zwei Drittel der Einwohner Schlesiens sind Protestanten, die nach der langjährigen Bedrückung durch den österreichischen Fanatismus den König als einen vom Himmel gesandten Erlöser begrüßten.

Wenn man längs der Oder vorrückt, so ist die erste Festung, die man antrifft, Glogau. Die Stadt liegt am linken Flußufer. Sie ist von mäßigem Umfang und<65> mit einem schlechten Walle umgeben, der nur zum kleinsten Teile armiert ist. Der Graben war an mehreren Stellen passierbar; die Kontreeskarpe war größtenteils zerstört. Da die strenge Jahreszeit eine regelrechte Belagerung verbot, so begnügte man sich, die Stadt einzuschließen. Außerdem war das schwere Geschütz noch nicht angelangt. Der Wiener Hof hatte dem Gouverneur der Festung, Wenzel Wallis, strikten Befehl gegeben, die Feindseligkeiten nicht zuerst zu eröffnen. Er glaubte, daß eine Zernierung keine Belagerung sei, und ließ sich ruhig in seinen Wällen einschließen.

Seit dem Belgrader Frieden war der größte Teil des österreichischen Heeres in Ungarn verblieben. Auf die Nachricht vom Einbruch der Preußen ward General Browne nach Schlesien geschickt, wo er kaum 3 000 Mann zusammenraffen konnte. Er versuchte Breslau einzunehmen, aber sowohl List wie Gewalt war vergebens. Die Stadt genoß ähnliche Vorrechte wie die Reichsstädte. Sie war eine kleine Republik, von ihrem eignen Rate regiert und frei von jeder Besatzung. Die Liebe zur Freiheit und zum lutherischen Glauben bewahrte die Bürger vor dem Elend des Krieges. Sie widerstanden dem Andringen des Generals Browne, der am Ende aber doch seinen Zweck erreicht hätte, wäre der König nicht eiligst angerückt, um ihn zum Rückzug zu nötigen. Der Erbprinz von Anhalt65-1 war inzwischen mit sechs Bataillonen und fünf Schwadronen vor Glogau eingetroffen und löste die Blockadetruppen ab; und der König brach unverzüglich mit den Grenadieren seiner Armee, sechs Bataillonen und zehn Schwadronen nach Breslau auf. Nach viertägigem Marsche stand er vor den Toren der Hauptstadt, indeß Feldmarschall Schwerin am Fuße der Berge entlang über Liegnitz, Schweidnitz und Frankenstein marschierte, um diesen Teil Schlesiens vom Feinde zu säubern.

Am 1. Januar 1741 bemächtigte sich der König ohne Widerstand der Vorstädte Breslaus und ließ die Stadt durch die Obersten von Borcke und von Goltz65-2 zur Übergabe auffordern. Zugleich gingen einige Truppen über die Oder und lagerten sich auf der Dominsel. Hierdurch war der König Herr beider Ufer des Flusses und schloß die mit Lebensmitteln schlecht versehene Stadt tatsächlich ein, sodaß sie sich zu Unterhandlungen verstehen mußte. Dazu kam, daß die Stadtgräben zugefroren waren und die Bürgerschaft einen allgemeinen Sturm gewärtigen mußte. Der Eifer für die lutherische Sache kürzte alle Weitläufigkeiten der Unterhandlung ab. Ein begeisterter Schuster65-3 überredete das gemeine Volk, steckte es mit seiner Schwärmerei an und wiegelte es dazu auf, den Rat zur Unterzeichnung eines Neutralitätsvertrages mit Preußen65-4 zu zwingen und die Stadttore zu öffnen. Sobald der König in die Hauptstadt eingezogen war, setzte er alle im Dienste der Königin von Ungarn stehenden Beamten ab. Dieser Machtstreich vereitelte alle geheimen Machenschaften, welche diese alten Diener des Hauses Österreich hätten unternehmen können, um dem preußischen Interesse entgegenzuarbeiten.

<66>

Nachdem dies erledigt war, ging eine Abteilung Infanterie über die Oder, um aus Namslau eine österreichische Besatzung von 300 Mann zu vertreiben, die sich vierzehn Tage später kriegsgefangen gab. Der König ließ nur ein Regiment Infanterie in den Vorstädten von Breslau zurück und marschierte auf Ohlau, wohin Browne den Obersten Formentini mit 400 Mann geworfen hatte. Diese Stadt, so genannt nach einem Flüßchen, das an ihren Mauern vorbeifließt, war mit einem alten, halbverfallenen Wall und mit einem trockenen Graben umgeben; das Schloß, das ein wenig fester ist, läßt sich nur mit Geschütz einnehmen. Während man sich zu einem allgemeinen Sturm auf das elende Nest anschickte, kapitulierte es66-1. Die Garnison löste sich beim Ausmarsch auf, und es blieben dem Kommandanten nur noch 120 Mann, mit denen er nach Neiße geschickt ward. In Brieg stand eine feindliche Besatzung von 1 200 Mann. Um dieses sowie die übrigen Plätze zu blockieren, wurde General von Kleist mit fünf Bataillonen und vier Schwadronen detachiert.

Während der König die festen Plätze längs der Oder eingenommen oder eingeschlossen hatte, war Feldmarschall Schwerin in Frankenstein angelangt. Als er sich der Neiße näherte, welche Ober- und Niederschlesien trennt, stieß er auf die Liechtensteinischen Dragoner, die er bis nach Ottmachau trieb. Das dortige bischöfliche Schloß deckt eine Brücke über die Neiße. General Browne warf zur Sicherung seines Rückzuges drei Kompagnien Grenadiere in das Schloß. Feldmarschall Schwerin schloß sie ein. Am Tage danach stieß der König mit Mörsern und einigen Zwölfpfündern zu ihm. Sobald die Batterien in Stellung waren, ergab sich Major Müffling, der Kommandant der Besatzung, auf Gnade und Ungnade (12. Januar).

Nun blieb nur noch die Stadt Neiße einzunehmen, die stärker war als alle anderen. Die Stadt liegt jenseits der Neiße und ist mit einem sehr guten Erdwall und mit einem Graben von sieben Fuß Wassertiefe befestigt. Ringsum ist flaches, sumpfiges Gelände, das der Kommandant Roth unter Wasser gesetzt hatte. Auf der niederschlesischen Seite wird die Festung von einer Anhöhe, die 800 Schritte entfernt liegt, beherrscht. Da die strenge Jahreszeit förmliche Belagerungsarbeiten nicht zuließ, so blieb zur Einnahme des Platzes nichts als Sturm, Bombardement oder Blockade. Den Sturm hatte Roth unmöglich gemacht. Er ließ jeden Morgen den Graben aufeisen und den Wall mit Wasser begießen, welches sofort gefror. Die Bastionen und Zwischenwerke hatte er mit vielen Palisaden und Sensen versehen, um die Angreifer aufzuhalten. So mußte man auf den Sturm verzichten. Man versuchte die Stadt zu bombardieren; man warf 1 200 Bomben und 3 000 Brandkugeln hinein — umsonst! Die Standhaftigkeit des Kommandanten nötigte die Preußen, das Unternehmen aufzugeben und Winterquartiere zu beziehen. Zu gleicher Zeit kehrte Oberst Camas, der zu einem Handstreich auf Glatz abgeschickt worden war, zur Armee zurück. Ihm war infolge falscher Maßregeln sein Streich mißglückt.

<67>

Während die Preußen sich um Neiße lagerten, rückte Feldmarschall Schwerin mit sieben Bataillonen und zehn Schwadronen in Oberschlesien ein und vertrieb den General Browne aus Jägerndorf, Troppau und dem Schlosse Gräz. Die Österreicher zogen sich nach Mähren zurück; die Preußen nahmen ihre Quartiere hinter der Oppa und dehnten sich bis nach Jablunka an der ungarischen Grenze aus.

Während dieser Kriegsereignisse unterhandelte Graf Gotter in Wien, mehr, um den diplomatischen Formen zu genügen, als in der Hoffnung, etwas auszurichten. Er hatte eine ziemlich nachdrückliche Sprache geführt, die wohl jeden andern Hof als den Karls VI. hätte einschüchtern können. Aber die Hofschranzen der Königin von Ungarn erklärten hochmütig, einem Fürsten, dessen Amt als Erzkämmerer es sei, dem Kaiser das Waschbecken zu halten, käme es nicht zu, der Kaisertochter Gesetze vorzuschreiben. Um dies österreichische Gerede zu übertrumpfen, hatte Graf Gotter die Dreistigkeit, dem Großherzog von Toskana einen Brief zu zeigen, den der König an ihn geschrieben hatte und in dem es hieß: „Will der Großherzog sich zugrunde richten, so möge er es tun!“ Der Großherzog schien dadurch erschüttert. Aber da ergriff Graf Kinsky, Kanzler von Böhmen, der Hochmütigste Mann an diesem eitlen Hofe, das Wort. Er erklärte alle Vorschläge des Grafen Gotter als beleidigend für die Ehre der Nachfolger der Cäsaren, flößte dem Großherzog wieder Mut ein und trug mehr als alle andern Minister zum Abbruch der Verhandlungen bei.

Europa war erstaunt über den unerwarteten Einfall in Schlesien. Die einen hielten diese Schilderhebung für Unbesonnenheit, die andern erklärten sie für Tollheit. Der englische Gesandte Robinson zu Wien behauptete, der König von Preußen verdiente politisch exkommuniziert zu werden.

Zur gleichen Zeit, wo Graf Gotter nach Wien abreiste, sandte der König Winterfeldt nach Rußland67-1. Der fand dort den Marchese Botta, der mit der ganzen Lebhaftigkeit seines Charakters die Interessen des Wiener Hofes verfocht. Indessen behielt in diesem Falle der gesunde Menschenverstand des Pommern die Oberhand über die italienische Arglist, und es gelang Winterfeldt mit Hilfe des Feldmarschalls Münnich, ein Verteidigungsbündnis mit Rußland abzuschließen67-2. Das war das Günstigste, was man unter so kritischen Umständen verlangen konnte.

Nachdem die Truppen ihre Winterquartiere bezogen hatten, verließ der König Schlesien und kehrte nach Berlin zurück, um für den nächsten Feldzug die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Eine Verstärkung von 10 Bataillonen und 25 Schwadronen ward der Armee nachgesandt; und da die Absichten von Sachsen und Hannover zweideutig schienen, so wurde beschlossen, bei Brandenburg 30 Bataillone und 40 Schwadronen unter dem Befehl des Fürsten von Anhalt zusammenzuziehen, um die Haltung dieser Nachbarstaaten zu beobachten. Der Fürst von Anhalt<68> wählte Göttin68-1 als den geeignetsten Ort für sein Lager; von dort konnte er sowohl die Sachsen wie die Hannoveraner in Schach halten.

Die meisten Fürsten tappten noch im Dunkeln. Sie konnten nicht erraten, wie sich der Knoten lösen würde. Die Sendung des Grafen Gotter nach Wien und andrerseits der Einmarsch der preußischen Truppen in Schlesien gab ihnen ein Rätsel auf, und sie bemühten sich zu ergründen, ob Preußen der Bundesgenosse oder der Gegner der Königin von Ungarn war. Von allen Mächten Europas war Frankreich unstreitig die geeignetste, um Preußen in seinem Unternehmen beizustehen. Die Franzosen hatten so viele Ursachen zur Feindschaft gegen Österreich, daß ihr eigner Vorteil sie bestimmen mußte, für den König von Preußen Partei zu ergreifen. Der König hatte, um das Terrain zu sondieren, an den Kardinal Fleury geschrieben und die Hauptsache zwar nur leicht berührt, aber doch genug gesagt, um verstanden zu werden. Der Kardinal ging in seiner Antwort68-2 schon mehr mit der Sprache heraus und erklärte geradezu: „Die Bürgschaft der Pragmatischen Sanktion, welche Ludwig XV. dem verstorbenen Kaiser gegeben hätte, verbände ihn zu nichts wegen des einschränkenden Zusatzes: unbeschadet der Rechte eines Dritten; zudem hätte der verstorbene Kaiser den Hauptartikel dieses Vertrages nicht erfüllt, worin er sich anheischig gemacht hätte, Frankreich die Garantie des Reiches für den Wiener Vertrag zu verschaffen.“ Der übrige Inhalt des Briefes war eine ziemlich heftige Deklamation gegen den Ehrgeiz Englands, eine Lobrede auf Frankreich und auf die Vorteile eines Bündnisses mit ihm, nebst ausführlicher Darlegung der Gründe für die Erhebung des Kurfürsten von Bayern auf den Kaiserthron. Der König setzte den Briefwechsel fort. Er sprach dem Kardinal seinen aufrichtigen Wunsch aus, sich mit dem allerchristlichsten König zu verbinden, und versicherte ihn seiner Bereitwilligkeit, diese Unterhandlung aufs schnellste zu beenden.

Auch Schweden wollte in den bevorstehenden Unruhen eine Rolle spielen. Es war mit Frankreich verbündet und hatte auf dessen Antrieb Truppen unter dem General Buddenbrock nach Finnland geschickt. Dieses Korps erregte die Eifersucht Rußlands und beschleunigte Rußlands Bündnis mit Preußen. Freilich wäre diese Allianz fast ebensobald zerrissen, wie sie geschlossen worden war. Der König von Polen hatte den schönen Grafen Lynar68-3 nach Petersburg gesandt. Der Graf gefiel der mecklenburgischen Prinzessin, der Regentin von Rußland; und da die Neigungen des Herzens auf die Beschlüsse des Verstandes wirken, so war die Regentin bald mit dem König von Polen verbündet. Diese Leidenschaft hätte für Preußen ebenso verhängnisvoll werden können wie die Liebe des Paris und der schönen Helena für Troja. Aber eine Staatsumwälzung, über die wir später berichten werden, kam dem zuvor.

Die größten Feinde des Königs von Preußen waren, wie gewöhnlich, seine nächsten Nachbarn. Die Könige von Polen und England schlossen im Vertrauen auf die In<69>trigen, die Lynar in Rußland spann, ein Angriffsbündnis miteinander69-1, worin sie die preußischen Provinzen unter sich verteilten. Im Geiste verzehrten sie bereits den Raub, und während sie gegen den Ehrgeiz des jungen Nachbarfürsten wetterten, schwelgten sie schon im Genuß seines Erbes, in der Hoffnung, daß Rußland und die Reichsfürsten sich mit ihnen zum Gelingen ihrer ehrgeizigen Pläne zusammentun würden. Diesen Augenblick hätte der Wiener Hof wahrnehmen müssen, um sich mit dem König zu vergleichen. Hätte die österreichische Regierung ihm damals das Fürstentum Glogau abgetreten, so wäre der König zufrieden gewesen und hätte ihr gegen alle ihre andern Feinde beigestanden. Allein nur selten wissen die Menschen zur rechten Zeit nachzugeben oder festzubleiben.

Das Signal zum Kriege war also für Europa gegeben. Überall wurde sondiert, unterhandelt und intrigiert, um sich zu einigen und Bündnisse zu schließen. Aber keine Macht hatte ihre Truppen bereit, keine hatte Zeit gehabt, Magazine anzulegen, und der König benutzte diese Krisis zur Ausführung seiner großen Pläne.

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3. Kapitel

Feldzug des Jahres 1741. Friedensverhandlungen. Huldigung zu Breslau. Rückkehr nach Berlin.

Die Verstärkungen der schlesischen Armee langten im Monat Februar in Schweidnitz an. Auch die Österreicher rüsteten sich zum Kriege. Feldmarschall Neipperg ward aus der Festung Raab geholt, wo er seit dem Frieden von Belgrad gefangen saß, und erhielt den Oberbefehl über das Heer, das Schlesien zurückerobern sollte. Er zog seine Truppen in der Gegend von Olmütz zusammen und detachierte den General Lentulus mit einem Korps zur Besetzung der Pässe der Grafschaft Glatz. In dieser Stellung konnte Lentulus Böhmen decken und mit Neippergs Armee zu den Operationen, die der Feldmarschall auf Neiße plante, zusammenwirken. Die österreichischen Husaren fingen das Vorspiel des Krieges schon an. Sie schlichen sich zwi. schen die preußischen Posten, suchten kleine Detachements aufzuheben und Zufuhren abzuschneiden. Es kam zu kleinen Gefechten, die sämtlich zum Vorteil der preußischen Infanterie, aber zum Nachteil der preußischen Kavallerie ausschlugen. Als der König in Schlesien ankam, beschloß er, die Quartiere seiner Truppen zu bereisen, um auf diese Weise das neue Land kennen zu lernen. Er brach also von Schweidnitz auf und kam nach Frankenstein. General Derschau, der in dieser Gegend befehligte, hatte zwei Posten vorgeschoben: der eine stand in Silberberg, der andre in Martha, beide in den Gebirgspässen. Der König wollte sie besichtigen. Davon bekamen die Feinde Wind und versuchten ihn aufzuheben. Irrtümlich fielen sie über eine Dragonerabteilung her, die als Relais beim Dorfe Baumgarten zwischen Silberberg und Frankenstein stand. Oberstleutnant Diersfort, der die Dragoner befehligte, hatte viel zu wenig Kriegserfahrung, um erfolgreich gegen leichte Truppen fechten zu können. Er wurde geschlagen und verlor vierzig Reiter70-1. Man hörte das Schießen in Martha. Der König, der sich dort befand, raffte schleunigst einige Truppen zusammen, um den Dragonern, die eine Meile entfernt standen, zu Hilfe zu eilen; aber er kam zu spät. Es war unbesonnen von einem Fürsten, sich mit so geringer Bedeckung in Gefahr zu begeben. Wäre der König bei diesem Treffen gefangen genommen worden, so <71>war der Krieg zu Ende. Die Österreicher hätten ohne Schwertstreich triumphiert. Die gute preußische Infanterie wäre überflüssig und aus allen Vergrößerungsplänen des Königs nichts geworden.

Je näher die Eröffnung des Feldzuges rückte, desto ernster wurde die Lage. Die Spione berichteten einstimmig, daß der Gegner seine Posten verstärkte, daß neue Truppen zu ihm stießen, und daß er eine Überrumpelung der Preußen in ihren Quartieren vorhätte, entweder auf dem Wege über Glatz oder über Zuckmantel. Zur selben Zeit hatten sich 100 österreichische Dragoner und 300 Husaren nach Neiße geworfen. Das allein war schon genug, um einen Teil der feindlichen Absichten zu erkennen, und der König befahl deshalb, die Quartiere enger zu legen. Er hätte auf der Stelle alle Truppen zusammenziehen müssen. Aber es fehlte ihm damals noch an Erfahrung, denn dies war eigentlich sein erster Feldzug. Die Jahreszeit war noch nicht vorgeschritten genug, um die Einschließung von Glogau und Brieg in eine Belagerung zu verwandeln. Es lag indessen ein fertiger Plan vor, Glogau mit Sturm zu nehmen, und so erhielt Erbprinz Leopold von Anhalt Befehl, ihn ungesäumt auszuführen. Am 9. März wurde die Stadt an fünf Stellen zugleich angegriffen und binnen einer Stunde erobert. Selbst die Kavallerie konnte über die Wälle setzen: so verfallen waren die Festungswerke. Kein Haus wurde geplündert, kein Bürger gekränkt. Die preußische Mannszucht zeigte sich in höchstem Glanze. Wallis mit seiner ganzen Besatzung wurden zu Kriegsgefangenen gemacht. Ein neu errichtetes Regiment besetzte den Platz. Die Befestigungswerke wurden sogleich instand gebracht und verbessert, und Erbprinz Leopold stieß mit dem von ihm befehligten Korps bei Schweidnitz zum König.

Doch mit dieser Einnahme von Glogau war noch nicht alles getan. Die Truppen lagen noch zu verstreut, um sich im Notfall zu vereinigen. Besonders die Quartiere in Oberschlesien, in denen Feldmarschall Schwerin stand, erregten höchste Besorgnis. Der König wollte, daß der Feldmarschall sie aufhöbe und sich gegen die Neiße zurückzöge, wo er mit allen Truppen aus Niederschlesien zu ihm stoßen konnte. Schwerin war anderer Meinung. Er schrieb, wenn man ihn verstärken wollte, so verspreche er, seine Quartiere bis zum Frühjahr zu behaupten71-1. Für diesmal glaubte der König seinem Feldmarschall mehr als sich selbst. Seine Leichtgläubigkeit wäre ihm fast verderblich geworden, und als hätte er Fehler auf Fehler häufen müssen, setzte er sich selbst an die Spitze von acht Schwadronen und neun Bataillonen, um nach Jägerndorf zu marschieren. In Neustadt traf er den Feldmarschall. Des Königs erste Frage war: „Was haben Sie für Nachrichten vom Feinde?“—„Keine,“ war die Antwort, „außer daß die Österreicher längs der Grenze von Ungarn bis nach Braunau in Böhmen zerstreut stehen. Aber ich erwarte jeden Augenblick meinen Spion zurück.“

<72>

Am folgenden Tage langte der König in Jägerndorf an. Sein Plan war, am Tage darauf wieder von dort aufzubrechen, um die Laufgräben vor Neiße zu eröffnen, wo Feldmarschall Kalckstein ihn mit zehn Bataillonen und ebensoviel Schwadronen erwartete. Der Herzog von Holstein, der damals in Frankenstein stand, sollte dort ebenfalls mit sieben Bataillonen und vier Schwadronen zum Könige stoßen. Als der König (am 2. April) eben aufbrechen wollte und dem Feldmarschall sowie dem Erbprinzen Leopold seine letzten Befehle gab, kamen sieben österreichische Dragoner an. Von diesen Überläufern erfuhr man, daß sie die Armee bei Freudenthal (nur anderthalb Meilen von Jägerndorf) verlassen hätten, daß ihre Reiterei dort lagerte und nur auf die Infanterie und das Geschütz wartete, um quer durch die Quartiere der Preußen zu rücken und sie zur Aufhebung der Blockade von Neiße zu zwingen. Mittlerweile hörte man schon vor der Stadt scharmutzieren, und jedermann glaubte, daß Neippergs Avantgarde im Begriff stände, Jägerndorf zu berennen. In dieser unglücklichen Stadt waren nur fünf Bataillone, fünf Dreipfünder und Pulver für 40 Schüsse. Die Lage war verzweifelt, wenn Neipperg sie zu nutzen verstand. Aber der kreißende Berg gebar nur eine Maus. Der Feind wollte bloß wissen, ob die Preußen noch in ihren Quartieren wären. Um dies zu erfahren, mußten seine leichten Truppen vor jeder Stadt herumplänkeln, um ihren Offizieren Meldung über den Stand der Dinge zu bringen.

Da nun die Absichten des Feindes offenbar waren, so zauderte der König keinen Augenblick mehr, das Heer zusammenzuziehen. Die Truppen in Niederschlesien erhielten Befehl, bei Sorge die Neiße zu überschreiten, und die in Oberschlesien sollten bei Jägerndorf zum König stoßen. Am 4. April ging er mit all diesen vereinigten Korps nach Neustadt, und zwar parallel dem feindlichen Heere, das über Zuckmantel und Ziegenhals auf Neiße marschierte. Am folgenden Tage (5. April) rückte der König nach Steinau, welches eine Meile von Sorge liegt; dort hatte er Brücken über die Neiße schlagen lassen. Die Einschließung von Brieg mußte aufgehoben werden, und General Kleist erhielt Befehl, mit seiner Abteilung zum Heere zu stoßen. Auch der Herzog von Holstein erhielt mehrere Male die gleiche Order, aber sie konnte ihn nicht erreichen, und so blieb er ruhig in Frankenstein stehen und sah rechts und links den Feind an sich vorbeiziehen, ohne sich darüber zu beunruhigen. Überläufer vom österreichischen Heere, die in Steinau ankamen, sagten aus, daß General Lentulus sich am selben Tage bei Neiße mit dem Feldmarschall Neipperg vereinigt hätte. Auf diese Nachricht wurden die preußischen Truppen sofort um Steinau zusammengezogen, und der König wählte eine Stellung aus, wo er den Feind im Falle eines Angriffs empfangen konnte. Um die Verlegenheit noch zu erhöhen, brach am Abend im Quartier von Steinau Feuer aus. Es war nur ein Glück, daß man Geschütz und Munition noch durch die engen Gassen retten konnte, in denen schon alle Häuser in Flammen standen. Die Truppen biwakierten die Nacht in der Stellung, die der König tags zuvor zum Lager ausgesucht hatte.

<73>

Am folgenden Tage (6. April) langte das Häuflein von dreizehn Bataillonen und fünfzehn Schwadronen nach recht beschwerlichem Marsche in Falkenberg73-1 an. Dort traf vom Obersten Stechow, der die Brücke bei Sorge mit vier Bataillonen deckte, die Meldung ein, daß der Feind sich am andern Flußufer verschanzte und schon ziemlich lebhaft auf die Preußen feuerte. Markgraf Karl73-2 marschierte sogleich mit vier Bataillonen auf Sorge und berichtete dem König, daß Lentulus auf dem andern Neißeufer mit 50 Schwadronen stände und den Übergang völlig unmöglich machte, weil das Gelände zu schmal sei, um sich zu entwickeln. Die Marschrichtung mußte also verändert werden. Man schlug den Weg nach Michelau ein, wo eine andre Brücke über die Neiße führte und wo General Marwitz schon mit den Truppen stand, die aus den Schweidnitzer Quartieren und von der Einschließung von Brieg herbeigezogen waren. Die Brücke bei Sorge wurde ungesäumt abgebrochen, und am Abend vereinigten sich alle diese verschiedenen Korps mit dem König.

Am nächsten Tage (8. April) ging das Heer bei Michelau über die Neiße, in der Absicht, auf Grottkau zu marschieren. Ein Kurier, der durch diese Stadt gekommen war, traf bei dem König ein, sodaß dieser nichts besorgte. Ein dichtes Schneegestöber verfinsterte die Luft und trübte die Aussicht. Man marschierte immer weiter. Die Husaren der Vorhut kamen in das Dorf Leipe, das auf dem Wege liegt, und stießen unerwartet auf ein feindliches Husarenregiment, das dort kantonnierte. Die Preußen machten vierzig Gefangene, teils zu Fuß, teils zu Pferde. Von ihnen erfuhr man, daß Neipperg vor etwa einer halben Stunde Grottkau eingenommen hätte. Ein Leutnant Mützschefahl hatte sich dort mit 60 Mann drei Stunden lang gegen die ganze österreichische Armee verteidigt. Ferner sagten die Überläufer aus, daß der Feind am nächsten Tage nach Ohlau marschieren würde, um das schwere Geschütz fortzunehmen, das der König dort untergebracht hatte. Auf diese Nachricht wurden die verschiedenen, sämtlich in Marsch befindlichen Kolonnen der Armee zusammengezogen. Der König teilte sein Heer in vier Divisionen, die in vier naheliegenden Dörfern kantonnierten, sodaß sie sich binnen einer Stunde vereinigen konnten. Er legte sein Hauptquartier in die Dörfer Pogarell und Alzenau und schickte von dort mehrere Offiziere an die Besatzung von Ohlau, um sein Anrücken zu melden und zwei Kürassierregimenter, die in der Nähe angekommen waren, an sich zu ziehen. Aber wegen der feindlichen Streifkorps, die die Gegend unsicher machten, konnte keiner dieser Offiziere nach Ohlau gelangen.

Am anderen Tage (9. April) fiel der Schnee so dicht, daß man kaum zwanzig Schritte weit sehen konnte. Jedoch erfuhr man, daß der Feind sich Brieg genähert hätte. Dauerte das schlechte Wetter fort, so wurde die Lage der Preußen immer schlimmer. Die Lebensmittel fingen an knapp zu werden. Man mußte Ohlau zu Hilfe<74> kommen, und im Fall eines Mißerfolges stand kein Rückzug offen. Aber das Glück ersetzte den Mangel an Vorsicht.

Tags darauf, am 10. April, war das Wetter klar und heiter. Wenn auch der Schnee zwei Fuß hoch lag, so hinderte das doch nicht, die geplanten Operationen auszuführen. Um 5 Uhr morgens zog sich die Armee bei der Pogarellschen Mühle zusammen. Sie bestand aus 27 Bataillonen, 29 Schwadronen Kavallerie und 3 Husarenschwadronen. In fünf Kolonnen setzte sie sich in Marsch: in der Mitte die Artillerie, rechts und links davon die Infanterie und an den Flanken die Kavallerie. Der König wußte, daß ihm der Feind an Reiterei überlegen war. Um diesen Nachteil wettzumachen, gab er den Schwadronen jedes Flügels zwei Grenadierbataillone bei, eine Anordnung, die Gustav Adolf in der Schlacht bei Lützen getroffen hatte, die aber aller Wahrscheinlichkeit nach in Zukunft nicht mehr zur Anwendung kommen wird.

In dieser Marschordnung rückte das Heer in der Richtung auf Ohlau gegen den Feind vor. General Rothenburg, der die Avantgarde führte, machte bei dem Dorfe Pampitz etwa zwanzig Gefangene; diese bestätigten die Nachricht, die Bauern aus dem Dorfe Mollwitz dem König gebracht hatten, daß die feindliche Armee in Mollwitz, Grüningen und Hünern stände. Sobald die Kolonnen sich Mollwitz ungefähr auf 2 000 Schritt genähert hatten, stellte sich die Armee in Schlachtordnung auf, ohne daß man einen Feind im Felde erscheinen sah. Der rechte Flügel sollte sich an das Dorf Hermsdorf anlehnen. Aber Schulenburg, der die Kavallerie dieses Flügels befehligte, benahm sich dabei so ungeschickt, daß er nicht bis dorthin kam. Der linke Flügel war vom Laugwitzer Bache gedeckt, dessen Ufer steil und sumpfig sind. Da die Reiterei vom rechten Flügel dem Fußvolke nicht Platz genug gelassen hatte, so mußte man drei Bataillone aus dem ersten Treffen zurückziehen und formierte daraus, durch einen glücklichen Zufall, eine Flankendeckung für die rechten Flügel der beiden Infanterietreffen. Diese Anordnung wurde zur Hauptursache für den Gewinn der Schlacht. Die Bagage parkierte bei dem Dorfe Pampitz, ungefähr 1 000 Schritt hinter den Linien, und das Regiment La Motte, das in diesem Moment zur Armee stieß (es kam aus Oppeln), diente zu ihrer Bedeckung. Rothenburg näherte sich mit der Avantgarde dem Dorfe Mollwitz, aus dem er die Österreicher heraustreten sah. Er hätte sie in dieser Unordnung angreifen müssen. Aber er hatte gemessenen Befehl gehabt, sich auf nichts einzulassen. So führte er seine Truppen auf den rechten Flügel zurück, zu dem er gehörte.

Es muß sonderbar scheinen, daß ein so erfahrener General wie Neipperg sich derart überraschen ließ. Indes war er zu entschuldigen. Er hatte verschiedene Husarenoffiziere beauftragt, auf Kundschaft zu reiten, besonders auf dem Wege nach Brieg. Aber sei es aus Trägheit oder aus Nachlässigkeit, diese Offiziere taten ihre Schuldigkeit nicht, und der Marschall erfuhr den Anmarsch des Königs erst, als er auch schon dessen Heer in Schlachtordnung vor seinen Quartieren erblickte.

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Neipperg mußte seine Truppen also unter dem Feuer der preußischen Artillerie aufstellen, und diese ward schnell und gut bedient. Die Kavallerie des rechten Flügels unter dem Befehl von Römer war zuerst zur Stelle. Dieser kluge und entschlossene Offizier sah, daß der rechte preußische Flügel näher bei Mollwitz stand als der linke. Er erkannte, daß Neipperg, wenn er in seiner Stellung blieb, geschlagen werden konnte, bevor die Kavallerie seines linken Flügels heran war. Ohne irgendeinen Befehl abzuwarten, entschloß er sich, den rechten Flügel der Preußen anzugreifen. Schulenburg machte, um das Dorf Hermsdorf zu gewinnen, sehr ungeschickt eine schwadronsweise Viertelschwenkung nach rechts. Römer bemerkte dies und fiel, ohne sich zu formieren, mit verhängtem Zügel kolonnenweise auf den von Schulenburg kommandierten Flügel. Seine dreißig österreichischen Schwadronen warfen die zehn preußischen, deren jede ihnen die linke Flanke darbot, im Augenblick über den Haufen. Die geschlagene Reiterei jagte vor dem ersten Infanterietreffen entlang und zwischen dem ersten und zweiten Treffen hindurch. Sie hätte die Infanterie niedergeritten, hätte diese nicht auf die Flüchtlinge gefeuert, wodurch zugleich die Feinde abgewiesen wurden. Römer kam dabei ums Leben. Jeder Soldat muß aber erstaunen, daß die zwei Grenadierbataillone, die zwischen den Schwadronen des rechten Flügels standen, allein standhielten und sich in guter Ordnung zum rechten Flügel der Infanterie zogen.

Der König glaubte die Kavallerie wie ein Rudel Hirsche aufhalten zu können, wurde aber von ihrer Flucht bis zur Mitte des Heeres fortgerissen, wo es ihm gelang, ein paar Schwadronen zusammenzuraffen, die er auf den rechten Flügel zurückführte. Sie mußten nun ihrerseits die Österreicher angreifen. Aber geschlagene und hastig wieder zusammengebrachte Truppen haben keine Widerstandskraft mehr.<76> Sie lösten sich auf, und Schulenburg76-1 blieb bei diesem Angriff. Die siegreiche feindliche Kavallerie fiel nun in die rechte Flanke der preußischen Infanterie. Dort waren, wie wir schon sagten, drei Bataillone aufgestellt, die im ersten Treffen keinen Platz gefunden hatten. Die Infanterie wurde dreimal heftig angegriffen. Österreichische Offiziere fielen verwundet zwischen ihren Reihen. Mit dem Bajonett warf sie feindliche Reiter aus dem Sattel und schlug durch ihre Tapferkeit die Kavallerie unter großen Verlusten ab. Diesen Augenblick nahm Neipperg wahr. Seine Infanterie setzte sich in Bewegung, um den rechten preußischen Flügel, der von Kavallerie entblößt war, anzugreifen. Unterstützt von der österreichischen Reiterei, machte er unsägliche Anstrengungen, um die Treffen des Königs zu durchbrechen, doch umsonst! Die tapfere Infanterie stand wie ein Fels gegen alle Angriffe und brachte dem Feind durch ihr Feuer schwere Verluste bei.

Auf dem linken preußischen Flügel war die Lage nicht so kritisch gewesen. Dieser Flügel war dem Feinde versagt worden und stand an den Laugwitzer Bach angelehnt. Jenseits des Sumpfes hatte die preußische Kavallerie die der Königin von Ungarn angegriffen und geschlagen.

Indessen dauerte das Feuer der Infanterie auf dem rechten Flügel seit fast fünf Stunden mit großer Heftigkeit. Die Munition war verschossen, und die Soldaten griffen nach den Pulvervorräten der Gefallenen, um schießen zu können. Die Lage war höchst kritisch. Alte Offiziere glaubten schon, es sei alles verloren, und erwarteten den Augenblick, wo die Truppen sich aus Mangel an Munition zur Übergabe genötigt sehen würden76-2. Aber so kam es nicht, und junge Militärs mögen daraus lernen, nicht vorzeitig zu verzweifeln. Die Infanterie hielt nicht nur stand, sondern gewann dem Feinde sogar Boden ab. Als Feldmarschall Schwerin dies merkte, setzte er seinen linken Flügel gegen die rechte Flanke der Österreicher an. Das entschied den Sieg und führte zur völligen Niederlage der Feinde. Sie gingen in gänzlicher Auflösung zurück. Die Nacht verhinderte die Preußen, ihre Vorteile über das Dorf Laugwitz hinaus auszunutzen.

Jetzt kamen, freilich zu spät, die 14 Schwadronen aus Ohlau an. Ein Damm, den sie passieren mußten, um zur Armee zu stoßen, war ihnen von den österreichischen Husaren verlegt worden. Dort waren sie lange aufgehalten worden, und der Gegner hatte seine Stellung nicht eher geräumt, als bis er die Hauptarmee fliehen sah.

Diese Schlacht kostete der Königin 180 Offiziere und 7 000 Tote an Kavallerie und Infanterie, ferner verloren die Österreicher 7 Kanonen, 3 Fahnen und 1 200 Gefangene. Auf preußischer Seite zählte man 2 500 Tote, darunter den Markgrafen <77>Friedrich77-1, des Königs Vetter, und 3 000 Verwundete. Das erste Bataillon Garde, das der Hauptstoß des Feindes traf, verlor die Hälfte seiner Offiziere, und von seinen 800 Mann blieben nur 180 kampffähig.

Die Schlacht war eine der denkwürdigsten des Jahrhunderts, weil hier zwei kleine Heere das Schicksal von Schlesien entschieden, und weil die Truppen des Königs sich dabei einen Ruhm erwarben, den weder Zeit noch Neid ihnen entreißen können.

Aus diesem Bericht vom Beginn des Feldzuges wird der Leser gewiß schon gesehen haben, daß der König und der Feldmarschall Neipperg sich in Fehlern überboten. Waren die Entwürfe des österreichischen Feldherrn die besseren, so zeigten sich die Preußen in der Ausführung überlegen. Der Plan Neippergs war klug und einsichtsvoll: bei seinem Einmarsch in Schlesien schiebt er sich zwischen die Quartiere des Königs; er dringt bis Neiße vor, wo Lentulus zu ihm stößt, und ist im Begriff, sich nicht nur der Artillerie des Königs zu bemächtigen, sondern auch den Preußen ihre Magazine in Breslau, die einzigen, die sie hatten, zu entreißen. Aber Neipperg hätte den König in Jägerndorf überrumpeln und so durch einen Streich den ganzen Krieg beendigen können. Von Neiße aus hätte er das Korps des Herzogs von Holstein, das eine Meile entfernt im Quartier lag, aufheben können. Bei etwas mehr Tatkraft hätte er dem König den Übergang über die Neiße bei Michelau verwehren können. Auch hätte er von Grottkau aus Tag und Nacht marschieren müssen, um Ohlau einzunehmen und den König von Breslau abzuschneiden. Aber statt alle diese Gelegenheiten wahrzunehmen, ließ er sich in unverzeihlicher Sorglosigkeit überraschen und wurde großenteils durch seine eigene Schuld geschlagen.

Noch mehr Tadel verdient der König. Er erfuhr rechtzeitig von dem Vorhaben des Feindes und ergriff doch keine hinlängliche Maßregel, um sich dagegen zu sichern. Statt nach Jägerndorf zu marschieren und dadurch seine Truppen noch mehr zu verzetteln, hätte er seine ganze Armee vereinigen und bei Neiße dicht zusammen in Kantonnementsquartiere legen müssen. Er ließ sich vom Herzog von Holstein abschneiden und brachte sich selbst in die üble Lage, die Schlacht in einer Stellung zu liefern, wo ihm im Fall einer Niederlage kein Rückzug offen stand, und wo er Gefahr lief, sein Heer zu verlieren und sich selbst zugrunde zu richten. Als er vor Mollwitz ankam, wo der Feind kantonnierte, hätte er drauf losmarschieren und die Österreicher in ihren Quartieren zersprengen müssen. Statt dessen verliert er zwei Stunden damit, sich regelrecht vor einem Dorfe in Schlachtordnung aufzustellen, wo kein Feind sich zeigte. Hätte er nur das Dorf Mollwitz angegriffen, so hätte er darin die ganze österreichische Infanterie gefangen genommen, ähnlich wie vierundzwanzig französische Bataillone bei Höchstädt (1704) überrumpelt wurden. Aber in seinem Heere hatte allein der Feldmarschall Schwerin Verständnis und Kriegserfahrung. Bei den Truppen<78> herrschte viel guter Wille, aber sie kannten bloß den kleinen Dienst, und weil sie noch nie im Kriege gewesen waren, gingen sie nur zaghaft zu Werke und scheuten herzhafte Entschlüsse. Eigentlich rettete die Preußen nur ihre Tapferkeit und ihre Mannszucht. Mollwitz war die Schule für den König wie für seine Truppen. Der König dachte über alle von ihm begangenen Fehler reiflich nach und sucht sie künftig zu meiden.

Der Herzog von Holstein hatte die Möglichkeit gehabt, einen großen Schlag zu führen, aber er wußte keine Gelegenheit auszunutzen. Da er ohne Befehle vom König war, marschierte er ohne eigentlichen Grund von Ottmachau nach Strehlen. Hier stand er gerade am Tage der Schlacht und hörte das Feuer der beiden Armeen. Am 11. kamen die Truppen der Österreicher in wilder Flucht eine Meile von ihm entfernt vorbei. Er hätte alles, was noch übrig war, vernichten können. Aber da es ihm an Entschlußfähigkeit fehlte, so ließ er Neipperg unbehelligt, und dieser konnte seine Flüchtlinge auf der andern Seite der Stadt Neiße wieder sammeln. Der Herzog stieß ruhig zur Armee des Königs bei Ohlau. Nach dieser Vereinigung und dem Eintreffen andrer Verstärkungen bestand das versammelte Heer aus 43 Bataillonen, 66 Schwadronen Kavallerie und 3 Husarenschwadronen.

Um den Sieg auszunutzen, wurde die Belagerung von Brieg beschlossen und General Kalckstein mit ihrer Leitung betraut. Das Heer des Königs lagerte sich, um sie zu decken, bei Mollwitz. Acht Tage nach Eröffnung der Laufgräben kapitulierte der Kommandant der Festung, Piccolomini, noch ehe der bedeckte Weg eingenommen und die geringste Bresche in die Werke gelegt war (4. Mai). Die Armee blieb drei Wochen im Lager von Mollwitz stehen, um Zeit zu gewinnen, die Laufgräben wieder zuzuwerfen und die Festung Brieg mit Kriegsvorräten zu versehen, da die ihren völlig verbraucht waren. Diese Muße benutzte der Köyig, um seine Kavallerie zu exerzieren, sie manövrierfähig zu machen und ihre Schwerfälligkeit in Schnelligkeit zu verwandeln. Sie wurde oft auf Streifzüge ausgeschickt, damit die Offiziere das Gelände benutzen und mehr Selbstvertrauen fassen lernten.

In dieser Zeit führte Winterfeldt, derselbe, der das Bündnis mit Rußland zustande gebracht hatte, an der Spitze eines Detachements einen schönen Streich aus, durch den er sich den Ruf erwarb, ein ebenso guter Offizier wie ein geschickter Staatsmann zu sein. Er überfiel und schlug den General Baranyay zu Rothschloß und nahm ihm 300 Gefangene ab (17. Mai). Da die Preußen im Lande beliebt waren, so wurden sie immer vorzüglich mit Nachrichten versorgt, und das verschaffte ihnen im Kleinkriege manchen Vorteil. Indessen wollen wir nicht alle diese Gefechte ausführlich schildern, wie die Österreicher bei Leubus das neu errichtete Husarenregiment von Bandemer vernichteten, wie sie bei Strehlen gegen 100 Ulanen gefangen nahmen, wie sie Zobten verbrannten, wie sie bei Friedewalde und in anderen Treffen geschlagen wurden. Denn nicht die Geschichte der Husaren, sondern die Eroberung Schlesiens soll hier dargestellt werden.

Die Schlacht, die das Schicksal Schlesiens schon nahezu entschieden hatte, machte in Europa sehr verschiedenen Eindruck. Der Wiener Hof, der Erfolge erwartet hatte,<79> war erzürnt und erbittert ob seiner Verluste. In der Hoffnung auf Vergeltung wurden Truppen aus Ungarn und eine Menge Milizen zur Verstärkung Neippergs herangezogen. Der König von England und der König von Polen fingen an, das preußische Heer unter dem Oberbefehl des Fürsten von Anhalt79-1, das sie bisher gering geschätzt hatten, zu achten. Das Deutsche Reich war wie betäubt bei der Nachricht, daß die alten österreichischen Truppen durch ein Heer von so geringer Kriegserfahrung in die Flucht geschlagen waren. In Frankreich freute man sich über den Sieg. Der Versailler Hof hoffte durch seine Beteiligung am Kriege gerade noch zur rechten Zeit zu kommen, um dem Hause Österreich den Gnadenstoß zu versetzen.

Infolge dieser günstigen Stimmung kam der Marschall Belle-Isle, französischer Botschafter für den Wahltag in Frankfurt, zum König ins Mollwitzer Lager, um ihm im Namen seines Herrn einen Allianztraktat vorzuschlagen. Die Hauptartikel des Vertrages betrafen: die Erwählung des Kurfürsten von Bayern zum Kaiser, die Teilung und Zerstückelung der Länder der Königin von Ungarn und die Garantie Frankreichs für Niederschlesien, wogegen der König auf die Erbfolge in Jülich und Berg verzichten und dem Kurfürsten von Bayern seine Stimme versprechen sollte. Dieser Vertrag ward entworfen, und zugleich ward verabredet, daß Frankreich zwei Armeen nach Deutschland schicken sollte. Die eine sollte dem Kurfürsten von Bayern zu Hilfe kommen, die andere in Westfalen einrücken, um Hannover und Sachsen in Schach zu halten. Endlich und vor allen Dingen sollte Schweden an Rußland den Krieg erklären, um dieses Reich an seinen eigenen Grenzen zu beschäftigen.

So vorteilhaft der Vertrag auch erschien, so ward er doch nicht unterzeichnet. Der König wollte bei einem Schritte von so großer Tragweite nichts übereilen und behielt sich dies Bündnis für den äußersten Notfall vor. Der Marschall Belle-Isle überließ sich oft allzu sehr seiner Einbildungskraft. Wenn man ihn reden hörte, so konnte man glauben, daß alle Länder der Königin von Ungarn zur Versteigerung ständen. Eines Tages, als er beim Könige war, sah er nachdenklicher und besorgter aus als sonst. Der König fragte ihn, ob er schlechte Nachrichten erhalten hätte. „Keineswegs,“ antwortete der Marschall, „ich bin nur verlegen, Sire, was wir mit Mähren anfangen wollen.“ Der König schlug ihm vor, es an Sachsen zu geben, um durch diese Lockspeise den König von Polen in das große Bündnis zu ziehen. Der Marschall fand die Idee vortrefflich und führte sie in der Folge aus.

Aber die Verhandlungen Preußens beschränkten sich nicht auf Frankreich allein; sie erstreckten sich auf Holland, England und über ganz Europa. Auf einige verstecke Vorschläge, die der König in einem Briefe an den König von England gemacht hatte, antwortete dieser79-2, daß seine Verpflichtungen ihn zwar zwängen, für die Unteilbarkeit des Erbes von Karl VI. einzutreten, und daß er mit Bedauern das gute Einvernehmen zwischen Preußen und Österreich gestört sähe, daß er aber sehr gern seine<80> guten Dienste anböte, um eine Aussöhnung zwischen beiden Höfen zu vermitteln. Auch schickte er Lord Hyndford als englischen Gesandten und Schwicheldt als hannoverschen Bevollmächtigten ab. Beide standen zwar im Dienste desselben Fürsten, hatten aber doch ganz verschiedene Instruktionen. Der Hannoveraner verlangte, man solle die Neutralität seines Herrn dadurch erkaufen, daß man ihm die Bistümer Hildesheim und Osnabrück und die ihm in Mecklenburg verpfändeten Domänenämter garantierte. Man machte einen Gegenvorschlag, der Preußens Vorteil besser wahrte. Der Engländer bot die guten Dienste seines Herrn an, um die Königin von Ungarn zur Abtretung einiger Fürstentümer in Niederschlesien zu bewegen. Man vermied jedoch, darüber in eine förmliche Unterhandlung einzutreten, solange man noch nicht über die Stimmung des Wiener Hofes unterrichtet war. Beide Gesandten waren im Feldlager des Königs, und es schien sonderbar, daß Lord Hyndford mehr Besorgnis bei Schwicheldt erregte, als der Marschall Belle-Isle, und der Hannoveraner vor allen Dingen empfahl, seine Unterhandlungen vor dem englischen Gesandten geheimzuhalten.

Diese Engländer und Hannoveraner wollten mit ihren Schmeicheleien den König in seinem Feldlager nur einlullen. An den andern europäischen Höfen handelten sie nicht so. In Rußland hetzte der englische Gesandte Finch zum Kriege. Die Intrigen des Marchese Botta und der Liebreiz des schönen Lynar stürzten den braven Münnich80-1. Der Prinz von Braunschweig, Rußlands Höchstkommandierender, wurde von seiner Großmutter, von der Kaiserin-Witwe80-2 und den fremden Gesandten, die samt und sonders Hetzer waren, aufgestachelt und trieb zur sofortigen Kriegserklärung gegen Preußen. Schon versammelten sich die russischen Truppen in Livland. Der König erfuhr es und schöpfte Verdacht gegen die Engländer, deren Doppelzüngigkeit er erkannte. Hatten doch auch englische Intrigen dem Großpensionär von Holland ein Mahnschreiben abgepreßt80-3, das den König bewegen sollte, seine Truppen aus Schlesien zurückzuziehen.

Die Ränke der Engländer und vor allem die Haltung Rußlands bestimmten den König endlich, seinen Vertrag mit Frankreich unter den mit dem Marschall Belle-Isle vereinbarten Bedingungen zu unterzeichnen80-4. Es wurden noch die beiden Artikel hinzugefügt, daß die Franzosen ihre Operationen vor Ende August anfangen sollten, und daß dieser Vertrag geheimgehalten werden müßte, bis seine Bekanntmachung dem Interesse Preußens nicht mehr nachteilig sein könnte. Es war höchste Zeit, das Bündnis zum Abschluß zu bringen. Man mußte eilen, da die feindlichen Absichten Rußlands sich deutlich offenbarten. Zu den hannöverschen Truppen, die schon seit dem April im Felde standen, stießen 6 000 Dänen und 6 000 Hessen, denen England Subsidien zahlte. Auch rüsteten die Sachsen, und es war die Rede von einer Vereinigung ihrer Truppen mit den Hannoveranern. Es galt also nur Zeit zu ge<81>winnen, bis der französische Sukkurs eintreffen konnte, und Lord Hyndford und Schwicheldt mußten hingehalten werden, damit sie nicht einmal ahnten, welches Abkommen soeben mit Frankreich unterzeichnet war. Dies gelang dem König und seinen Ministern so gut, daß die Verhandlung mit dem Lord, die fortwährend dem Ziele nahe schien, sich immer wieder an einer neuen Schwierigkeit stieß, welche den Engländer nötigte, seinen Hof um ausführlichere Instruktionen zu bitten. Man stand stets vor dem Abschluß und kam doch nie zum Ende.

Das Feldlager des Königs sah wie ein Friedenskongreß aus; aber die Armee setzte sich in Bewegung und gab den kriegerischen Ton wieder an. Sobald die Stadt Brieg verproviantiert war, brach das Heer auf und nahm sein Lager bei Grottkau. Neipperg stand drei Meilen davon entfernt hinter der Stadt Neiße, wo er eine uneinnehmbare Stellung innehatte. Zur bequemeren Verproviantierung wechselte die preußische Armee das Lager. Sie besetzte die Höhen von Strehlen und näherte sich damit Breslau, von wo sie Lebensmittel beziehen, auch die Kavallerie für den ganzen übrigen Feldzug mit trocknem Futter versehen konnte. In dieser Stellung war sie Brieg und Schweidnitz gleich nahe und deckte ganz Niederschlesien. Man benutzte die acht Wochen, die man dort blieb, um der Infanterie Rekruten und der Reiterei neue Pferde zu verschaffen, und zwar mit so gutem Erfolge, daß das Heer bei Beginn des Feldzuges nicht vollzähliger gewesen war als jetzt.

Während der König beschäftigt war, sein Heer furchtgebietender zu machen, entwarf Neipperg Pläne, die gefährlich werden konnten, wenn man ihm Zeit zu ihrer Ausführung ließ. Wir halten es nicht für unpassend, zu erzählen, wie der König sie erfuhr. In Breslau lebte eine beträchtliche Anzahl alter Damen, die aus Österreich und Böhmen gebürtig, aber seit lange in Schlesien ansässig waren; ihre Verwandten lebten in Wien und Prag, und einige dienten im Heere Neippergs. Der katholische Fanatismus und der österreichische Stolz erhöhten ihre Anhänglichkeit an die Königin von Ungarn. Bei dem bloßen Namen „Preuße“ knirschten sie vor Zorn; sie schmiedeten geheime Anschläge, spannen Intrigen, unterhielten Korrespondenzen mit dem Heere Neippergs durch Vermittlung von Mönchen und Priestern, die ihnen als Sendboten dienten. Sie wußten um alle Pläne des Feindes. Um sich untereinander zu trösten, hatten sie „Sitzungen“ eingerichtet, zu denen sie fast jeden Abend erschienen. Dort teilten sie sich ihre Nachrichten mit und beratschlagten über die Mittel, wie man die ketzerische Armee aus Schlesien vertreiben und alle Ungläubigen ausrotten könnte. Der König erfuhr im großen und ganzen, was in diesen Konventikeln vorging, und sparte nichts, um in ihre Zusammenkünfte eine falsche Schwester hineinzuschmuggeln, die durch ihren vorgespiegelten Haß gegen die Preußen gute Aufnahme fand und über alles, was dort getrieben ward, Bericht erstatten konnte. Auf diesem Wege erfuhr man, daß Neipperg beabsichtigte, den König durch seine Bewegungen von Breslau abzuziehen, dann in Eilmärschen gegen die Hauptstadt vorzurücken und mit Hilfe der geheimen Beziehungen, die er dort hatte, sich ihrer zu<82> bemächtigen. So hätte man den Preußen alle ihre Magazine weggenommen und ihnen zugleich die Verbindung abgeschnitten, die sie durch die Oder mit der Mark Brandenburg hatten.

Sofort beschloß der König, dem Feinde um jeden Preis zuvorzukommen und den mit der Stadt Breslau geschlossenen Neutralitätsvertrag zu brechen, zumal der dortige Magistrat ihn mehr als einmal verletzt hatte. Die Ratsherren und Schöffen, die dem Hause Österreich am meisten anhingen, wurden in das Feldlager des Königs entboten. Ebenso wurden die fremden Gesandten aus Breslau dahin eingeladen, um sie bei den Ausschreitungen, zu denen die Überrumpelung führen konnte, außer Gefahr zu bringen. Zugleich sandte man ein paar Bataillone ab, die auf verschiedenen Wegen in der Vorstadt eintrafen (10. August). Man ersuchte den Rat um Durchmarsch für ein Regiment. Während es durch ein Tor einrückte, blieb in einem anderen Tore ein Wagen stecken; dies benutzten drei Bataillone und fünf Schwadronen, um in die Stadt zu dringen. Die Infanterie besetzte die Wälle und Plätze und sperrte die Tore. Die Kavallerie säuberte die Hauptstraßen. Binnen einer Stunde war alles unterworfen, ohne die geringsten Ausschreitungen, ohne Plünderung und Blutvergießen. Die Bürgerschaft leistete den Huldigungseid. Drei Bataillone blieben als Besatzung in der Stadt, die übrigen stießen wieder zur Armee.

Neipperg ahnte nicht, daß sein Plan entdeckt sei. Er war gegen Frankenstein vorgerückt, in der Hoffnung, der König würde sich sogleich auf Neiße werfen, worauf er sein Vorhaben auf Breslau ausführen wollte. Als er jedoch merkte, daß sein Anschlag mißglückt war, wollte er sich dadurch entschädigen, daß er den Preußen ihr Magazin in Schweidnitz wegnahm. Auch dies mißlang: man kam ihm zuvor. Die Avantgarde des Königs traf zugleich mit der seinen in Reichenbach ein; die österreichische machte kehrt und ging nach Frankenstein zurück. Der König wurde in Reichenbach durch neu ausgehobene Truppen verstärkt: 10 Dragoner- und 13 Husarenschwadronen. Neipperg hatte seine Stellung sehr geschickt gewählt. Er unterhielt seine Verbindung mit der Festung Neiße über Patschkau; er bezog seine Lebensmittel aus Böhmen über Glatz und fouragierte ein Land aus, das er doch nicht halten konnte. Sein rechter Flügel lehnte sich an Frankenstein, der linke an die Höhen unweit von Silberberg. Seine Front war durch zwei Bäche gedeckt und unzugänglich gemacht. Diese Schwierigkeiten reizten den König; er suchte seine Ehre darin, die Österreicher aus ihrem Lager zu vertreiben und sie nach Oberschlesien zurückzuwerfen. Doch ehe wir zu dieser Unternehmung kommen, dürfte es angezeigt sein, einen Blick auf die Ereignisse im übrigen Europa zu werfen.

Die Königin von Ungarn begann jetzt einzusehen, welche Gefahr ihr drohte. Die Franzosen gingen über den Rhein und zogen in großen Tagemärschen an der Donau entlang. Die Furcht dämpfte den Stolz der Königin. Sie entsandte Robinson, den englischen Vertreter am Wiener Hofe, um es mit einigen Vergleichsvorschlägen zu versuchen. Robinson schlug dem König gegenüber einen hochfahrenden Ton an und<83> sagte, die Königin wolle alles Vergangene vergessen. Sie böte ihm zur Entschädigung für seine Ansprüche auf Schlesien Limburg und das österreichische Geldern, sowie zwei Millionen Taler an, falls er Frieden schlösse und seine Truppen Schlesien sofort räumten. Der Gesandte gebärdete sich wie ein Narr und schwärmerischer Verehrer der Königin von Ungarn. Er führte seine Verhandlungen mit einem Pathos, als hätte er im Unterhaus eine Rede zu halten. Der König, der das Lächerliche gern aufgriff, schlug den gleichen Ton an und erwiderte ihm: Nur ehrlose Fürsten könnten ihre Rechte für Geld verkaufen. Solche Vorschläge wären für ihn noch beleidigender als früher die stolze Verachtung des Wiener Hofes. Und mit erhobener Stimme fuhr er fort: „Meine Armee würde mich nicht wert finden, sie zu befehligen, wenn ich durch einen schimpflichen Vergleich die Vorteile opferte, die sie mir durch unsterbliche Taten errungen hat. Erfahren Sie ferner, daß ich meine neuen Untertanen, alle diese Protestanten, deren Wünsche mich herbeigerufen haben, nicht ohne den schwärzesten Undank im Stich lassen kann. Soll ich sie der Tyrannei ihrer Verfolger überliefern, die ihre Rachsucht an ihnen auslassen würden? Soll ich an einem einzigen Tage die Gefühle der Ehre und der Rechtschaffenheit verleugnen, mit denen ich zur Welt kam? Wäre ich einer so feigen, einer so gemeinen Handlung fähig, ich würde die Gräber meiner Vorfahren sich öffnen sehen; sie würden heraufsteigen und mir zurufen: Nein, du bist nicht von unserm Blute! Du sollst für Rechte, die wir dir vererbt haben, kämpfen, und du verkaufst siel Du befleckst die Ehre, die wir dir als kostbarstes Erbteil hinterlassen haben! Du bist unwürdig, ein Fürst, ein König zu sein! Du bist nur ein verächtlicher Krämer, der Gewinn dem Ruhme vorzieht! — Nein, nie, nie will ich solche Vorwürfe verdienen. Lieber will ich mich und mein Heer unter den Trümmern Schlesiens begraben lassen, als daß ich auf die Ehre und den Ruhm des preußischen Namens den geringsten Flecken kommen lasse. Das, mein Herr, ist die einzige Antwort, die ich Ihnen geben kann.“

Robinson war über diese Rede bestürzt. So etwas hatte er nicht erwartet. Er kehrte nach Wien zurück, um dort zu berichten. Aber indes der König diesen Schwärmer fortschickte, fuhr er fort, Lord Hyndford zu schmeicheln und ihn in völlige Sicherheit zu wiegen. Es war noch nicht Zeit, die Karten aufzudecken. Um die Seemächte günstig zu stimmen, teilte man ihnen die Vorschläge Robinsons mit. Man entschuldigte die Ablehnung des Königs mit dem Hinweis auf den Barrieretraktat83-1, der, wie man wohl wisse, der Königin von Ungarn die Hände binde. Darum habe man die von ihr angebotene Abtretung von Limburg und Geldern nicht annehmen mögen. Besonders in Holland betonte man stark die Rücksichtnahme des<84> Königs auf die Interessen dieser Republik. Er würde darin so weit gehen, daß er auch Brabant ausschlüge, falls es ihm angeboten würde.

Um diese Zeit ungefähr unterzeichnete Preußen seinen Vertrag mit dem Kurfürsten von Bayern und versprach ihm seine Stimme bei der Kaiserwahl84-1. Beide Fürsten gaben sich gegenseitig Garantien auf Schlesien für Preußen, auf Oberösterreich, Tirol, den Breisgau und Böhmen für Bayern. Der König kaufte vom Kurfürsten die Grafschaft Glatz für 400 000 Taler, die der Bayer verkaufte, ohne sie je besessen zu haben.

Aber eines der günstigsten und entscheidendsten Ereignisse der damaligen Zeit trat im Norden ein. Schweden erklärte an Rußland den Krieg (22. August) und zerstörte dadurch alle Pläne der Könige von England, von Polen und des Prinzen Anton Ulrich gegen Preußen. König August, aus allen seinen schönen Hoffnungen auf die Teilung der preußischen Staaten mit dem König von England gestürzt, ließ sich vom Strome treiben, und da er nichts Besseres fand, so verbündete er sich mit dem Kurfürsten von Bayern zur Vernichtung des Hauses Österreich84-2. Marschall Belle-Isle, der nicht gewußt hatte, was er mit Mähren und dem Kreise Obermanhartsberg84-3 machen sollte, erhob diese Länder zum Königreich und gab sie an Sachsen, das für diese Liebesgabe den Vertrag vom 31. August84-4 unterzeichnete. Der Wiener Hof, der jetzt nicht mehr auf eine Diversion von seiten Rußlands rechnen konnte und von allen Seiten bedrängt ward, schickte seinen englischen Unterhändler nochmals ins preußische Lager. Der brachte eine Karte von Schlesien mit, auf der die Abtretung von vier Fürstentümern mit einem Tintenstrich bezeichnet war. Er wurde kalt empfangen, und es wurde ihm bedeutet, daß, was zu einer Zeit gut sein könne, es zu einer andern nicht mehr sei. Der Londoner und Wiener Hof hatten sich zu sehr auf die Hilfe der Russen verlassen. Nach ihrer Rechnung mußte der König unfehlbar gedemütigt und erniedrigt werden und fußfällig um Frieden bitten. Es fehlte nicht viel, so wäre das Gegenteil geschehen. So spielt oftmals das Glück im Kriege und wirft die Berechnungen der geschicktesten Staatsmänner über den Haufen.

Schon waren die Franzosen und Bayern in voller Tätigkeit. Sie waren in Österreich eingedrungen und näherten sich Linz. Nur durch gemeinsames und einmütiges Vorgehen konnte man hoffen, die Königin von Ungarn niederzuwerfen. Es war nicht mehr Zeit, müßig im Lager zu bleiben. Der König brannte vor Ungeduld, etwas zu unternehmen. Er versuchte, Neipperg von der Festung Neiße abzuschneiden und ihn auf dem Marsche anzugreifen. Der Plan war nicht übel ausgedacht, aber die Ausführung mißlang. Kalckstein erhielt Befehl, mit 10 000 Mann und mit Pontons schleunigst nach dem Dorfe Woitz zu rücken und dort eine Brücke über die Neiße zu schlagen. Die Armee, die ihm auf dem Fuße folgte, sollte sie bei ihrer Ankunft überschreiten können. Kalckstein rückte bei Sonnenuntergang ab, marschierte die ganze<85> Nacht durch und war am anderen Morgen erst einen Kanonenschuß weit vom Lager. War es Langsamkeit oder schlechte Anordnung, oder waren es die vom Regen ganz verdorbenen Wege, die ihn aufhielten: jedenfalls kam das Gros der Armee seiner Avantgarde zuvor und langte schon vor ihm im Lager von Tepliwoda und Siegroth an. Dieser verlorene Tag ließ sich nicht wieder einbringen. Der König marschierte selbst nach Woitz (11. September) und ließ Brücken über die Neiße schlagen. Aber das österreichische Heer zeigte sich in Schlachtordnung etwa 800 Schritte vom Flusse. Durch einige Gefangene, die gemacht wurden, erfuhr man, daß Neipperg nur wenige Stunden vor dem König angekommen sei. Die Armee konnte diese Brücke nicht vor zwei Stunden erreichen. Man hätte sie überschreiten können, wäre der Feind dem König nicht zuvorgekommen. Aber jetzt wäre es höchst unklug gewesen, eine Brücke angesichts eines Heeres zu passieren, das die Truppen sicherlich einzeln und so, wie sie aufmarschierten, geschlagen hätte. Man beschloß deshalb, für diesen Tag auf den Höhen von Woitz Stellung zu nehmen. Bald darauf schlugen die Preußen ihr Lager bei Neundorf auf; und um sich aus Brieg verproviantieren zu können, sicherten sie die Verbindung mit dieser Stadt durch Besetzung von Löwen und Michelau. Der Sturm, der sich über dem Hause Österreich zusammenzog, und die Gefahren, die täglich dringender wurden, brachten die Königin von Ungarn endlich zu dem ernstlichen Entschluß, sich von einem ihrer Feinde zu befreien, um die furchtbare Liga zu sprengen, die ihr den Untergang drohte. Sie verlangte ernstlich Frieden. Über die Stadt Breslau wollte sie nicht mehr streiten; nur bestand sie darauf, Neiße zu behalten. Lord Hyndford, der damals in ihrem Namen unterhandelte, verlangte, daß der König für eine so große Abtretung der Königin von Ungarn mit allen seinen<86> Kräften beistehen sollte. Der König erwiderte; es tue ihm leid, das Anerbieten abschlagen zu müssen, aber er könne die Verträge nicht brechen, die er soeben mit Bayern und Frankreich geschlossen hätte. Die Verzweiflung in Wien war so groß, daß man in jedem Augenblick das Erscheinen der Bayern erwartete. Die Landstraßen wimmelten von Flüchtenden. Der Hof war im Begriff aufzubrechen. In dieser allgemeinen Bestürzung schrieb die Kaiserin-Witwe an den Prinzen Ferdinand von Braunschweig, der im Heere des Königs diente, folgenden Brief, der merkwürdig genug ist, um angeführt zu werden.

Wien, den 11. September 1741.



Mein lieber Neffe!

Ich breche ein grausames Schweigen, das Ihr Betragen, indem Sie gegen uns dienen, mir auferlegt hat. Auch täte ich es nicht, wenn ich andre Wege wüßte, um den König von Preußen zu beschwören, mir einen Neffen wiederzugeben, den ich nicht mehr geliebt und schätzenswert nennen kann nach der Betrübnis, die Sie beide mir bereitet haben. Das Trostmittel liegt in des Königs Hand. Die Königin, meine Tochter, gesteht ihm alles zu, was niemand außer ihr selbst ihm verbürgen kann, wenn er ihr hilft, sie und den Staat in völlige Ruhe zu setzen, und wenn der König hilft, das Feuer zu löschen, das er selbst entzündet hat, und nicht selbst seine eignen Feinde vermehrt. Denn es braucht nur der Kurfürst von der Pfalz zu sterben86-1, um ihm neue Feinde zu machen. Außerdem können Bayern und Sachsen bei ihren Vergrößerungsplänen nicht zugeben, daß er das, was die Königin ihm in Schlesien überlassen hat, ruhig besitzt. Reden Sie dem König also zu, unser treuer Bundesgenosse zu werden und der Königin mit Truppen beizustehen, um ihr die Länder zu erhalten, die so viele Feinde bedrängen. Denn es ist der Vorteil der beiden Mächte selbst, wenn sie in engem Bündnis stehen, da ihre Länder so liegen, daß sie einander zur Wahrung ihrer gegenseitigen Rechte beistehen können. Ich verlasse mich ganz auf Ihre Vorstellungen und auf die trefflichen Eigenschaften des Königs, der uns dieses Unglück zugezogen hat und nun auch die Ehre beanspruchen wird, uns seinerseits vom Untergange zu erretten, wohl auch einige Rücksicht für seinen eignen Vorteil haben wird, sowie für eine betrübte Mutter und Tante, welche hernach sich ohne Groll wird nennen können

Ihre wohlgeneigte Tante
Elisabeth.

Prinz Ferdinand antwortete der Kaiserin-Witwe im wesentlichen, daß der König sich als Ehrenmann nicht von den Verpflichtungen lossagen könnte, die er mit Bayern und Frankreich eingegangen wäre. Er bedaure und beklage die Kaiserin aufrichtig,<87> wünsche ihre Lage ändern zu können und habe Mitgefühl; aber die Zeit, wo es ihm freigestanden hätte, sich mit dem Wiener Hofe zu vergleichen, sei vorüber.

Wenige Tage danach fing man einen Brief der Kaiserin-Witwe an den Prinzen Ludwig von Braunschweig auf, der sich damals in Rußland befand. Dieser Brief war offenherziger, aber der Stil war um nichts besser. Hier ist die vom Original genommene Abschrift.

21. September 1741.



Mein lieber Neffe!

Der Zustand unserer Angelegenheiten hat eine so drückende Wendung genommen, daß man unsern Fall völlig trostlos nennen kann; denn keiner ist mehr für uns. Was uns in unserem Unglück tröstet, ist, daß Gott mehr als einen Pharao ins Rote Meer stürzen und unsre falschen verstellten Freunde verderben wird. Es kann nicht sein, daß die meisten Menschen noch an einen Gott glauben. Wahr ist: der falsche Schein hat mich nicht eingewiegt; und obwohl der Kurfürst von Bayern uns die Franzosen auf den Hals geschickt hat und mich von hier vertreibt, so halte ich ihn doch für einen würdigen Fürsten. Denn er hat nicht geheuchelt und ist nicht falsch gewesen; er hat sich gleich anfangs entdeckt und ist ehrlich zu Werke gegangen. Ich trage Bedenken, Ihnen mehr von hier zu schreiben. Das ist ein trauriges Jahr für mich. Erhalten Sie uns das Bündnis87-1, und möge man sich dort vor falschen und verstellten Freunden hüten. Ich verharre als

Ihre wohlgeneigte Tante
Elisabeth.

Der Ton dieser Briefe zeigt, wie bitter der Wiener Hof die Fortschritte der Preußen in Schlesien empfand und wie sehr er nach Rache dürstete. Aber welche Logik! Wer das Haus Österreich angreift, der kann an keinen Gott glauben! Daß man Frieden anbietet, solange man freie Hand dazu hat, und daß man vorgeschlagene Bedingungen abweist, nachdem man anderweitige Verträge unterzeichnet hat, das soll Falschheit, Treulosigkeit sein! So sprechen Eigenliebe und Dünkel, die die Klarheit des Urteils trüben. In Wien betrachtete man das Bündnis gegen die Pragmatische Sanktion als den Krieg der himmelstürmenden Titanen, die Jupiter vom Thron stoßen wollten.

Die Schweden waren nicht so glücklich wie ihre Bundesgenossen. Ein Korps von 12 000 Mann war bei Willmanstrand87-2 von den Russen zusammengehalten worden. Das war ein beträchtlicher Schlag für das Königreich, das seit Karl XII. geschwächt und fast zugrunde gerichtet war. Frankreich war hierüber ungehalten und nahm sich vor, die Niederlage seiner Verbündeten auf einer andern Seite wieder wettzumachen.<88> Der Marschall Maillebois sollte mit seinem Heere von Westfalen aus in das Kurfürstentum Hannover eindringen und sich dieses Landes bemächtigen. Der König beging einen schweren Fehler, als er sein ganzes Ansehen aufbot, um die Franzosen von diesem Vorhaben abzubringen. Er wandte ein, sie würden sich durch dieses Unternehmen in Europa verhaßt machen, alle deutschen Fürsten gegen sich aufbringen und über der Ausführung eines unwichtigen Vorhabens den Hauptzweck aus den Augen verlieren, der darin bestand, die Königin von Ungarn mit aller Macht niederzuwerfen. Es wäre den Franzosen ein leichtes gewesen, eine so schwache Beweisführung zu widerlegen. Hätten sie das Kurfürstentum Hannover besetzt, so hätte der König von England ihnen nimmermehr am Rhein oder in Flandern Diversionen machen können.

Noch fehlte Frankreichs Garantie für den zwischen dem König und dem Kurfürsten von Bayern geschlossenen Vertrag. Man drang in Valory, sie zu besorgen. Sein Hof machte noch Schwierigkeiten wegen der Abtretung der Grafschaft Glatz und einiger Stücke von Oberschlesien. Als Valory beim König war, entfiel ihm zufällig ein Brief aus der Tasche. Ohne sich etwas merken zu lassen, setzte der König den Fuß darauf und entließ den Gesandten so rasch wie möglich. Der Brief war von Amelot, dem Staatssekretär des Auswärtigen, und enthielt die Weisung, Glatz und Oberschlesien nur dann an Preußen zu geben, wenn aus der Verweigerung größere Nachteile entstünden. Nach dieser Entdeckung mußte Valory auf alles eingehen, was man verlangte.

Die Absichten der Franzosen auf Hannover wurden bekannt und kamen alsbald dem König von England zu Ohren. Der hielt sein Kurfürstentum für verloren; er hatte keine Zeit mehr, den nahen Streich abzuwenden. Da seine mit Rußland und Sachsen geplanten Unternehmungen gleichfalls mißglückt waren, so war er jetzt ernstlich gewillt, den Frieden zwischen Preußen und der Königin von Ungarn zu vermitteln. Demgemäß begab sich Lord Hyndford ins österreichische Lager und machte von dort aus dem Wiener Hofe die dringende Vorstellung, man müßte, um die übrigen Staaten zu retten, einen Teil zur rechten Zeit aufopfern. Er sprach so energisch, daß der Hof in die Abtretung Niederschlesiens, der Stadt Neiße und eines Striches von Oberschlesien willigte und auf jeden Beistand Preußens gegen Österreichs Feinde verzichtete.

Der König, der die Doppelzüngigkeit der Engländer und der Österreicher kannte, hielt diese Anerbietungen für Fallstricke. Und um sich nicht durch schöne Worte einschläfern zu lassen und müßig in seinem Lager zu bleiben, ging er, ohne daß der Feind es merkte, bei Michelau über die Neiße und lagerte sich den andern Tag bei Kaltecke, indes ein Detachement sich der Stadt Oppeln bemächtigte, wo das Proviantmagazin angelegt ward. Auf diese Bewegungen hin verließ Neipperg Neiße und marschierte nach Oppersdorf. Der König umging ihn bei Friedland und lagerte sich bei Steinau.

Vielleicht beschleunigten diese verschiedenen Manöver die Unterhandlungen Lord Hyndfords. Er kam wieder zum König mit der Nachricht, seine Unterhandlung wäre<89> so erfolgreich gewesen, daß Neipperg drauf und dran sei, Schlesien zu räumen, wofern der König ihm mündlich erklärte, nichts mehr gegen die Königin zu unternehmen. Die Feinde verlangten nichts als eine Unterredung, die dem preußischen Staate Provinzen einbringen sollte und ruhige Winterquartiere für die durch einen elfmonatigen Feldzug erschöpften Truppen. Die Verführung war groß. Der König wollte versuchen, was bei dieser Unterredung herausspringen könnte. Er begab sich heimlich, nur vom Obersten Goltz89-1 begleitet, nach Kleinschnellendorf, wo er den Feldmarschall Neipperg, General Lentulus und Lord Hyndford antraf (9. Oktober).

Der König tat diesen Schritt nicht ohne Überlegung. Zwar hatte er einige Ursache, sich über Frankreich zu beschweren, doch ging seine Verstimmung nicht so weit, daß er einen Bruch wünschte. Die Gesinnungen des Wiener Hofes kannte er aus eigner Erfahrung und wußte, daß von dort nichts Freundschaftliches zu erwarten war. Offenbar verstand sich die Königin von Ungarn zu dieser Konvention nur deshalb, um durch ihre Bekanntmachung Mißtrauen unter die Verbündeten zu säen. Er mußte also als unerläßliche Bedingung von den Österreichern die Berechtigung fordern, die Vereinbarung zu brechen, wenn sie das Geringste von dem Abkommen verlauten ließen. Daß dies unfehlbar erfolgen würde, war dem König ganz sicher. Das Protokoll führte Lord Hyndford im Namen seines Herrn. Man vereinbarte, daß Neiße nur zum Schein belagert werden sollte, daß die preußischen Truppen in ihren Quartieren, sowohl in Schlesien wie in Böhmen, nicht beunruhigt werden dürften, und vor allem, daß bei der geringsten Indiskretion alle Verabredungen null und nichtig sein sollten.

Man muß gestehen: wenn es etwas wie ein unseliges Schicksal gibt, so war ihm Neipperg verfallen. Ihm schien es bestimmt, die demütigendsten Verträge für seine Fürstin zu schließen89-2. Kurz nach Abschluß dieser Konvention rückte er mit seiner Armee nach Mähren ab. Die Belagerung von Neiße wurde sofort angefangen. Die Stadt hielt sich nur zwölf Tage. Die österreichische Besatzung war noch nicht abgezogen, als die preußischen Ingenieure in der Stadt schon die neuen Werke zeichneten, welche die Festung in der Folge zu einem der stärksten Plätze Europas machten. Nach der Einnahme von Neiße (31. Oktober) trennte sich die Armee. Ein Teil rückte unter dem Kommando des Erbprinzen Leopold von Anhalt in Böhmen ein. Einige Regimenter wurden zur Einschließung von Glatz verwandt. Die übrigen Truppen lagerten sich unter dem Oberbefehl des Feldmarschalls Schwerin in Oberschlesien.

Der Herzog von Lothringen, der sich zu Preßburg aufhielt, wiegte sich in der Hoffnung, der König von Preußen hielte vorläufige Vereinbarungen für perfekte Friedensschlüsse, und schrieb an ihn, um seine Stimme zur Kaiserwahl zu erbitten. Die Antwort war höflich, aber in so dunklem und verworrenem Stil abgefaßt, daß der Schreiber seinen Brief selbst nicht verstand.

<90>

So endigte der Feldzug elf Monate nach dem Einmarsch in Schlesien. Der König nahm die Huldigung seiner neuen Untertanen in Breslau entgegen (7. November) und kehrte von da nach Berlin zurück. Durch seine Fehler fing er an, den Krieg zu lernen. Doch die überwundenen Schwierigkeiten waren nur ein Teil derer, die noch zu besiegen blieben, um das in Angriff genommene große Werk glücklich zu vollenden.

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4. Kapitel

Politische Gründe des Waffenstillstandes. Krieg der Franzosen und Bayern in Böhmen. Spanien erklärt sich gegen Österreich. Der Reichstag bei der Kaiserwahl. Staatsumwälzung in Rußland. Verschiedene Unterhandlungen.

Um in der Erzählung der militärischen Ereignisse den Faden nicht abzureißen, haben wir uns mit kurzer Andeutung der Ursachen begnügt, die diese Art Waffenstillstand zwischen Preußen und Österreich veranlaßten. Der Gegenstand ist heikel. Der Schritt des Königs war bedenklich. Es ist nötig, seine geheimsten Beweggründe zu entwickeln, und der Leser wird es entschuldigen, wenn wir dabei etwas weiter zurückgreifen, um die Dinge in desto helleres Licht zu setzen.

Der Zweck des vom König unternommenen Krieges war die Eroberung Schlesiens. Schloß er Verträge mit Frankreich und Bayern, so geschah das nur zur Erreichung dieses einen großen Zieles; aber Frankreich und seine Verbündeten hatten ganz andere Absichten. Die Versailler Regierung war fest überzeugt, daß es um die Macht Österreichs geschehen sei und daß sie für ewig würde vernichtet werden. Auf den Trümmern von Österreich wollte Frankreich vier Fürsten erheben, die sich gegenseitig die Wage halten könnten: die Königin von Ungarn, die dieses Königreich, sowie Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain behalten sollte, den Kurfürsten von Bayern als Herrn von Böhmen, Tirol und dem Breisgau, Preußen mit Niederschlesien und endlich Sachsen, das durch Oberschlesien und Mähren vergrößert werden sollte. Diese vier Nachbarn hätten sich auf die Dauer niemals vertragen, und Frankreich schickte sich an, die Rolle des Schiedsrichters zu übernehmen und über<92> Machthaber, die es selbst eingesetzt hatte, nach seinem Belieben zu schalten. Damit wäre die römische Staatskunst aus den glänzendsten Zeiten der Republik erneuert worden.

Das französische Projekt war unvereinbar mit der deutschen Freiheit und ganz und gar nicht im Sinne des Königs, der für die Machtstellung seines Hauses arbeitete und nicht daran dachte, seine Truppen zu opfern, um sich Nebenbuhler zu schaffen und großzuziehen. Hätte er sich zum knechtischen Werkzeuge der französischen Politik gebrauchen lassen, so hätte er sich selbst sein Joch geschmiedet. Er hätte alles für Frankreich getan und nichts für sich. Vielleicht wäre es Ludwig XV. dann gelungen, den Traum jenes Weltreiches zu verwirklichen, den man Karl V. zuschreibt. Ja, um ehrlich zu sein: allzu große Erfolge der Franzosen hätten den König in völlige Abhängigkeit von ihnen gebracht, und er mußte sich deshalb hüten, ihre Operationen zu eifrig zu unterstützen. Aus einem Verbündeten wäre er zum Untergebenen geworden. Man hätte ihn weiter fortgerissen, als er wollte, und er hätte jedem Wunsche Frankreichs nachkommen müssen, weil er selbst zum Widerstande zu schwach war und ihm Bundesgenossen gefehlt hätten, die ihn aus der Knechtschaft befreiten.

So erschien es für den König als ein Gebot der Klugheit, seine Kriegführung so einzurichten, daß er eine Art Gleichgewicht zwischen den Häusern Österreich und Bourbon herstellte. Die Königin von Ungarn stand am Rande des Abgrundes. Ein Waffenstillstand erlaubte ihr aufzuatmen. Der König war aber sicher, ihn brechen zu können, sobald er es für angezeigt hielt; denn der Wiener Hof wurde durch seine Politik dazu gedrängt, das Geheimnis bekanntzumachen. Und endlich — was den König am meisten rechtfertigt — hatte er die geheimen Beziehungen entdeckt, die Kardinal Fleury mit Stainville, dem Gesandten des Großherzogs von Toskana zu Paris, unterhielt. Er wußte, daß der Kardinal durchaus geneigt war, Frankreichs Verbündete aufzuopfern, falls der Wiener Hof ihm Luxemburg und einen Teil von Brabant anbieten sollte. Es galt also, geschickt zu handeln und sich vor allem nicht von einem alten Politiker überlisten zu lassen, der im letzten Kriege mit mehr als einem gekrönten Haupte sein Spiel getrieben hatte.

Die Ereignisse sollten den vom König vorausgesehenen Mangel an Verschwiegenheit des Wiener Hofes bald rechtfertigen. Österreich machte den angeblichen Vertrag mit Preußen allenthalben bekannt: in Sachsen, in Bayern, in Frankfurt am Main und wo es sonst seine Sendlinge hatte. Graf Podewils, der Minister des Auswärtigen, war vom König beauftragt worden, bei seiner Rückkehr aus Schlesien über Dresden zu reisen, um den Hof auszuforschen, der stets viel Eifersucht und Übelwollen gegen alles, was Preußen betraf, gezeigt hatte. Er fand in Dresden den Marschall Belle-Isle vor, wutentbrannt über das, was er von einem gewissen Koch92-1, einem Werkzeug des Wiener Hofes, erfahren hatte. Koch hatte dem Marschall Frie<93>densvorschläge gemacht, und als der sie verwarf, erklärt, sein Hof hätte sich auf gut Glück mit dem König von Preußen verglichen. Ja mehr noch, ganz Dresden war mit Briefen überschwemmt, worin den Sachsen geraten wurde, mit ihrem Einmarsch nach Böhmen innezuhalten, weil der König von Preußen sich mit der Königin von Ungarn ausgesöhnt habe und zu einem Einfall in die Lausitz rüste. Graf Brühls mißtrauische Ängstlichkeit wurde durch die herzhafte Entschlossenheit des Grafen Podewils jedoch überwunden, und die Sachsen rückten in Böhmen ein. Unterdessen hatte der Kurfürst von Bayern dem König einen Brief der Kaiserin Amalie93-1 mitgeteilt, worin er ermahnt ward, sich mit der Königin von Ungarn vor dem Monat Dezember zu einigen, da sie genötigt wäre, die Präliminarien ihres Abkommens mit Preußen zu ratifizieren. Dieses Benehmen des Wiener Hofes entband den König von allen seinen Verpflichtungen. Wir werden im folgenden sehen, daß man in Wien den Mangel an Verschwiegenheit teuer bezahlen mußte.

Während aller dieser Unterhandlungen hatte der Kriegsschauplatz oft gewechselt. Jetzt schienen alle Armeen sich ein Stelldichein in Böhmen gegeben zu haben. Der Kurfürst von Bayern war nur zwei Tagemärsche von Wien entfernt gewesen. Sein weiterer Vormarsch hätte ihn vor die Tore der Hauptstadt geführt, die ihm bei ihrer schwachen Besatzung nur geringen Widerstand geleistet hätte. Diese große Aussicht ließ der Kurfürst fahren in der kindischen Besorgnis, die Sachsen könnten Böhmen allein erobern und für sich behalten. Die Franzosen glaubten in verkehrter Staatsklugheit, daß die Bayern durch die Eroberung Wiens zu mächtig würden, und bestärkten daher den Kurfürsten in seinem Mißtrauen gegen Sachsen, um ihn von Wien abzuziehen.

Dieser Kardinalfehler war die Ursache all des Mißgeschicks, das in der Folge über Bayern hereinbrach. Das Heer der Franzosen und Bayern wurde geteilt; 15 000 Mann unter Ségur sollten Österreich und das Kurfürstentum decken. Der Kurfürst eroberte mit der Hauptmacht Tabor, Budweis und rückte gerade auf Prag los. Hier stießen die Sachsen, sowie General Gassion93-2 zu ihm, jene von Lobositz, dieser von Pilsen her. Als aber die Österreicher anrückten, zogen Feldmarschall Törring und General Leuville, die in Tabor und Budweis befehligten, ab. Die Feinde fanden in beiden Städten nicht nur beträchtliche Magazine, sondern schnitten auch durch die so gewonnene Stellung Ségur von dem Heere in Böhmen ab. Neipperg und Fürst Lobkowitz, die beide aus Mähren kamen, befestigten sich in der neuen Stellung.

Der Kurfürst von Bayern stand damals vor Prag. Da er wegen der strengen Jahreszeit keine regelrechte Belagerung vornehmen konnte, so beschloß er, die Stadt zu stürmen. Trotz ihrer weiten Ausdehnung war sie nur von einer schwachen Besatzung verteidigt. Griff man sie von verschiedenen Seiten zugleich an, so mußte sich notwendig irgendeine Stelle ohne Gegenwehr finden, und das ermöglichte ihre Er<94>oberung. Prag wurde also von drei verschiedenen Seiten bestürmt94-1. Graf Moritz von Sachsen erstieg den flankierten Winkel der Bastion Nikolaus am Neu-Tor; die Zugbrücke wurde herabgelassen, und durch das Tor drang die Kavallerie in die Stadt, säuberte die Straßen und vertrieb die Besatzung des Karls-Tors, das Graf Rutowski vergeblich zu erobern versuchte. Erst nachdem der Gegner den Wall geräumt hatte, ließ Graf Moritz zum Sturm vorgehen. Von den Feinden überwältigt, mußten die Österreicher die Waffen strecken. Ein dritter Angriff, den Polastron leitete, mißlang völlig.

Der Herzog Franz von Lothringen, Großherzog von Toskana, wollte sich damals an die Spitze der Heere stellen und rückte in Eilmärschen heran, um Prag zu retten. Kaum aber war er in Königssaal angelangt, so erfuhr er, daß die Verbündeten schon Herren der Stadt seien. Das wirkte auf ihn wie ein Donnerschlag. Hastig machte er wieder kehrt. Es war mehr eine Flucht als ein Rückzug. Die Soldaten liefen auseinander, plünderten die Dörfer und gingen scharenweise zu den Franzosen über. Neipperg und Lobkowitz flüchteten sich mit ihren mutlosen Truppen hinter die Sümpfe von Budweis, Tabor, Neuhaus und Wittingau, berühmte Stellungen, in denen vor Zeiten schon der Hussitenführer Ziska allen seinen Feinden getrotzt hatte.

Marschall Belle-Isle, den die Gicht an Dresden gefesselt hielt, solange die Dinge in Böhmen noch mißlich schienen, begab sich sofort nach der Übergabe nach Prag. Er schickte Polastron nach Deutsch-Brod und den Grafen Moritz nach Pischely, um die Ufer der Sazawa zu säubern, während d'Aubigné mit 20 Bataillonen und 30 Schwadronen gegen die Wottawa vorrückte. Nach der Absicht des Marschalls sollte d'Aubigné bis Budweis vorstoßen, blieb aber in seiner Saumseligkeit bei Pisek stehen. So gab die Untätigkeit der französischen Heerführer den Österreichern Zeit, sich zu erholen und in ihren Quartieren zu verschanzen. Marschall Belle-Isle gefiel sich in seiner repräsentativen Stellung und wollte lieber den Gesandten als den Heerführer spielen. Deshalb schrieb er an den Kardinal, seine Gesundheit sei den Strapazen eines Feldzuges nicht mehr gewachsen und er bäte um Ablösung vom Oberbefehl. Der Kardinal übertrug die Führung dem Marschall Broglie94-2, einem durch zwei Schlagflüsse geschwächten Manne. Da Broglie aber als Gouverneur in Straßburg stand, schien er von allen Generalen derjenige, der am schnellsten zur Armee in Böhmen stoßen konnte.

Gleich bei seiner Ankunft überwarf Broglie sich mit dem Marschall Belle-Isle. Er änderte alle Anordnungen seines Vorgängers und zog eine große Anzahl von Truppen zusammen, mit denen er nach Pisek rückte. Der Großherzog machte Miene, ihn anzugreifen, aber sein Versuch war fruchtlos. Lobkowitz hatte nicht mehr Erfolg gegen Frauenberg. Schließlich kehrten die Österreicher nach unnützer Anstrengung in ihre Quartiere zurück. Den Franzosen, die ihre Ruhe und Bequemlichkeit haben woll<95>ten, war es gar nicht recht, daß die Feinde sie so oft belästigten, und sie wünschten, daß die Preußen zu ihrer Bedeckung heranrücken möchten. Aber nur ein Blödsinniger konnte sich diesem Begehren fügen. Valory, der französische Gesandte zu Berlin, erschöpfte sich in Klagen. Er behauptete, die Deutschen, die doch nur zum Kämpfen gut wären, müßten gegen die Österreicher losziehen, um den Franzosen, die ihnen in allen anderen Dingen überlegen wären, Ruhe zu verschaffen. Man hörte ihn stillschweigend an. Schließlich aber wurde er selbst seiner vergeblichen Zudringlichkeit müde.

Nachdem so viele Mächte sich zur Teilung der österreichischen Erbschaft vereinigt hatten, erwachte die Begehrlichkeit auch in den Fürsten, die bisher ruhig geblieben waren. Spanien wollte nicht müßig zusehen, wie jedermann an seine Vergrößerung dachte. Die Königin von Spanien95-1, eine geborene Prinzessin von Parma, erhob Ansprüche auf das Herzogtum Parma sowie auf Piacenza, das sie ihren Unterrock nannte. Ihr zweiter Sohn Don Philipp sollte hier auf den Thron kommen. Sie ließ 20 000 Spanier unter dem Befehl von Montemar durch das Königreich Neapel rücken, indes Don Philipp mit einem andern Korps durch das Dauphiné und Savoyen marschierte, um in die Lombardei einzufallen. So griff das Feuer, das aus einem Funken in Schlesien entglommen war, von Land zu Land um sich, und bald stand ganz Europa in Flammen.

Während die vielen Heere, die einander gegenüberstanden, mehr Torheiten als Ruhmestaten vollbrachten, war der Reichstag in Frankfurt zur Kaiserwahl versammelt und vergeudete seine Zeit in läppischen Beratungen. Statt ein Reichsoberhaupt zu wählen, stritt man sich über Brokatkleider oder Spitzen, welche die Gesandten zweiten Ranges ebenso zu tragen beanspruchten wie die ersten Ranges. Der Reichstag war in zwei Parteien gespalten. Die eine bestand aus fanatischen Anhängern, die andere aus maßlosen Feinden der Königin von Ungarn. Jene wollten den Großherzog von Toskana zum Kaiser haben, diese beharrten halsstarrig auf dem Kurfürsten von Bayern. Das Waffenglück, das noch die Verbündeten begünstigte, entschied den Streit, und ihre Partei erlangte endlich das Übergewicht, das der Erfolg verschafft. Trotzdem rückte das Wahlgeschäft in Frankfurt nicht von der Stelle.

Um eine Vorstellung von dieser Versammlung und von der Langsamkeit ihrer Beratungen zu geben, wird es nicht unnütz sein, eine Skizze davon zu entwerfen. Die Goldene Bulle gilt als das Grundgesetz Deutschlands. Auf sie beruft man sich bei jeder Gelegenheit, und wenn es Zänkereien gibt, so entstehen sie aus der Art ihrer Auslegung. Daher schicken die Fürsten die Rechtslehrer, die in der Goldenen Bulle am besten Bescheid wissen, die schwerfälligsten Pedanten, die in den äußerlichen Lappalien am erfahrensten sind, als ihre Stellvertreter zu den Reichsversammlungen. Da streiten sich die Rechtsgelahrten denn über die Formalitäten. Um die Dinge im<96> großen zu betrachten, dazu haben sie einen zu beschränkten Geist. Die Ehre der Repräsentation verdreht ihnen den Kopf, und sie bilden sich ein, das Ansehen zu besitzen, das die hohe Körperschaft zur Zeit Karls von Luxemburg96-1 genoß. Kurz, man war am 1. Dezember des Jahres 1741 noch um keinen Schritt weitergekommen als bei der Einberufung dieser erlauchten Versammlung. Hätten die Österreicher auch nur die mindesten Waffenerfolge gehabt, so hätte der Großherzog die Mehrheit der Stimmen erhalten. Man mußte die Wahl also rasch durchsetzen, um das augenblickliche Stimmenverhältnis auszunutzen und durch Erhebung einer andern Dynastie auf den Kaiserthron zu verhindern, daß die Würde auch in dem neuen österreichischen Hause erblich ward. Um es dahin zu bringen, schlug der König vor, einen Termin zur Wahl festzusetzen. Sein Vorschlag fand Beifall, und der Reichstag bestimmte den 24. Januar 1742 für das große Ereignis.

Aber den König von England kümmerten dieser Reichstag und seine Beratungen weit weniger als das, was ihn selbst nahe betraf. Seine Angst vor dem Heer unter Maillebois, das sein Kurfürstentum Hannover bedrohte, war so groß, daß er sich zu demütigen Bitten in Versailles entschloß, um seine Besitzungen zu sichern. Als Gesandten schickte er Hardenberg, der einen Neutralitätsvertrag mit Frankreich unterzeichnen sollte. Kardinal Fleury fragte den König von Preußen, was er von dieser Unterhandlung hielte. Der König antwortete, es sei gefährlich, einen Feind halb zu beleidigen; wer drohe, müsse auch zuschlagen. Dem Kardinal, der stets mehr zu Schlichen als zu festem Auftreten neigte, fehlte die männliche Kraft zu entscheidenden Entschlüssen. Er glaubte am besten zu fahren, wenn er die Dinge unentschieden ließ, und unterzeichnete den Vertrag mit England (27. September 1741). Solche Auswege und Halbheiten haben Frankreichs Interessen oft geschadet. Aber die Natur verteilt ihre Gaben nach ihrem Belieben: wem Kühnheit verliehen ist, der kann nicht zaghaft handeln; und wer mit zuviel Bedachtsamkeit geboren ist, der ist kein Wagehals.

Dieses Jahr war gleichsam die Epoche der großen Ereignisse. Ganz Europa führte Krieg, um sich in die Stücke einer strittigen Erbschaft zu teilen. Der Reichstag kam zusammen, um einen Kaiser aus einem andern Hause als dem österreichischen zu wählen. In Rußland endlich entthronte man einen jungen, noch in der Wiege liegenden Zaren, und eine Revolution setzte die Prinzessin Elisabeth auf den Thron96-2. Ein französischer Wundarzt, ein deutscher Musiker, ein russischer Kammerjunker96-3, sowie hundert, mit französischem Gelde bestochene Leute der Preobrashenskischen Garde führen Elisabeth zum kaiserlichen Palaste, überrumpeln und entwaffnen die Wachen und nehmen den jungen Zaren, seinen Vater, den Prinzen Anton Ulrich von Braunschweig, und dessen Mutter, die Prinzessin von Mecklenburg, gefangen. Die Truppen werden versammelt; sie erkennen Elisabeth als ihre Kaiserin an und leisten ihr den <97>Eid. Die unglückliche Herrscherfamilie wird in Riga eingekerkert; Ostermann wird nach schimpflicher Behandlung nach Sibirien verbannt. Das alles ist das Werk weniger Stunden. Frankreich erhoffte sich Vorteil von dieser Staatsumwälzung, die es selbst herbeigeführt hatte, sah aber bald seine Hoffnung entschwinden.

Kardinal Fleury hatte den Plan, Schweden vor den Folgen des unglücklichen Schrittes, zu dem er es verleitet hatte97-1, zu retten. Er glaubte, ein Regierungswechsel in Rußland würde den neuen Herrscher geneigt machen, einen für Schweden günstigen Frieden zu schließen. In dieser Absicht hatte er einen gewissen d'Avennes mit mündlichen Aufträgen an den Marquis La Chétardie, den französischen Gesandten in Petersburg, geschickt. Der sollte alles versuchen, um die Regentin und den Generalissimus zu stürzen. Dergleichen Unternehmungen, die in allen andern Staaten als abenteuerlich erscheinen, lassen sich in Rußland zuweilen ausführen. Der Geist der Nation neigt zu Empörungen. Wie auch andre Völker, sind die Russen stets mit der Gegenwart unzufrieden und erhoffen alles von der Zukunft. Die Regentin hatte sich durch ihre Schwäche für einen Ausländer, den schönen Grafen Lynar, den sächsischen Gesandten, gewiß verhaßt gemacht; aber ihre Vorgängerin, die Kaiserin Anna, hatte noch viel öffentlicher den Kurländer Biron ausgezeichnet, der ebensogut wie Lynar ein Fremder war. Es ist eine alte Wahrheit, daß gleiche Dinge nicht gleich sind, wenn sie zu andern Zeiten und durch andre Personen geschehen. Die Regentin war über ihre Liebe gestürzt; Elisabeth erhob sich auf den Thron durch ihre Liebe zum gemeinen Volke, deren Genuß sie zunächst den Preobrashenskischen Garden zuteil werden ließ. Beide Fürstinnen waren sinnlich. Die Mecklenburgerin verbarg ihre Wollust unter der Maske der Sittsamkeit, und nur ihr eignes Herz verriet sie. Bei Elisabeth ging die Wollust bis zur Ausschweifung. Die erste war launisch und boshaft, die andere verschlagen, aber lenksam. Alle beide haßten die Arbeit. Alle beide waren nicht zur Herrschaft geboren.

Verstand Schweden die Gelegenheit auszunutzen, so mußte es einen großen Schlag führen, solange Rußland durch innere Wirren erschüttert war. Alles verhieß einen glücklichen Erfolg. Aber es war Schweden nicht bestimmt, über seine Feinde zu triumphieren. Während und nach dieser Revolution war es wie versteinert und ließ die gute Gelegenheit, die Mutter großer Taten, vorübergehen. Die Niederlage bei Pultawa (8. Juli 1709) war ihm nicht verhängnisvoller gewesen als jetzt die kraftlose Trägheit seiner Heere.

Sobald die Kaiserin Elisabeth sich auf dem Throne sicher fühlte, verteilte sie die ersten Ämter des Reiches an ihre Anhänger. Die beiden Brüder Bestushew97-2, Woronzow und Trubetzkoi kamen in den Staatsrat; Lestocq, das Werkzeug ihrer Erhebung, wurde, obwohl von Beruf Wundarzt, eine Art von Unterminister. Lestocq nahm Partei für Frankreich, Bestushew für England. Daraus entstan<98>den Zwistigkeiten im Staatsrate und endlose Hofintrigen. Die Kaiserin empfand für keine der beiden Mächte besondere Vorliebe, wohl aber Abneigung gegen den Wiener und Berliner Hof. Anton Ulrich, der Vater des von ihr entthronten Zaren, war Geschwisterkind der Königin von Ungarn, Neffe der Kaiserin-Witwe und Schwager des Königs von Preußen98-1. Sie fürchtete deshalb, diese beiden Mächte könnten aus verwandtschaftlichen Rücksichten etwas zugunsten der Familie unternehmen, auf deren Sturz sie ihre Größe gegründet hatte. Die Kaiserin zog ihre Freiheit dem Ehestande vor, dessen Gesetze ihr zu tyrannisch erschienen; und um ihren Thron zu befestigen, berief sie ihren Neffen, den jungen Herzog von Holstein, zum Nachfolger und ließ ihn zu Petersburg als Großfürsten von Rußland erziehen98-2.

Die Welt glaubt recht leichtfertig, daß Ereignisse, die zum Vorteil der Fürsten ausschlagen, die Frucht ihres Scharfsinns und ihrer Geschicklichkeit sind. Dank diesem Vorurteil hatte man den König im Verdacht, an jener russischen Staatsumwälzung beteiligt zu sein. Aber das war nicht der Fall. Der König hatte an diesem Thronwechsel keinerlei Anteil und erfuhr ihn nicht eher als das Publikum. Einige Monate zuvor, als der Marschall Belle-Isle sich im Lager von Mollwitz befand, war das Gespräch auch auf Rußland gekommen. Der Marschall schien sehr unzufrieden mit dem Benehmen des Prinzen Anton Ulrich und seiner Gemahlin, der Regentin, und in einem Augenblick des Ärgers fragte er den König, ob er es ungern sehen würde, wenn in Rußland eine Revolution zugunsten der Prinzessin Elisabeth und zum Nachteil des jungen Zaren Iwan, seines Neffen, erfolgte. Darauf erwiderte der König, er erkenne unter den Herrschern keine andern Verwandten an als die, welche seine Freunde wären. Die Unterhaltung brach ab, und das ist alles, was geschah.

Berlin war während dieses Winters der Mittelpunkt von Unterhandlungen. Frankreich drängte den König, seine Armee in Tätigkeit zu setzen; England ermahnte ihn zum Friedensschluß mit Österreich. Spanien warb um ein Bündnis, Dänemark wünschte seinen Rat, welche Partei es ergreifen sollte. Schweden bat um seinen Beistand, Rußland um seine Vermittlung in Stockholm, und das nach Frieden seufzende Deutsche Reich ersuchte unter den lebhaftesten Vorstellungen um Beendigung der Unruhen.

Nicht lange blieben die Dinge so stehen. Die preußischen Truppen verbrachten kaum zwei Monate in ihren Winterquartieren. Dann führte Preußens Schicksal den König wieder auf jenen Schauplatz, den so viele Schlachten mit Blut tränken und wo beide kriegführende Parteien abwechselnd den Unbestand des Glückes erfahren sollten. Am vorteilhaftesten wurde diese Art Waffenstillstand für den König dadurch, daß er<99> ihm die Möglichkeit gewährte, seine Truppen noch furchtgebietender zu machen. Die Erwerbung Schlesiens vermehrte seine Einkünfte um 3 600 000 Taler. Der größte Teil dieser Summe wurde zur Verstärkung des Heeres verwandt, das auf 106 Bataillone und 191 Schwadronen, darunter 60 Husarenschwadronen, gebracht wurde. Bald werden wir sehen, welchen Gebrauch der König davon machte.

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5. Kapitel

Einfall der Österreicher in Bayern. Abreise des Königs. Begebenheiten zu Dresden, Prag und Olmütz. Unterhandlungen Pfütschners. Feldzug in Mähren, Österreich und Ungarn. Unterhandlungen Gianninis. Einschließung Brünns. Räumung von Mähren durch den König und Vereinigung seines Heeres in Böhmen bei Chrudim. Ereignisse in Mähren nach seinem Abzug. Ministerwechsel in London. Vergebliche Unterhandlungen zu Chrudim und Entschluß, durch eine Schlacht die Österreicher zum Frieden zu veranlassen.

Obwohl die Franzosen Herren von Prag waren und die Ufer der Wottawa, der Moldau und Sazawa besetzt hielten, so verzweifelten die Österreicher doch nicht an ihrer Rettung. Sie hatten 10 000 Mann aus Italien und 7 000 aus Ungarn herbeigezogen, zu denen noch 3 000 aus dem Breisgau auf dem Wege über Tirol stießen. Dieses Heer von 20 000 Mann stand unter dem Befehl des Feldmarschalls Khevenhüller. Der entwarf sofort den Plan, Ségur in seinen Winterquartieren zu überfallen und ihn von den Ufern der Enns zu vertreiben.

Wir können nicht umhin, bei dieser Gelegenheit eine Denkschrift einzurücken, die der König am 30. Juni 1741 an den Kurfürsten von Bayern sandte100-1. Der Leser wird sehen, daß alles Mißgeschick, das nachher eintrat, vorhergesehen war, und daß Fürsten, die ihre schlecht angelegten Feldzugspläne nicht schleunigst verbessern, stets dafür gestraft werden; denn der Feind ist ein schlechter Hofmann: anstatt zu schmeicheln, züchtigt er die Fehler seines Gegners unnachsichtig, mag der ein König oder ein Kaiser sein. Hier ist die Denkschrift.

Gründe, aus denen der Kurfürst von Bayern den Krieg nach Österreich tragen muß.

„Da die Stellung der preußischen Truppen einen beträchtlichen Teil der österreichischen Macht in Schach hält, ist Feldmarschall Neipperg an Schlesien gefesselt. Das Heer der Verbündeten, das keinen Feind vor sich hat, sollte seine Operationen längs der Donau fortsetzen und schnell in Österreich einfallen. Der Kurfürst findet seinen Feind unvorbereitet. Er kann ohne Widerstand Passau, Linz, Enns einnehmen und von da auf Wien rücken, ohne ein Hindernis zu finden. Mit der Einnahme der Hauptstadt legt man der österreichischen Macht die Axt sozusagen an die Wurzel. Böhmen, das man durch diesen Marsch abschneidet,<101> ist von Truppen entblößt und alles Beistandes beraubt; es muß von selbst fallen. Der Kriegsschauplatz muß nach Mähren, Österreich, ja nach Ungarn verlegt werden. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist eine solche Operation ebenso leicht wie sicher, und unstreitig wird sie die Königin von Ungarn zur sofortigen Annahme der Friedensbedingungen, die man ihr vorschreiben will, zwingen. Versäumt es der Kurfürst, die vorteilhaften Umstände, die sich ihm bieten, auszunutzen, so gibt er dem Feinde Zeit, seine Kräfte zu sammeln. Was heute sicher ist, kann morgen ungewiß sein. Wendet der Kurfürst sich gegen Böhmen, so gibt er seine Erblande jedem Zufall preis und bietet den Feinden eine lockende Beute dar, die sie nicht verschmähen werden. Meine Meinung ist, daß man die Römer nur in Rom fassen kann. Man verabsäume daher nicht die Gelegenheit, sich Wiens zu bemächtigen. Das ist das einzige Mittel, diesen Streit zu enden und einen ruhmvollen Frieden zu erlangen.“

Diese Denkschrift wurde gelesen und sogleich vergessen. Der Kurfürst, der gar nichts vom Kriege verstand, hielt sich durch Gründe höherer Art für verpflichtet, einen andern Plan zu befolgen. Khevenhüller benutzte diesen Fehler. Gegen Ende Dezember 1741 ging er an drei Stellen über die Enns. Ségur, statt sich mit aller seiner Macht auf eines dieser drei Korps zu werfen und sie der Reihe nach aufzureiben, zog sich nach der Stadt Enns zurück. Aber auch da glaubte er sich nicht sicher. Ein panischer Schrecken beflügelte seine Flucht. Atemlos eilte er bis Linz, wo er sich befestigte. Khevenhüller ließ ihm keine Zeit, zur Besinnung zu kommen; er drängte ungestüm nach, und die Welt erfuhr mit Staunen, daß 15 000 Österreicher zu Linz 15 000 Franzosen blockierten. So kann ein Heer allein durch die Persönlichkeit seines Führers das Übergewicht erlangen.

Der Kurfürst von Bayern, bestürzt über einen so unerwarteten Rückschlag, apellierte an die Freundschaft des Königs. Er beschwor ihn in den zärtlichsten Ausdrücken, ihn nicht im Stiche zu lassen und durch eine kräftige Diversion sein Land und seine Truppen zu retten. Er wünschte, daß die Preußen durch Mähren in Österreich eindrängen, um Ségur Luft zu machen.

Man muß sich die Stellung der Truppen kurz in Erinnerung bringen. Die Hauptarmee der Königin von Ungarn war sehr verständig aufgestellt. Sie stand mit dem Rücken gegen die Donau; der rechte Flügel war durch die Sümpfe bei Wittingau gedeckt, der linke durch die Moldau und Budweis, die Front durch Tabor. Die Verbündeten beschrieben mit ihren Truppen gleichsam einen Halbkreis um diese Quartiere. Sie mußten bei ihren Operationen also auf dem Bogen marschieren, die Österreicher aber konnten sich auf der Sehne bewegen. Außerdem deckten die österreichischen Truppen, die in ihren Quartieren eng zusammenlagen, Khevenhüllers Operationen gegen die Franzosen. Sie hatten Fühlung mit Österreich, von wo sie ihre Verpflegung und Hilfsmittel bezogen, und behielten einen Fuß in Böhmen, so<102>daß sie bei Eröffnung des Feldzuges hoffen konnten, ihre Lage von Grund auf zu bessern. Um das Heer aus einer so vorteilhaften Stellung zu vertreiben, mußten die Verbündeten durchaus einen allgemeinen Vorstoß machen, damit die Österreicher, konzentrisch angegriffen, der Überzahl ihrer Feinde erlägen. Dieser Plan wurde dem Marschall Broglie vorgelegt, aber er war nie zur Mitwirkung zu bewegen.

Bei so wenig Einigkeit und gutem Willen unter den Verbündeten mußte man freilich den Plan fallen lassen, durch den die Heere der Franzosen und Bayern am sichersten die Oberhand wieder erlangen konnten. Aber es war nicht minder wichtig, den Kurfürsten so kurz vor der Erlangung der Kaiserwürde zu unterstützen. Es war nicht mehr an der Zeit, sich mit halben Maßnahmen zu begnügen. Entweder mußte sich der König an den mündlich verabredeten Waffenstillstand halten, der nichts Sicheres versprach und der von den Österreichern so offensichtlich gebrochen war, oder er mußte durch eine glänzende Tat das Mißtrauen seiner Bundesgenossen zerstreuen. Das einzige, was die Umstände erlaubten, war der Zug nach Mähren; denn dadurch machte der König sich unentbehrlich und durfte alsdann rechnen, von beiden Parteien gleich umworben zu werden. Er entschloß sich dazu, nahm sich aber zugleich vor, von seinen eignen Truppen nur so wenig als möglich und von den Verbündeten so viele zu verwenden, als er irgend von ihnen erlangen konnte.

Die Sachsen hielten damals die Ufer der Sazawa besetzt. Sie konnten sich bequem mit einem preußischen Korps, das in Mähren eindrang, vereinen. Von da konnte das kleine Heer dann gegen Iglau vorrücken, dort den Fürsten Lobkowitz vertreiben und bis nach Horn in Niederösterreich vorstoßen. Diese Bewegung mußte entweder Khevenhüller zwingen, von Ségur abzulassen, oder die Hauptarmee der Königin nötigen, Wittingau, Tabor und Budweis zu räumen, und dann bekam Marschall Broglie die Hände frei zum Entsatz von Linz.

Die einzige Schwierigkeit war nur, den Dresdener Hof zur Vereinigung seiner Truppen mit den preußischen zu bewegen. Zunächst erhielt Feldmarschall Schwerin Befehl, mit dem Korps, das in Oberschlesien überwintert hatte, Olmütz zu nehmen. Hierauf entwickelte der König dem Marquis Valory den Zweck dieser Unternehmung und den Nutzen, den Frankreich davon haben würde. Es war in der Tat das einzige Mittel, um die in Linz blockierten Truppen zu retten. Der König wollte selbst nach Dresden gehen (19. Januar 1742). Er ließ Valory einen Tag früher abreisen, damit er die Gesinnungen erforschen und den Vorschlägen des Königs vorarbeiten konnte. Es wurde verabredet, daß Valory bei der Ankunft des Königs im günstigen Falle mit dem Kopfe nicken sollte. Valory gab das Zeichen, und sobald der König über die üblichen ersten Komplimente hinweg war, unterhielt er sich mit dem Grafen Brühl über sein Projekt. Um es in den Hauptzügen verständlich zu machen, müssen wir etwas weiter zurückgreifen.

Der verstorbene König August II. von Polen hatte einen Plan zur Aufteilung der Erbschaft Kaiser Karls VI. entworfen, von dem der Wiener Hof Wind bekam. <103>Als Fürst Liechtenstein im Jahre 1735, unter König Augusts III. Regierung, durch Dresden kam, war er über den Minister und Günstling Graf Sulkowski ungehalten. Er versicherte dem Grafen Brühl, er und sein Hof würden nichts sparen, um Sulkowski zu stürzen und Brühl an dessen Stelle zu setzen, wenn er ihm das Teilungsprojekt verschaffen könnte103-1. Brühl beging die Treulosigkeit, den Vorschlag anzunehmen; er ließ das Schriftstück abschreiben und übergab es dem Fürsten Liechtenstein. Da sich Sachsen nun gegen das Haus Österreich erklärt hatte103-2, und zwar gerade vor der Ankunft des Königs, so schickte die Königin von Ungarn ein altes Fräulein von Kling nach Dresden, eine berufsmäßige Intrigantin, die an der Erziehung der Königin von Polen Anteil gehabt hatte103-3, und die ihren Auftrag unter dem Vorwand einer gewöhnlichen Reise verbarg, deren einziger Zweck sei, sich einer Fürstin wieder zu nähern, zu der sie so langjährige Beziehungen hatte. Kaum in Dresden angelangt, geht sie zum Grafen Brühl, nimmt ihn beiseite, zieht den Teilungsplan aus der Tasche und fragt ihn: „Kennen Sie das? Versprechen Sie mir auf der Stelle, daß die Sachsen sich aus Böhmen zurückziehen, oder ich enthülle Ihren Verrat und richte Sie zugrunde.“ Brühl versprach alles, was sie wollte. Furchtsam wie er war, wagte er nicht, seinem König mißliebig zu werden. Auch widerstrebte es ihm, die sächsischen Truppen einem Nachbar in die Hände zu geben, den er noch vor einem halben Jahre seiner Staaten hatte berauben wollen103-4. Ohnedies trug Brühl nur widerwillig zur Erhebung des Kurfürsten von Bayern bei, dem er die Kaiserwürde mißgönnte. Nach langen Kämpfen zwischen den verschiedensten Empfindungen trug in seinem Geiste die Furcht den Sieg davon: aus Feigheit überließ er dem König die sächsischen Truppen, fest entschlossen, sie baldmöglichst wieder zurückzuziehen.

Am Nachmittag war Konferenz beim König. Graf Brühl, Graf Moritz von Sachsen, Valory, Desalleurs103-5 und Graf Rutowski waren zugegen. Der König von Preußen setzte auseinander, welche Mittel ihm zur Rettung Ségurs und Bayerns als die richtigsten erschienen; er hatte eine Karte von Mähren vor sich, auf der er ihnen seinen Feldzugsplan erklärte. Seine Absicht ging dahin, die Quartiere der Österreicher von allen Seiten zu überfallen. Demzufolge sollte Broglie den Prinzen Karl von Lothringen, den Befehlshaber der feindlichen Armee, bei Frauenberg angreifen, während die Preußen und Sachsen den Feind bei Iglau in der Flanke fassen sollten. Graf Moritz wandte ein, daß der Marschall Broglie kaum 16 000 Mann bei sich hätte, und daß der Vorstoß gegen Iglau aus Mangel an Fourage und Lebensmitteln mißlingen würde. Auf den ersten Einwand war nichts zu erwidern. Den zweiten suchte der König zu entkräften. Er erklärte, daß er nach Prag gehen und mit dem Armee-Intendanten Séchelles verabreden werde, wie die Sachsen mit Lebensmitteln zu versehen seien. Mittlerweile trat der König von Polen ein. Nach einigen Höflich<104>keitsbezeigungen wollte der König ihm wenigstens die Ehre erweisen, ihn zu unterrichten, was man mit seinen Truppen vorhätte. Graf Brühl hatte die Karte von Mähren geschwind zusammengelegt. Der König von Preußen forderte sie wieder heraus. Sie wurde von neuem ausgebreitet, und der König spielte gewissermaßen die Rolle eines Hausierers: er pries seine Ware aufs beste an und betonte vor allem, daß der König von Polen niemals Mähren bekommen könnte, wenn er sich nicht die Mühe gäbe, es zu erobern. August III. sagte zu allem ja, mit einer Miene, als wäre er überzeugt. Aber in seinem Blick lag doch etwas wie Langeweile. Brühl unterbrach ungeduldig das Gespräch, indem er seinem Herrn meldete, daß die Oper gleich anfinge. Die Aussicht auf die Eroberung von zehn Königreichen hätte den König von Polen nicht eine Minute länger zurückgehalten. Man ging also in die Oper, und der König von Preußen setzte trotz mannigfachen Widerstandes einen endgültigen Entschluß durch.

Man mußte rasch vorgehen, gleichwie man einen Platz mit Sturm nimmt. Anders war an diesem Hofe nicht durchzudringen. Am nächsten Morgen (20. Januar) um 6 Uhr früh ließ der König den Pater Guarini zu sich entbieten. Der war Günstling, Minister, Hofnarr und Beichtvater zugleich. Dem König gelang es, ihm durch vieles Zureden die Überzeugung beizubringen, daß er allein durch ihn zu seinem Ziele kommen wollte, und der Italiener wurde bei all seiner Schlauheit von seiner eignen Eitelkeit überlistet. Pater Guarini begab sich vom König direkt zu seinem Herrn und bestärkte ihn vollends in dem gefaßten Entschlusse. Endlich verließ der König Dres<105>den, nachdem er alle Hindernisse überwunden hatte: das Übelwollen des Grafen Brühl, die Unentschlossenheit Augusts III. und die Winkelzüge des Grafen Moritz von Sachsen, dem an Bayern wenig gelegen war, der aber seine kurländischen Phantasien105-1 im Kopfe hatte und sich dadurch beliebt zu machen glaubte, daß er den Preußen nach Möglichkeit entgegenarbeitete.

Als der König in Prag ankam, hielt Linz sich noch. Aber Graf Törring hatte sich aus Unachtsamkeit von den Österreichern schlagen lassen105-2. Es wurden noch einige Versuche gemacht, den Marschall Broglie in Bewegung zu setzen, aber umsonst. Der König traf mit Séchelles sofort Vereinbarungen zur Verproviantierung der Sachsen; der sagte: „Ich werde das Unmögliche möglich machen.“ Ein Ausspruch, der mit goldnen Lettern über jedem Intendanturbureau angeschlagen sein sollte. Séchelles begnügte sich nicht mit Worten, sondern er führte auch alles aus, wie er es versprochen hatte.

Von Prag aus besichtigte der König die preußischen Quartiere in Böhmen. Unterwegs erfuhr er, daß Glatz sich ergeben hätte (9. Januar), und brach nach Mähren auf. Er hatte den Ritter von Sachsen105-3 und Polastron nach Landskron bestellt, um mit ihnen die bevorstehenden Operationen zu vereinbaren. Polastron war ein ausgemachter Frömmler, mehr zum Rosenkranzbeter als zum Feldherrn geschaffen. Von Landskron begab sich der König nach Olmütz, das Feldmarschall Schwerin soeben besetzt hatte. Hier hatten Magazine angelegt werden sollen. Aber Séchelles hatte diese Sache nicht unter sich, und des Königs Aufenthalt in Olmütz war zu kurz, um das Versäumte nachzuholen. Immerhin geschah das möglichste, um dem Schaden abzuhelfen.

Während der König in Olmütz war, erschien dort ein gewisser Pfütschner, ein Rat des Großherzogs von Toskana, mit Vorschlägen des Wiener Hofes. Der König überließ sich allzusehr seiner Lebhaftigkeit, und ohne auf das zu hören, was Pfütschner ihm zu sagen hatte, redete er ununterbrochen auf ihn los: ein unverzeihlicher Fehler bei Unterhandlungen, wo doch alle Regeln der Klugheit gebieten, die andern geduldig anzuhören und nur gemessene und abgewogene Worte zu erwidern. Der König hielt Pfütschner vor, wie oft der Wiener Hof das in Kleinschnellendorf geschlossene Abkommen verletzt habe, und ermahnte die Königin, sich schleunigst mit ihren Feinden zu vergleichen. Der Österreicher berichtete dem König die schimpfliche Kapitulation, die Ségur soeben in Linz unterzeichnet hatte (23. Januar), und der König benutzte dies, um mit neuen Gründen auf schleunigen Abschluß des Friedens zu dringen. Er gab ihm zu verstehen, daß die Engländer nur ihren eignen Vorteil im Auge hätten, daß sie die Königin nur mißbrauchten und sie schließlich gegen neue Handelsvorteile aufopfern würden. So schluckte Pfütschner alles, was er hatte sagen wollen, wieder herunter, und man verabredete nur, eine geheime Korrespondenz zu<106> unterhalten, die durch einen Domherrn Giannini gehen sollte. Mittlerweile lief aus Frankfurt am Main die Nachricht ein, daß der Kurfürst von Bayern, den man Karl VII. nannte, gewählt und gekrönt worden sei.

Indes blieb der Wiener Hof nicht müßig. War er auch eifrig im Unterhandeln, so unterließ er es doch nicht, alle Kräfte aufzubieten, um sich mit Waffengewalt all seiner Bedränger und Feinde zu entledigen. In Ungarn wurden 15 000 Mann regulärer Truppen ausgehoben, außerdem wurde die Insurrektion106-1 ausgeschrieben, die etwa 40 000 Mann liefern konnte. Man hatte die Absicht, zwei Armeekorps daraus zu formieren. Das eine sollte über Hradisch in Mähren eindringen, das andre über den Jablunkapaß gehen und dem preußischen Heere in Oberschlesien in den Rücken fallen, während Prinz Karl von Lothringen aus Böhmen vorrücken sollte, um die Truppen des Königs in der Front zu fassen. Der hatte nur die Hälfte der Streitkräfte, die in Oberschlesien überwinterten, mitgenommen; es waren 15 000 Mann, mit denen er bei Trebitsch zu den Franzosen und Sachsen stieß. Ein andres Korps besetzte auf seinen Befehl Wischau, Hradisch, Kremsier und die ungarische Grenze, um seine Operationen zu decken.

Durch die Langsamkeit und die Widerwilligkeit der Sachsen gingen bei dieser Unternehmung Tage und Wochen verloren, was dem Fortgang der Sache sehr schadete. Ein einziges Beispiel möge zum Beweise dafür dienen. Budischau ist ein reiches und schön eingerichtetes Lusthaus, im Besitz eines Grafen Paar. Dieses Quartier hatte man aus Höflichkeit den Sachsen zugewiesen. Graf Rutowski und der Ritter von Sachsen fühlten sich darin so wohl, daß man ihre Truppen nicht vom Fleck bringen konnte. Sie blieben drei Tage dort. Infolge dieser Verzögerung gewann Fürst Lobkowitz Zeit, seine Magazine aus Iglau wegzuschaffen und sich beim Anmarsch der Verbündeten auf Wittingau zurückzuziehen. Die Sachsen besetzten Iglau, aber es war unmöglich, sie zum Vorrücken gegen die Thaya oder auf Horn in Österreich zu bewegen. So geht es gewöhnlich bei Generalen, die Hilfstruppen befehligen. Weil Gehorsam und Pünktlichkeit fehlen, mißlingen alle Pläne. Die Sachsen, die an diesem Zuge das meiste Interesse hatten, zeigten dabei just die größte Widerspenstigkeit und die größte Hinterlist, um ihn zum Scheitern zu bringen.

Diese unerwarteten Hindernisse zwangen den König, seine Dispositionen völlig zu ändern. Er gab den Sachsen Quartiere nahe an der böhmischen Grenze, und die Preußen besetzten die Ufer der Thaya von Znaim bis Göding, einer kleinen Stadt an der ungarischen Grenze. Bald darauf ging ein Korps von 5 000 Mann aus Znaim ab und fiel in Oberösterreich ein. Schrecken verbreitete sich bis an die Tore von Wien. Augenblicklich rief der Hof 10 000 Mann aus Bayern zur Rettung der Hauptstadt herbei. Die Zietenschen Husaren drangen schon bis Stockerau vor, das nur eine Poststation von Wien entfernt liegt. Dieser Einfall war für die Truppen sehr vorteilhaft,<107> weil er ihnen eine Menge Lebensmittel verschaffte. Die Sachsen aber bekamen es in ihren Quartieren mit der Angst: überall sahen sie Feinde, wie alte Weiber Gespenster. In ihrer Furcht erschienen ihnen alle Dinge größer. Sie verlangten, man sollte ihnen die preußischen Quartiere überlassen, und dies ward ihnen bewilligt. Polastron wurde vom Marschall Broglie nach Böhmen abgerufen und verließ das Heer, sodaß jetzt kaum 30 000 Mann übrigblieben.

Durch aufgefangene Briefe aus Wien erfuhr der König, daß die Ungarn sich schon an der mährischen Grenze zusammenzogen. Es war kein Augenblick zu verlieren. Diese Miliz mußte zerstreut werden, bevor ihre Zahl zu sehr anwuchs. Den Auftrag dazu erhielt Prinz Dietrich von Anhalt. Er drang mit zehn Bataillonen, ebensoviel Schwadronen und 1 000 Husaren in Ungarn ein, eroberte drei Quartiere der Insurrektionstruppen, nahm ihnen 1 200 Mann weg und verbreitete solchen Schrecken im ganzen Königreich, daß ein Teil der Miliz auseinanderlief.

Nachdem dieser Zug so glücklich beendet war, stieß der Prinz in der Gegend von Brünn wieder zur Armee. Denn die Sachsen standen nun in Znaim, Laa, Nikolsburg und die Preußen in Pohrlitz, Austerlitz, Seelowitz und in der Gegend von Brünn. Zur Belagerung Brünns hatte man den König von Polen um schweres Geschütz ersucht. Er schlug es aus Geldmangel ab; er hatte soeben 400 000 Taler für einen großen grünen Diamanten ausgegeben. Dieser Fürst wollte wohl die Sache, weigerte sich aber, die Mittel dazu aufzuwenden. So mißlang die Unternehmung des Königs aus zahlreichen Gründen: Ségur hatte sich ergeben, ehe man ihm zu Hilfe kommen konnte; Broglie war wie gelähmt; Brühl hatte mehr Angst vor Fräulein von Kling als Interesse für Mähren, und August III. wollte wohl ein Königreich haben, sich aber nicht die Mühe geben, es zu erobern. Indessen konnten die Verbündeten ohne die Einnahme von Brünn sich nicht einmal in Mähren halten. Das schlimmste aber war, daß der König sich nicht auf die Treue der Sachsen verlassen konnte und damit rechnen mußte, daß sie ihn beim Anmarsch des Feindes im Stiche ließen. Eines schönen Tages, als man es am wenigsten vermutete, liefen alle Sachsen aus ihren Quartieren und warfen sich ungestüm auf die Standorte der Preußen: tausend österreichische Husaren hatten sie in panischen Schrecken versetzt. Sie erhielten andere Quartiere, und Brünn ward noch enger eingeschlossen.

Der Kommandant dieses Platzes, Roth, war ein kluger Kopf. Er schickte verkleidete Leute aus, um die von den Truppen besetzten Dörfer in Brand zu stecken. Alle Nächte gab es Feuerlärm. Man zählte mehr als sechzehn Flecken, Dörfer oder Weiler, die in Flammen aufgingen. Eines Tages griffen 3 000 Mann von der Brünner Besatzung das Regiment Truchseß im Dorfe Lösch an. Das Regiment verteidigte sich fünf Stunden lang mit bewundernswerter Standhaftigkeit und Tapferkeit. Das Dorf wurde verbrannt, aber die Feinde wurden zurückgetrieben: ihr Angriff blieb ohne Erfolg. General Truchseß, Oberstleutnant Varenne und einige Offiziere wurden bei dem ruhmvollen Gefecht (14. März) verwundet.

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Als die Österreicher sahen, welche Anstrengungen gemacht wurden, um Ségur zu befreien, beschlossen sie endlich, zum Entsatz von Brünn nach Mähren zu rücken, und Prinz Karl von Lothringen trat den Vormarsch an. Die Verbündeten mußten einen Versammlungsort für die Truppen aussuchen, der zugleich eine vorteilhafte Stellung war; diese Eigenschaften trafen auf die Umgebung der Stadt Pohrlitz zu. Der König eröffnete dem Ritter von Sachsen seine Absicht, den Feind in dieser Stellung zu erwarten, was um so sicherer geschehen konnte, als der König durch sechs Bataillone und 30 Schwadronen eigner Truppen verstärkt worden war. Der Ritter gab eine zweideutige Antwort. Damit bereitete er auf die Art und Weise vor, wie er künftig seinen Ungehorsam entschuldigen würde. Der Scheingrund, den er in erster Linie anführte, war die Schwäche seiner Truppen, die er auf nur 8 000 Streiter angab. Der geringe Verlaß auf dieses sächsische Korps führte den König zu Betrachtungen über seine gegenwärtige Lage. An eigenen Truppen hatte er nur 26 000 Mann. Auf sie allein konnte er rechnen, aber das war zu wenig, um dem Heere des Prinzen von Lothringen die Spitze zu bieten. Und schließlich: warum sollte er sich so darauf versteifen, dieses Mähren zu erobern, das dem König von Polen, der es bekommen sollte, so gleichgültig war? Das Beste, was er tun konnte, war, sich mit den preußischen Truppen, die in Böhmen standen, zu vereinigen. Zur Deckung von Olmütz und Oberschlesien konnte die Armee des Fürsten von Anhalt dienen, die bei Brandenburg überflüssig geworden war. Der Fürst erhielt also schleunigst Befehl, sein Heer zu teilen, die eine Hälfte nach Chrudim in Böhmen zu schicken und 17 Bataillone und 35 Schwadronen nach Oberschlesien zu führen, wo sein Sohn, Prinz Dietrich, mit den Truppen, die der König in dieser Gegend lassen würde, zu ihm stoßen sollte.

Trotz aller dieser Anordnungen befand sich der König in mißlicher Lage. Er hatte alle Ursache, den Sachsen zu mißtrauen, doch ihre Unzuverlässigkeit war noch nicht offenbar genug. Broglie riß ihn aus dieser Verlegenheit, indem er die sächsischen Truppen zu seiner Verstärkung forderte, angeblich gegen einen bevorstehenden Angriff des Prinzen von Lothringen, gerade zu der Zeit, da der Prinz mit seiner Armee nach Mähren aufgebrochen war! Um die verdächtigen Bundesgenossen los zu werden, tat der König, als glaubte er die falschen Angaben des Marschalls Broglie.

Der Abmarsch aus Mähren ward beschlossen. 15 Schwadronen und 12 Bataillone folgten dem König nach Böhmen. 25 Schwadronen und 19 Bataillone blieben unter dem Befehl des Prinzen Dietrich in einer vorteilhaften Stellung bei Olmütz, wo der Prinz sich hätte halten können, wenn Feldmarschall Schwerin, wie er sollte, dafür gesorgt hätte, hinlängliche Lebensmittel für die Truppen zusammenzubringen108-1. Der sächsische Gesandte Bülow fragte den König, als er ihn im Begriff sah, Mähren zu räumen: „Aber, Sire, wer wird denn meinem Herrn die Krone von Mähren aufs Haupt setzen?“ Der König antwortete ihm, man gewänne Kronen nur mit schwerem<109> Geschütz, und es sei die Schuld der Sachsen, wenn sie zur Einnahme von Brünn keines gehabt hätten.

Der König war fest entschlossen, künftig nur noch die Führung von Truppen zu übernehmen, über die er frei verfügen könnte und die Gehorsam besäßen. Er setzte seinen Marsch über Zwittau und Leitomischl fort und kam am 17. April zu Chrudim beim Erbprinzen Leopold an, wo er seine Mannschaften in Erholungsquartiere legte. Die Sachsen erlitten auf diesem Rückzuge einen kleinen Verlust: feindliche Husaren fingen ihnen ein Bataillon weg, das die Arrieregarde bildete. Umsonst suchte man die Sachsen zu bereden, zu den Franzosen zu stoßen. Sie gingen durch die preußischen Quartiere, um im Kreise Saaz an der Grenze ihres Kurfürstentums zu kantonnieren. Ihr Abfall schwächte die Franzosen, die nun in Pisek ohne Hilfe blieben. Die Last des Krieges lag fast allein auf den Schultern der Preußen, und die Feinde schöpften aus der Schwäche der Verbündeten die rosigsten Hoffnungen.

Während die Preußen sich in Böhmen von ihren Strapazen erholten, die Franzosen in Pisek schliefen und die Sachsen sich so schnell wie möglich den Gefahren des Krieges entzogen, rückte Prinz Karl von Lothringen wieder in Mähren ein. Prinz Dietrich von Anhalt bot ihm bei Wischau eine Schlacht an. Seine Stellung war aber so gut gewählt, daß die Truppen der Königin ihn nicht anzugreifen wagten. Die Preußen blieben in dieser Stellung und zogen nicht eher ab, als bis sie die letzte Tonne Mehl aus ihrem Magazin verzehrt hatten. Prinz Dietrich ging über das Mährische Gebirge und schlug sein Lager zwischen Troppau und Jägerndorf auf, ohne daß die feindliche Armee Miene machte, ihm zu folgen. Auf diesem Rückzug bestand das neu errichtete Dragonerregiment Nassau ein Gefecht109-1 mit österreichischen Husaren, bei dem es sich durch Tapferkeit und gute Haltung auszeichnete. Um dieselbe Zeit schlug sich das Regiment Kannenberg durch 3 000 Feinde durch, die es von der Armee abschneiden wollten, und erfocht sich großen Ruhm109-2. Das Regiment Gensdarmes wurde in einem Dorfe109-3, wo es in Quartier lag, bei Nacht angegriffen. Der Feind hatte das Dorf angezündet, aber die Hälfte der Schwadron focht zu Fuß in den Flammen, um den andern Zeit zum Aufsitzen zu schassen. Hierauf griffen sie selbst die Österreicher an, schlugen sie und machten mehrere Gefangene; Major Bredow109-4 kommandierte sie. Diese Ereignisse sind nicht wichtig, aber wie dürfte man so tapfre Taten in Vergessenheit sinken lassen, zumal in einem Werke, das die Dankbarkeit dem Ruhme der braven Truppen widmet?

Was ließ sich indes von diesem Kriege erwarten, wenn man sah, wie wenig Einverständnis unter den Verbündeten herrschte, wie kläglich die Generale der Franzosen, wie schwach ihr Heer und wieviel schwächer noch das Heer des neuen Kaisers war? Was anders, als daß die weitausschauenden Pläne des Versailler Kabinetts, die im vorigen Jahre in Erfüllung zu gehen schienen, jetzt mehr als zweifelhaft waren?

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Solche Aussichten, auf sichere Tatsachen begründet, mahnten den König, sich in das Labyrinth nicht zu tief einzulassen, sondern sobald wie möglich den Ausweg daraus zu suchen. Zu den angeführten Gründen traten auch noch viele andre hinzu, die den König bestimmten, die Friedensverhandlungen mit der Königin von Ungarn wiederaufzunehmen. Lord Hyndford ward zum Vermittler des Vergleichs gewählt. Er war dazu geeigneter als irgendwer, da er ja schon an der Aussöhnung der beiden Mächte gearbeitet hatte und seine Ehre darein setzen mußte, sein Werk zu krönen. Der Wiener Hof zeigte sich weniger nachgiebig als das vorige Mal. Die Kapitulation von Linz, die Räumung Mährens und der Abfall der Sachsen hatten seinen alten Stolz wiedererweckt; ja die geheimen Unterhandlungen am Versailler Hofe ließen seine Blicke noch weiter schweifen. Man hat immer bemerkt, daß die Stimmung des österreichischen Hofes den rohen Eindrücken der Natur folgte: aufgeblasen im Glück, kriechend im Unglück, wußte er nie die weise Mäßigung zu treffen, welche die Menschen mit Gleichmut gegen die Gaben und Schläge des Zufalls wappnet. Jetzt gewannen Stolz und Arglist wieder die Oberhand. Der Mißerfolg von Lord Hyndfords Vermittlungsversuch bestärkte den König mehr denn je in seiner Überzeugung, daß man die Österreicher vorerst schlagen müßte, sollte eine Friedensverhandlung mit ihnen zustande kommen. Sein starkes und auserlesenes Heer reizte ihn, das Waffenglück zu versuchen. Er hatte 34 Bataillone und 60 Schwadronen, also etwa 33 000 Mann.

Ehe es zu dieser Entscheidung kam, fand ein Wechsel im englischen Ministerium statt. Diese unruhige und freie Nation war mit der Regierung unzufrieden, weil der Krieg in Westindien Mißerfolge brachte und Großbritannien auf dem Kontinent keine angemessene Rolle spielte. Man geißelte den Minister und meinte den König, der gezwungen ward, Walpole zu entlassen und an seine Stelle Lord Carteret zu berufen. Ein ganz ähnliches Mißvergnügen kostete im vorigen Jahrhundert König Karl I. das Leben. Dessen Hinrichtung war ein Werk des Fanatismus gewesen; Walpole stürzte nur über Parteiintrigen. Alle vornehmen Herren wollten einmal Minister werden, und Walpole hatte jene Stellung zu lange innegehabt. Nach seinem Sturze war die Möglichkeit da, dieses Ziel zu erreichen, und der Ehrgeiz der Großen geriet dadurch in neue Gärung. So kam das Ministerium in der Folge aus einer Hand in die andre und war von allen Ämtern im Königreich dem häufigsten Wechsel unterworfen.

Kardinal Fleury war mit dieser Veränderung sehr unzufrieden. Er hatte sich bei Walpoles maßvoller Haltung ganz wohl befunden und sah mit Sorge auf Carterets Ungestüm, der, ein zweiter Hannibal, allem, was Franzose hieß, unversöhnlichen Haß geschworen hatte, Lord Carteret entsprach denn auch der Meinung, die man von ihm hegte. Er ließ der Königin von Ungarn Subsidien zahlen und nahm sie in seinen Schutz. Er ließ englische Truppen in Flandern ausschiffen, und um die Zahl der Feinde Österreichs zu verringern, verbürgte er sich gegenüber dem König von Preußen für einen vorteilhaften Frieden. Das Anerbieten wurde mit Dank angenommen,<111> aber der König war fest entschlossen, einzig und allein der Tapferkeit seiner Truppen für den Frieden verpflichtet zu sein und seine Hoffnungen nicht auf die Ungewißheit einer Unterhandlung zu bauen.

Broglie, der zu Pisek mit einem Dutzend Ducs und Pairs an der Spitze von 10 000 Mann stand, erreichte durch seine Vorstellungen endlich, daß der Kardinal sich entschloß, ihm einige Hilfe zu senden. Sie war aber erst im Frühjahr zusammengebracht und kam zu spät — der alte Fehler, den man den Franzosen oft vorgeworfen hat, daß sie ihre Maßnahmen nie rechtzeitig treffen. Als sie Freunde der Österreicher waren, verloren diese Belgrad; jetzt, da sie ihre Feinde waren, fügten sie ihnen kein Leid zu. Jener letzte Friedensschluß glich einem Kriege, und dieser letzte Krieg einem Frieden. Durch diese Schlaffheit verdarben sie die Sache des Kaisers vollends, und ihre meisten Verbündeten waren klug genug, sie zu verlassen. In diesem Jahrhundert war Frankreich unfruchtbar an großen Männern, wie sie das Zeitalter Ludwigs XIV. so reichlich hervorgebracht hatte. Die Regierung eines Priesters hatte die Armee verdorben. Unter Mazarin waren die Heerführer Helden, unter Fleury sybaritische Hofschranzen.

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6. Kapitel

Begebenheiten vor der Schlacht von Chotusitz. Disposition für die Schlacht. Gefecht bei Sahay. Belle-Isle kommt ins preußische Lager. Seine Abreise nach Sachsen. Friede zu Breslau.

Das Heer des Königs in Böhmen war in drei Korps geteilt: 16 Bataillone und 20 Schwadronen deckten das Hauptquartier zu Chrudim; 10 Bataillone und 20 Schwadronen unter dem Oberbefehl von Ieetze standen in der Gegend von Leitomischl, und mit der gleichen Anzahl hielt Kalckstein Kuttenberg besetzt. Diese drei Korps konnten in zweimal 24 Stunden zueinanderstoßen. Außerdem standen zwei Bataillone in der Festung Glatz; ein Bataillon deckte die Magazine zu Königgrätz und je eins die Vorräte zu Pardubitz, Podiebrad und Nimburg. Die Elbe floß also parallel hinter den preußischen Quartieren her, und die Magazine waren so angelegt, daß die Armee dem Feinde immer entgegenrücken konnte, mochte er kommen, von welcher Seite er wollte. Der Fürst von Anhalt war stärker als nötig, weil er keinen Feind vor sich hatte. Er behielt 18 Bataillone und 60 Schwadronen, um Oberschlesien zu decken, und schickte den General Derschau mit 8 Bataillonen und 30 Schwadronen zur Verstärkung der Armee nach Böhmen.

Als diese Verstärkung noch unterwegs war, traf die Nachricht ein, daß der Prinz von Lothringen Mähren verlasse und über Deutsch-Brod und Zwittau gegen Böhmen vorrücke. Man erfuhr sogar, daß Feldmarschall Königsegg, der eigentliche Führer des Heeres, gesagt habe, man müsse gerade auf Prag losgehen und unterwegs die Preußen schlagen. Er glaubte sie nur 15 000 Mann stark und hielt seine Übermacht für bedeutend genug, um ein so schwaches Korps ohne die geringste Gefahr anzugreifen. Man hat den Feldmarschall getadelt, daß er bei einem Feldzuge im eigenen Lande so schlechte Nachrichten hatte. Aber das war nicht ganz seine Schuld. Böhmen neigte mehr zu Bayern als zu Österreich. Die Preußen paßten gut auf und beobachteten sorgfältig alle, die sie etwa verraten konnten. Schließlich kamen Truppen an und andre gingen fort, sodaß diese verwickelten Bewegungen von den Bauern nicht durchschaut werden konnten. So urteilt man über Heerführer! Ihre Kunst be<113>steht im Kombinieren. Ob sie nun schlechte Spione haben, ob ihre Anordnungen schlecht ausgeführt werden, immer trifft sie der Tadel. Trotzdem drängt sich der Ehrgeizige zum Oberbefehl.

Beim Anrücken der Österreicher hatte der König die Wahl zwischen zwei Entschlüssen. Er konnte sich entweder hinter die Elbe zurückziehen oder dem Prinzen von Lothringen entgegengehen und ihm eine Schlacht liefern. Der letzte Entschluß siegte, nicht nur als der rühmlichere, sondern auch als der nützlichere; denn er mußte den Frieden beschleunigen, da, wie gesagt, die Verhandlungen einen entscheidenden Schlag nötig machten. Sofort zog der König sein Heer bei Chrudim zusammen (13. Mai). Hier war das Zentrum der Aufstellung; der rechte Flügel lehnte sich an Medleschitz, der linke an den Bach Chrudimka. Die Streifkorps, die Spione und die feindlichen Überläufer meldeten, daß der Prinz von Lothringen sich am selben Tage zu Setsch und Bojanow lagern und den 15. dort verbleiben wolle. Von andrer Seite erfuhr man, daß ein feindliches Detachement Czaslau genommen habe, daß ein zweites Korps auf Kuttenberg vorrücke und daß die Husaren sich der Brücke von Kolin bemächtigt hätten.

Königseggs Absicht schien, das preußische Magazin zu Nimburg wegzunehmen und dann gegen Prag vorzurücken. Um dies zu vereiteln, brach der König am 15. mit der Avantgarde auf. Die Armee folgte ihm, um Kuttenberg vor dem Feinde zu erreichen. Man mußte den Marsch beschleunigen, um für die Einrichtung der Feldbäckerei bei Podiebrad Zeit zu haben. Die Avantgarde war 10 Bataillone, 10 Dragoner- und 10 Husarenschwadronen stark. Der König bezog mit diesen Truppen auf der Höhe von Podhorschan, unfern Chotieborsch, eine Stellung, die trotz der geringen Truppenzahl uneinnehmbar war. Um sich im Gelände zu orientieren, machte er einen Erkundungsritt und entdeckte von einer Anhöhe aus ein feindliches Korps von ungefähr 7—8 000 Mann, das eine halbe Meile entfernt bei Wilimow lagerte. Man suchte die Stellung dieses Korps mit dem Marsche des Prinzen von Lothringen in Zusammenhang zu bringen und gelangte zu der Ansicht, es könne wohl Fürst Lobkowitz sein, der von Budweis käme, um zur Hauptarmee zu stoßen.

Erbprinz Leopold, der dem König folgte, erhielt Befehl, am folgenden Tage vorzurücken, damit die beiden Korps einander nahe genug wären, um sich gegenseitig helfen zu können. Indes sah man in der Gegend von Podhorschan nur viele kleine Streifkorps, die der Feind wahrscheinlich zur Erkundung des Lagers aussandte. Die preußischen Patrouillen gingen die ganze Nacht durch. Die Pferde der Kavallerie blieben gesattelt und die Mannschaften angekleidet, sodaß die Avantgarde vor jedem Überfall sicher war. Am folgenden Morgen (16. Mai) bei Tagesanbruch meldeten die Husaren, das Lager, das man am Abend zuvor bei Wilimow gesehen habe, sei verschwunden. Die Truppen, die man für das Korps des Fürsten Lobkowitz gehalten hatte, waren in der Tat die Avantgarde des Prinzen von Lothringen, der sich vorsichtig beim Anmarsche der Preußen zurückgezogen hatte.

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Sobald Erbprinz Leopold durch das Defilee bei Herschmanmiestetz gedrungen war, setzte die Avantgarde ihren Marsch fort. Der König suchte unterwegs eine Stellung für die Armee aus und ließ dem Erbprinzen sagen, er solle sich mit dem rechten Flügel an Czaslau und mit dem linken an dem Dorfe Chotusitz lagern. Die Avantgarde war dem Heere nur um eine halbe Meile voraus. Sie bezog Kantonnementsquartiere rechts von der preußischen Armee, zwischen Neuhof und Kuttenberg. In Kuttenberg fand man für die Österreicher gebackenes Brot und alles, was sonst ein Heer braucht. Die Avantgarde sollte sich auf ein gegebenes Zeichen — drei Kanonenschüsse auf der Anhöhe von Neuhof — zusammenziehen, was leicht auszuführen war, da die entferntesten Regimenter nur eine viertel Meile auseinanderstanden. Gegen Abend schicke Erbprinz Leopold an den König einen Offizier mit der Meldung, die Armee sei auf ihrem Marsche durch die Artillerie und das schwere Gepäck aufgehalten worden, und er sei deshalb erst bei Sonnenuntergang ins Lager gekommen, habe also Czaslau nicht mehr einnehmen können; ferner hätte er erfahren, daß Prinz Karl in Wilimow stehe, d. h. eine Meile vom preußischen Lager.

So bereitete sich die Schlacht vor, die der König liefern wollte. Mit dieser Absicht brach er am 17. morgens um 4 Uhr auf, um zum Erbprinzen Leopold zu stoßen. Auf den Anhöhen von Neuhof angelangt, entdeckte man die ganze österreichische Armee, die in der Nacht Czaslau erreicht hatte und nun in vier Kolonnen zum Angriff vorrückte. Die Preußen standen in einer Ebene, die zur Linken an den Sbislauer Park stößt. Zwischen diesem Park und dem Dorfe Chotusitz war das Gelände sumpfig und von einigen kleinen Bächen durchflossen. Ihr rechter Flügel erstreckte sich fast bis Neuhof, lehnte sich an eine Reihe von Teichen und hatte eine Anhöhe vor sich. Der König sandte dem General Buddenbrock Befehl, diese Anhöhe mit seiner Kavallerie zu besetzen. Erbprinz Leopold erhielt die Weisung, schnell die Zelte abzubrechen, zwei Drittel der Infanterie in das erste Treffen zu stellen und auf dem rechten Flügel des zweiten Treffens Raum für die Infanterie der Avantgarde zu lassen. Die ganze Avantgarde, Kavallerie wie Infanterie, rückte in vollem Lauf an, um sich der Armee anzuschließen. Die Dragoner wurden ins zweite Treffen an den Flügel des Generals Buddenbrock gestellt, die Husaren auf die Flanken. Die Infanterie formierte die Flanke und das zweite Treffen des rechten Flügels; denn die Preußen hatten bei Mollwitz gelernt, wie wichtig es ist, die Flanken gut zu decken.

Kaum war die Avantgarde dem Heere eingegliedert, als die Kanonade ihren Anfang nahm. Die 82 Geschütze der preußischen Artillerie unterhielten ein ziemlich lebhaftes Feuer. General Buddenbrock hatte auf der Anhöhe seine Kavallerie so aufgestellt, daß seine Rechte den Prinzen von Lothringen überflügelte. Er griff den Feind mit solchem Ungestüm an, daß er alles vor sich her niederwarf. Der ungeheure Staub war schuld daran, daß die Kavallerie ihre Vorteile nicht so ausnutzen konnte, wie man es hätte erwarten sollen. Die neu errichteten Bronikowski-Husaren waren bei der<115> Avantgarde des Königs gewesen. Die Kavallerie der Hauptarmee kannte ihre grünen Uniformen nicht und hielt sie für Feinde. Es entstand ein Geschrei: „Wir sind abgeschnitten!“ und dies erste siegreiche Treffen wandte sich in wilder Hast zur Flucht. Indessen warf Graf Rothenburg115-1, der mit den Dragonern das zweite Treffen bildete, ein großes feindliches Kavalleriekorps, das noch standgehalten hatte, zurück, fiel der österreichischen Infanterie in die Flanke, richtete sie übel zu und hätte sie völlig zusammengehauen, wären ihm nicht österreichische Kürassiere und Husaren in Rücken und Flanke gefallen. Rothenburg wurde verwundet, seine Kavallerie geriet in Unordnung und rettete sich mit Mühe aus dem Getümmel. Indessen sammelte sich die Kavallerie wieder, und als der Staub verflogen war, sah man an der Stätte des wilden Kampfgewühls nur noch fünf feindliche Schwadronen: die Württemberg-Dragoner des Obersten Bretlach.

Während dieses Reitergefechts war im feindlichen Fußvolk ein Schwanken zu spüren, das so lange anhielt, bis Königsegg sich entschloß, mit seinem rechten Flügel gegen den linken preußischen vorzustoßen. Dieser Entschluß war verständig; denn Erbprinz Leopold hatte anfangs zu lange gezögert, die Truppen in Schlachtordnung aufzustellen, und war hernach nicht mehr dazu gekommen, sie in möglichst vorteilhafte Stellung zu bringen. Er hatte das Dorf Chotusitz hastig besetzen lassen. Das Regiment Schwerin führte den Befehl zwar aus, aber schlecht und ohne Beobachtung der Regeln. Des Erbprinzen eignes Regiment stand links vom Dorfe, war aber an nichts angelehnt, da er ohne Prüfung des Geländes vorausgesetzt hatte, die Kavallerie des linken Flügels werde den Raum zwischen dem Regiment und dem Sbislauer Park einnehmen. Jedoch das Gelände war von Bächen durchschnitten und konnte von der Kavallerie nicht besetzt werden, sodaß sein linker Flügel ohne jede Deckung war.

Die Kavallerie versuchte in ihrem Eifer das Unmögliche. Sie ging teils durch das Dorf Chotusitz, teils über Brücken vor, um sich entwickeln zu können. Als sie in freies Gelände kam, fand sie Batthyany mit der österreichischen Kavallerie völlig aufmarschiert vor sich. Die Regimenter Prinz August Wilhelm, Alt-Waldow und Bredow brachen durch das erste und zweite feindliche Kavallerietreffen und hieben dann die ungarischen Infanterieregimenter Palffy und de Bettes, die Reserve der Österreicher, zusammen. Als sie merkten, daß sie in der Hitze des Gefechts zu weit vorgedrungen waren, schlugen sie sich wieder durch das zweite, dann durch das erste feindliche Infanterietreffen durch und kamen mit Ruhm bedeckt zum Heere zurück.

Das zweite Treffen des linken preußischen Kavallerieflügels wurde, als es aus dem Dorfe Chotusitz hervortrat, von einem österreichischen Korps angegriffen. Es fand keine Zeit zum Aufmarsch und wurde in einzelnen Trupps geschlagen. Königsegg sah, daß das Regiment des Erbprinzen Leopold durch den Abgang der Kavallerie ohne jede Flankendeckung war und richtete den Hauptstoß seines Fußvolkes<116> auf diese Blöße. Das Regiment wurde zum Weichen gebracht. Der Feind benutzte das, um das Dorf Chotusitz in Brand zu stecken. Eine große Torheit! Ein Dorf, das man einnehmen will, darf man nämlich niemals anzünden, weil man in ein brennendes Dorf nicht eindringen kann. Wohl aber empfiehlt es sich, ein Dorf, das man räumt, in Brand zu setzen, um den Feind am Verfolgen zu hindern. Das Regiment Schwerin ward beizeiten des Brandes gewahr, verließ das Dorf und formierte sich als Flanke des linken Flügels. Das Feuer errichtete gleichsam eine Scheidewand zwischen beiden Heeren und verhinderte den Kampf an dieser Stelle. Freilich hielt das den Feind nicht ab, den linken Flügel der Preußen rechts vom Dorfe anzugreifen. Unter anderm wollte hier das ungarische Infanterieregiment Gyulai116-1 mit blanker Waffe in die preußische Infanterie eindringen. Aber der Versuch fiel so übel aus, daß alsbald die ungarischen Soldaten und Offiziere, sowie auch das Regiment Leopold Daun vor den preußischen Linien am Boden lagen, als hätten sie das Gewehr gestreckt. Eine so furchtbare Waffe ist die gut geführte Schußwaffe geworden. Diesen Augenblick benutzte der König zu einem raschen Vorstoß gegen die linke Flanke der österreichischen Infanterie. Das entschied den Sieg. Die Feinde warfen sich auf ihren rechten Flügel zurück, wurden gegen die Daubrawa gedrängt und sahen sich auf ein Gelände beschränkt, auf dem sie nicht fechten konnten. Da entstand denn allgemeine Verwirrung. Bald war das ganze Feld mit Flüchtlingen bedeckt; General Buddenbrock setzte den Österreichern, deren Reihen sich völlig auflösten, heftig nach und verfolgte sie mit 40 Schwadronen und 10 Bataillonen bis auf eine Meile vom Schlachtfeld.

Die Preußen erbeuteten 18 Kanonen und 2 Fahnen und machten 1 200 Gefangene. Obwohl es keine große Schlacht gewesen war, verlor der Feind doch viele Offiziere, und wenn man Tote, Gefangene, Verwundete und Überläufer zusammenrechnet, so betrug sein Verlust ohne Übertreibung 7 000 Mann. Man hätte auch eine Menge Standarten erbeutet, wären sie nicht vorsichtshalber, unter Bedeckung von 300 Reitern, sämtlich zurückgelassen worden. Die Preußen verloren 11 Standarten, was um so weniger wunder nehmen kann, als es damals bei der österreichischen Kavallerie üblich war, vom Pferde aus zu schießen. Sie wurde zwar jedesmal geschlagen, aber dem Angreifer kostete das doch viele Leute. Die Preußen verloren an Toten 900 Reiter und 700 Infanteristen und hatten an 2 000 Verwundete. Die Generale Werdeck und Wedell, die Obersten Bismarck, Maltzahn, Kortzfleisch und Pritz116-2 fanden den Heldentod, und die Truppen vollbrachten Wunder der Tapferkeit.

Der Kampf dauerte nur drei Stunden. Die Schlacht bei Mollwitz war heftiger, blutiger und durch ihre Folgen wichtiger gewesen. Bei Chotusitz wäre auch durch eine preußische Niederlage der Staat nicht verloren gewesen, der Sieg aber brachte den Frieden.

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Auf beiden Seiten machten die Führer Fehler, deren Untersuchung sich empfiehlt, um ihrer Wiederholung vorzubeugen. Beginnen wir mit Königsegg. Er beschließt, die Preußen zu überfallen und bemächtigt sich bei Nacht Czaslaus, aber seine leichten Truppen plänkeln bis zum Tagesanbruch mit den preußischen Feldwachen. Geschah dies etwa mit der Absicht, die Preußen wachzuhalten, sie vor Überrumpelung zu warnen und auf sein Vorhaben recht aufmerksam zu machen? Am Tage der Schlacht (17. Mai) konnte er bei Morgengrauen über das Lager des Erbprinzen Leopold herfallen, da der König erst um 6 Uhr eintraf. Anstatt dessen wartet er bis 8 Uhr morgens, bevor er sich in Marsch setzt, und unterdes langt die preußische Avantgarde an. In der Schlacht selbst überläßt er dem General Buddenbrock die Besetzung einer vorteilhaften Anhöhe, von der die preußische Kavallerie auf seinen linken Flügel herabstürmt und ihn schlägt. Er nimmt das Dorf Chotusitz. Anstatt unter Benutzung dieses Dorfes die linke Flanke des Feindes zu umgehen, bringt er sich selbst um den gewonnenen Vorteil, indem er das Dorf in Brand steckt und es für seine eignen Truppen unpassierbar macht. Das rettet den linken Flügel der Preußen. Er richtet seine ganze Aufmerksamkeit auf seinen rechten Flügel und vernachlässigt den linken, den der König überflügelt und bis zum Bache Daubrawa zurückwirft, wo sich die Verwirrung dieses Flügels dem ganzen Heere mitteilt. So ließ er sich den Sieg in dem Augenblick, wo er ihn schon in der Hand hielt, entwinden und mußte die Flucht ergreifen, um der Schande der Gefangennahme zu entgehen.

Am Verhalten des Königs ist zu rügen, daß er nicht bei seiner Hauptarmee geblieben war. Die Avantgarde hätte er auch einem andern Offizier anvertrauen können, der sie ebensogut wie er selbst nach Kuttenberg zu führen vermochte. Für die mangelhafte Ausnutzung des Geländes ist jedoch nur Erbprinz Leopold verantwortlich zu machen. Er hätte die Befehle des Königs buchstäblich befolgen müssen und sich nicht in falscher Sicherheit wiegen dürfen. Er mußte die Absichten des Gegners, der die ganze Nacht durch ununterbrochen plänkelte, erkennen. Das Gelände, auf dem er zu kämpfen hatte, wußte er nicht richtig zu benutzen. Es war ein Fehler, daß er den Sbislauer Park, der seinen linken Flügel decke, nicht mit Infanterie besetzte, die dann Batthyanys Reiterei wohl gehindert hätte, näherzukommen. Seine Kavallerie hätte er mit Anlehnung an den Park aufstellen müssen, was bei einiger Wachsamkeit sehr wohl rechtzeitig auszuführen war. Seine Anordnungen auf dem rechten Flügel waren weniger mangelhaft. Wäre der Erbprinz so verfahren, wie hier angegeben wurde, so hätte die Kavallerie des linken Flügels die kleinen Bäche, die sie schließlich im Angesicht des Feindes überschreiten mußte, von Anfang an im Rücken gehabt und sich auf offenem Gelände in voller Freiheit entwickeln können. Dazu kommt, daß das Dorf Chotusitz nur scheinbar eine feste Stellung war. Zu halten war einzig der Kirchhof, aber auch der war von Holzhütten mit Strohdach umgeben, die beim ersten Infanteriefeuer in Brand geraten mußten. Wirklich verteidigen konnte man das Dorf nur, wenn man es zuvor verschanzte; da man aber<118> keine Zeit dazu gehabt hatte, so durfte man gar nicht erst versuchen, den Ort zu halten. Der Hauptfehler, den Erbprinz Leopold vor der Schlacht beging, war der, daß er an einen Angriff der Feinde nicht eher glauben wollte, als bis er ihre Kolonnen vor seiner Front sich entwickeln sah. Da war es freilich recht spät, an gute Anordnungen zu denken. Aber die Tapferkeit der Truppen siegte über die Feinde, über die Hindernisse des Geländes und über die Fehler ihrer eignen Führer. Ein solches Heer war imstande, einen Befehlshaber aus der Bedrängnis zu reißen, und der König selbst mußte zugestehen, daß er allen Grund hatte, sich bei seinem Heere zu bedanken.

Die Österreicher machten nach ihrer Niederlage erst drei Meilen vom Schlachtfelde halt, bei dem Dorfe Habern, wo sie auf den Gebirgshöhen ein befestigtes Lager bezogen. Hier stieß eine Verstärkung von 4 000 Mann zum Prinzen von Lothringen. Zugleich erhielt der König einen Nachschub von 6 000 Mann, die der Fürst von Anhalt ihm aus Oberschlesien unter dem Befehl des Generals Derschau zusandte. Die Preußen verfolgten die Feinde. Als ihre Vorhut gegen Abend in der Gegend von Habern erschien, zog der Prinz von Lothringen noch in derselben Nacht ab und eilte durch große Waldungen der Straße nach Deutsch-Brod zu. Die preußischen Truppen, die aus Mangel an Lebensmitteln nicht tiefer nach Böhmen eindringen konnten, lagerten sich bei Kuttenberg, um in der Nähe ihrer Magazine zu bleiben.

Während der Prinz von Lothringen sich von den Preußen schlagen ließ, ging Fürst Lobkowitz mit seinen 7 000 Mann über die Moldau und unternahm kühn die Belagerung von Frauenberg, dessen Schloß sich acht Tage halten konnte118-1. Broglie, der eine Verstärkung von 10 000 Mann erhalten hatte und bei dem nach Beendigung der Kaiserwahl zu Frankfurt auch der Marschall Belle-Isle eingetroffen war, schickte sich an, der Stadt zu Hilfe zu kommen. Bei Sahay mußte sein ganzes Korps durch ein sehr enges Defilee marschieren, das Lobkowitz mit einiger Infanterie besetzt hielt. Die ersten französischen Schwadronen, die heraustraten, griffen die Kürassierregimenter Hohenzollern und Bernes, den Nachtrab von Lobkowitz, ohne Plan und Ordnung an und schlugen sie (25. Mai). Die Österreicher hatten ein Gehölz im Rücken, wo sie sich mehrmals wieder sammelten. Da aber die Franzosen immer zahlreicher vorrücken, so drängten sie endlich den Feind zurück, und Lobkowitz brachte sich durch einen eiligen Rückzug auf Budweis in Sicherheit. Die österreichischen Kürassiere galten einst für die Säulen des Reiches. Aber die Schlachten bei Grocka und Mollwitz hatten ihnen ihre besten Offiziere geraubt, und man hatte für keinen gleichwertigen Ersatz gesorgt. Seitdem pflegte diese Truppe in regellosen Haufen zu schießen oder anzugreifen. Infolgedessen wurde sie oft geschlagen und verlor das Vertrauen auf die eigne Kraft, das die Grundlage aller Tapferkeit ist.

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Die Franzosen bauschten das Treffen bei Sahay zu einem großen Siege auf. Die Schlacht von Pharsalus machte in Rom nicht größeres Aufsehen als dies kleine Gefecht zu Paris. Die Schwäche des Kardinals Fleury bedurfte der Stärkung durch einige glückliche Erfolge, und die beiden Marschälle, die bei dem Angriff zugegen waren, wollten das Andenken ihres ehemaligen Rufes wieder auffrischen.

Marschall Belle-Isle, berauscht von seinen Erfolgen in Frankfurt und bei Sahay und eitel darauf, Deutschland einen Kaiser gegeben zu haben, kam ins Lager des Königs, um mit ihm zu verabreden, wie man die Sachsen wohl aus ihrer tödlichen Erschlaffung aufrütteln könnte. Belle-Isle hatte den Zeitpunkt schlecht gewählt. Der König dachte gar nicht daran, auf seine Absichten einzugehen. Alle die geheimen Unterhandlungen zwischen den Österreichern und dem Kardinal und die Kenntnis einiger Einzelheiten, die Fleurys Falschheit offenbarten, hatten das Vertrauen des Königs zu Frankreich zerstört. Man wußte, daß La Chétardie der Kaiserin von Rußland als das sicherste Mittel, sich mit Schweden auszusöhnen, vorgeschlagen hatte, Schweden auf Kosten des Königs von Preußen in Pommern zu entschädigen119-1. Die Kaiserin verwarf den Rat und teilte die Sache dem preußischen Gesandten an ihrem Hofe mit. Zugleich erklärte Kardinal Tencin im Namen des französischen Hofes dem Papste119-2, er brauche über das Emporkommen Preußens nicht in Sorge zu sein; Frankreich werde schon zur rechten Zelt die Dinge ins reine zu bringen wissen und die Ketzer ebenso wieder erniedrigen, wie es sie erhöht hätte. Dunkel vor allem und geeignet, das größte Mißtrauen gegen den Kardinal zu erwecken, war das Treiben eines gewissen du Fargis, eines Geheimagenten Fleurys in Wien119-3. Es war also unumgänglich notwendig, dem Kardinal zuvorzukommen, zumal zu all diesen politischen Gründen ein entscheidender finanzieller trat: es befanden sich kaum noch 150 000 Taler im Schatze. Mit einer so geringen Summe war es unmöglich, die Rüstungen eines neuen Feldzuges zu bestreiten. An Anleihen war ebensowenig zu denken wie an eines der andern Mittel, die den Fürsten in solchen Ländern zur Verfügung stehen, in denen Reichtum und Überfluß herrschen. All das bewog den König, dem Grafen Podewils, der damals in Breslau war, Vollmachten zum Abschluß des Friedens mit Lord Hyndford zu erteilen, der vom Wiener Hofe dazu ermächtigt war. Darum ließ sich der König auch auf keinen der Vorschläge des Marschalls Belle-Isle ein und füllte die Audienzen mit Komplimenten und Lobsprüchen aus.

Es war vorauszusehen, daß dem Marschall Broglie in der Lage, in die er sich gesetzt hatte, irgendein Unglück begegnen mußte. Aber Preußen hatte kein Interesse daran, daß den Österreichern durch neue Erfolge der Kamm schwoll, bevor der Friede unterzeichnet war. Zur Verhütung solcher unliebsamen Zwischenfälle unterrichtete der König den Marschall Broglie von den Bewegungen des Prinzen von Lothringen, der<120> zum Fürsten Lobkowitz stoßen wollte. Er stellte ihm vor, daß er gewärtig sein müsse, von der vereinigten österreichischen Macht angegriffen zu werden. Wollte er also nicht vor der Ankunft des Prinzen von Lothringen nachdrücklich gegen Lobkowitz vorgehen, so müsse er wenigstens Frauenberg mit Lebensmitteln versehen. Broglie schlug den Rat eines soviel jüngeren Mannes lachend in den Wind und blieb ruhig in Frauenberg stehen, ohne recht zu wissen, warum. Alsbald kamen die Österreicher an, nahmen ihm ein Detachement in Tein gefangen, überschritten die Moldau und plünderten die ganze französische Bagage. Broglie höchst verblüfft über das, was ihm zustieß, wußte nichts besseres, als nach Pisek zu fliehen. Auch dort gab er nur den Befehl: „Die Armee soll aufbrechen!“ und eilte weiter nach Beraun. Von da verjagten ihn 3 000 Kroaten und verfolgten ihn bis unter die Kanonen von Prag.

Auf diese schlechten Nachrichten hin sandte der König einen Kurier nach Breslau, um den Friedensschluß zu beschleunigen. Dank dem preußischen Sieg machte die Beredsamkeit Lord Hyndfords auf die österreichischen Minister jetzt sichtlich mehr Eindruck als zuvor. Sie gingen auf die Ratschläge des Königs von England ein, und es wurden folgende Friedenspräliminarien zu Breslau unterzeichnet120-1: 1. Die Königin von Ungarn tritt dem König von Preußen Ober- und Niederschlesien mit der Grafschaft Glatz ab, mit Ausnahme der Städte Troppau und Jägerndorf und des hohen Gebirgszuges jenseits der Oppa. 2. Die Preußen sind verpflichtet, den Engländern 1 700 000 Taler zurückzuzahlen, die als Hypothekenschuld auf Schlesien lasten. Die übrigen Artikel bezogen sich auf die Einstellung der Feindseligkeiten, die Auswechslung der Gefangenen, auf Religionsfreiheit und Handel.

So kam Schlesien an den preußischen Staat. Zwei Kriegsjahre hatten zur Eroberung dieser wichtigen Provinz genügt. Der vom verstorbenen König hinterlassene Schatz war fast erschöpft. Aber Staaten sind billig, wenn sie nur 7—8 Millionen kosten. Ein Zusammentreffen günstiger Umstände erleichterte das Unternehmen. Frankreich mußte sich in den Krieg hineinziehen lassen, Rußland von Schweden angegriffen werden, die Hannoveraner und Sachsen mußten sich aus Ängstlichkeit untätig verhalten, die Kette der Erfolge mußte ununterbrochen sein, und der König von England, Preußens Feind, mußte zähneknirschend ein Werkzeug der Erhebung Preußens werden. Was aber zum glücklichen Gelingen das meiste beitrug, das war ein Heer, das in zweiundzwanzigjähriger Arbeit zu bewundernswerter Mannszucht herangebildetworden war und alle Armeen Europas in Schatten stellte; das waren wahrhaft patriotische Offiziere, erfahrene und unbestechliche Staatsdiener; das war schließlich ein gewisses Glück, das so oft mit der Jugend ist, aber das Alter im Stiche läßt. Wäre die große Unternehmung mißlungen, so hätte man den König einen leichtsinnigen Fürsten gescholten, der Dinge unternimmt, die seine Kräfte übersteigen. Da sie ge<121>lang, sah man ihn als Glückskind an. In Wahrheit entscheidet allein das Glück über den Ruf: wer vom Glück begünstigt wird, erntet Beifall; wen es verschmäht, der wird getadelt.

Nach Austausch der Ratifikationen121-1 zog der König seine Truppen aus Böhmen zurück. Ein Teil ging durch Sachsen, um in die Erblande heimzukehren, der andre rückte nach Schlesien, um die neue Eroberung zu schützen.

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7. Kapitel

Der Friede. Dessen Mitteilung an die Verbündeten. Vereinigung der Hannoveraner mit den Engländern in Flandern. Krieg in Finnland. Übergabe von Friedrichshamn. Ernennung des Herzogs von Holstein zum Thronfolger in Schweden. Maillebois rückt nach Böhmen, von da nach Bayern. Französische und englische Unterhandlungen in Berlin und alle Begebenheiten bis zum Jahre 1743.

Der Anstand erheischte, den soeben geschlossenen Frieden den alten Verbündeten Preußens anzuzeigen. Der König hatte triftige Gründe zum Friedensschluß gehabt, aber einige waren derart, daß man sie nicht mitteilen durfte, und die anderen konnte man nicht sagen, ohne Frankreich mit Vorwürfen zu überschütten. Der König dachte aber nicht daran, es mit Frankreich zu verderben, und wünschte alle äußeren Formen zu wahren. Nur auf der neuen gefährlichen Bahn wollte er die französische Politik nicht begleiten und vertauschte die Rolle des Mitspielers mit der eines bloßen Zuschauers.

Es war vorauszusehen, daß dieser Systemwechsel dem Kardinal Fleury sehr ungelegen kommen mußte, weil dadurch seine geheimsten Pläne über den Haufen geworfen wurden, die tatsächlich sehr im Gegensatze zu seinen öffentlichen Kundgebungen standen. Er hatte eine so hohe Meinung von Frankreichs Prestige, daß er eine Handvoll Menschen für hinreichend hielt, um Böhmen zu behaupten. Seine Absicht war, alle Last dieses Krieges auf seine Verbündeten abzuwälzen und die Unternehmungen im Felde je nach Frankreichs Vorteil zu fördern oder zu hemmen, um dadurch die Friedensunterhandlungen zum größtmöglichen Nutzen seines Königs zu lenken. Dies Verhalten stand aber in schroffem Gegensatz zu den Verpflichtungen, die er bei Abschluß des Bündnisses eingegangen war.

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Unter allen Verbündeten Frankreichs war der Kaiser am meisten zu beklagen. Denn Broglie war weder ein Catinat noch ein Turenne, und auf Leute wie den Feldmarschall Törring und die bayerischen Truppen war gar nicht zu rechnen. Der Kurfürst von Sachsen sah zwar mit scheelen Blicken auf die Vergrößerung des Hauses Brandenburg, war aber dem König Dank schuldig, weil dieser ihn in den Breslauer Frieden mit einbegriffen hatte und er sich so mit Ehren aus einem schlimmen Handel herausziehen konnte. Übrigens hatte August III. so wenig Ahnung, wozu man seine Truppen verwandte, daß er den Grafen Wartensleben, der ihm im Namen seines Verbündeten die Nachricht von dem Siege bei Czaslau überbrachte, fragte, ob seine Truppen sich auch gut dabei gehalten hätten. Wartensleben antwortete, sie wären gar nicht dabei gewesen und hätten sich lange vor der Schlacht nach dem Kreise Saaz an der sächsischen Grenze zurückgezogen. König August schien erstaunt; er ließ Brühl rufen, der sich herauszureden suchte.

Bei so wenig gutem Willen auf seiten seiner Verbündeten war der König über seine Rechtfertigung nicht verlegen. Hier die Abschrift des Briefes, den er an den Kardinal Fleury schrieb123-1:



Mein Herr Vetter!

Es ist Ihnen bekannt, daß ich, seit wir im Bundesverhältnis stehen, mit unverbrüchlicher Treue alle Absichten Ihres königlichen Herrn unterstützt habe. Durch meine Vorstellungen habe ich dazu mitgeholfen, die Sachsen der Partei der Königin von Ungarn abtrünnig zu machen. Ich habe dem Kurfürsten von Bayern meine Stimme gegeben und seine Krönung beschleunigt. Ich habe Ihnen mit allen Kräften beigestanden, den König von England im Zaume zu halten. Ich habe den König von Dänemark in Ihr Interesse gezogen. Kurz, durch Unterhandlungen wie durch das Schwert habe ich nach besten Kräften die Sache meiner Bundesgenossen fördern helfen, obwohl die Erfolge hinter meinen Wünschen und meinem guten Willen stets zurückgeblieben sind. So sehr auch meine Truppen nach den ununterbrochenen Strapazen des Feldzuges von 1741 nach verdienter Ruhe verlangten, so habe ich doch dem dringenden Ersuchen des Marschalls Belle-Isle nachgegeben, sie noch in Böhmen zu gebrauchen, um dort den linken Flügel der Verbündeten zu decken. Mehr noch: um Herrn von Ségur, der in Linz eingeschlossen war, zu befreien, ging ich im Eifer für die gemeinsame Sache nach Sachsen, wo ich durch zudringliche Vorstellungen beim König von Polen durchsetzte, daß seine Truppen zusammen mit den meinen eine Diversion nach Mähren machten. Sie marschierten auf Iglau, von wo Herr von Lobkowitz sich hastig zurückzog. Diese Diversion wäre von ent<124>scheidender Wirkung gewesen, wenn Herr von Ségur so viel Geduld gehabt hätte, die Folgen dieser Unternehmung abzuwarten, und wenn Herr von Broglie an der Wottawa stark genug gewesen wäre, um meine Bemühungen zu unterstützen. Aber die Voreiligkeit des ersten, die geringe Truppenzahl des zweiten und der böse Wille der sächsischen Generale, endlich der Mangel an schwerem Geschütz zur Belagerung Brünns brachten diese Unternehmung zum Scheitern und zwangen mich, eine Provinz zu verlassen, die die Sachsen bekommen sollten, zu deren Eroberung sie aber keine Lust zeigten. Nach Böhmen zurückgekehrt, trat ich dem Prinzen von Lothringen entgegen und griff ihn an, um Prag zu retten, das er belagert hätte, wäre er nicht geschlagen worden; ich verfolgte ihn, soweit mein Proviantvorrat es erlaubte. Sobald ich erfuhr, daß der Prinz von Lothringen auf Tabor und Budweis rückte, benachrichtigte ich Herrn von Broglie davon und riet ihm, Herrn von Lobkowitz, den er eben bei Sahay geschlagen hatte, zu vernichten, bevor die Armee der Königin von Ungarn sich mit ihm vereinigen konnte. Herr von Broglie fand es nicht für gut, diesen Entschluß zu fassen. Statt nach Pisek zurückzukehren, wo das Gelände ihm günstig war, zersplitterte er seine Truppen. Die verhängnisvollen Folgen davon haben Sie erfahren. Jetzt ist Bayern von Böhmen abgeschnitten, und die Österreicher sind im Besitz von Pilsen und in der Lage, die Hilfstruppen, die Herr von Broglie aus Frankreich erwarten kann, aufzuheben. Ich erfahre, daß die Sachsen ihr dem Marschall Belle-Isle gegebenes Versprechen, sich mit den Franzosen zu vereinigen, nicht halten, sondern Böhmen verlassen und in ihr Kurfürstentum zurückkehren. In dieser Lage, wo das Verhalten der Sachsen mehr als verdächtig und von Herrn von Harcourt124-1 nichts zu hoffen ist, zeigt mir die Zukunft nichts als einen endlosen Krieg, dessen Hauptlast ich zu tragen hätte. Einerseits bringt das englische Geld ganz Ungarn in Waffen; andrerseits zaubert die Kaiserin-Königin stets neue Truppen in ihren Ländern hervor. Die Ungarn rüsten sich zum Einfall in Oberschlesien. Die Sachsen, deren üble Gesinnung mir wohlbekannt ist, sind imstande, zu den Österreichern überzugehen und in meine von jedem Schutz entblößten Erblande einzufallen. Ich sehe also sehr schwarz in die Zukunft. In dieser kritischen Lage bin ich, obwohl mit Kummer im Herzen, genötigt, mich aus dem allgemeinen Schiffbruch in einen sicheren Hafen zu retten. Haben mich aber widrige Umstände auch gezwungen, einen Entschluß zu fassen, den die Notwendigkeit rechtfertigt, so werden Sie mich stets treu in Erfüllung meiner Verpflichtungen finden, wo es von mir allein abhängt. Nie werde ich den von mir unterschriebenen Verzicht auf die Herzogtümer Jülich und Berg124-2 widerrufen. Weder mittelbar noch unmittelbar werde ich die festgesetzte Ordnung dieser Erb<125>schaft stören. Lieber würde ich meine Waffen gegen mich selbst als gegen Frankreich kehren. Mit stets gleichem Eifer werde ich zu allem beitragen, was Ihrem königlichen Herrn zum Vorteil und seinem Lande zum Wohle gereichen kann. Der ganze Verlauf dieses Krieges ist ein fortlaufendes Gespinst von Beweisen meines guten Willens gegen meine Bundesgenossen; davon müssen Sie so überzeugt sein wie von der Wahrheit der hier angeführten Tatsachen. Ich bin sicher, Sie werden es mit mir bedauern, daß die Laune des Schicksals unsere Pläne mißlingen ließ, die für Europa so segensreich waren. Ich bin usw.

Die Antwort des Kardinals125-1 lautete:



Sire!

Eure Majestät werden sich leicht den lebhaften Schmerz vorstellen, den der Brief vom 18. des Monats, mit dem Sie mich zu beehren geruhten, mir verursacht hat. Gegen das traurige Ereignis, das alle unsere Entwürfe in Deutschland umstürzt, hätten sich gewiß noch Mittel gefunden, wenn Ew. Majestät Herrn von Broglie hätten zu Hilfe kommen und wenigstens die Stadt Prag retten können. Aber das ist Ihnen nicht möglich gewesen, und wir müssen uns Ihrer Einsicht und Weisheit fügen. Es sind freilich große Fehler gemacht wor-den; man braucht sie nicht erst zu erwähnen; aber hätten wir alle unsre Truppen vereinigt, so wäre gegen das Unglück noch Abhilfe gewesen. Aber nicht daran wollen wir denken, sondern nur an den Frieden, den Ew. Majestät für nötig halten und den der König ebenso sehr wünscht wie Sie. Ew. Majestät werden die Friedensbedingungen regeln, und der Marschall Belle-Isle wird von hier Vollmacht erhalten, alles, was Sie beschlossen haben, zu unterschreiben. Ich kenne Ew. Majestät gerade und edle Denkungsart zu gut, um den geringsten Verdacht zu hegen, daß Sie uns im Stich lassen könnten, nachdem wir so echte Beweise unserer Treue und unseres Eifers für Ihre Interessen gegeben haben. Ew. Majestät werden jetzt zum Schiedsrichter Europas. Das ist die glorreichste Rolle, die Sie je übernehmen können. Spielen Sie sie zu Ende, Sire, indem Sie Ihre Verbündeten schonen und den Vorteil des Kaisers nach Kräften wahrnehmen: das ist alles, was ich bei meiner jetzigen Niedergeschlagenheit Ihnen zu sagen die Ehre habe. Niemals werden meine Wünsche für das Wohl Ew. Majestät aufhören, und ich verharre mit Ehrerbietung usw.

So endigte dieses Bündnis, bei dem alle Teilnehmer sich zu überlisten suchten, wo die Truppen der verschiedenen Fürsten gegenüber den Heerführern einen derartigen Ungehorsam an den Tag legten, als hätte man sie eigens zu dem Zweck zusammengebracht, um nicht zu gehorchen, bei dem die Feldlager Staaten ohne Obrigkeit<126> glichen, bei dem alle Entwürfe der Generale der Entscheidung eines alten Priesters unterworfen waren, der ohne jede Kenntnis des Krieges und des Kriegsschauplatzes wichtige Pläne oft ganz verkehrt billigte oder verwarf. Dies war in Wirklichkeit das Mirakel, welches das Haus Österreich rettete. Wäre man klüger zu Werke gegangen, so war sein Untergang unvermeidlich.

Sobald die Ratifikationen des Friedensschlusses zwischen Preußen und Österreich ausgetauscht waren, garantierte ihn der König von England aufs feierlichste unter Zustimmung des Parlaments, gemäß den Wünschen der ganzen Nation, die es so verlangte. Lord Carteret war es vor allem, der dieses Friedenswerk betrieb, weil er hoffte, Preußen unverzüglich in den Krieg gegen Frankreich, den er plante, hineinziehen zu können. Schon hatte er, wie gesagt, in Flandern 16 000 Engländer und ebenso viele Hannoveraner zusammengebracht, zu denen noch 6 000 Hessen stießen. Der König von Schweden, Landgraf von Hessen, hielt die gleiche Anzahl im Dienste des Kaisers126-1, und es hätte geschehen können, daß durch die Soldatenehre Hessen gezwungen wurden, gegen Hessen zu kämpfen. So verblendet niedre Gewinnsucht die Menschen!

Die Versammlung dieser Truppen in Brabant machte den Franzosen aber nicht so viel Sorge, daß sie versäumt hätten, etwas zu Broglies Rettung zu tun. Maillebois wurde mit seinem Heere nach Böhmen geschickt, um den französischen Marschall und seine Armee aus dem belagerten Prag zu befreien. Die Pariser, die über alles ihre Witze machen, nannten das Entsatzheer die Mathuriner, well es Gefangene befreien sollte126-2. Maillebois ging bei Mannheim über den Rhein und rückte in der Richtung auf Eger vor.

Seitdem die Preußen Frieden gemacht hatten und die Sachsen nach Hause gegangen waren, hatte sich das Glück ganz für die Königin von Ungarn erklärt. Der Prinz von Lothringen hatte Pilsen genommen und lag jetzt vor Prag. Broglie hatte bei Bubenetsch in sehr ungünstiger Stellung gestanden. Das feindliche Geschützfeuer nötigte ihn, sie zu räumen und sich mit all seinen Truppen nach Prag zu flüchten, wo er sich sehr bald belagert sah. Die deutschen Truppen der Königin schlossen die Klein-Seite ein; die Ungarn, die Kroaten und die irregulären Truppen vollendeten die Einschließung vom Hradschin bis zum Neu-Tor und schlugen Verbindungsbrücken über die obere und untere Moldau. Für das denkwürdigste Ereignis bei dieser Belagerung gilt der große Ausfall der Franzosen, bei dem sie dem Feinde einen Verlust von 3 000 Mann an Toten und Gefangenen beibrachten und die Kanonen seiner Batterien vernagelten. Im Triumph kehrten die Marschälle Belle-Isle und Broglie mit den Gefangenen und den erbeuteten Siegeszeichen nach Prag zurück (19. August).

<127>

Aber mochten die Franzosen durch ihre tapfere Verteidigung den Österreichern auch furchtbar werden, ihr Heer war doch in einer erbärmlichen Verfassung. Ihre Lage war kläglich; Zwistigkeiten herrschten unter den Generalen und schreckliches Elend unter den Truppen. Die Not war so groß, daß man die Pferde tötete und verzehrte, da Schlachtvieh kaum für die Tafel der Marschälle vorhanden war. In dieser verzweifelten Lage, wo die Besatzung nur noch den Tod oder die Schande vor sich sah, rückte Maillebois zur Befreiung heran. Hätte man ihm freie Hand gelassen, so hätte Böhmens Schicksal sich wenden können. Doch der Kardinal führte ihn von Versailles aus am Gängelbande. Umsonst boten sich dem Marschall die schönsten Gelegenheiten: er wagte keine zu benutzen.

Der Wiener Hof sah, welchen Streich der Kardinal ihm versetzen konnte. Zu schwach zur Abwehr, half er sich mit dem Ersatzmittel der Kraft: mit List. Graf Ulfeld, Minister des Auswärtigen bei der Königin von Ungarn, kannte den Charakter des Kardinals und verstand ihn mit Unterhandlungen so geschickt hinzuhalten, daß Khevenhüller Zeit gewann, aus Bayern herbeizueilen und sich mit dem Prinzen von Lothringen zu vereinigen. Ja, die Franzosen ließen sich so lange nasführen, daß die Österreicher ihnen um einen Tagemarsch zuvorkamen und Maillebois vor die Wahl zwischen Schlacht oder Rückzug stellten. Er wurde allgemein getadelt, daß er dem Prinzen Karl kein Treffen lieferte. Aber er war unschuldig daran. Wir wissen bestimmt, daß sein Hof ihm den ausdrücklichen Befehl erteilt hatte, nichts aufs Spiel zu setzen. Maillebois gehorchte, und da er sich Prag ohne Schlacht nicht nähern konnte, so kehrte er wieder um und ging nach Eger zurück. Zum Ziele führte diese Diversion also nicht, aber sie brachte den in Prag eingeschlossenen Truppen doch Nutzen. Die Marschälle Belle-Isle und Broglie wurden von der österreichischen Armee befreit. Sie schickten starke Truppenabteilungen zur Beitreibung von Lebensmitteln aus und verproviantierten die Stadt aufs neue. Maillebois wurde in Böhmen, wo er keinen festen Fuß fassen konnte, überflüssig. Er ging über Regensburg und Straubing zurück und vereinigte sich mit dem Marschall Seckendorff, der die Truppen des Kaisers in Bayern befehligte. Wäre es Maillebois gelungen, das Heer des Prinzen Karl von Lothringen in Böhmen länger aufzuhalten, so hätte Seckendorff Passau, Straubing und alle noch österreichisch gesinnten Städte wiedergewinnen können. Nun suchte Maillebois umsonst Braunau wieder einzunehmen127-1. Der Prinz von Lothringen war ihm nach Bayern gefolgt, aber da die Jahreszeit schon vorgeschritten und beide Heere erschöpft waren, so bezog man Winterquartiere.

In Italien war die Lage der Dinge für das Haus Österreich noch ziemlich unentschieden. Die Spanier waren unter Führung von Montemar bis ins Herzogtum Ferrara gedrungen. Feldmarschall Traun hatte sie etwas zurückgedrängt. Die Kö<128>nigin von Spanien, die keine schlaffen Generale wünschte, sandte Gages zur Ablösung von Montemar nach Italien.

Das Jahr 1742 konnte das Jahr der Diversionen heißen: der Einfall Khevenhüllers in Bayern, der des Königs in Mähren, die Versammlung des englischen Heeres in Flandern, Maillebois' Marsch nach Böhmen, die Flotte des Admirals Mathews, die Neapel zu bombardieren drohte, um den König zur Neutralität zu zwingen, Don Philipps Zug durch Savoyen, um den König von Sardinien zu nötigen, seine Truppen von der österreichischen Armee am Panaro zurückzuziehen. Keine dieser Diversionen erreichte völlig den gewünschten Zweck. Nach dem Rückzuge von Maillebois ward Prag aufs neue von den leichten Truppen, Kroaten und Ungarn, eingeschlossen.

Während all dieser Vorgänge im Süden Europas befestigte sich zu Petersburg die Regierung der neuen Kaiserin von Rußland128-1. Ihre Minister verstanden geschickt durch ihre Unterhandlungen sowohl den französischen Gesandten wie Lewenhaupt, den Befehlshaber der schwedischen Truppen in Finnland, einzulullen. Die so gewonnene Zeit benutzten die Russen klug zur Verstärkung ihres Heeres. Sobald der russische Oberkommandierende Lacy sich stark genug sah, rückte er vor. Er brauchte sich nur zu zeigen, und die Schweden wichen überall. Der russische Name, den sie zur Zeit der Schlacht von Narva (1700) nur mit Verachtung aussprachen, war für sie ein Schreckenswort geworden. Selbst unangreifbare Stellungen schienen ihnen keine Sicherheit mehr zu bieten. Nachdem sie von Ort zu Ort geflohen waren, sahen sie sich zu Friedrichshamn von den Russen eingeschlossen, die ihren einzigen noch offenen Rückweg abgeschnitten hatten. Schließlich streckten sie feig die Waffen und unterzeichneten eine schmähliche und schimpfliche Kapitulation128-2, einen Schandfleck auf der Ehre ihrer Nation: 20 000 Schweden krochen vor 27 000 Russen zu Kreuz. Die eingeborenen Schweden im Heere wurden von Lacy entwaffnet und heimgeschickt; die Finnländer leisteten den Treueid. Welch ein demütigendes Beispiel für den Stolz und die Eitelkeit der Völker! Schweden, das unter Gustav Adolf und Karl XII. für die Heimat der Tapferkeit galt, ward jetzt ein Muster an Feigheit und Ehrlosigkeit. Das Land, das in seinen guten Tagen Helden hervorgebracht hatte, erzeugte unter republikanischer Regierungsform Generale ohne Ehre und Energie, statt der Achilles die Thersites. Derart werden Königreiche und Staaten, die sich zur Macht erhoben haben, wieder schwach und sinken in Verfall. Hier sind die Worte am Platze: „O Eitelkeit der Eitelkeiten! Alles ist eitel!“

Die politische Ursache dieses Niederganges liegt wahrscheinlich in den verschiedenen Regierungsformen, die Schweden durchgemacht hat. Solange es eine Monarchie war, stand seine Armee in Ehren. Sie diente dem Staate zur Verteidigung und konnte ihm niemals gefährlich werden. In einer Republik verhält es sich umgekehrt. Die Regierung muß ihrer Natur nach friedliebend sein, der Wehrstand muß erniedrigt werden, denn von Generalen, welche die Truppen für sich haben, ist alles zu <129>befürchten; nur von ihnen kann eine Revolution ausgehen. In Republiken legt sich der Ehrgeiz auf Intrigen, um emporzukommen. Bestechlichkeit demoralisiert nach und nach das öffentliche Leben, und der wahre Ehrbegriff geht verloren, weil man auf Wegen emporkommen kann, auf denen vom Bewerber kein Verdienst verlangt wird. Außerdem werden in Republiken die Staatsgeheimnisse nie gewahrt. Der Feind erfährt ihre Pläne im voraus und kann sie durchkreuzen. Sehr zur Unzeit erweckten die Franzosen den noch nicht ganz erloschenen Eroberungsgeist der Schweden, um sie gegen die Russen ins Feld zu stellen, zu einer Zeit, da die Schweden weder Geld noch disziplinierte Soldaten und vor allem keine brauchbaren Heerführer hatten.

Die damalige Überlegenheit der Russen nötigte die Schweden, zwei Senatoren nach Petersburg zu senden, um die Thronfolge dem jungen Großfürsten Peter, Herzog von Holstein, dem Neffen der Kaiserin, anzutragen. Es läßt sich nichts Demütigenderes denken als die Ablehnung des Großfürsten, dem die schwedische Krone zu gering schien. Der österreichische Gesandte zu Petersburg, Marchese Botta, machte dem Großfürsten das Kompliment: „Ich wünschte, es fiele der Königin, meiner Herrin, ebenso leicht, ihre Königreiche zu behaupten, als Eurer Kaiserlichen Hoheit, Kronen auszuschlagen.“ Nach der Absage des Großfürsten verlangten die Priester und die Bauern, die im Reichstage Sitz und Stimme haben, man solle den Kronprinzen von Dänemark129-1 zum Thronfolger wählen. Die Senatoren der französischen Partei stimmten für den Pfalzgrafen von Zweibrücken129-2; aber die russische Kaiserin erklärte sich für den Bischof von Lübeck, den Oheim des Großfürsten129-3, und ihr Wille siegte über den Einfluß der andern Parteien. Die Wahl dieses Fürsten geschah erst 1743; so sehr hielten die zu Stockholm entstandenen Kabalen die Beschlüsse des Reichstages auf.

Seit dem Breslauer Frieden nahmen die Unterhandlungen kein Ende. Die Engländer wollten den König in den von ihnen geplanten Krieg hineinziehen. Die Franzosen wollten ihn zu Schritten verleiten, die mit der Neutralität, zu der er sich verpflichtet hatte, unvereinbar waren. Der Kaiser suchte seine Vermittlung nach. Aber der König blieb unerschütterlich. Je länger der Krieg dauerte, um so mehr erschöpfte sich das Haus Österreich; und je länger Preußen Frieden hatte, um so mehr Kraft gewann es. Die schwierigste Aufgabe in dieser politischen Konstellation war die Erhaltung des Gleichgewichts zwischen den kriegführenden Mächten, damit die eine nicht zuviel Übergewicht über die andre erlangte. Es mußte verhindert werden, daß der Kaiser entthront und daß die Franzosen aus Deutschland vertrieben wurden. Zwar waren den Preußen durch den Breslauer Frieden die Hände gebunden, aber es ließ sich durch Intrigen doch das gleiche wie durch die Waffen erreichen. Die Gelegenheit dazu bot sich bald. Der König von England beabsichtigte, seine Truppen aus Flandern der Königin von Ungarn zu Hilfe zu senden. Dieser Beistand hätte die Sache des Kai<130>sers und Frankreichs rettungslos zugrunde gerichtet. Eine so dringende Gefahr veranlaßte den König von Preußen zu den nachdrücklichsten Vorstellungen. Er ging so weit, dem König von England mit einem Einfall in sein Kurfürstentum zu drohen, wenn er es wagte, fremde Truppen über den Rhein zu führen und sie ohne Einwilligung der Reichsstände nach Deutschland zu bringen. Durch sanftere Überredungen ließen sich die Holländer bewegen, ihre Truppen damals nicht mit den Bundesgenossen der Königin von Ungarn zu vereinigen. So gewannen die Franzosen Zeit, sich zu erholen und Maßregeln für ihre Verteidigung zu treffen.

Nicht so vollständig gelang dem König ein andres Projekt, das er zur Erhaltung des Kaisers entworfen hatte. Es galt, die Truppen des Kaisers in Bayern zu unterstützen. Die Franzosen hatten doppelte Ursache, dazu beizutragen. Denn erstens waren sie nach einer Räumung Bayerns gezwungen, über den Rhein zurückzugehen und an die Verteidigung ihres eignen Herdes zu denken, und zweitens war es eine Schande für sie, den Kaiser, den sie auf den Thron gesetzt hatten, im Stiche zu lassen und der Willkür seiner Feinde preiszugeben. Allein ihre Generale hatten den Kopf verloren. Der Schrecken war stärker als die Vernunft und übermannte sie. Um Ersatz für die französischen Truppen zu schaffen, wurde der Plan gefaßt, einen Bund der Reichskreise zur Aufstellung einer Neutralitätsarmee zu bilden. Unter diesem Deckmantel hätte der König seine Truppen zu dem Heere stoßen lassen können, das dann Bayern gedeckt hätte. Aber der Plan scheiterte an der knechtischen Furcht der Reichsfürsten vor dem Hause Österreich. Die Königin von Ungarn drohte, die Fürsten zitterten, und der Reichstag wollte sich zu nichts entschließen. Hätte Frankreich diesen Plan mit einigen richtig verteilten Summen unterstützt, so wäre er gelungen. Das ist die schlechteste Sparsamkeit eines Fürsten, wenn er sein Geld nicht auszugeben versteht, sobald die Verhältnisse es erfordern.

So endigte das Jahr 1742, dessen wechselvolle Ereignisse nur das Vorspiel eines viel blutigeren Krieges bildeten. Die Franzosen waren die einzigen, die den Frieden wünschten. Der König von England glaubte fest an die Schwäche der französischen Regierung und wähnte, es bedürfe nur noch eines Feldzuges, um sie niederzuwerfen. Die Königin von Ungarn verbarg ihren Ehrgeiz unter dem Schleier rechtmäßiger Verteidigung. Wir werden in der Folge sehen, wie sie aus einer kriegführenden Partei zu einer Macht wurde, die sich mit Hilfsleistungen an ihre Alliierten begnügte.

Preußen bestrebte sich, den Frieden, dessen es sich erfreute, zur Wiederherstellung seiner Finanzen zu benutzen. Die Mittel waren verbraucht. Es galt, mit Fleiß neue zu sammeln. Es galt, die Organisation der Einnahmen aus Schlesien, die in der Eile nur mangelhaft eingerichtet war, zu verbessern und die österreichischen Schulden an England abzubezahlen. Gleichzeitig ging man an die Neubefestigung der fünf Plätze Glogau, Brieg, Neiße, Glatz und Kosel und vermehrte das Heer um 18 000 Mann. Geld und gute Wirtschaft waren nötig, um das alles rasch ins Werk zu setzen. Zur Bedeckung Schlesiens wurden 35 000 Mann verwandt, die selbst bei der Eroberung<131> mitgeholfen hatten. Man dachte also nicht daran, die Ruhe zu weichlichem Genußleben zu benutzen. Vielmehr ward der Friede für die preußischen Truppen zur Schule des Krieges. In den Festungen wurden Magazine angelegt; die Kavallerie erwarb sich Übung und Geschick, und überall im Heere wetteiferte man in der Befestigung jener Mannszucht, welche die Römer einst zu Siegern über alle Völker machte131-1.

<132>

8. Kapitel

Ereignisse der Jahre 1743 und 1744, nebst allem, was dem Kriege der Preußen voranging.

Nicht mit Unrecht gilt Vertrauen zu einem versöhnten Feinde für einen Kardinalfehler in der Politik. Aber ein noch viel größerer Fehler ist es, wenn eine schwache Macht auf die Dauer gegen eine mächtige Monarchie kämpft, welche Hilfsquellen besitzt, die jener fehlen. Das mußte gesagt werden, um im voraus den Tadlern des Königs zu begegnen. Warum, fragte man, stellte er sich an die Spitze eines Bundes zur Unterdrückung des neuen Hauses Österreich und ließ doch eben dieses Haus wieder emporkommen und widersetzte sich nicht, als es die Franzosen und Bayern aus Deutschland vertrieb? Aber was war des Königs Absicht? War es nicht die Eroberung Schlesiens? Wie hätte er sie durch einen endlosen Krieg erreichen können, für dessen unausbleiblich große Kosten ihm die Mittel fehlten? Alles, was er vermochte, war, durch Verhandlungen das Gleichgewicht zwischen den kriegführenden Mächten möglichst zu erhalten. Der Friede gab ihm Zeit, sich zu erholen und zu rüsten. Zudem war die Erbitterung zwischen Frankreich und Österreich so groß und ihre Interessen standen sich so schroff entgegen, daß eine Versöhnung zwischen ihnen noch in weitem Felde schien. Der König mußte seine Kräfte also für günstige Gelegenheiten aufsparen.

Die Mißerfolge der französischen Waffen hatten einen so tiefen Eindruck auf den Kardinal Fleury gemacht, daß seine Gesundheit darunter litt. Eine Krankheit raffte ihn zu Anfang dieses Jahres dahin132-1. Er war Bischof von Fréjus gewesen, dann Erzieher Ludwigs XV., Kardinal der römischen Kirche und siebzehn Jahre lang Premierminister. Diese Stellung, in der wenige Minister alt werden, behauptete er durch die Kunst, das Vertrauen seines Herrn zu fesseln, und durch die Sorgfalt, mit der er alle, die ihm durch ihre Talente verdächtig schienen, vom Hofe fernhielt. Er linderte die Wunden, die der Spanische Erbfolgekrieg und Laws System132-2 Frankreich geschlagen hatten. Seine Sparsamkeit war für den Staat ebenso nützlich, wie die Erwerbung<133> von Lothringen glorreich. Wenn er Heer und Flotte vernachlässigte, so geschah es, weil er alles durch Unterhandlungen erreichen wollte, für die er besonderes Talent besaß. Sein Geist unterlag wie sein Körper der Last der Jahre. Bei Lebzeiten wurde er zu sehr gelobt, nach seinem Tode zu sehr getadelt. Er hatte nicht die stolze Seele eines Richelieu, noch den arglistigen Geist eines Mazarin. Sie waren Löwen, die Lämmer zerrissen, Fleury aber war ein kluger Hirte, der über seine Herde wachte. Ludwig XV. wollte ihm ein Denkmal errichten lassen. Der Entwurf wurde gemacht aber nie ausgeführt. Kaum war Fleury tot, so war er auch schon vergessen.

Chauvelin, den der Kardinal hatte verbannen lassen133-1, bildete sich ein, aus der Ferne seines Exils den erledigten Posten ergattern zu können. Er schrieb an Ludwig XV., tadelte die Verwaltung seines Feindes und strich sich selbst heraus. Die Folge dieses voreiligen Schrittes war die Verbannung nach einem noch entfernteren Orte als Bourges, wohin er bisher verwiesen worden war.

Der König von Frankreich meldete den fremden Höfen den Tod seines Ministers ungefähr in dem Stile, in dem ein Fürst seine Thronbesteigung anzeigt. Er schrieb an den König wörtlich:

Versailles, den 30. Januar 1743.



Mein Herr Bruder,

Nach dem Verluste des Kardinals Fleury, dem ich bei der Verwaltung meiner Geschäfte vollstes Vertrauen geschenkt hatte und dessen Klugheit und Einsicht ich nicht genug nachtrauern kann, will ich nicht versäumen, Ew. Majestät selbst die Versicherungen zu erneuern, die er Ihnen in meinem Namen gegeben hat und die ich ihm oft auftrug, Ihnen zu wiederholen: die Versicherungen meiner vollkommenen Freundschaft für Ew. Majestät Person und meines aufrichtigen und beständigen Wunsches, überall da, wo unsere gemeinsamen Interessen berührt werden, mit Ihnen im Einvernehmen zu handeln. Ich zweifle nicht daran und darf wohl den Wunsch aussprechen, daß auch Ew. Majestät das Ihre tun werden. Sie können darauf rechnen, daß ich bei jeder Gelegenheit die gleiche Geneigtheit zur Förderung Ihres Ruhmes und Nutzens bezeigen werde, um Ihnen zu beweisen, wie sehr ich bin usw.

Zugleich zeigte das Departement des Auswärtigen an, daß der König beschlossen habe, die Regierung von nun an selbst zu führen, und daher wünsche, daß man sich an ihn selbst wende. Bis dahin war Ludwig XV. das Mündel und Kardinal Fleury der Vormund gewesen. Nach Mazarins Tode trug selbst Ludwig XIV. Trauer für seinen Minister; für Fleury legte niemand welche an. Man vergaß ihn, noch ehe seine Leichenrede gehalten war. Solange der Kardinal die Staatsgeschäfte führte,<134> liefen die verschiedenen Zügel der Regierung alle in seiner Hand zusammen: sein Kabinett war der Mittelpunkt, von dem aus er Finanzen, Kriegswesen, Flotte und auswärtige Politik leitete; er gab wenigstens die gemeinsame Richtung und das Ziel an. Nach seinem Tode wollte der König selbst mit den Ministern, die an der Spitze dieser vier Verwaltungszweige standen, arbeiten. Sein Eifer erlosch aber schon nach acht Tagen, und Frankreich wurde von vier, voneinander unabhängigen Unterkönigen regiert.

Diese Ressortherrschaft kam über die Einzelheiten der Verwaltung nicht hinaus. Die allgemeinen Gesichtspunkte, die das Staatswohl und Staatsinteresse einheitlich zusammenfassen, fehlten im Staatsrate. Man sehe sich die Zusammensetzung dieses Ministeriums an, und man wird sich ein Bild seines Wirkens machen können. Da war ein Kanzler des Herzogs von Orleans134-1, ein mit Rechtsgelahrtheit vollgepfropfter Kopf, Kriegsminister zu einer Zeit, da ganz Europa in Flammen stand, und ein früherer Dragonerhauptmann namens Orry stand an der Spitze der Finanzen. Maurepas wähnte Ludwig XV. zum Beherrscher des Meeres machen zu können, und der König wäre es auch geworden, hätten die Worte eines liebenswürdigen Mannes dieses Wunder wirken können. Amelot134-2 gehörte zu jenen Geistern, die so kurzsichtig sind, daß sie die Dinge nicht einmal in der Nähe unterscheiden können. Dieser Areopag also regierte. Frankreich war eigentlich eine Aristokratie134-3 geworden. Es fuhr ohne Kompaß auf stürmischem Meere und befolgte kein anderes System, als sich vom Winde treiben zu lassen.

Die neue Regierung hatte kein Waffenglück. Das Heer von Maillebois, das zu den Bayern gestoßen war, stand zwar noch an der österreichischen Grenze. Aber Fürst Lobkowitz hielt mit seinen 16 000 Ungarn den Marschall Belle-Isle noch immer mit 16 000 Franzosen in Prag eingeschlossen. Belle-Isles Heer bestand fast ganz aus Infanterie, das österreichische aus Reiterei. Diese Lage paßte d'Argenson nicht. War es Ungeduld, war es Laune oder Leichtsinn: der Narr sandte an Marschall Belle-Isle den Befehl, Prag zu räumen. Die Weisung war leichter gegeben als ausgeführt. Belle-Isle traf die entsprechenden Anordnungen. Am 16. Dezember abends, bei starkem Froste, ließ er die Besatzung ausmarschieren. Er kam dem Fürsten Lobkowitz um drei Tagemärsche zuvor, schlug einen beschwerlichen Weg ein, wo die feindliche Kavallerie ihm wenig anhaben konnte, zog längs der Eger weiter und langte am zehnten Marschtage in der Stadt Eger an. Viertausend Mann kamen bei den Gewaltmärschen durch Hunger und Frost um. Das zerrüttete, auf 8 000 Streiter zusammengeschmolzene Heer wurde geteilt. Was noch dienstfähig war, stieß zu Maillebois in Bayern, und die völlig dezimierten Truppenteile wurden nach dem Elsaß geschickt, um sich zu ergänzen.

<135>

So ward Böhmen erobert und wieder verloren, ohne daß irgendein Sieg der Franzosen oder der Österreicher über das Schicksal beider Reiche entschieden hätte. In jedem andern Lande hätte ein Rückzug wie der Belle-Isles allgemeine Bestürzung hervorgerufen. In Frankreich, wo man Kleinigkeiten mit Würde und große Dinge mit Leichtsinn behandelt, lachte man nur darüber und machte Spottlieder auf Belle-Isle. Solcher Singsang verdient freilich keinen Platz in einem ernsten Werke; aber da dergleichen Züge den Volkscharakter kennzeichnen, so glauben wir das folgende Liedchen nicht unterdrücken zu sollen:

Als Belle-Isle sich jüngst bei Nacht
Still aus Prag davongemacht,
Zu dem Mond er also spricht:
Luna, meiner Tage Licht,
Meines Glückes Stern und Hort,
Leite du mich immerfort!

In London hätte man bei solcher Gelegenheit gefastet, in Rom das Sakrament ausgestellt, in Wien Köpfe abgeschlagen. Besser war's, sich mit einem Epigramm zu trösten.

Mit dem Rückzuge des Marschalls Belle-Isle ging es wie mit allen menschlichen Handlungen. Es gab Enthusiasten, die ihn voller Begeisterung mit dem Rückzug der Zehntausend des Xenophon verglichen. Andre fanden diese schimpfliche Flucht nur vergleichbar mit der Niederlage von Guinegate135-1. Beide hatten unrecht; 16 000 Mann, die Prag räumen und sich vor 16 000 Verfolgern aus Böhmen zurückziehen, haben keine solche Gefahren zu bestehen wie Xenophons Truppen auf ihrem langen Marsche aus dem innersten Persien nach Griechenland. Aber man darf auch nach der andern Seite nicht übertreiben und einen Marsch, auf dem die Franzosen vom Feinde nicht angegriffen werden konnten, mit einer vernichtenden Niederlage vergleichen. Belle-Isles Anordnungen waren gut. Man kann ihm nur den Vorwurf machen, daß er seine Truppen nicht genug geschont hat.

Von nun an lächelte der Königin von Ungarn das Glück. In Italien schlug Feldmarschall Traun Gages135-2, der über den Panaro zum Angriff vorgegangen war. Der Sieg genügte aber dem Wiener Hofe nicht: er fand, daß Traun nicht genug getan hätte, und verlangte folgenreichere Schlachten. Kurz, man urteilte über den Marschall wie Midas über Apollo, und doch war er der erste österreichische Feldherr, der überhaupt einen Sieg zu verzeichnen hatte. Das Haus Österreich fing an, seine verlorenen Provinzen wiederzugewinnen und die bedrohten zu sichern. Immerhin drückte die Last des Krieges Österreich doch schwer, und vielleicht wäre es unterlegen, hätten die ersten Glücksstrahlen den guten Willen seiner Bundesgenossen nicht wieder belebt.

<136>

Der König von England zeigte den größten Eifer für die Sache der Königin von Ungarn. Was ihn antrieb, war vornehmlich sein eingefleischter Haß gegen Frankreich. In seiner Jugend hatte er gegen Frankreich im Felde gestanden, hatte die Schlacht von Oudenaarde (1708) mitgemacht, wo er an der Spitze einer hannöverschen Schwadron eine Attacke geritten und Proben hervorragender Tapferkeit geliefert hatte. Ihn plagte der Ehrgeiz, sich an der Spitze von Armeen Heldenruhm zu erwerben. Jetzt bot sich die Gelegenheit, wo er Truppen in Flandern hatte. Ergriff er nun die Partei der Königin und kam übers Meer, so konnte ihm niemand den Oberbefehl über seine eignen Truppen streitig machen. Zudem konnte er seinen hannöverschen Schatz mit den Subsidien auffüllen, die ihm die Engländer für seine Hannoveraner zahlten.

Auch Lord Carteret hatte den Krieg nötig, um sich bei seinem Herrn wie beim englischen Volke in Gunst zu erhalten. Seit dem Kriege mit Spanien war der Handel des Inselvolkes gestört. Um eine entscheidende Wendung zugunsten des Handels herbeizuführen, mußte ein großer Schlag zu Lande und in Europa fallen. Frankreich galt für halb ruiniert durch seine Anstrengungen, Bayern und Böhmen zu halten. Es war mit Spanien im Bunde. Schlug man eine dieser Mächte, so traf man zugleich die andere. Man mußte also die Franzosen entweder in Deutschland oder in Flandern besiegen, um zur See ein Übergewicht zu erlangen, das dem englischen Handel wirklichen Vorteil bringen konnte. Der König, seine Minister und das englische Volk strebten nach dem gleichen Ziele, obwohl aus sehr verschiedenen Gründen. Es ward also beschlossen, die in Flandern stehenden englischen, hannöverschen und hessischen Truppen nach dem inneren Deutschland vorzuschieben.

So sehr dieses Projekt dem König von England zusagen mochte, so wenig gefiel es dem König von Preußen. Er mußte darauf sehen, daß das politische Gleichgewicht selbst während des Krieges zwischen den kriegführenden Mächten erhalten bliebe. So verlangte es sein Interesse. Bekam das Haus Österreich im Reiche ein entscheidendes Übergewicht über das Haus Bayern, dann verlor Preußen seinen Einfluß auf die allgemeinen deutschen Angelegenheiten. Man mußte also zu verhindern suchen, daß der König von England und die Königin von Ungarn, durch die blendende Aussicht auf Erfolge verlockt, den Kaiser entthronten. Der König von Preußen konnte sich allein der Vorstellungen bedienen. Alle Argumente, die ein deutscher Fürst vorbringen kann, dem das Wohl des Vaterlandes und die Freiheit der Reichsverfassung am Herzen liegen, führte er ins Feld, um den König von England zu beschwören, das Reich nicht ohne triftige Gründe zum Schauplatz eines unmittelbar drohenden Krieges zu machen und zu bedenken, daß kein Reichsstand ohne Genehmigung des Reichstages fremde Truppen in sein Vaterland führen dürfte136-1. Mehr konnte der König unter den damaligen Verhältnissen nicht tun. Auf Frankreich war kein Verlaß, denn der König hatte es durch den Breslauer Frieden verstimmt. Mit den Englän<137>dern durfte er es nicht verderben, da sie allein für diesen Frieden Garantie geleistet hatten. Auch hatten sich die Dinge noch nicht so zugespitzt, daß er seinen Staat in einen neuen Krieg hätte stürzen müssen. Er mußte sich also damit begnügen, daß der König von England versprach, nichts gegen den Kaiser oder dessen Erblande zu unternehmen.

Die Unterhandlungen mit England waren nicht die einzigen. Der König hatte in seinem unmittelbaren Interesse noch andre in Petersburg angeknüpft. Es galt, die Kaiserin von Rußland zur Garantie des Breslauer Friedens zu bewegen. England und Österreich aber arbeiteten dem König entgegen, wenn auch nur unter der Hand, so doch aus allen Kräften. Die Brüder Bestushew, beide Minister der Kaiserin137-1, machten, durch zehntausend Guineen geködert, immer neue Schwierigkeiten, durch die sie den Abschluß der Sache stets von neuem hinausschoben. Die Königin von Ungarn betrachtete die Abtretung Schlesiens als erzwungen und glaubte, sie eines Tages widerrufen und ihre unfreiwillige Zustimmung auf ihre damalige Notlage schieben zu können. Die Engländer wollten den König von Preußen isolieren, ihm jeden Rückhalt nehmen und ihn ganz in ihre Abhängigkeit bringen. Wie sehr Fürsten solche Absichten auch verbergen mögen, sich völlig vor Entdeckung zu schützen ist doch sehr schwer.

Damals wurde der Friede zu Friedrichshamn137-2 zwischen Rußland und Schweden ratifiziert. Der Verlust eines öden Teiles von Finnland war das Geringste, was Schweden zu beklagen hatte. Aber der Despotismus, den die Russen in Stockholm ausübten, wurde zum Schandfleck für die Nation. Ein Untertan der Kaiserin ward in Schweden so geachtet wie ein römischer Senator zu Cäsars Zeilen in Gallien.

Einer Nation, die Unglück hat, fehlt es nie an Feinden. So wollten die Dänen von Schwedens Mißgeschick profitieren. Der Reichstag war in Stockholm versammelt, um den soeben mit Rußland geschlossenen Frieden zu bestätigen und einen Thronfolger zu ernennen. Der König von Dänemark137-3 hatte die Absicht, die Kronen der drei nordischen Reiche auf dem Haupte seines Sohnes, des Kronprinzen, zu vereinigen. Er erregte einen Aufstand in Dalekarlien, wiegelte die Priester auf und bestach einige Bürger. Aber das Unternehmen stieß auf so viele Schwierigkeiten, daß der Plan schon in der Geburt erstickte. Die dänischen und schwedischen Truppen zogen sich bereits an den Grenzen zusammen. Der Stockholmer Reichstag sah sich nach Hilfe um und bat den König von Preußen um seine guten Dienste zur Vermittlung eines Vergleiches mit seinen Nachbarn. Der König verwandte sich für Schweden, und der König von Dänemark erwiderte ihm, er werde auf Preußens Vorstellungen hin nichts übereilen. Aber, was vielleicht unglaublich scheinen wird: dieselben Schweden, die eben einen so entehrenden Frieden mit den Russen geschlossen hatten, baten jetzt die Zarin um Schutz gegen die Dänen. Elisabeth willigte ein und schickte General Keith mit<138> 10 000 Mann auf Galeeren ab. Nun wurde mit Hilfe dieser Truppen statt des Kronprinzen von Dänemark der Herzog von Holstein, Bischof von Lübeck138-1, zum Nachfolger des alten Königs von Schweden und Landgrafen von Hessen erwählt. So wurde Schweden innerhalb eines Jahres von der Kaiserin von Rußland geschlagen, beschützt und schließlich an den Herzog von Holstein verschenkt. Der Senat zu Stockholm tröstete sich über alle diese Unglücksfälle durch Grausamkeiten. Er ließ die Generale Buddenbrock und Lewenhaupt auf dem Blutgerüst sterben. Sie waren des Verrats und der Treulosigkeit bezichtigt, aber nichts war erwiesen. Unwissenheit und übergroße Schwäche war ihr ganzes Verbrechen.

Doch genug von diesen traurigen Szenen, die sich im Norden abspielten. Kehren wir nach dem Süden zurück und sehen wir zu, was in Böhmen vorging, nachdem die Franzosen es geräumt hatten. Die Königin von Ungarn begab sich nach Prag und nahm dort die Huldigung der Stände Böhmens entgegen, dessen Wiedergewinnung sie ebensosehr, wo nicht mehr, ihrer Standhaftigkeit als dem Waffenglück verdankte. Gerade an ihrem Krönungstage (12. Mai) erhielt sie die Nachricht, daß Feldmarschall Khevenhüller von Schärding nach Braunau marschiert sei und von dort den General Minucci mit seinem Korps von 7—8 000 Kaiserlichen vertrieben habe (9. Mai). Die Einzelheiten dieses Ereignisses haben wir von preußischen Offizieren erfahren, die jenen Feldzug bei den Österreichern als Freiwillige mitmachten. Khevenhüller wollte seine Truppen in Schärding, einem festen Platz an dem Inn, nahe der österreichischen Grenze, versammeln. Sie rückten aus ihren Winterquartieren auf verschiedenen Wegen dorthin. Trotzdem der geschickte Führer seine Absichten sorgfältig verbarg, erfuhr sie Feldmarschall Seckendorff und befahl Minucci den Rückzug aus Braunau. Aber dieser unfähige General verstand es weder, seinen Rückmarsch nach dem Befehl seines Vorgesetzten einzurichten, noch dem Feind in vorteilhafter Stellung die Stirn zu bieten. Khevenhüller stand bald den Bayern gegenüber. Er sah, daß Minucci in der Front unangreifbar war, da eine tiefe Schlucht beide Heere trennte. Dessen rechter Flügel lehnte sich an Braunau, das im letzten Winter in aller Eile befestigt war. Aber so stark diese Stellung auf dem rechten Flügel und in der Front war, so schwach war sie auf dem linken Flügel. Das bemerkte Khevenhüller auf den ersten Blick. Er schickte Berlichingen mit einem starken Kavalleriekorps ab, das die Kaiserlichen umging und auf Umwegen über ihren in der Luft schwebenden Flügel herfiel, indes Nadasdy mit seinen Husaren die Truppen Minuccis in der Front angriff. Es war eigentlich keine Schlacht. Die Bayern flohen ohne Gegenwehr. Ein Teil ihrer Kavallerie rettete sich nach Braunau, und ihre Infanterie flüchtete über die Festungswälle. Gleich darauf kapitulierte Minucci mit dem größten Teil seiner Truppen. Nur Trümmer seiner Kavallerie schlugen sich nach Burghausen durch, wo die Kaiserlichen noch ein Korps stehen hatten.

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Die Franzosen, die in Osterhofen standen, waren auf den Anmarsch der Öster reicher nicht gefaßt. Der alte Broglie, der mit den Marschällen Maillebois und Seckendorff das Heer befehligte, war von Seckendorff aufs dringendste gebeten worden, dem Feinde zuvorzukommen und die Truppen zusammenzuziehen, bevor Khevenhüller etwas unternehmen könne. Aber umsonst. Broglies Feinde behaupteten sogar, ihm wären die Mißerfolge eines Krieges, an dem der Marschall Belle-Isle den meisten Anteil gehabt hatte, nicht einmal unlieb gewesen. Andre meinen mit größerer Wahrscheinlichkeit, er habe vom Hofe Befehl gehabt, Bayern im Stich zu lassen und nach Frankreich zurückzukehren. Sein Betragen schien jedenfalls die letztere Meinung zu rechtfertigen, und der Hof bezeigte ihm bei seiner Rückkehr keinerlei Unzufriedenheit.

Die Österreicher benutzten den Vorteil, daß sie mit einem zusammengezogenen Heere gegen zersplitterte Truppen zu kämpfen hatten. Prinz Karl von Lothringen übernahm den Oberbefehl und vertrieb die Franzosen unverweilt aus Deggendorf. Alles wich vor ihm. In dem Maße, wie er vorrückte, erhielten die französischen Truppen Befehl zum Rückzuge. Mehrere ziemlich beträchtliche Flüsse, die in Tirol entspringen, ihren Lauf durch Bayern nehmen und in die Donau münden, machen es Heerführern, die sich zur Wehr setzen wollen, leicht, den Feind am Überschreiten zu hindern. Aber der Prinz von Lothringen fand nicht den geringsten Widerstand. Broglie räumte Straubing und gab dem Feinde ein großes Magazin preis, bei dem er nur eine schwache Besatzung zurückgelassen hatte. Zwar waren bei Donauwörth schon 10 000 Mann französische Hilfstruppen angelangt, um zu ihm zu stoßen. Sie schlossen sich aber seiner Flucht an. Das ganze französische Heer ließ Seckendorff trotz dessen nachdrücklichen Vorstellungen im Stich und machte erst in Straßburg wieder halt. Hier gab Broglie gleich am Tage seiner Ankunft einen Ball, offenbar zur Feier dieses glorreichen Feldzugsabschlusses.

Der unglückliche Seckendorff bemühte sich, die Trümmer der Kaiserlichen, die sich bei Braunau so kläglich gehalten hatten, zu sammeln. Er vereinigte sie mit dem bei Burghausen stehenden Korps und zog sich eiligst nach München zurück, verließ aber auch dieses, um zu den Franzosen zu stoßen. In der Überzeugung, daß die Franzosen über den Rhein zurückgehen würden, schrieb er an Marschall Broglie: da die Franzosen den Kaiser im Stiche ließen, so sähe sich der Kaiser genötigt, die Franzosen gleichfalls zu verlassen und nur noch an seine Sicherheit zu denken. Zugleich bat er den Prinzen von Lothringen und Khevenhüller um einen Waffenstillstand und erhielt von ihnen eine Zusage, die einem Waffenstillstand gleichkam: die Österreicher versprachen, die kaiserlichen Truppen so lange zu respektieren, als sie auf neutralem Reichsgebiet ständen139-1. Im Rausch ihrer Erfolge fanden die Österreicher es unter ihrer Würde, die kaiserlichen Truppen zu entwaffnen. Sie eilten nach dem Rhein, in<140> der chimärischen Hoffnung, Lothringen zurückzuerobern. Glück ist im Kriege oft gefährlicher als Unglück. Bald verursacht es zu große Sorglosigkeit, bald übertriebenen Wagemut. Der wäre der größte Feldherr auf Erden, der bei jedem Glückswechsel gleichmütig und bei aller Tatenlust vorsichtig bliebe.

Während der Prinz von Lothringen gegen den Rhein vorrückte, wurde Deutschland von einem neuen fremden Heer überschwemmt, das unter dem Vorwand des Schutzes neues Verderben brachte. Der König von England hatte seine hannöverschen und englischen Truppen unter Lord Stairs Kommando nach dem Niederrhein gesandt. Georg ging selbst über das Meer und kam nach Hannover, um alsbald an die Spitze seiner Armee zu treten. Lord Stair, der bei Höchst stand, wagte es, den Main zu überschreiten. Die wachsamen Franzosen nötigten ihn sogleich, in seine erste Stellung zurückzugehen. Nach diesem Schülerstreich fürchtete der König von England von dem allzu hitzigen Temperament seines Generals noch größere Unvorsichtigkeiten und beeilte sich, den Oberbefehl seiner Truppen selbst zu übernehmen. Das Heer bestand aus 17 000 Engländern, 16 000 Hannoveranern und 10 000 Österreichern, insgesamt also aus 43 000 Streitern; 6 000 Hessen und einige hannöversche Regimenter waren noch im Anmarsche. Lord Stair war so leichtsinnig vorgegangen, daß es seinen Leuten an Brot und seinen Pferden an Futter mangelte. Um dem Notstand abzuhelfen, verlegte der König das Lager nach Aschaffenburg. Das genügte aber nicht, um die Nachlässigkeit in der Verproviantierung gutzumachen. Am Rhein konnte der König Proviant finden; da er sich aber von ihm entfernte, so kam er mehr als zuvor in Verlegenheit. Vor sich hatte er den Main und auf dem jenseitigen Ufer die Franzosen, im Rücken die unfruchtbaren Berghöhen des Spessart. Nur zu bald erkannte er seinen Fehler. Marschall Noailles hungerte den König von England in seinem Lager aus, und da er voraussah, daß der König sich nur wenige Tage würde halten können, so begann er eine Operation, die des größten Feldherrn würdig gewesen wäre. Er nahm Dettingen ein, ließ zwei Brücken über den Main schlagen und daneben Furten für die Kavallerie herrichten. Das alles geschah, ohne daß der König von England davon Wind bekam. Es war das Vorspiel zu der kommenden Schlacht (27. Juni 1743).

Um die Lage ganz zu verstehen, muß man wissen, daß die englische Armee, die ausgehungert an den Mainufern stand, nur dann zu Lebensmitteln kommen konnte, wenn sie den Weg über Hanau einschlug. Ihr linker Flügel mußte nach Verlassen des Berglandes am Main entlang ziehen und die kleine Ebene bei Dettingen passieren. Noailles, der das alles wußte, hielt ein Detachement bereit, um Aschaffenburg in dem Augenblick, wo die Engländer es räumten, zu besetzen. Den ganzen Main entlang hatte er versteckte Batterien anlegen lassen, die auf die Marschkolonnen der Verbündeten aus nächster Nähe feuern konnten. Das Gros seines Heeres sollte über den Main gehen und hinter einem Bache Stellung nehmen, der vom Spessart her vor der Front der Stellung entlang in den Main fließt. Die Franzosen schnitten gerade<141> den Weg nach Hanau ab. Beim Austritt aus dem Hügellande fand der König von England also eine Armee vor sich und Batterien in seiner Flanke. Hätte Noailles seinen Plan ebenso sorgfältig ausgeführt, wie er ihn klug entworfen hatte, so wäre der König von England gezwungen gewesen, entweder die französische Armee in ihrer höchst vorteilhaften Stellung anzugreifen, um sich mit der Waffe in der Hand den Weg nach Hanau zu bahnen, oder sich durch die Wälder des Spessart zurückzuziehen, wo seine Truppen aus Mangel an Lebensmitteln unfehlbar auseinandergelaufen wären. Wie Noailles es vorhergesehen hatte, vertrieb der Hunger die Engländer aus Aschaffenburg. Die Truppen, die korpsweise gelagert hatten, marschierten nicht in geschlossener Kolonne, sondern folgten sich in Abständen, erst die Hannoveraner, dann die Engländer und schließlich die Österreicher. Der König fuhr in seiner Kutsche neben den hannöverschen Truppen. Während des Marsches erhielt er die Meldung, daß seine Avantgarde von einem starken französischen Kavalleriekorps angegriffen werde, und bald darauf, daß die ganze französische Armee über den Main gegangen sei und ihm gegenüber in Schlachtordnung stände. Der König steigt zu Pferde und will sich selbst davon überzeugen. Da beginnt schon die Kanonade der Franzosen. Des Königs Pferd wird scheu und wäre mit ihm mitten ins feindliche Heer durchgegangen, hätte sich nicht ein Stallmeister in den Weg geworfen. Georg stieg ab und focht von nun an zu Fuß an der Spitze eines englischen Bataillons. Die Truppen mußten durch ein kleines Gehölz. Dadurch wurde Zeit gewonnen, die übrigen Korps von der drohenden Gefahr zu benachrichtigen. Der Herzog von Aremberg und Neipperg eilten mit ihren Österreichern herbei und stellten ihr Heer, so gut es eben ging, dem französischen gegenüber auf. Das Schlachtfeld hatte nur 1 200 Schritt Frontbreite, sodaß die Verbündeten sich sieben bis acht Glieder tief aufbauen mußten. Die Franzosen ließen ihnen keine Zeit, die Aufstellung ruhig zu vollenden. Die königliche Leibgarde griff sie an, brach durch vier Kavalleriereihen, warf alles, was ihr in den Weg kam, über den Haufen und verrichtete Wunder der Tapferkeit. Vielleicht hätte sie den Ruhm des Tages davongetragen, wäre sie nicht immer auf neue Glieder gestoßen. Die wiederholten Angriffe brachten sie schließlich in Unordnung. Das merkte das österreichische Regiment Styrum und warf sie nun seinerseits zurück. Dadurch hätten die Franzosen indessen die Schlacht nicht verloren. Die wahre Ursache ihrer Niederlage war ein unkluges Manöver von Harcourt und Grammont, die mit der französischen Gardebrigade auf dem rechten Flügel des Heeres standen. Sie verließen ohne Befehl ihre Stellung in der Absicht, dem linken Flügel der Verbündeten, der sich zum Main hinüberzog, in die Flanke zu fallen. Dadurch hinderten sie ihre eignen Batterien, die jenseits des Maines standen und den Verbündeten sehr unbequem waren, am Feuern. Die französische Garde hielt nicht einmal die erste Salve der Österreicher aus. Sie ergriff schimpflich die Flucht und stürzte sich in den Main, wo sie ertrank. Nun verbreiteten sich Mutlosigkeit und Schrecken im ganzen Heere. Prinz Ludwig von Braunschweig, der in der österreichischen Armee<142> diente, konnte den König nur mit größter Mühe bewegen, Befehl zum Vorrücken seiner Engländer zu geben. Und doch waren sie es, die die Franzosen zur Umkehr und zum Rückzug über den Rhein zwangen.

Die Franzosen scherzten über ihren Rückzug. Man nannte diese Schlacht den „Tag der verunglückten Stäbe“, weil Harcourt und Grammont ihren Angriff nur in der Hoffnung unternommen hatten, zum Lohn ihrer Tapferkeit den Marschallsstab zu erhalten. Der französischen Garde gab man den Spottnamen „Main-Enten“. An Noailles' Wohnung hängte man einen Degen mit der Inschrift auf: „Du sollst nicht töten“. Freilich hätte der Marschall nicht bei seinen Batterien am andern Mainufer bleiben dürfen. Wäre er beim Heere gewesen, so hätte er der französischen Garde niemals erlaubt, so zur Unzeit anzugreifen; und hätten die Truppen ihre Stellung nicht verlassen, so hätten die Verbündeten sie niemals daraus vertreiben können.

Dem König von England trug die Schlacht bei Dettingen weiter nichts ein als Lebensmittel für seine Truppen. Die hannöversche Artillerie wurde gut bedient. Einige hannöversche und österreichische Regimenter, besonders das Regiment Styrum, zeichneten sich aus. Den größten Anteil am Siege hatte Neipperg; Prinz Ludwig von Braunschweig unterstützte ihn trefflich. Von diesem Prinzen, der Augenzeuge gewesen war, weiß ich, daß der König von England während der ganzen Schlacht zu Fuß vor seinem hannöverschen Bataillon stand, den linken Fuß zurückgesetzt, den rechten Arm mit dem Degen in der Hand ausgestreckt, etwa wie ein Fechtmeister, der einen Quartstoß ausführen will. Er gab Beweise von Tapferkeit, aber keinen Befehl für die Schlacht. Der Herzog von Cumberland142-1 focht mit den Engländern an der Spitze der Garde und erregte Bewunderung durch seinen Mut und durch Menschenfreundlichkeit. Obwohl selbst verwundet, verlangte er, daß der Feldscher einen mit Wunden ganz bedeckten französischen Gefangenen vor ihm verbände.

Die Alliierten dachten nicht an die Verfolgung der Franzosen, sondern nur an die Lebensmittel in ihrem Magazin zu Hanau. Der Sieger nahm das Abendbrot auf dem Schlachtfelde ein und setzte dann unverzüglich seinen Marsch fort, um zu seinen Vorräten zu gelangen. Äußerst merkwürdig ist es, daß Lord Stair nach dieser siegreichen Schlacht den Marschall Noailles brieflich ersuchte, für die Verwundeten zu sorgen, die auf dem vom Sieger verlassenen Schlachtfelde lagen. Da die Verbündeten sämtlich ein grünes Band am Hute hatten, so befestigte man am Bande des Königs einen Lorberzweig, den er auch unbedenklich trug. Das sind Armseligkeiten, aber sie kennzeichnen die Menschen.

Dem König von Preußen machte der Sieg nicht so viel Freude wie dem König von England. Er mußte befürchten, daß das ohnedies energielose französische Ministerium, das nun vollends durch eine Reihe von Schlägen entmutigt war, den Ruhm Ludwigs XV. und die Interessen des Kaisers aufopfern würde, um sich aus<143> den stets neu auftauchenden Verlegenheiten zu befreien. Um die Absichten der Verbündeten zu ergründen, sandte der König den jungen Grafen Finck143-1 an den König von England unter dem Vorwande, ihn zu seinem Siege zu beglückwünschen, in Wahrheit jedoch, um auf Lord Carteret ein Auge zu haben und etwaigen Unterhandlungen im Lager auf die Spur zu kommen. Prinz Wilhelm von Hessen, des Königs von Schweden Bruder, war den Interessen des Kaisers gewogen. Man benutzte ihn, um Lord Carteret einige Vergleichsvorschläge zur Aussöhnung zwischen Bayern und Österreich zu machen. Aber der Lord war nicht verschlagen genug, um seine innersten Gedanken zu verhehlen. Man merkte, daß er von einem Vergleich nichts wissen wollte, daß sein Herr den Krieg wünschte, daß die Königin von Ungarn für ihren Gatten den Kaiserthron verlangte und daß es beide gleichermaßen auf den Untergang Bayerns abgesehen hatten. Der König von England gab bald seine Rolle als Schirmherr des Reiches auf. Eine erborgte Rolle ist stets schwer zu Ende zu spielen. Nur wenn man sich gibt, wie man ist, fühlt man sich wohl. Hochmütig verwarf er die Entschädigungsansprüche verschiedener Fürsten für den Schaden, den seine Truppen in ihren Ländern angerichtet; ja, er wollte ihnen nicht einmal die von ihnen gelieferten Lebensmittel und die Fourage vergüten. In einer Denkschrift, die er drucken ließ, um die Ablehnung aller Entschädigungen zu begründen, gebrauchte er einen sonderbaren Ausdruck. Er sagte nämlich: „Es wäre das wenigste, was die Reichsfürsten tun könnten, wenn sie das Heer ihres Befreiers und Erretters freihielten, aber er wolle darauf bedacht sein, sie nach Maßgabe ihres Verhaltens gegen ihn zu bezahlen.“ Dieser Hochmut machte ihn vollends verhaßt. Gebieterischer kann sich der größte Despot nicht ausdrücken. Der König handelte aus Eigennutz; Carteret war heftig, und solche Charaktere bedienen sich nur selten gemäßigter Ausdrücke.

Während dies alles am Maine geschah, verfolgte der Prinz von Lothringen die Franzosen bis an den Rhein. Während sein Heer in drei Kolonnen gegen die elsässische Grenze vorrückte, begab er sich mit dem Feldmarschall Khevenhüller zur englischen Armee, was um so leichter war, als Noailles bei Oppenheim über den Rhein zurückgegangen war. Der König von England wollte einen gemeinsamen Operationsplan für die Bewegungen beider Armeen entwerfen, dessen Ziel die Wiedereroberung Lothringens war. Zu diesem Zweck sollte König Georg bei Mainz über den Rhein gehen und durch einen direkten Vorstoß gegen das Elsaß es dem Prinzen Karl erleichtern, den Rhein bei Basel zu überschreiten, Lothringen zurückzuerobern und schließlich mit den siegreichen Truppen Winterquartiere teils in Burgund, teils in der Champagne zu beziehen. Der Plan war weitausschauend, aber die Ausführung entsprach seiner Größe schlecht. Der König von England, der keinen Gegner vor sich sah, ging bei Mainz über den Rhein und rückte bis Worms vor. Prinz Karl von Lothringen<144> hatte weniger Glück. Er ließ einige Truppen nach einer Rheininsel übersetzen und sandte einige Ungarn nach dem andern Ufer vor. Sie wurden mit Verlust zurückgeschlagen, die Rheininsel wurde aufgegeben, und so verlief der so glänzend begonnene Feldzug im Breisgau im Sande.

Das Lager bei Worms ward nun durch die Untätigkeit der Truppen zum Mittelpunkte von Unterhandlungen. Die Franzosen versuchten alles mögliche, um hinter die Absichten der Gegner zu kommen. Sie machten Lord Carteret Eröffnungen und wagten einige Vorschläge, um das Terrain zu sondieren und zu erfahren, unter welchen Bedingungen der Friede zu erlangen sei. Die Absichten des Königs von England gingen weit über alles hinaus, was Frankreich ihm mit Anstand anbieten konnte. König Georg wußte, daß dem König von Preußen diese Besprechungen bekannt waren, und wollte den Umstand benutzen, um ihn zu täuschen. Er teilte ihm einen Friedensvorschlag mit, wonach Frankreich sich erbot, der Königin von Ungarn bei der Eroberung Schlesiens beizustehen, falls sie dafür den Kaiser anerkennen und ihn im ungestörten Besitz von Bayern lassen wollte. Lord Hyndford reiste nach Schlesien, wo der König sich damals befand, um ihm dies zu eröffnen. Es geschah aber in so zudringlicher Weise, daß der König von der Wahrheit des Projekts nicht nur nicht überzeugt wurde, sondern vielmehr Verdacht schöpfte, daß die angeblichen Vorschläge Frankreichs frei erfunden seien. Die Gesinnungen des Königs von England gegen Preußen waren zu bekannt, und sein Übelwollen wurde durch sein Betragen gegen den Grafen Finck offenbar. Das alles bestärkte den König in der Meinung, daß die vertrauliche Mitteilung nur eine Falle war, die ihm Lord Carteret arglistig stellte. Gleichwohl antwortete er Lord Hyndford, er sei sehr gerührt über den Freundschaftsbeweis, den der König von England ihm bei dieser Gelegenheit gäbe. Aber er rechne zu sehr auf die Rechtschaffenheit der Königin von Ungarn, auf die Weisheit des Königs Georg und auf dessen Garantie, um nicht überzeugt zu sein, daß sich die beiden Mächte niemals auf Pläne einlassen würden, die ihren Verpflichtungen so widersprächen und deren Ausführung schwieriger sein dürfte, als man dächte. Eine solche Antwort hatte der englische Gesandte nicht erwartet, und sein Unmut malte sich wider Willen in seinen Zügen.

Wie unwahrscheinlich war es auch, daß der König von Frankreich zu einem so lächerlichen Mittel greifen sollte, um sich mit der Kaiserin-Königin zu vergleichen! Er sollte sich in einen neuen Krieg verwickeln und sich selbst zum Werkzeug der Größe des Hauses Österreich machen, wo das dauernde Interesse seines Reiches Österreichs Niederhaltung erheischte! War es nicht natürlicher, alles für ein Märchen zu halten, das Lord Carteret ersonnen hatte, um den König von Preußen gegen Frankreich aufzuhetzen? Konnte Carteret sich nicht sagen: der König von Preußen ist lebhaft, er fängt leicht Feuer; eine Eröffnung wie die unsre wird ihn in hellen Zorn versetzen; Lord Hyndford wird das benutzen und ihn so weit erbittern, daß er sich gegen Frankreich erklärt; und dann haben wir seine Hilfe sehr billig erkauft? Allerdings <145>war Lord Hyndfords Nachricht mit so wahrscheinlichen Einzelheiten ausgeschmückt, daß es der Mühe wert war, sich Klarheit zu verschaffen, bevor man sie gänzlich verwarf. Da war ein gewisser Hatsel145-1, ein französischer Agent, zum Kurfürsten von Mainz gekommen, um ihm die für die Engländer bestimmten Vorschläge zu hinterbringen. Zum Kurfürsten von Mainz war auf Betreiben der Österreicher Ostein an Stelle des Grafen von Eltz, der Karl VII. gekrönt hatte, erwählt worden145-2. Er war also eine Kreatur des Wiener Hofes und stand außerdem noch im Solde der Engländer, denen er sich mit Haut und Haaren verkauft hatte. Graf Finck wurde nach Mainz gesandt, um die Sache aufzuklären. Auch in Frankreich setzte man alles in Bewegung, um die Wahrheit zu erfahren. Aber es war ganz vergebliche Mühe. Vielleicht hatte Hatsel auf eigne Faust Äußerungen getan, die jene Erzählung veranlaßten. Es war ein Abgrund von Verlogenheit, und es gehörte ein neuer Ödipus dazu, um das Geheimnis zu enthüllen.

Eine wichtigere Unterhandlung nahm jetzt ihren Anfang. Der Versailler Hof beschloß, den König von Sardinien in Frankreichs und Spaniens Interesse zu ziehen. Allerdings bestand ein provisorischer Traktat145-3 zwischen Karl Emanuel und Maria Theresia, aber der war so unbestimmt und in so allgemeinen Ausdrücken gefaßt, daß man ihn ohne Treulosigkeit brechen konnte. Die Unterhandlung der Franzosen machte in Turin Fortschritte und wäre auch zum Abschluß gelangt, hätten die Franzosen und Spanier nicht zu sehr um kleine Vorteile gefeilscht. Lord Carteret erfuhr, was in Turin angesponnen ward. Er schacherte nicht: seine Anerbietungen auf Kosten von Österreich übertrafen die der Franzosen, und er gewann den König von Sardinien für sich. Durch diesen neuen Vertrag trat die Königin von Ungarn dem König von Sardinien die Gebiete von Vigevano und Tortona sowie einen Teil des Herzogtums Parma ab; dafür garantierte der König von Sardinien ihr alle ihre Besitzungen in Italien und verpflichtete sich, sie nach besten Kräften zu verteidigen. So kam der Vertrag von Worms zustande (13. September 1743).

Der Wiener Hof war aufgebracht, daß ihn die Engländer fortwährend zu neuen Abtretungen zwangen. Man fand, daß sie sonderbare Bürgen der Pragmatischen Sanktion wären, da sie immerfort neue Lücken in sie rissen. Der König von Preußen hielt die Stimmung der Österreicher für vorteilhaft, um ihnen friedliche Gesinnungen einzuflößen. Er ließ zu Wien vorstellen, daß die Rolle, die die Österreicher in Europa spielten, nicht würdig sei. Hielte man den Kaiser für die Drahtpuppe Ludwigs XV., so gälten sie für die Marionetten Georgs II. Der Friede wäre das einzige Mittel, von der Vormundschaft Englands loszukommen. Diese Vorstellungen verfehlten ihren Eindruck um so weniger, als die Tatsachen stimmten. Trotzdem aber riß die Hoffnung auf den Wiedergewinn von Lothringen sie auf dem eingeschlagenen Wege fort. Der<146> König von Preußen wollte Frieden. Er predigte allen Mächten Mäßigung, er suchte die einen zu besänftigen und die andern zurückzuhalten. Es war schon viel, nur zu verhindern, daß kein Öl ins Feuer gegossen wurde. Dann mußte es ja doch schließlich aus Mangel an Nahrung erlöschen. Doch die besten Absichten gelingen nicht immer. Die englischen Guineen begannen die Republik Holland in Gärung zu bringen. Die oranische Partei wollte Krieg. Die echten Republikaner wünschten die Erhaltung des Friedens. Die Macht des Geldes siegte über die Beredsamkeit der besten Bürger, und die vereinigten Niederlande ergriffen Partei für die Interessen der Königin von Ungarn, die ihnen ganz fremd waren, und für Lord Carterets Pläne, die sie nicht kannten. Sie schickten (im August) 20 000 Mann zur Verstärkung des Heeres bei Worms; 14 000 kamen an, der Rest lief auseinander.

Nachdem Marschall Noailles einen Teil des Feldzuges hinter dem Speyerbach verbracht hatte, verließ er diese Stellung und näherte sich Landau, um sich mit dem Marschall Coigny, der den Oberbefehl über die Truppen des alten Broglie übernommen hatte, leichter vereinigen zu können, falls der Prinz von Lothringen den Rheinübergang erzwänge und nach dem Elsaß vorrückte. König Georg folgte den Franzosen bis zum Speyerbach, beendete hier aber die Operationen des Feldzuges, nachdem er die Befestigungen, die die Franzosen am Ufer errichtet hatten,hatte schleifen lassen. Er selbst ging nach Hannover zurück, und die Truppen bezogen Winterquartiere in Brabant und im Bistum Münster. Während seines Aufenthalts zu Hannover verheiratete Georg seine Tochter Luise mit dem Kronprinzen von Dänemark. Dann begab er sich nach London, um dort seinem Parlament in einer pomphaften Rede von seinen Kriegstaten zu berichten.

Will man sich von der Planlosigkeit menschlichen Handelns einen rechten Begriff machen, so braucht man nur diesen Feldzug genau zu zergliedern. Am Main zieht man eine Armee zusammen, ohne für ihre Verpflegung zu sorgen. Hunger und eine feindliche Überraschung zwingen die Verbündeten zur Schlacht. Sie besiegen die Franzosen, gehen über den Rhein und rücken bis Worms. Hier hält der Speyerbach sie auf, ohne daß sie Mittel finden, den Feind aus seiner Stellung zu vertreiben. Endlich gehen sie über den Speyerbach vor, den Noailles ihnen überläßt, und erhalten Verstärkung aus Holland, nur um in Brabant und Westfalen Winterquartiere zu beziehen. In diesem Verhalten fehlt jeder Zusammenhang; es gleicht dem Laborieren eines Alchimisten, der den Stein der Weisen sucht und einen sehr entbehrlichen Farbstoff findet. Diese Kritik richtet sich keineswegs gegen das Benehmen des Königs von England. Denn viele andre Heerführer haben es ebenso gemacht; sie sollen nur den Leser überzeugen, daß das Menschengeschlecht nicht so vernünftig ist, wie man es ihm einreden möchte.

Die geringen Erfolge der Österreicher und Engländer im Feldzuge von 1743 gaben den Franzosen Zeit, sich zu besinnen und einiges zu unternehmen. Zwar hatten sie Bayern verloren; aber sie waren doch sehr eitel darauf, daß sie ihren Feinden den Rheinübergang und das Eindringen ins Elsaß verwehrt hatten.

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Wie das Glück in diesem Feldzuge oft von der einen zur andern Seite überging, so ließ der Vorteil die Herrscher ihre Politik nicht minder oft wechseln. Wir erwähnten bereits den vom König von Sardinien unterzeichneten Wormser Traktat. Der Vertrag wurde zur selben Zeit veröffentlicht, als er noch mit Frankreich und Spanien unterhandelte und man in Versailles täglich die Nachricht vom Abschluß des Bündnisses erwartete. Die Minister Ludwigs XV. vermochten ihren Groll nicht zu verhehlen. Sie fanden im Betragen des Königs von Sardinien einen Beweis von Falschheit und Verachtung und brachen mit ihm. Der französische Gesandte147-1 ward unverzüglich aus Turin abberufen. Ein französisches Korps von 10 000 Mann stieß zum Marchese de Las Minas, der unter Don Philipp an der genuesischen Küste befehligte. Las Minas versuchte, um sich einen Weg durch die piemontesischen Pässe zu bahnen, über Castel Delfino vorzudringen. Aber der König von Sardinien war ihm zuvorgekommen. Er hatte sich hier verschanzt und zwei Forts besetzt, die auf zwei Höhen rechts und links vom Passe liegen. Dieses Defilee verteidigten die Sardinier so tapfer, daß die Franzosen und Spanier, von allen Seiten zurückgeschlagen, sich ins Dauphiné zurückzogen, nachdem sie 6 000 Mann bei dieser fruchtlosen Unternehmung verloren hatten.

Die Leichtigkeit, womit der Wiener Hof den König von Sardinien zum Eintritt in sein Bündnis bewogen hatte, brachte ihn zu der Überzeugung, daß sich in Rußland Ähnliches erreichen lassen müsse, um das, was er die gute Sache nannte, durch Rußlands Beitritt zu stärken. Frankreich erfuhr davon und sandte den Marquis La Chétardie nach Petersburg zurück, um den Absichten seiner Feinde entgegenzuarbeiten. Der Gesandte, der Elisabeth durch seine Geschicklichkeit auf den Thron gesetzt hatte, hoffte, bei seiner Sendung Beweise von Dankbarkeit vom russischen Hofe zu empfangen. Er erlebte nichts als Proben des Undanks. Das Reich befand sich in voller Gärung. Denn die Großen waren durch die Entthronung so vieler Herrscher, von deren Geschick ihr eignes Los abhing, aufgebracht. Es fehlte nur ein Anführer, und die Empörung kam zum Ausbruch. Die Mächte, die sich um Rußlands Beistand aufs höchste, doch vergeblich bemühten, benutzten die Gärung zum Anzetteln einer Verschwörung gegen die Kaiserin, die zum Glück für diese aber entdeckt ward. Um die gefährliche Intrige recht zu verstehen, muß man sich erinnern, daß der Wiener Hof mit Verdruß der Katastrophe zugesehen hatte, durch die Prinz Anton Ulrich von Braunschweig und seine Gemahlin gestürzt worden waren147-2. Frankreichs Mitwirkung genügte, um diese Umwälzung verhaßt zu machen, um so mehr, als zu vermuten war, daß die Kaiserin Elisabeth den ihr von Frankreich erwiesenen Dienst nicht vergessen und mehr Zuneigung zu Frankreich als zu Österreich hegen würde, zumal bei der nahen Verwandtschaft der Königin von Ungarn mit dem gestürzten Herrscherhause. Auf Grund dieser Annahme hielt das Wiener Ministerium jedes Mittel für erlaubt, das<148> den Sturz der russischen Kaiserin herbeiführte. Der Marchese Botta d'Adorno, Gesandter der Königin von Ungarn in Petersburg, erhielt geheime Instruktionen zur Anzettelung eines Komplotts. Er war an diesem Hofe gleichsam der Sauerteig, der die Gemüter Derer, mit denen er umging, in Gärung versetzte. Er wiegelte die Frauen auf, er verband sich mit Personen von jedem Stand und Charakter. Er fügte zur Verleumdung den Verrat; denn er versprach den Schutz des Königs von Preußen allen, die für dessen Schwager und seinen Neffen, den jungen entthronten Zaren, arbeiten würden. Der Marchese Botta bediente sich bei dem Komplott des Namens des Königs in der Absicht, ihn mit Rußland zu entzweien, falls der Anschlag entdeckt würde. Das geschah auch wirklich. Aber mit Hilfe der Knute erfuhr die Kaiserin Elisabeth, daß Botta dessen Anstifter war. Durch einen unbesonnenen, betrunkenen Russen, der in einem Petersburger Kaffeehause aufrührerische Reden hielt, kam die Verschwörung heraus148-1. Er wurde von der Polizei festgenommen, desgleichen einige seiner Mitschuldigen. Sie bekannten alles aus Furcht vor der Folter. Weitere vierzig Personen wurden in Moskau verhaftet. Ihre Aussagen deckten sich mit denen der ersten. Der Gräfin Jagushinski ward die Zunge ausgerissen, die Frau eines andern Bestushew, eines Bruders des Ministers, ward nach Sibirien verbannt148-2, und eine große Anzahl von Menschen verdankten die Vernichtung ihres ganzen Daseins der Verführung des Marchese Botta. Der war so schlau gewesen, sich vor dem Ausbruch der Verschwörung auf seinem Posten ablösen zu lassen, um seine Person und das von ihm bekleidete Amt für den Fall des Mißlingens vor Kränkung zu schützen. Als das Komplott entdeckt wurde, war er Gesandter am Berliner Hofe. Sobald der König die Ereignisse in Rußland erfuhr, ließ er ihm den Hof verbieten und verlangte in Gemeinschaft mit der russischen Kaiserin Genugtuung von der Königin von Ungarn, denn Botta hatte sowohl den König wie die Kaiserin beleidigt. Auf den Wiener Hof fiel ein großer Teil des Odiums von Bottas Benehmen zurück. Wenn auch die Franzosen das Beispiel zu solchen Anschlägen gaben, so durften die Österreicher es doch nicht nachahmen. Was würde aus der öffentlichen Sicherheit, was aus der Sicherheit der Könige, wenn man Empörungen, Vergiftungen und Meuchelmorden Tür und Tor öffnete? Welcher Rechtslehrer kann solche Unternehmungen gutheißen? Hat die Staatskunst keine ehrlichen Mittel mehr zu ihrer Verfügung, und muß man alle Gefühle der Rechtschaffenheit und der Ehre zugunsten eigennütziger und oft trüglicher Absichten ausrotten? Es ist traurig, daß im 18. Jahrhundert, das menschlicher und aufgeklärter ist als die vorangehenden, Frankreich und Österreich sich derartiges vorzuwerfen haben.

Die Königin von Ungarn bekannte sich weder zum Vorgehen ihres Ministers noch desavouierte sie ihn. Dies falsche Betragen des Wiener Hofes konnte dem König<149> von Preußen Gelegenheit geben, sich mit dem Petersburger Hofe enger zu verbinden. Er schrieb deshalb an Mardefeld, seinen Gesandten bei der Kaiserin, und der geschickte Diplomat unternahm den Versuch, das zwischen beiden Mächten bestehende Bündnis zu erweitern. Nach langem Verhandeln erreichte er nichts als eine ziemlich unbestimmte Garantie für den preußischen Staat, die in so dehnbaren Ausdrücken gefaßt war, daß es nicht verlohnte, sie zu besitzen. So inhaltlos der Vertrag149-1 war, so konnte er die Höfe, die Preußen übelgesinnt waren, doch einschüchtern: um zu prahlen, taugt ein Simili soviel wie ein Diamant. Es war Graf Bestushew, der der Kaiserin abriet, ein engeres Bündnis mit dem König von Preußen einzugehen. La Chétardie, der mit Bestushew unzufrieden war, arbeitete an seinem Sturze; Mardefeld erhielt Vollmacht, ihn dabei zu unterstützen. Aber Mardefelds Erfahrung vermochte nichts gegen Bestushews Stern. Wir behalten es uns vor, in der Folge ausführlicher von allen Ränken der Gesandten am russischen Hofe zu erzählen.

Auch in Berlin intrigierten die fremden Höfe. Die Engländer gaben ihr Projekt nicht auf, den König allmählich in ihren Krieg gegen Frankreich zu verwickeln. Die Franzosen wünschten, daß er ihnen zu Hilfe käme und sie durch eine Diversion unterstützte. Unterdessen kam Voltaire nach Berlin. Da er einige Gönner in Versailles hatte, hielt er das für hinreichend, sich das Ansehen eines Unterhändlers zu geben. Seine glänzende Einbildungskraft erhob sich ungehemmt in das weite Gebiet der Politik. Er hatte kein Beglaubigungsschreiben; seine Gesandtschaft wurde eine Spielerei, ein bloßer Scherz149-2.

Während Preußen sich selbst des Friedens erfreute, blieben ihm zwei wichtige Gegenstände stets vor Augen: die Aufrechterhaltung des Kaisers und ein allgemeiner Friede. Was den Kaiser betraf, so hatte Frankreich ihn im Stiche gelassen, und es blieb kein anderes Mittel zu seiner Erhaltung als, wie wir schon gesagt haben149-3, ein deutscher Fürstenbund, der dem Reichsoberhaupte mit Heeresmacht zu Hilfe kam. Diesen Gedanken hatte man den deutschen Fürsten schon beizubringen versucht, doch umsonst. Der König wollte einen neuen Versuch wagen, sie zu dem zu bewegen, was ihr Vorteil und ihre Ehre ihnen geboten. Er unternahm es selbst, mit mehreren Fürsten mündlich zu verhandeln. Unter dem Vorwande, seine Schwestern, die Markgräfinnen von Ansbach und Bayreuth, zu besuchen, reiste er ins Reich, ja sogar bis Öttingen149-4, angeblich zur Besichtigung der Trümmer des bayrischen Heeres, eigentlich aber in der Absicht, mit Feldmarschall von Seckendorff über Mittel und Wege zur Unterstützung des Kaisers zu reden. Aber alle Versuche, alle Gründe, alle Vorstellungen waren umsonst. Die schwärmerischen Anhänger des Hauses Österreich hätten sich aufgeopfert, aber die Anhänger des Kaisers waren durch die vielen Un<150>glücksfälle, die er erlitten hatte, so kleinmütig geworden, daß sie mit dem Moment, wo sie sich zu seiner Unterstützung entschlossen, ihre eignen Staaten verloren glaubten.

Die verwitwete Herzogin von Württemberg weilte damals in Bayreuth. Sie wünschte, daß ihr der König ihre Söhne, die sie seiner Erziehung anvertraut hatte, zurückgäbe. Der König hielt es für richtiger, daß die Prinzen ihre Reise unter glücklicheren Aussichten anträten. Deshalb bewirkte er beim Kaiser, daß der Herzog vor der gesetzlichen Frist für volljährig erklärt wurde, um ihn an die Interessen Frankreichs und Bayerns zu ketten150-1.

Trotz seiner Beschäftigung mit der Politik vernachlässigte der König die innere Regierung seines Landes keineswegs. Die Festungsbauten in Schlesien machten sichtliche Fortschritte. Der große Plauensche Kanal ward gegraben, um eine kürzere Verbindung zwischen Elbe und Oder zu schaffen. Der Hafen von Stettin wurde vertieft und der Swinekanal schiffbar gemacht. Seidenmanufakturen entstanden, und das Insekt, das diesen kostbaren Stoff erzeugt, ward ein neuer Quell des Reichtums für die Landbewohner. Dem Gewerbfleiß wurden alle Tore geöffnet. Die Akademie der Wissenschaften wurde erneuert150-2. Euler, Lieberkühn, Pott und Marggraf wurden ihre Zierden. Maupertuis, so berühmt durch seine Kenntnisse wie durch seine Reise nach Lappland, wurde Präsident der Gesellschaft. Darüber ging das Jahr 1743 zu Ende.

Ganz Europa stand im Kriege, alle Welt intrigierte; in den Kabinetten der Fürsten herrschte mehr Tätigkeit als bei den Heeren. Die Kriegsursache hatte sich geändert: anfangs ging es nur um die Erhaltung des Hauses Österreich, dann um seine Eroberungspläne. England begann in der Wagschale der Mächte ein Übergewicht zu erlangen, das Frankreich lauter Unglück verhieß. Die Festigkeit der Kaiserin-Königin artete in Starrsinn aus, die scheinbare Großmut des Königs von England in schnöden Eigennutz für sein Kurfürstentum. Rußland blieb noch friedlich.

Der König von Preußen war stets darauf bedacht, das Gleichgewicht unter den kriegführenden Mächten zu erhalten, und hoffte sehr, es zu erreichen, sei es durch freundschaftliche Vorstellungen oder durch nachdrücklichere Erklärungen, ja selbst durch kleine Demonstrationen. Doch was sind die Pläne der Menschen! Die Zukunft ist ihnen verborgen. Sie wissen nicht, was morgen geschehen wird. Wie könnten sie da Ereignisse vorhersehen, die die Verkettung unberechenbarer Ursachen in einem halben Jahre herbeiführen kann? Die Zeitumstände reißen sie mit sich fort und zwin<151>gen sie oft, gegen ihren eigenen Willen zu handeln. Bei diesem Auf und Nieder des Glücks vermag die Klugheit nichts, als sich darein zu schicken, konsequent zu handeln und ihr System nie aus den Augen zu verlieren. Aber alles voraussehen kann sie nicht.

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9. Kapitel

Verhandlungen des Jahres 1744, nebst allem, was dem Kriege Preußens gegen Österreich voranging.

Die Reichsangelegenheiten gerieten immer mehr in Verwirrung. Die Waffenerfolge der Österreicher stachelten ihren Ehrgeiz auf. Es war kein Zweifel mehr möglich: sie wollten den Kaiser entthronen. Der König von England verfolgte im stillen den gleichen Zweck. Die Schwäche Karls VII. und die maßlosen Ansprüche der Königin von Ungarn öffneten namentlich den freiheitsliebenden Fürsten die Augen darüber, daß sie nicht mehr lange bloße Zuschauer des Krieges sein könnten. Vorteil und Ehre verboten ihnen, die alten Feinde der deutschen Freiheit übermächtig werden zu lassen.

Zu solchen allgemeinen Erwägungen traten für den König von Preußen noch andre, gewichtigere. Weder der König von England noch die Königin von Ungarn verstanden ihr Übelwollen zu verbergen. Bei jeder Gelegenheit brach es hervor. Maria Theresia beklagte sich bei König Georg, daß er sie zu Gebietsabtretungen, vor allem, daß er sie zum Verzicht auf Schlesien genötigt habe. Der König antwortete ihr: „Madame, was man hergeben kann, kann man sich auch wieder nehmen.“ Dieses Wort ist authentisch. Der Verfasser des vorliegenden Werkes hat die Abschrift des betreffenden Briefes gesehen. Schließlich hatte man auch erfahren, daß England und Österreich die Franzosen zu einem Frieden zwingen wollten, der die Garantie für Schlesien nicht einschloß. Zu alledem denke man an das Benehmen des Marchese Botta in Petersburg, und man wird verstehen, weshalb der König von Preußen auf seiner Hut war und für alle Fälle zum Kriege rüstete.

Der König hatte seinen Feinden, mit denen er Frieden geschlossen, nie recht getraut. Er hatte sich daher mit aller Sorgfalt auf jede Eventualität vorbereitet. Durch kluge Wirtschaft waren die Verluste des letzten Krieges so gut wie ausgeglichen, und es war wieder so viel Geld zurückgelegt, daß Preußen bei einiger Sparsamkeit zwei Feldzüge bestreiten konnte. Die Festungen standen zwar noch mehr auf dem Papier, als daß sie in verteidigungsfähigem Zustande waren. Aber die Heeresvermehrungen waren beendet, Proviant und Kriegsbedarf für einen Feldzug gesammelt. Kurz, die Erwerbung Schlesiens hatte dem Staat neue Kräfte zugeführt. Preußen war<153> imstande, die Absichten seines Herrschers mit Nachdruck durchzuführen. Es blieb nichts zu tun übrig, als Sicherheitsmaßnahmen gegen seine Nachbarn zu treffen. Vor allem aber galt es, den Rücken frei zu behalten, wenn man etwas unternehmen wollte.

Von allen Nachbarländern Preußens ist Rußland das gefährlichste und verdient die meiste Aufmerksamkeit. Es ist mächtig und es ist nahe. Auch die künftigen Regenten Preußens werden gezwungen sein, die Freundschaft mit jenen Barbaren zu pflegen153-1. Der König fürchtete weniger die Größe der russischen Heere als den Schwarm von Kosaken und Tataren, die in Feindesland sengen und brennen, die Einwohner töten oder in die Sklaverei schleppen und so zum Verderben der Länder werden, die sie überschwemmen. Andern Feinden kann man Böses mit Bösem vergelten. Bei Rußland ist das unmöglich, außer wenn man eine starke Flotte besitzt, mit der man ein gegen Petersburg vorrückendes Heer schützen und ernähren kann.

In dem Bestreben, sich Rußlands Freundschaft zu erwerben, ließ der König nichts unversucht. Seine Unterhandlungen erstreckten sich bis nach Schweden. Die Kaiserin Elisabeth wollte damals ihren Neffen, den Großfürsten, verheiraten, um durch Nachkommenschaft die Thronfolge zu sichern. Sie hatte zwar noch keine bestimmte Wahl getroffen, gab aber der Schwester des Königs von Preußen, Prinzessin Ulrike, den Vorzug. Der sächsische Hof wollte die Prinzessin Maria Anna, die zweite Tochter König Augusts, mit dem Großfürsten vermählen, um auf diesem Wege Einfluß auf die Kaiserin zu gewinnen. Der feile russische Minister, Bestushew, der seine eigne Herrin an den Meistbietenden verschachert hätte, wenn jemand die Mittel dazu gehabt hätte, verkaufte den Sachsen vorzeitig einen Ehekontrakt. Der König von Polen bezahlte ihn, erhielt aber für sein gutes Geld nur leere Worte.

Nichts konnte Preußens Interesse mehr zuwiderlaufen als eine Verschwägerung zwischen Rußland und Sachsen. Aber nichts wäre auch widernatürlicher gewesen, als eine Prinzessin des preußischen Königshauses zu opfern, um die Sächsin auszustechen. Man verfiel also auf ein andres Mittel. Von allen heiratsfähigen deutschen Prinzessinnen paßte keine besser für Rußland und für die preußischen Interessen als die Prinzessin von Zerbst153-2. Ihr Vater war Feldmarschall im preußischen Heere, ihre Mutter eine Prinzessin von Holstein, Schwester des Thronfolgers von Schweden und Tante des russischen Großfürsten. Wir wollen auf die Einzelheiten der Unterhandlung hier nicht eingehen. Genug, daß ihre erfolgreiche Durchführung weit mehr Mühe kostete als die wichtigste Sache. Selbst der Vater der Prinzessin widersetzte sich der Heirat. Als Lutheraner von einer Strenge wie in der Reformationszeit, wollte er nicht zugeben, daß seine Tochter eine Ketzerin würde. Aber schließlich bewies ihm ein Geistlicher, der mit sich reden ließ, daß die griechische Religion ungefähr dasselbe sei wie das Luthertum. In Rußland verbarg Mardefeld seine Schachzüge so geschickt vor<154> dem Kanzler Bestushew, daß die Prinzessin von Zerbst zum großen Staunen Europas plötzlich in Petersburg eintraf und daß die Kaiserin sie in Moskau mit allen Zeichen des Wohlgefallens und der Freundschaft empfing. Aber noch war nicht alles geebnet. Eine Schwierigkeit war noch zu überwinden. Die jungen Brautleute waren nämlich blutsverwandt154-1. Dieses Hindernis wurde mit Geld aus dem Wege geräumt, womit man ja in allen Ländern das Pfaffengezänk im Zaume hält. Die Popen und Bischöfe wurden bestochen und entschieden darauf, daß die Ehe den Satzungen der griechischen Kirche voll entspräche.

Nicht zufrieden mit diesem ersten Erfolge, suchte Mardefeld auch zu erreichen, daß die unglückliche braunschweigische Familie von Riga nach einer andern Gegend Rußlands verbannt wurde. Auch das gelang ihm. Zur Sicherheit der Kaiserin war es nötig, daß jene Familie, die eine Revolution gestürzt hatte und die eine neue Revolution wieder hinaufheben konnte, aus der Nähe von Petersburg entfernt wurde. Man brachte sie jenseits Archangelsk nach einem Orte in tiefster Barbarei, von dem selbst der Name unbekannt ist. Noch jetzt, wo wir dieses Buch schreiben, lebt dort Prinz Anton Ulrich von Braunschweig154-2. Mardefeld und der Marquis La Chétardie hielten ihre Stellung nach der Ankunft der Prinzessin von Zerbst für stark gefestigt und wollten ihr Werk durch den Sturz des Großkanzlers Bestushew krönen, der ein Feind Frankreichs aus Starrsinn und ein Anhänger Englands aus Eigennutz war. Bestushew war geistlos, ungeschickt in den Staatsgeschäften, arrogant aus Dummheit, falsch von Natur, schurkisch und doppelzüngig selbst gegen die, welche ihn erkauft hatten. Die beiden Gesandten erreichten durch ihre Intrigen nur so viel, daß die Brüder Bestushew getrennt wurden. Der Oberhofmarschall wurde als russischer Gesandter nach Berlin geschickt (April 1744). Aber der Kanzler behauptete sich am Hofe trotz aller gegen ihn unternommenen Angriffe. Mardefeld wußte seine Teilnahme an diesen Intrigen geschickt zu verbergen. La Chétardie war unvorsichtiger und ließ seine Mitwirkung ganz offen durchblicken. Daraufhin zwang man ihn — ohne Rücksicht auf seine diplomatische Stellung und seine dem Hofe geleisteten Dienste — Rußland schleunigst und auf eine wenig ehrenvolle Weise zu verlassen.

Nachdem sich die Kaiserin zur Vermählung des Großfürsten mit der Prinzessin von Zerbst entschlossen hatte, war es nicht mehr so schwer, ihre Einwilligung zur Verbindung der Prinzessin Ulrike von Preußen mit dem neuen Thronfolger von Schweden zu erhalten154-3. Auf diese beiden Heiraten gründete Preußen seine Sicherheit. Eine preußische Prinzessin, die dem schwedischen Throne so nahe stand, konnte gegen ihren<155> Bruder, den König, nicht feindlich gesinnt sein, und eine Großfürstin von Rußland, die in Preußen aufgewachsen und erzogen war155-1 und ihr Glück dem König verdankte, konnte ihm nicht schaden, ohne undankbar zu sein.

Zwar ließ sich die politische Verbindung mit Rußland damals nicht enger gestalten. Auch gelang es nicht, den Kanzler Bestushew durch einen bessergesinnten Minister zu ersetzen. Man griff also zum goldnen Schlüssel, um die Eisenpforten seines Herzens zu öffnen. Das war die Redekunst, mit der Mardefeld bis zum Jahre 1745 die Böswilligkeit des übelgesinnten Mannes in Schranken hielt. Wie aus allen erwähnten Einzelheiten hervorgeht, hatte der König mit seinen Intrigen keinen vollen Erfolg, und das, was er in Rußland zu erreichen vermochte, entsprach nicht ganz seinen Hoffnungen. Indes war es schon viel, das Übelwollen einer so gefährlichen Macht für eine Weile eingeschläfert zu haben. Wer Zeit gewinnt, hat alles gewonnen.

Noch einmal ward ein Versuch gemacht, die Reichsfürsten zu einem Bunde zu vereinigen. Auf den Landgrafen von Hessen155-2, den Herzog von Württemberg, die Kurfürsten von Köln155-3 und von der Pfalz155-4 konnte man rechnen. Den Bischof von Bamberg155-5 hatte man halb gewonnen. Aber ihr Beitritt mußte erkauft werden: kein Geld, keine deutschen Fürsten! Jedoch Frankreich wollte sich zu den nötigen Subsidien nicht verstehen, und so scheiterte die Sache zum dritten Male.

Eine Verständigung mit dem sächsischen Hofe wäre erwünscht gewesen. Aber hier fand man mehr Hindernisse als irgendwo. Der König von Polen war unzufrieden, daß er durch den Breslauer Frieden nicht in den Besitz von Mähren gelangt war. Er wähnte Provinzen durch einen Federstrich erobern zu können. Er war neidisch auf das Haus Brandenburg, das Schlesien errungen hatte, während er bei diesem Kriege leer ausgegangen war. Er hielt seine Ansprüche auf die Erbschaft Karls VI. für durchaus begründet, mißgönnte dem Kurfürsten von Bayern die Kaiserkrone und haßte die Franzosen, denen er vorwarf, ihn betrogen zu haben. Diese vorteilhafte Stimmung entging dem Wiener Hofe nicht. Das alte Fräulein Kling, jener weibliche Unterhändler155-6, war noch immer in Dresden. Sie wußte die schwache Seite des Königs, der Königin, des Grafen Brühl und des Beichtvaters so geschickt zu treffen, daß sie alle zu einer Allianz mit der Königin von Ungarn bestimmte. Der König von England bestärkte den Grafen Brühl noch in seinem Entschluß durch die Schenkung eines Landguts in der Grafschaft Mansfeld, das 80 000 Taler wert war. Nun fand die Unterhandlung keine Hindernisse mehr. Zwischen Österreich, England und Sachsen kam ein Verteidigungsbündnis zustande, dessen geheime Artikel zu Wien unterzeichnet wurden155-7. Die Vertragschließenden hüteten sich wohl, die Geheimartikel<156> bekanntzugeben. Nichtsdestoweniger verschaffte sich der König von Preußen eine Abschrift davon. Da dieser Traktat ein Hauptgrund für die nachmalige Kriegserklärung des Königs an die Königin von Ungarn war, so ist es notwendig, einige Artikel daraus anzuführen. Sie werden den Krieg vor der Nachwelt rechtfertigen.

Artikel II. „Zu diesem Zweck verpflichten sich die Verbündeten aufs neue zur ausdrücklichen Garantie für alle Königreiche, Staaten, Länder und Domänen, die sie gegenwärtig besitzen oder besitzen sollen kraft des Turiner Allianzvertrages von 1703, der Friedensschlüsse zu Utrecht und Baden156-1, des Friedens-und Allianztraktates156-2, den man die Quadrupelallianz zu nennen pflegt, des Friedens- und Allianztraktates zu Wien vom 16. März 1731, der hierauf beruhenden und zum Reichsgesetz erhobenen Garantieakte vom 11. Januar 1732 und der dazugehörigen Haager Beitrittsakte vom 20. Februar 1732, des Wiener Friedensschlusses vom 18. November 1738 und der Versailler Beitrittsakte vom 3. Februar 1739, welche Verträge hierdurch sämtlich und vollständig erneuert und bestätigt werden, soweit sie die Verbündeten betreffen und durch den gegenwärtigen Traktat nicht ausdrücklich aufgehoben werden.“

Wer diesen Artikel unparteiisch liest, muß darin den Keim eines Offensivbündnisses gegen den König von Preußen finden. Die Königin von Ungarn läßt sich Staaten garantieren, die sie zur Zeit jener Verträge besessen, aber später verloren hat. Mußte die Königin sowie der König von England, wenn sie ehrlich zu Werke gingen, nicht ebensogut auch den Breslauer Frieden in ihrem Bündnis erwähnen? Entkleidet man den Artikel seines rätselhaften Stiles, so ergibt er eine förmliche Garantie für die Staaten, welche die Kaiserin-Königin gemäß der Pragmatischen Sanktion besitzen sollte, folglich auch für Schlesien. Aber der 13. Artikel des Wormser Traktats, dem der König von Polen beigetreten war, führt sogar die Mittel auf, die der Wiener Hof gebrauchen wollte, um seine verlorenen Provinzen wiederzugewinnen. Er lautet:

Artikel XIII. „Und sobald Italien von Feinden befreit und außer sichtbarer Gefahr vor einem abermaligen Überfall ist, kann Ihre Majestät, die Königin von Ungarn, nicht allein einen Teil ihrer Kriegsvölker aus Italien zurückziehen, sondern auf ihr Verlangen wird der König von Sardinien ihr auch seine eignen Truppen zur Sicherung der Staaten Ihrer Majestät in der Lombardei zur Verfügung stellen, damit sie eine größere Anzahl ihrer Truppen in Deutschland verwenden kann. Desgleichen wird auch die Königin von Ungarn auf Anforderung des Königs von Sardinien ihre Truppen, wenn es nötig sein sollte, in die Staaten besagten Königs einrücken lassen, um sie gegen das gewaltsame Eindringen einer fremden Macht zu verteidigen, alle Staaten des Königs von Sardinien von Feinden zu säubern und sie von der Gefahr eines abermaligen Einfalls zu befreien.“

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Also die Königin von Ungarn will ihre Kriegsvölker aus Italien zurückziehen, um sie in Deutschland zu verwenden. Gegen wen? Etwa gegen Sachsen? Sie hat mit dem König von Polen und Kurfürsten von Sachsen ein Bündnis geschlossen. Gegen Bayern? Sie hat den Kaiser derart gedemütigt, daß sie seine Erblande besetzt hält. Einen neuen Krieg kann sie also nur gegen den König von Preußen planen. Nach den Vereinbarungen des Breslauer Friedens sollte der König von England alle Bündnisse, die er schließen würde, dem König von Preußen getreulich anzeigen. Über dieses Abkommen hüllte er sich wohlweislich in Schweigen. Der Grund war klar. Was zu Worms geschmiedet, zu Turin und Wien bestätigt worden, warf alles über den Haufen, was der König von England im Breslauer Frieden selbst zugesichert hatte. Die neuen Bündnisse wurden den Generalstaaten mitgeteilt, und vom Haag aus erfuhr man ihren Inhalt. Nach den Regeln der Staatsklugheit hätten die Höfe von Wien und London ihre Absichten nicht so frühzeitig enthüllen dürfen. Sie hatten noch die Waffen in der Hand und waren im Kriege gegen Frankreich und Spanien, in der Lombardei wie am Rhein, ja selbst in Flandern. War es nicht vorauszusehen, daß der König von Preußen, wenn er nicht ganz verblödet war, nicht gelassen abwarten würde, bis man Maßregeln zu seiner Niederwerfung ergriffe, sondern vielmehr seine letzten Kräfte daransetzen würde, um den Plänen seiner Feinde zuvorzukommen?

Es liegt auf der Hand, daß Preußen im Breslauer Frieden keine Sicherheit mehr fand. Sie mußte also anderswo gesucht werden. Die Lage war kritisch. Der König mußte sich entweder dem Spiel des Zufalls überlassen oder einen kühnen Entschluß fassen, bei dem er den größten Wechselfällen preisgegeben war. Die Minister stellten dem König vor: „Wem es gut geht, der solle sich nicht rühren; es sei ein übler politischer Grundsatz, Krieg zu führen, um Krieg zu vermeiden; man müsse alles von der Gunst der Zelt erwarten.“ Der König antwortete ihnen, daß ihre Furchtsamkeit sie verblende und daß es eine große Unklugheit sei, einem Unglück nicht beizeiten vorzubeugen, wenn man noch die Mittel habe, sich dagegen zu sichern. Er wisse sehr wohl, wie durch den Krieg sein Adel, seine Untertanen, sein Staat und seine Person unvermeidlichen Zufällen ausgesetzt würden. Trotzdem fordere die jetzige Krisis eine Entscheidung, und in solchen Fällen sei der schlechteste Entschluß, nichts zu beschließen.

Einen kurzen Überblick über die Gründe des Königs zur Kriegserklärung an die Königin von Ungarn, sowie über die Gegengründe seiner Minister bietet eine eigenhändige Denkschrift, die er ihnen zuschickte157-1. Sie lautete:

„Um einen verständigen Entschluß zu fassen, muß man nichts übereilen. Ich habe mir die gegenwärtige Lage reiflich überlegt und fasse das Verhalten meiner Feinde im folgenden kurz zusammen, um ihre Absichten in helleres Licht zu setzen:

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1. Warum hat die Königin von Ungarn im Breslauer Frieden so hartnäckig auf dem Besitz des oberschlesischen Berglandes bestanden, dessen Ertrag doch so dürftig ist? Sicherlich hat Eigennutz sie nicht dazu bewogen. Ich sehe eine andre Absicht: sie will sich durch den Besitz des Gebirges vorteilhafte Anmarschwege sichern, sobald sie den Augenblick zum Angriff für gekommen hält.

2. Aus welchen Gründen haben Österreich und England sich der Garantie des Breslauer Friedens, die Mardefeld in Petersburg zu erreichen suchte, unter der Hand widersetzt? Doch nur, weil die russische Garantie sie selbst am Vertragsbruch hindern könnte! Sie antworten mir, Englands Politik sei einfach. Es wolle mich isolieren, damit ich ohne eine andre als die englische Garantie nur von England abhänge. Ich möchte Sie aber fragen, meine Herren Minister, ob die Absichten der Engländer, mag man ihnen nun die eine oder die andre unterschieben, für uns günstig oder nachteilig sind?

3. Warum beendigt Lord Carteret nicht die kleinen Zwistigkeiten über einige strittige Grenzen zwischen Hannover und Minden, über den hannöverschen Elbzoll und schließlich über die an Preußen verpfändeten mecklenburgischen Domänen? Deshalb, weil ihm gar nichts an der Herstellung eines guten Einvernehmens zwischen unseren beiden Höfen liegt. Graf Podewils meint, dem Hause Hannover läge an der Beilegung dieser Differenzen ebensoviel wie dem Hause Brandenburg. Warum tut Lord Carteret denn nichts dazu? Weil der König von England Mecklenburg, Paderborn, Osnabrück und das Bistum Hildesheim an sich reißen will und wohl einsieht, daß seine Vergrößerungspläne mit einem freundschaftlichen Verhältnis zwischen Preußen und England unvereinbar sind.

4. Kann man den Versprechungen eines Fürsten trauen, der sein Wort nicht hält? Als der König von England im Jahre 1743 seine Truppen am Rheine zusammenzog, versprach er, nichts gegen die Erblande und die Würde des Kaisers zu unternehmen158-1. Jetzt sucht er ihn in Gemeinschaft mit der Königin von Ungarn zur Abdankung zu zwingen.

5. Erinnern Sie sich an die Intrigen des Marchese Botta am Petersburger Hofe. War ihr Zweck nicht, die verbannte Herrscherfamilie wieder auf den Thron zu setzen158-2? Warum versuchte Botta dergleichen? Weil er wußte, daß die Kaiserin Elisabeth auf unserer Seite war, und weil er erwartete, daß Prinz Anton Ulrich, wenn er die Wiedereinsetzung seiner Familie dem Wiener Hofe verdankte, diesem Hofe auf ewig ergeben sein und seinen Haß gegen alles Preußische teilen würde. Noch mehr: weshalb benutzte Botta meinen Namen bei jener scheußlichen Verschwörung, wenn nicht, um mich mit der Kaiserin zu verfeinden, wenn der Anschlag entdeckt wurde? Sie sagen: was die Königin von Ungarn tat, geschah nur aus Liebe zu ihren Verwandten. Ach, nennen Sie mir doch große Fürsten, die solche Bande des Blutes achten!

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6. Sie glauben, man dürfe die vom König von England geleistete Garantie für den Breslauer Frieden nicht verachten. Ich antworte Ihnen: alle Bürgschaften sind nichts als Filigranarbeiten, mehr zur Augenweide als zu Nutzen und Vorteil.

7. Ich will indes alles bisher Angeführte fallen lassen. Aber können Sie dem Wormser und Wiener Traktat eine harmlose Deutung geben? Die österreichischen Minister sagen freilich, das Abkommen beträfe nur Italien. Lesen Sie aber die beiden von mir angeführten Artikel, und Sie werden deutlich erkennen, daß sie sich auf Deutschland im allgemeinen beziehen und gegen mich im besonderen gerichtet sind.

8. Das Bündnis mit Sachsen ist noch weniger harmlos. Es gibt den Österreichern Hilfstruppen und öffnet ihnen einen Weg, um mich im eignen Lande anzugreifen. Sie behaupten, das Bündnis sei nur geschlossen, um den beiderseitigen Premierministern Geschenke zu verschaffen. Wahrhaftig, auf einen solchen Einwand war ich nicht gefaßt. Ich muß gestehen, daß Ihr Geist sehr hoch fliegt!

9. Noch eine andre Frage. Soll man abwarten, bis die Königin von Ungarn sich aus allen ihren Verlegenheiten befreit, bis sie Frieden mit den Franzosen geschlossen hat, denen ihre Truppen noch tüchtige Niederlagen beibringen dürften? Soll man abwarten, frage ich, bis die Königin in der Lage ist, über alle ihre Kräfte, über die Sachsens und das englische Geld zu verfügen und uns mit all diesen Vorteilen in der Hand in dem Augenblick anzugreifen, wo wir ohne Verbündete dastehen und auf nichts andres rechnen können als auf unsere eigne Kraft? Sie behaupten, die Königin von Ungarn werde den Krieg nicht in einem Feldzuge beenden; ihre Länder seien zugrunde gerichtet, ihre Einkünfte seit zehn Jahren im Rückstande, und sie werde erst nach geschlossenem Frieden ihre Erschöpfung merken. Ich antworte: Nicht jeder ist der Ansicht, daß die österreichischen Finanzen so erschöpft sind, wie Sie meinen. Große Staaten liefern große Hilfsmittel. Entsinnen Sie sich, daß Kaiser Karl VI. am Ende des Erbfolgekrieges, der ganze Schätze verschlungen hat, noch einen ganzen Feldzug gegen Frankreich ohne fremde Subsidien führte, nachdem die Königin Anna ihren Separatfrieden zu Utrecht (1713) mit den Franzosen geschlossen hatte159-1? Soll man warten, bis Hannibal vor den Toren steht, um ihm den Krieg zu erklären? Man denke doch an das Jahr 1733, wo Graf Sinzendorff wettete, daß die Franzosen nicht über den Rhein gehen würden, während sie schon Kehl bombardierten und einnahmen159-2. Wer sich in Sicherheit wiegt, kann erwidern: Als der verstorbene König Vorpommern erwarb (1720), glaubte jedermann, Schweden würde seine Rechte auf diese Provinz früher oder später wieder geltend machen. Trotzdem ist es nicht geschehen. Aber dieser Vergleich hinkt, und die Schlußfolgerung wird von selbst hinfällig. Wie kann man ein zerrüttetes, erschöpftes und zerstückeltes Reich wie Schweden mit dem mächtigen Österreich vergleichen, das, weit entfernt von Ver<160>lusten, gegenwärtig auf Eroberungen sinnt? Die fanatischen Anhänger der Königin von Ungarn behaupten zwar, es gäbe kein Beispiel dafür, daß Österreich zur Wiedereroberung verlorener Provinzen einen Krieg angefangen hätte. So etwas darf man nur Unwissenden vorreden. Hat Österreich nicht die Schweiz wiedererobern wollen? Wie viele Kriege hat es nicht geführt, um die Krone von Ungarn in seinem Herrscherhause erblich zu machen? Und was war denn das für ein Krieg, den Ferdinand II. unternahm, um den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz aus Böhmen zu vertreiben, das diesen zum König erwählt hatte? Führte nicht Österreich einen blutigen Krieg mit Bethlen Gabor160-1 um Siebenbürgen? Und endlich, was treibt wohl jetzt die Königin von Ungarn, die Franzosen so hitzig zu bedrängen, wenn nicht die Hoffnung, Elsaß und Lothringen wiederzugewinnen und den Kaiser zu entthronen? Hatte man zu Wien recht, als man behauptete: „Der König von Preußen kann uns unmöglich angreifen, denn keiner seiner Vorfahren hat je Krieg mit uns geführt?“ Wir wollen uns nicht täuschen: die Beispiele der Vergangenheit, selbst wenn sie wahr sind, beweisen nichts für die Zukunft. Zuverlässiger ist die Behauptung: alles, was möglich ist, kann auch eintreffen.

10. Um alle meine Gründe durch handgreifliche Beweise zu verstärken, erinnere ich Sie nur an eine Äußerung des österreichischen Generals Molck die er bei der Durchreise durch Berlin zu Schmettau getan hat: „Mein Hof ist nicht so unüberlegt, Schlesien anzugreifen. Wir sind Bundesgenossen des Dresdener Hofes. Der Weg durch die Lausitz führt schnurstracks auf Berlin: hier allein geziemt es uns, Frieden zu schließen.“ Sie werden sagen, Molck habe ins Blaue hinein geredet. Ich habe aber eine Bestätigung dafür, daß der Wiener Hof den Frieden wirklich in Berlin schließen will. Prinz Ludwig von Braunschweig hatte aus dem Munde der Königin von Ungarn, in deren Diensten er stand, den gleichen Plan vernommen. Er vertraute ihn seinem Bruder, dem regierenden Herzog160-2 an, der ihn mir mitgeteilt hat. Ein Geständnis aus Feindes Munde ist wie ein mathematischer Beweis. Ich schließe also, daß wir beim Abwarten nichts gewinnen, aber alles verlieren können, daß wir also den Krieg anfangen müssen, und daß es, wenn keine andre Wahl bleibt, besser ist, mit Ehren unterzugehen, als sich mit Schande unterjochen zu lassen, wenn man sich nicht mehr verteidigen kann.“

Aber der König übereilte nichts. Die Zeit zum Losschlagen war noch nicht gekommen. Er wartete noch auf günstige Umstände, um alle Vorteile auf seiner Seite zu haben. Inzwischen schickte der Kaiser, der seine Lage für verzweifelt hielt, den Grafen Seckendorff nach Berlin, um den König von Preußen um seinen Beistand zu ersuchen (Februar 1744). Seckendorff traute sich zu, die Sachsen zu einem Parteiwechsel zu bewegen. Er versicherte, die Franzosen würden mit Nachdruck handeln; ihre Absichten wären ehrlich. Er drang sehr in den König, sich zu erklären. <161>Aber die Stunde war noch nicht gekommen. Die Antwort des Königs bestand in den folgenden Punkten: 1. Ehe Seine Majestät sich mit dem Kaiser und Frankreich einläßt, muß zuvor das Bündnis des Königs mit Rußland und Schweden perfekt sein. 2. Schweden muß versprechen, eine Diversion in das Herzogtum Bremen zu machen, während eine französische Armee Hannover angreift. 3. Frankreich muß versprechen, am Rhein offensiv vorzugehen und die Österreicher lebhaft zu verfolgen, wenn die vom König geplante Diversion sie zum Marsche nach Böhmen veranlaßt. 4. Böhmen soll von den Staaten der Königin von Ungarn abgetrennt werden, und der König soll die drei Schlesien zunächstliegenden Kreise erhalten. 5. Keine der verbündeten Mächte darf einen Separatfrieden schließen, sondern sie müssen standhaft zusammenhalten, um das neue Haus Österreich mit vereinten Kräften niederzuwerfen. Der Artikel über die Eroberungen wurde in dieses Projekt nur für den Fall aufgenommen, daß das Unternehmen vom Glück begünstigt sein sollte. Die Klugheit gebot, sich im voraus über eine Teilung zu verständigen, die späterhin die Verbündeten hätte entzweien können.

Das alles griff man jedoch mit großer Vorsicht an. Der König kannte die Schlaffheit der Franzosen bei ihren Kriegsoperationen und ihre geringe Rücksicht auf die Interessen ihrer Verbündeten. Nur die Not konnte die neue Verbindung knüpfen. Man mußte sich gegen den von England zu erwartenden Widerstand rüsten, dessen König rachsüchtig und dessen Minister hitzköpfig war. Das Parlament hatte dem König alle verlangten Summen bewilligt. Mit Hilfe dieser Reichtümer konnte er Armeen aus dem Boden stampfen und den Krieg bis ans Ende der Welt tragen. Indes wurden die ersten Bündnisvorschläge in Versailles nicht so aufgenommen, wie man es hätte erwarten sollen. Nichtsdestoweniger setzte man die Unterhandlungen fort, um die politische Krisis zu einer glücklichen Lösung zu bringen. Zwei Pedanten, ein Deutscher und ein Franzose, Bünau und Chavigny161-1, waren auf den Plan eines Bundes der Reichskreise verfallen. Sie verfaßten ihren Entwurf auf Grund der Reichsgesetze und der Goldnen Bulle mit allen Einschränkungen und Förmlichkeiten. Ihr schwerfälliges Machwerk ward, kaum gelesen, vergessen. Statt an ein solches Bündnis zu denken, nahm der Versailler Hof die hessischen Truppen durch Subsidien in des Kaisers Dienst. Das durchkreuzte die Absichten des Königs von England, der darauf gerechnet hatte, sie zu seinem Heere schlagen zu können. Man versuchte noch, den Herzog von Gotha161-2 davon abzubringen, seine Truppen den Seemächten zu überlassen. Das mißlang aber, da der Herzog schon Subsidien erhalten hatte.

Das Ministerium in Versailles war neu und besaß noch wenig Geschäftskenntnis. So nahm es z. B. an, der König von Preußen habe seinen Separatfrieden mit der Königin von Ungarn nur aus Leichtsinn geschlossen. Wollte der König sich mit Frank<162>reich verbinden, so war es also eine notwendige Vorbedingung, die Anschauungen der Minister über diesen Punkt zu berichtigen. Baron Chambrier, seit zwanzig Jahren preußischer Gesandter am Versailler Hofe, war zu alt und hatte zu wenig Fühlung mit den maßgebenden Persönlichkeiten, um ihr Ansehen beim König benutzen zu können. Er hatte auch erst wenige wichtige Verhandlungen geführt und war übermäßig vorsichtig. Der König sah ein, daß er einen gewandten und tatkräftigen Mann nach Versailles senden müßte, um zu erfahren, wie die Dinge dort stünden. Seine Wahl fiel auf den Grafen Rothenburg162-1. Der war im Jahre 1740 aus französischen Diensten in preußische übergetreten. Er war verwandt mit allen hervorragenden Personen am Hofe, konnte sich dadurch Nachrichten verschaffen, die einem andern entgangen wären, und vermochte den König somit von der Gesinnung Ludwigs XV., seiner Minister und Mätressen zu unterrichten. Denn man brauchte einen Kompaß, um sich in Versailles zurechtzufinden. Die allzu feurige Art des Grafen Rothenburg wurde durch Chambriers Phlegma gemildert. Beide zusammen konnten dem Staate nützliche Dienste leisten. Graf Rothenburg reiste also nach Versailles ab. Seine ersten Vorschläge gingen durch den Herzog von Richelieu und die Herzogin von Chateauroux. Man schickte ihn zu Amelot, dem Minister des Auswärtigen, der nicht für einen Anhänger Preußens galt. Aber der Kardinal Tencin, der Marschall Belle-Isle, der Kriegsminister d'Argenson, Richelieu und des Königs Mätresse erklärten sich für den Grafen Rothenburg. Die dem Feldmarschall Seckendorff vorgeschlagenen Artikel dienten zur Grundlage für die nun beginnende Verhandlung mit Frankreich. Vor allem bestand man darauf, daß die französische Armee die Österreicher aus dem Elsaß vertreiben und ihnen Bayern wieder abnehmen sollte. Zugleich sollte ein andres französisches Heer in Westfalen einfallen. Der König behielt sich vor, nicht eher am Spiel teilzunehmen, als bis sein Bündnis mit Schweden und Rußland perfekt wäre162-2. Dieser letzte Artikel ließ ihm freie Hand, zu handeln oder untätig zu bleiben, je nachdem die Ereignisse ihm vorteilhaft oder nachteilig erschienen. Noch schmeichelte er sich, den Augenblick des Bruches hinausschieben zu können. Aber die Wendung, die die allgemeinen Angelegenheiten nahmen, und die Erfolge der österreichischen Waffen im Elsaß zwangen ihn, sich früher gegen die Königin von Ungarn zu erklären. Das Bündnis mit Preußen war das vorteilhafteste, was Frankreich damals begegnen konnte. Sein eigner Nutzen war der stärkste Ansporn zur Erfüllung der Verabredungen. Aber wer kann auf die Politik eines Hofes rechnen, der von Intrigen beherrscht und hin und her geworfen wird? Wer kann auf den Mut und die Tatkraft eines Heeres bauen, dessen Führer furchtsam und kraftlos sind?

Im Mai desselben Jahres kam Graf Tessin als schwedischer Abgesandter nach Berlin und hielt um die Prinzessin Ulrike von Preußen für den zum Thronfolger von<163> Schweden erwählten Herzog von Holstein an. Ihn begleitete die Blüte des Adels. Tessin besaß alle Eigenschaften, die zur Repräsentation nötig sind, Würde, ja selbst Beredsamkeit, aber einen leichtfertigen und oberflächlichen Geist. Die Hochzeit ward in Berlin mit großer Pracht gefeiert (17. Juli). Dem Prinzen August Wilhelm, des Königs Bruder, wurde die Prinzessin in Vertretung des schwedischen Thronfolgers angetraut. Man bemerkte bei diesen Festen mehr Pracht als bei den früheren. Die rechte Mitte zwischen Dürftigkeit und Verschwendung steht allen Fürsten wohl an. Aber während man bei Hofe tanzte und sich vergnügte, wurden die Zurüstungen zum Feldzuge getroffen, dessen Eröffnung dicht bevorstand.

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10. Kapitel

Feldzüge in Italien, in Flandern, am Rhein und endlich der Feldzug des Königs.

Der Feldzug in Italien begann im Monat April mit dem Übergang über den Tanaro und der Einnahme von Nizza und Villafranca. Über die weiteren Operationen konnten die französischen und spanischen Generale sich nicht einigen. Prinz Conti behauptete, die Wege, die von Nizza nach Piemont führten, seien unpassierbar und man müsse andre Straßen aufsuchen, um in das Land einzudringen. In dieser Absicht zieht er über den Col di Tenda, greift die savoyischen Truppen bei Montalban an, bewältigt ihre Verschanzungen so gut wie die Hindernisse der Natur, stürmt Castel Delfino und dringt in Piemont ein. Man muß gestehen, daß der Anfang dieses Feldzugs so glänzend ist, wie nur einer in diesem Kriege. Prinz Conti rückt vor; er belagert Cuneo. Um die Stadt zu entsetzen, zieht der König von Sardinien ihm entgegen. Conti schlägt ihn, aber die angeschwollenen Gewässer, der tapfere Widerstand der Belagerten und der Mangel an Lebensmitteln zwingen ihn zur Aufhebung der Belagerung und zum Rückzug nach Savoyen, nachdem er zuvor die Festungswerke von Demonte in die Luft gesprengt hat. Der Feldzug machte mehr dem Talent des Prinzen Ehre, als daß er Frankreich nutzte.

Fürst Lobkowitz, der im vollen Anzuge war, um den König von Neapel anzugreifen, wird durch die Erfolge des Prinzen Conti stutzig, wirft die Flinte ins Korn und zieht sich nach Monte Rotondo, von da nach Florenz zurück. Aber stets sind der In<165>fant Don Carlos und Graf Gages ihm auf den Fersen. Wir übergehen die kleinen Erfolge der Franzosen und Spanier über die Österreicher und wenden uns den Unternehmungen zur See zu.

Die französische und spanische Flotte gingen zu Anfang des Frühjahrs von Toulon aus in See und griffen die englische Flotte unter Admiral Mathews im Mittelmeer an165-1. Nach der Schlacht segelten die Franzosen und Spanier nach Cartagena, die Engländer nach Port-Mahon zurück. Das Treffen blieb jedenfalls unentschieden, da sich beide Teile zurückzogen. Immerhin erwarben sich der spanische Admiral Navarro und der französische Befehlshaber dabei viel Ehre. Der Versailler Hof freilich schickte den Admiral Court in Verbannung und bestrafte verschiedene Offiziere, die bei der Flotte gedient hatten, um seine Unzufriedenheit zu zeigen. Auch die Engländer stellten den Admiral Mathews vor ein Kriegsgericht und schickten den Vizeadmiral ins Gefängnis. Beide Teile waren also gleich unzufrieden über eine unentschiedene Schlacht, bei der die Franzosen und Engländer bloß Schande, die Spanier aber Ruhm ernteten.

Dieses Seetreffen war nur das Vorspiel der großen Schläge, die der Versailler Hof zu führen gedachte. Sein Hauptziel war, die Engländer zu nötigen, ihre in Flandern stehenden Truppen übers Meer zurückzurufen. Zu dem Zweck ging der Marschall von Sachsen noch vor Eröffnung des Feldzuges mit 10 000 Mann nach Dünkirchen. Auch der Sohn des Prätendenten, Karl Eduard165-2, langte dort an. Man traf Anstalten zu einer Landung. England erschrak und rief Hilfe herbei: 6 000 Holländer und 6 000 Engländer von Lord Stairs Truppen wurden nach England übergesetzt. Die Holländer, denen es an Kriegsschiffen fehlte, rüsteten Handelsschiffe aus und schickten sie ihren Bundesgenossen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Ja, der König von Großbritannien verlangte im ersten Schreck sogar das preußische Hilfskontingent. Der König erwiderte, er werde an der Spitze von 30 000 Mann nach der Insel übersetzen, sobald Seine Britische Majestät angegriffen würde. Diesen Sukkurs fand Georg zu stark und stand von seiner Forderung ab. Ein politisches Problem blieb es für Europa, den Zweck zu ergründen, den der Versailler Hof bei dieser Unternehmung verfolgte. Wollte er den Prinzen Karl Eduard auf den englischen Thron setzen, oder war es nur eine Demonstration, um die Truppen der Verbündeten in Flandern zu schwächen? Die bloßen Zurüstungen zu einer Landung brachten Frankreich zu Anfang des Feldzuges alle Vorteile einer wirklichen Diversion. Der Plan der Wiedereinsetzung des Prinzen Karl Eduard in England stammte vom Kardinal Tencin. Der verdankte seinen roten Hut dem Prätendenten, und um ihm seine Dankbarkeit zu beweisen, versuchte er alles mögliche, um dessen Sohn die englische Krone zu verschaffen. Die Unternehmung scheiterte infolge des widrigen Windes — die<166> übliche Ausrede aller Seeleute. Sicherlich aber wagte sich Roquefeuille, der Admiral der Flotte, angesichts einer ihm überlegenen Seemacht nicht über den Kanal.

Seit Ludwig XIV. hatten die französischen Truppen keinen König mehr an ihrer Spitze gesehen. Unglückliche Feldzüge hatten die Armee entmutigt. Man hielt die Gegenwart des Kriegsherrn für das einzige Mittel, den Trieb nach Ehre und Ruhm im Heere wieder anzuspornen. Eine Frau unternahm es aus Vaterlandsliebe, Ludwig XV. seinem Müßiggange zu entreißen und ihn zur Führung seiner Armeen ins Feld zu schicken. Sie brachte Frankreich ihre Herzensangelegenheiten und ihr Glück zum Opfer. Das war die Herzogin von Chateauroux. Sie sprach mit solchem Nachdruck, sie mahnte und drängte den König so lebhaft, daß er beschloß, nach Flandern zu gehen. Eine so hochherzige, ja heroische Tat verdient in den Annalen der Geschichte um so mehr einen Platz, als die früheren Mätressen ihr Ansehen bloß zum Verderben des Königreichs aufgewandt hatten. Ludwig XV. eröffnete den Feldzug in Flandern mit der Belagerung von Menin. Der Kommandant des Platzes, der wenig von seinem Handwerk verstand, kapitulierte nach geringem Widerstande. Gleich darauf gingen die Franzosen an die Belagerung von Ypern, das zwar besser verteidigt war, aber doch das gleiche Schicksal erfuhr. Die Belagerungskunst ist die eigentliche Stärke der Franzosen. Sie haben die geschicktesten Ingenieure Europas, und das zahlreiche schwere Geschütz, das sie bei ihren Operationen verwenden, sichert das Gelingen ihrer Unternehmungen. Brabant und Flandern sind der Schauplatz ihrer Erfolge, weil hier die ganze Kunst ihrer Ingenieure zur Geltung kommt. Die Menge der Kanäle und Flüsse erleichtert den Transport von Kriegsvorräten, und die Franzosen haben ihre Grenzen im Rücken. Sie sind erfolgreicher im Belagerungskriege als im offenen Felde.

Doch kehren wir zu den Verbündeten zurück, die wir auf eine Weile verließen. Die Truppen, die der König von England im Vorjahre befehligte, hatten, wie gesagt, in Brabant und in Westfalen überwintert. Die Armee des Prinzen von Lothringen hatte im Breisgau und in Bayern Winterquartiere bezogen. Im Elsaß kommandierte Marschall Coigny. Die Trümmer des kaiserlichen Heeres waren bei den Freunden des Kaisers verteilt, die Hauptmacht jedoch lag im Fürstentum Öttingen. Der Wiener Hof verlor in diesem Winter den Feldmarschall Khevenhüller. Die Königin von Ungarn ehrte sein Andenken durch einige Tränen. Feldmarschall Traun trat an seine Stelle und erhielt den Oberbefehl über die Hauptarmee, die nominell der Prinz von Lothringen, in Wirklichkeit aber Traun kommandierte. Da Prinz Karl von Lothringen in dieser Darstellung eine Hauptrolle spielen wird, so halten wir es nicht für ganz zwecklos, näher auf ihn einzugehen. Er war tapfer, bei den Truppen beliebt und beherrschte das Detail des Proviantwesens, war aber wohl zu nachgiebig gegen die Einflüsse seiner Günstlinge und liebte die Vergnügungen der Geselligkeit; auch sagte man ihm Unmäßigkeit im Trinken nach. Er vermählte sich zu Wien mit der Erzherzogin Marianne, der jüngeren Schwester der Königin. Er brachte seine junge<167> Gattin nach Brabant, wo er zum Statthalter ernannt war, und kehrte dann nach Wien zurück, um Befehle für den bevorstehenden Feldzug zu empfangen.

Die Absicht der Österreicher war, Lothringen zurückzuerobern und den Kaiser zur Abdankung zu zwingen; für dieses Opfer sollte er seine Erblande wiederbekommen. Das österreichische Heer zog sich bei Heilbronn zusammen und rückte von dort gegen Philippsburg vor, wohin Seckendorff sich mit den Trümmern der bayerischen Truppen geflüchtet hatte. Bei der Kunde vom Anrücken des Prinzen von Lothringen verstärkte Coigny die Kaiserlichen mit allen deutschen Regimentern, die in seinem Heere dienten. Alle Vorkehrungen des Prinzen von Lothringen verrieten die Absicht, über den Rhein zu setzen. Der Übergang war ihm erleichtert durch einen Vertrag, den der König von England soeben mit dem Kurfürsten von Mainz geschlossen hatte. Die offenkundige Parteilichkeit des Kurfürsten für den Wiener Hof167-1 und die Subsidien, die er von England erhielt, setzten es außer Zweifel, daß er trotz seiner Neutralität den Truppen der Königin den Übergang bei Mainz gestatten würde, falls dies verlangt werden sollte.

Die Österreicher, die ihr Glück schon im Geiste genossen, konnten es sich nicht versagen, hin und wieder einige Funken ihres Stolzes und ihrer Anmaßung sprühen zu lassen. Sie schlugen bei Mannheim eine Brücke über den Rhein und schalteten despotisch in der Pfalz. Der Kurfürst167-2 fühlte sich dadurch natürlich beleidigt. Das gab Anlaß zu scharfen Worten und endigte mit einer Botschaft des Prinzen von Lothringen an den Kurfürsten, worin er ihm bedeutete, wenn er seine Brücke bei Mannheim nicht augenblicklich zur Verfügung stellte, so würde man sie ihm mit Gewalt entreißen. Feldmarschall Traun entschuldigte sich beim Kurfürsten damit, ein langes Bankett, wo man wenig Enthaltsamkeit geübt hätte, wäre die Veranlassung gewesen, daß der Prinz von Lothringen sich in so wenig maßvoller Weise ausgedrückt hätte.

Unterdessen hatte Marschall Coigny sich in der Absicht, die Rheinufer von Mainz bis Fort Louis zu verteidigen, mit seiner Hauptmacht an den Ufern der Queich aufgestellt. Von da rückte er gegen Speyer an und schob seine Detachements bis Worms, ja bis Oppenheim vor. Dieser Vormarsch geschah, weil er erfahren hatte, daß Bernklau mit einer Abteilung des österreichischen Heeres nach Germersheim bei Freiburg gerückt sei. Bernklau ließ eine Brücke über einen Rheinarm bei Stockstadt schlagen, um die Franzosen irrezuführen und sie nach dieser Seite abzulenken. Zugleich machte der Prinz von Lothringen mit seinem Heere eine Bewegung, als wollte er mit seinem rechten Flügel über den Neckar gehen, um sich mit Bernklau zu vereinigen. Der allzu leichtgläubige Marschall Coigny ließ sich durch diese Demonstrationen täuschen und beging zwei Fehler auf einmal. Erstens ließ er Seckendorff über den Rhein gehen und trug ihm die Verteidigung des Flußabschnittes zwischen Speyer und Lauterburg auf, und zweitens marschierte er mit seinem Heere nach<168> Worms und Frankenthal. Er hätte leicht einsehen können, daß der Prinz von Lothringen entschlossen war, ins Elsaß einzudringen, und daß er sich aller Kriegslisten bedienen würde, um Coigny möglichst weit von dort zu entfernen. Zudem hätte der Marschall wissen müssen, daß dem Prinzen die Brücke bei Mainz offenstand, wogegen die französische Armee nichts ausrichten konnte.

Coignys Verteidigungsplan scheint in allen Stücken fehlerhaft gewesen zu sein. Sein Heer war in einzelne Korps zersplittert, und auch die hatten nicht einmal die richtigen Stellungen inne, von wo aus sie dem Feinde den Rheinübergang hätten streitig machen können. Nach Ansicht der Kenner mußte er sowohl die kaiserlichen wie die französischen Truppen zusammenziehen und sich zwischen der Queich und dem Speyerbach lagern, die Rheinufer von Fort Louis bis nach Philippsburg mit kleinen Detachements besetzen und durch seine Kavallerie rechtzeitig auskundschaften lassen, an welchem Orte der Feind Vorkehrungen zum Übergang träfe. Er mußte seine Truppen marschbereit halten und das erste österreichische Korps, das den Rhein überschritt, unverzüglich mit seiner ganzen Macht angreifen. Wäre Prinz Karl bei Mainz über den Rhein gegangen, so stand es Coigny noch immer frei, die Stellung an der Queich oder am Speyerbach einzunehmen, gegen die der Prinz keinen Angriff gewagt hätte und durch die außerdem sowohl das Unterelsaß wie Lothringen gedeckt gewesen wären. Aber der Marschall, dessen Heer schwächer war als das feindliche, und dem durch Verhaltungsbefehle die Hände gebunden waren, traf ganz andre Maßregeln.

Sobald der Prinz von Lothringen und Feldmarschall Traun von den falschen Schritten der Franzosen erfuhren, sandten sie Nadasdy mit allen Kähnen, die sie in der Stille zusammengebracht hatten, von ihrem linken Flügel ab, um bei dem Dorfe Schreck eine Brücke über den Fluß zu schlagen. Nadasdy ließ sogleich 2 000 Panduren unter dem Freischarenführer Trenck in Nachen über den Rhein setzen. Sie überrumpelten und schlugen ein Detachement von drei kaiserlichen Regimentern, das sich in unverzeihlicher Sorglosigkeit nicht im mindesten vor einem Überfall gesichert hatte. Nadasdy selbst war schon (am 1. Juli) mit 9 000 Husaren über den Rhein gegangen, während hinter ihm in aller Ruhe der Brückenbau vollendet wurde. Auf die Kunde von diesem Übergang vereinigte Seckendorff mit 20 000 Mann sich mit einem französischen Korps, das der junge Coigny befehligte, und eilte den drei erwähnten kaiserlichen Regimentern zu Hilfe, noch ehe der Fürst von Waldeck sein Lager bei Rettigheim abgebrochen hatte, um zu Nadasdy zu stoßen. Alle Offiziere beschworen Seckendorff, Nadasdy anzugreifen. Er hätte ihn leicht in den Rhein werfen und durch diesen einzigen Schlag alle Pläne des Prinzen von Lothringen vereiteln können. Aber Seckendorff war nicht dazu zu bewegen. Er ließ sich an einem leichten Scharmützel mit den Ungarn genügen, und als er erfuhr, daß Marschall Coigny sich auf Landau zurückgezogen habe, marschierte er über Germersheim, um sich schleunigst mit ihm zu vereinigen.

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Seit dem 2. Juli befand sich der Prinz von Lothringen im Besitz des Rheines von Schreck bis Mainz. Nadasdy und der Fürst von Waldeck standen schon am andern Ufer; Bernklau hatte bei Mainz ebenfalls den Fluß überschritten. Der Prinz von Lothringen brauchte drei Tage, um mit der Hauptarmee auf seinen Brücken hinüberzukommen. Kaum hatte er auf der andern Seite Fuß gefaßt, so schickte er schon ein Detachement ab, um Lauterburg zu nehmen und sich der dortigen Linien zu bemächtigen. Nadasdy stieß bis Weißenburg vor, besetzte es und stellte sich in den dortigen Linien auf. Bei dieser Gelegenheit machten die Österreicher 1 600 Gefangene. Nun merkte Coigny, wie wichtig es für ihn sei, das Unterelsaß vor dem Prinzen von Lothringen zu besetzen. Er kam ihm zuvor, ließ Weißenburg mit Sturmleitern ersteigen und trotz heftigen Widerstandes die Verschanzungen mit Gewalt einnehmen. Nadasdy, aus seiner Stellung vertrieben, zog sich zur Hauptarmee zurück, die bei Lauterburg lagerte und nicht den Mut hatte, Weißenburg anzugreifen, weil die Detachements Bernklau und Leopold Daun noch nicht eingetroffen waren. Coigny benutzte die Frist und das Hochwasser des Rheins, das die Vereinigung der feindlichen Korps verhinderte. Er ging über die Sauer, dann bei Hagenau über die Moder und lagerte bei Bischweiler.

Coignys Abzug brachte den Prinzen von Lothringen auf den Gedanken, Fort Louis, das sehr schlecht verproviantiert war, zu blockieren. Zu dem Zweck nahmen Nadasdy und Bernklau Stellung bei Wörth (12. Juli), Beinheim und auf den Inseln um Fort Louis. Doch das Hochwasser des Rheins rettete den Platz. Die Besatzung erhielt wieder Verbindung mit Straßburg, man verstärkte den Ort und versah ihn mit Lebensmitteln. Nach diesem Fehlschlage ließ der Prinz von Lothringen seine leichten Truppen gegen die Flügel der französischen Armee und in das Hagenauer Wäldchen vorgehen und hinderte dadurch die feindlichen Streifzüge jenseits der Moder. Marschall Coigny war über seine Lage sehr verlegen und berichtete sie dem Hofe. Ludwig XV. entschloß sich, zur Rettung des Elsaß mit 40 000 Mann Elitetruppen von seiner flandrischen Armee dem Marschall persönlich zu Hilfe zu eilen, und befahl ihm, sich inzwischen durchzulawieren und vor allem seine Truppen vollzählig zu erhalten. Das bestimmte Coigny, seine Maßnahmen zu ändern und sich auf keinen Kampf einzulassen. Nadasdy, jetzt durch reguläre Truppen verstärkt, fing an, sich gegen die Höhen von Reichshofen und Wasenburg auszudehnen, als hätte er die Absicht, das französische Lager bei Lichtenberg und Buchsweiler zu umgehen. Daraufhin zog Coigny sich über Brumath auf Straßburg zurück (31. Juli) und nahm Stellung am Kanal von Molsheim, verließ sie aber bald, um die Pässe bei Pfalzburg und Markirch zu gewinnen. Diese Bewegung machte er, um zu verhindern, daß der Prinz von Lothringen, der bei Brumath stand und Brücken über die Moder schlagen ließ, die Gebirgspässe besetzte, durch die das Heer des Königs kommen mußte, um sich mit ihm zu vereinigen.

Der König von Frankreich traf am 4. August in Metz ein. Dort erwartete er die flandrischen Truppen, um an ihrer Spitze die Armee des Prinzen von Lothringen an<170>zugreifen und sie, wenn möglich, zu vernichten. Der König von Preußen hatte den Feldmarschall Schmettau170-1 zu Ludwig XV. gesandt, sowohl um über die Bewegungen des französischen Heeres unterrichtet zu werden, wie um den König von Frankreich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen anzutreiben, nämlich die Truppen der Königin, wenn sie über den Rhein zurückgingen, zu verfolgen und bis nach Bayern zu treiben. Schmettau meldete dem allerchristlichsten König, der König von Preußen werde am 17. August ins Feld rücken170-2 und wolle bei seiner Diversion zur Rettung des Elsaß 100 000 Mann anwenden. Der Feldmarschall setzte alle Hebel in Bewegung, um den französischen Heeren mehr Leben und Tatkraft einzuflößen, und vielleicht wäre ihm das auch geglückt, wäre Ludwig XV. in Metz nicht erkrankt. Es fing mit Kopfschmerzen an, die seine Ärzte und Wundärzte einem Geschwür im Gehirn zuschrieben. Sie erklärten das Leiden für unheilbar. Sofort umgab man den König mit Beichtvätern, Priestern und dem ganzen Apparat, dessen sich die römische Kirche bedient, um den Sterbenden ins Jenseits zu verhelfen. Der Bischof von Soissons, ein blöder Fanatiker, verkaufte seinem Herrn seine Öle und Sakramente um den Preis der Herzogin von Chateauroux, die er zum Opfer bringen mußte. Sie mußte Metz verlassen und erhielt den strengsten Befehl, nie wieder vor dem König zu erscheinen. Aber weder die letzte Ölung noch die Sakramente retteten ihm das Leben. Ein ganz gemeiner Wundarzt erschien und versicherte, er würde den König kurieren, wenn man ihm freie Hand ließe. Ein Nebenbuhler trat nicht auf, und durch ein kräftiges Brechmittel genas der König von seiner Krankheit, die nur eine Verdauungsstörung war. Die Hofärzte verloren ihren Kredit, aber die allgemeinen Angelegenheiten litten noch größeren Schaden.

Während der Krankheit des Königs war der Herzog von Harcourt in Pfalzburg eingetroffen. Nadasdy hatte bereits Zabern eingenommen und schickte sich an, durch die vom Herzog besetzten Pässe zu dringen. Doch umsonst! Der Herzog harrte, obwohl mehrfach angegriffen, bis zum 16. aus, wo die Hilfstruppen aus Flandern zur Armee stießen. Der Prinz von Lothringen hatte schon Befehl zum Rückzuge erhalten. Er traf bereits seine Maßregeln, und es hing nur vom Marschall Noailles ab, die Lage auszunutzen. Allein seine übertriebene Vorsicht verdarb alles. Umsonst gab Schmettau sich die größte Mühe, ihn anzufeuern. Was hätte Frankreich denn auch dabei gewagt? Selbst wenn Noailles geschlagen wurde, mußten die Truppen der Königin trotzdem das Elsaß räumen. Siegten die Franzosen aber, so vernichteten sie das österreichische Heer. Denn bei lebhafter Verfolgung wären die Österreicher, statt über die Rheinbrücken zurückzukehren, im Strome ertrunken. Nun (13. August) rückten die Franzosen und Bayern langsam auf Hochfelden, wohin sich Nadasdy schon zurückgezogen hatte. Noailles sandte drei Detachements an die Mo<171>der und erfuhr durch Löwendahl, der auf Drusenheim marschiert war, daß die Österreicher ihr Lager bei Brumath verlassen hätten und sich ihren Brücken bei Beinheim näherten. Jetzt wurde Graf Belle-Isle von Suffelnheim mit einem Korps vorgeschickt. Die Franzosen überschritten die Moder und verfolgten die Österreicher. Belle-Isle zwang den Feind, das Dorf Suffelnheim mit Verlust zu räumen (23. August), und Noailles trat den Vormarsch an, um sich mit Löwendahl zu vereinigen. Noch am selben Abend griffen die französischen Grenadiere das Dorf Achenheim an, das von österreichischen Grenadieren und ungarischen Truppen verteidigt wurde, und nahmen es ein, hielten sich dann aber mit überflüssigen Förmlichkeiten auf, sodaß der Prinz von Lothringen diese Frist benutzen konnte, um auf seinen Beinheimer Brücken über den Rhein zurückzugehen und die Brücken noch vor Morgengrauen abzubrechen. Die Franzosen machten viel Aufhebens von diesem Gefecht, aber das war nur Prahlerei. Der beiderseitige Verlust betrug keine 600 Mann, und der Prinz von Lothringen setzte ungestört seinen Marsch durch Schwaben und die Oberpfalz fort, um danach in Böhmen einzudringen. Schmettau, der dem König attachiert war, geriet in Verzweiflung über die Schlaffheit der Franzosen. Er reichte dem König Denkschriften ein, bestürmte die Minister, schrieb an die Marschälle. Aber eher hätte er Berge versetzt, als diese Nation aus ihrer Trägheit aufgerüttelt.

Der entscheidende Augenblick, wo die Franzosen das Heer der Königin hätten vernichten können, war ungenutzt verstrichen. Schmettau versuchte die Marschälle wenigstens von der geplanten Belagerung Freiburgs abzubringen. Auch das war umsonst. Er erreichte weiter nichts, als daß man ihm einige deutsche Truppen zur Verstärkung der Kaiserlichen versprach, mit deren Unterstützung Seckendorff die Österreicher aus Bayern vertreiben sollte. Diese Truppen sollten im Frühjahr 1745 auf 60 000 Mann gebracht werden. So verstießen die Franzosen gleich im Anfang ihres Bündnisses mit den Preußen gegen die beiden Hauptartikel ihres Vertrages. Sie ließen den Prinzen von Lothringen unverfolgt entkommen, und das Heer, das Westfalen besetzen sollte, erschien überhaupt nicht. Inzwischen rückte Seckendorff mit schwerfälligen, abgemessenen Schritten auf den Lech zu, und Ludwig XV. begann mit 70 000 Franzosen die Belagerung von Freiburg, eroberte es am Ende des Feldzuges und ließ die Festungswerke schleifen.

Die Erfolge des Prinzen von Lothringen im Elsaß zwangen den König von Preußen zur vorzeitigen Eröffnung seines Feldzuges. War doch zu befürchten, daß die Franzosen unter dem Drucke der österreichischen Erfolge auf alle Bedingungen eingingen, die der übermütige Sieger ihnen diktierte. Dann aber stand es außer Zweifel, daß die Königin mit allen Kräften zur Wiedereroberung Schlesiens schreiten würde.

Aber auch die politischen Maßnahmen, die der Berliner Hof plante, waren von ihrer Verwirklichung noch weit entfernt. Graf Bestushew hatte seine Stellung durch La Chétardies Ausweisung aus Rußland befestigt. Er beredete die Kaiserin Elisabeth, sich in Moskau krönen zu lassen und dann eine Wallfahrt nach Kiew zu Ehren<172> irgend eines Heiligen zu machen. Die Kaiserin hatte Günstlinge; Bestushew wollte ihnen Nebenbuhler erwecken. In Troizkoi war ein für seine Manneskraft berühmter Archimandrit. Bestushew fand Mittel und Wege, den Mönch mit einer Kammerfrau Elisabeths zusammenzubringen. Die verriet der Kaiserin ihre prächtige Entdeckung und die fabelhaften Liebesbeweise, die der Archimandrit zu geben vermochte. Elisabeth wollte diese Wunder am eignen Leibe erfahren und ließ sich den Archimandriten vorstellen. Weder sein langer, abstoßender Bart, noch seine krausen Haare und sein Bocksgeruch schreckten sie ab. Sie gab sich ihm hin und fand, daß seine Leistungen seinen Ruf noch übertrafen. Durch diese neue Liebschaft wurde die Kaiserin ihrem Hofe entzogen, und die Staatsgeschäfte wurden verschleppt. Sie lebte und atmete nur noch in der Anbetung des neuen Herkules. Das war der Triumph des Ministers. Alsbald erging Befehl, daß alle, die mit Rußland zu verhandeln hätten, sich künftig nicht an die Kaiserin, sondern an ihren Minister wenden sollten. Bestushew verdiente dabei viel Geld, und Mardefeld bemerkte mit Kummer, daß die englischen Guineen bei dem russischen Minister stärker zu wirken begannen als die preußischen Taler. Bei allen Projekten muß man mit dem Ungefähr zufrieden sein. Das Bündnis mit Rußland war zwar nicht so, wie man es hätte wünschen können. Wenn der Krieg aber mit Nachdruck geführt wurde, so konnte der König auf seine Beendigung hoffen, bevor Rußland, das in seinen Entschlüssen langsam war, eine seinen Unternehmungen hinderliche Entscheidung getroffen hatte.

Nachstehend die allgemeine Disposition zum Einmarsch in Böhmen, der die Königin zur Rückberufung ihrer Truppen aus dem Elsaß zwingen sollte. Die preußische Hauptarmee sollte in drei Kolonnen in Böhmen einmarschieren. Die erste, unter Führung des Königs, sollte am linken Elbufer bis Prag vordringen, die zweite unter dem Befehl des Erbprinzen Leopold durch die Lausitz ziehen, die Elbe zur Rechten behalten und zur gleichen Zeit bei Prag eintreffen. Beide Kolonnen deckten die Artillerie und den Proviant für drei Monate, der auf der Elbe eingeschifft und nach Leitmeritz beordert war. Mit einer dritten Kolonne sollte Feldmarschall Schwerin aus Schlesien über Braunau in Böhmen einrücken und sich mit dem übrigen Heere zur Einschließung Prags vereinigen. Außerdem deckte der alte Fürst von Anhalt mit 17 000 Mann die Kurmark, und Marwitz sollte mit 22 000 Mann Oberschlesien verteidigen.

Der Kaiser hatte den König von Polen durch ein Requisitionsschreiben aufgefordert, den kaiserlichen Hilfstruppen aus Preußen freien Durchzug durch sein Kurfürstentum Sachsen zum Einmarsch in Böhmen zu gestatten. August III. war zu jener Zeit in Warschau. Das kaiserliche Schreiben wurde seinen Ministern, die in seiner Abwesenheit Sachsen regierten, durch Winterfeldt ausgehändigt, denselben, der die Unterhandlungen in Petersburg geführt und sich im Ersten Schlesischen Kriege so hervorgetan hatte172-1. Die Sachsen waren über die Anforderung verblüfft. Sie wollten<173> Zeit gewinnen, aber die Preußen waren schon auf ihrem Gebiete. Sie protestierten und zeterten umsonst gegen ein Vorgehen, das nur den Zweck hatte, die schmachvolle Unterdrückung und Absetzung des Reichsoberhauptes zu verhüten.

Der Dresdener Hof jammerte, der Warschauer tobte, der Londoner sah, daß man ihm vorgegriffen hatte, und der Wiener erbebte. Indessen rückte der König stracks auf Pirna, wo die magdeburgischen Regimenter, die über Leipzig marschiert waren, zu ihm stießen. Ganz Sachsen war in Aufregung. Die sächsischen Truppen versammelten sich tropfenweise bei Dresden, das man in aller Eile zu befestigen suchte. Selbst die Handwerker mußten bei den Verschanzungen der Neustadt helfen. Die sächsischen Minister wollten Stolz zeigen, waren aber zugleich voller Furcht. Einerseits bewilligten sie zu viel, und andrerseits verweigerten sie hartnäckig Kleinigkeiten. Hätte der König das Land erobern wollen, so wäre das in acht Tagen geschehen. Schließlich gaben sie Lebensmittel her, liehen Schiffe zum Übersetzen über die Elbe und ließen die Proviantflotte ungestört durch Dresden fahren. Aber die Besatzung der Hauptstadt wurde verdoppelt, die Geschütze in Stellung gebracht, die Tore geschlossen und verrammelt und den preußischen Offizieren der Eintritt verwehrt. Das Benehmen der Sachsen verriet deutlich ihre Feindseligkeit. Sie waren gefährliche Nachbarn, und man mußte gewärtigen, daß sie sich alle Mißerfolge der Preußen in diesem Feldzuge zunutze machen würden. Immerhin traute man ihnen nicht zu, daß sie sich für die Königin von Ungarn völlig aufopfern würden, zumal das Korps unter dem Befehl des alten Fürsten von Anhalt ihnen ein klügeres Verhalten einflößen mußte.

Dem Einmarsche der Preußen ging ein Manifest vorauf. Es enthielt im wesentlichen eine Darstellung der Beweggründe der Frankfurter Union, die zwischen dem Kaiser, Preußen, dem Kurfürsten von der Pfalz und dem Landgrafen von Hessen zur Aufrechterhaltung der Reichsverfassung, der deutschen Freiheit und zur Beschützung des Reichsoberhauptes geschlossen war173-1. Zugleich wurden in Böhmen Proklamationen verteilt, worin man die Einwohner warnte, sich irgendwie gegen die Hilfstruppen des Kaisers zu vergehen, den sie fortan als ihren rechtmäßigen Herrscher zu betrachten hätten.

Am 23. August kam der König an der böhmischen Grenze an. Vier Husarenregimenter und vier Bataillone marschierten der Armee einen Tag voraus, um die nötigen Lebensmittel beizutreiben. Markgraf Karl173-2, der das zweite Treffen befehligte, bezog das Lager, das der König verlassen hatte. Kein Feind widersetzte sich den Operationen des Heeres. Die kleine Proviantflotte fand bei ihrem Eindringen in Böhmen zuerst Widerstand. Sie mußte den Fuß eines Felsens umfahren, auf dem das Schloß Tetschen liegt. Die feindliche Besatzung wälzte große Steine in die Elbe und legte überdies ein Pfahlwerk an, um die Durchfahrt unmöglich zu machen.<174> General Bonin wurde mit einigen Truppen detachiert. Er griff den Feind an und nahm einen ungarischen Hauptmann mit 70 Mann gefangen. Der Strom wurde schleunigst wieder schiffbar gemacht. Der kleine Zwischenfall verzögerte den Marsch um zwei Tage. Die Zietenhusaren überrumpelten feindliche Truppen bei dem Flecken Muncifay. 300 Mann wurden niedergehauen und 50 gefangen genommen. Durch ihre Aussagen erfuhr man, daß Batthyany mit 12 000 Mann aus Bayern gegen die Beraun anrückte, ferner, daß er 3 000 Mann nach Prag geworfen hätte, zu denen ein Korps von 12 000 Mann Miliz gestoßen sei.

Der König langte am 2. September mit seinem ganzen Heere vor Prag an und bezog sein Lager beim Kloster St. Maria de Victoria. Feldmarschall Schwerin und Erbprinz Leopold berannten die Neustadt. Es dauerte acht Tage, bis das schwere Geschütz und die Lebensmittel aus Leitmeritz anlangten. In diesen Ort wurde ein Bataillon zur Deckung der Magazine gelegt, die man aus Mangel an Pferden nicht weiterschaffen konnte. Die Moldau, die sich bei Melnik in die Elbe ergießt, ist nämlich nicht schiffbar. Mittlerweile wurden alle Vorbereitungen zur Belagerung getroffen.

Inzwischen erfuhr man durch Spione, daß Batthyany ein großes Magazin in Beraun anlegte. Husaren, die man zur Erkundung der nach Beraun führenden Wege abschickte, bestätigten die Meldung. Es verlockte den König, das Magazin fortzunehmen. Zu dem Zweck schickte er General Hacke mit fünf Bataillonen und 600 Husaren nach Beraun. Aber trotz aller Sorgfalt, die Unternehmung geheimzuhalten, bekam Batthyany Wind davon und sandte Verstärkungen ab. Als Hacke über die Berauner Brücke gegangen war und das Stadttor gesprengt hatte, sah er zwei starke Kavallerieabteilungen rechts und links durch den Fluß setzen und seine Flanken bedrohen. Sofort gab er den Angriff auf und zog sich auf die Höhen zurück, wo er mit seiner Infanterie ein Karree formierte. Er wurde von der feindlichen Reiterei und einer starken ungarischen Infanterieabteilung heftig angegriffen, doch gelang es ihm, eine Meldung über seine schlimme Lage ins preußische Lager vor Prag zu senden. Auf die Nachricht hin eilte der König ihm mit 80 Schwadronen und 16 Bataillonen zu Hilfe. Aber Hacke hatte den Feind schon tapfer zurückgeschlagen und sich aus der Bedrängnis befreit. So mißlang der Handstreich gegen Beraun, und Batthyany ließ sein Magazin schleunigst nach Pilsen schaffen. Zweifellos hätte der König den Angriff auf Beraun wiederholen, Batthyany aus Pilsen vertreiben und ihm sein Magazin wegnehmen müssen. Dadurch hätte das österreichische Heer die Lebensmittel verloren, die Batthyany inzwischen zusammengebracht hatte. Der Prinz von Lothringen wäre nach Oberösterreich zurückgetrieben und der Feldzug siegreich beschlossen worden, indem man im Besitz von Böhmen blieb. Aber das Proviantwesen war beim preußischen Heere schlecht verwaltet. Es fehlten Männer wie Séchelles174-1.

<175>

Am 10. abends wurden die Laufgräben vor Prag an drei verschiedenen Stellen eröffnet: auf dem Lorenzberge, bei Bubenetsch gegenüber der Mühle an der unteren Moldau und auf dem Ziskaberge. Graf Truchseß befehligte die erste Angriffslinie, Markgraf Karl die zweite, Feldmarschall Schwerin die dritte. Die erste Nacht verlief ohne Verluste. Tags darauf griff Feldmarschall Schwerin die Ziskaschanze an und erstürmte sie nach kurzem Bombardement. Gleich darauf eroberte er zwei kleine dahinterliegende Schanzen, die sogenannten Schwalbennester, die von den Franzosen angelegt waren (12. September). Der König befand sich gerade im Laufgraben von Bubenetsch. Er trat mit vielen Offizieren heraus, um den Angriff auf den Ziskaberg zu beobachten. Die Feinde erblicken den großen Menschenhaufen und feuerten darauf. Ein unglücklicher Schuß tötete den Prinzen Wilhelm, den Bruder des Markgrafen Karl, denselben, der bei Mollwitz so tapfer für den Ruhm seines Vaterlandes gefochten hatte. Nun schob man die Batterien unverzüglich vor, sodaß sie in den Hauptwall zwischen den Bastionen Nikolaus und Peter eine Bresche schossen. Am 15. setzten die Batterien des Markgrafen Karl durch ihr heftiges Bombardement die Mühle am Wasser in Brand und zerstörten die Schleusen der Moldau. Der Wasserstand wurde dadurch so niedrig, daß man den Fluß überall durchwaten und die Stadt erstürmen konnte, da auf dieser Seite ein großes Stück ohne Wall und Mauern war. Der Kommandant Harsch begann an der Verteidigung Prags zu verzweifeln. Am 16. frühmorgens sah er eine starke Grenadierabteilung nach Bubenetsch marschieren. Er wußte, das war das Vorspiel der Erstürmung, bat um Kapitulation und ergab sich mit seiner Besatzung von 12 000 Mann. Die ganze Belagerung hatte nur acht Tage gedauert. Sie kostete den Belagerern 40 Tote und 80 Verwundete. Am selben Tage wurden die Tore geöffnet und die Besatzung nach Schlesien abgeführt, wo sie auf die Festungen verteilt ward.

Die Eroberung Prags war ein glänzender Anfang des Feldzuges. Man durfte annehmen, daß dies Ereignis Eindruck auf die Sachsen machen und daß sie nun weniger denn je die Partei der Königin von Ungarn ergreifen würden. Man konnte voraussetzen, daß sie ihr Kurfürstentum nicht von Truppen entblößen und es dadurch dem Fürsten von Anhalt ausliefern würden. War Leipzig, der Hauptsitz ihres Handels, in seiner Gewalt, so konnte er den Nerv ihres Staates und die Quelle ihres Kredits zugrunde richten. Doch das englische Gold siegte in Dresden über die wahren Interessen des Landes.

Die preußische Armee hatte jetzt die Wahl zwischen zwei Operationen. Die eine, die auch in den Augen des Königs den Vorzug verdiente, bestand darin, über die Beraun zu gehen, Batthyany aus Böhmen zu vertreiben und sich der Stadt Pilsen mit ihrem beträchtlichen Magazin für das Heer des Prinzen von Lothringen zu bemächtigen und dann bis zu den Pässen von Cham und Furth vorzudringen, die den Österreichern den Einmarsch nach Böhmen von der Oberpfalz her gestatteten. Allerdings konnte der Prinz von Lothringen sich auf Eger werfen, wo die Sachsen zu ihm gestoßen<176> wären, konnte am Egerfluß entlang marschieren, auf dem Wege, den der Marschall Belle-Isle bei seinem Rückzuge aus Prag eingeschlagen hatte. Aber wo wären die Lebensmittel für die österreichische Armee hergekommen? Die Markgrafschaft Bayreuth war arm und unfruchtbar. Wer hätte inzwischen Österreich verteidigt, das Marwitz ganz allein hätte erobern können, da er nirgends auf Widerstand stieß? Zweifellos hätte man diesen Plan ausführen sollen. Allein der Kaiser, der König von Frankreich und besonders Marschall Belle-Isle bestanden darauf, daß die Preußen sich nach Tabor, Budweis und Neuhaus wenden sollten, um eine Verbindung mit Bayern herzustellen und den Prinzen von Lothringen in Sorge um Österreich zu versetzen. Ja, Marschall Belle-Isle behauptete steif und fest, nur weil man es unterlassen hätte, jene Orte zu besetzen, hätten die Franzosen und Bayern im Jahre 1741 so viel Unglück gehabt. Allein, was unter gewissen Umständen gut war, ist unter veränderten Verhältnissen noch lange nicht das Rechte. Ohne Zweifel waren jene Orte im Jahre 1741 für die Verbündeten notwendig, weil sie damals noch Bayern und Oberösterreich besaßen. Jetzt aber, im Jahre 1744, waren nur Österreicher in diesen Ländern. Außerdem machte man es durch einen weiten Vorstoß des preußischen Heeres von seinen Landesgrenzen den Sachsen leicht, sich mit dem Prinzen von Lothringen zu vereinigen oder sogar etwas gegen Prag zu unternehmen. Das klügste wäre gewesen, sich nicht zu weit von Prag zu entfernen, hier, sowie in Pardubitz und andern Orten Magazine anzulegen und den Anmarsch des Feindes ruhig abzuwarten. Der König zeigte in diesem kritischen Augenblick zuviel Schwäche. Aus Nachgiebigkeit gegen seine Verbündeten bequemte er sich zu sehr ihren Meinungen an. Auch fürchtete er beim Verweilen in Prag den Vorwurf, daß er auf nichts andres bedacht sei als auf die drei ihm versprochenen Kreise. So unternahm er denn den unglücklichen Zug, dessen Ausführung ebenso fehlerhaft war wie seine allgemeine Anlage. Es wurde versäumt, das Mehl von Leitmeritz nach Prag zu schaffen. Das schwere Geschütz, das zur Belagerung von Prag gedient hatte, wurde nicht nach Schlesien zurückgeschickt, und schließlich ließ man in der umfangreichen Stadt nur sechs Bataillone Besatzung, die sie nicht zur Hälfte verteidigen konnten.

Geht man am rechten Ufer der Moldau flußaufwärts und läßt Prag hinter sich, so kommt man durch ein gebirgiges, unwegsames Land, das ebenso dünn besiedelt wie unfruchtbar ist. Rückt man elf Meilen gegen Osten vor, so gelangt man nach dem Felsennest Tabor. Es wurde im 15. Jahrhundert von dem berühmten hussi-tischen Räuberhauptmann erbaut, der sein Vaterland verteidigte und zugleich verwüstete. In jenen fernen Zeiten galt Tabor für uneinnehmbar. Jetzt könnte es bequem gestürmt werden. Es liegt freilich vorteilhaft, ist aber klein, nur von einer schlechten Mauer umgeben. Wendet man sich von da gegen Süden, so kommt man an die Luschnitz, einen überall durchwatbaren Fluß, dessen Ufer aber an vielen Stellen steil sind. Nach Überschreitung der Luschnitz muß man drei Meilen weit durch Wälder und Felsen ziehen. Danach kommt man in eine fruchtbare Ebene und gelangt nach <177>zwei Meilen nach Budweis an der Moldau. Die Stadt ist nur mit Erdschanzen und einem damals noch unfertigen Walle befestigt. Gegenüber von Budweis, dreiviertel Meilen südlich, am anderen Ufer der Moldau, liegt auf der Spitze eines Hügels das Schloß Frauenberg, berühmt wegen der sechsmonatigen Belagerung, die die Franzosen dort aushielten. So war das Land beschaffen, wo die preußische Armee operieren sollte.

Da sich die Sachsen noch für keine Partei erklärt hatten, so brach die Armee am 17. September nach Kunratitz auf. Von da rücke General Nassau mit der Avantgarde, 10 Bataillonen und 40 Schwadronen, voraus. Die Armee selbst wurde in zwei Kolonnen geteilt. Die rechte unter dem Erbprinzen Leopold zog an der Moldau entlang und mußte sich erst Wege bahnen. Die linke unter dem Feldmarschall Schwerin marschierte auf der Straße von Prag nach Tabor Schritt für Schritt hinter der Avantgarde. Außerdem war angeordnet, daß beide Kolonnen zwischen ihren Standorten höchstens einen Zwischenraum von einer halben deutschen Meile lassen sollten. Hinter der linken Kolonne folgte General Posadowsky mit 1 500 Mann zur Bedeckung der Mehlwagen.

Tabor, Budweis und Frauenberg ergaben sich dem General Nassau fast ohne Widerstand. Die Armee traf am 26. in Tabor ein, wo die Kolonnen wieder zusammenstießen. Posadowsky brachte aber nur die Hälfte seiner Proviantwagen mit, d. h. nur für vierzehn Tage Mehl. Die Pferde und Ochsen des Transports waren so vernachlässigt worden, daß die Hälfte verendet war, obwohl man auf dem ganzen Marsche keinen Feind erblickt hatte. Das war die Quelle alles späteren Unglücks. Kaum war die Armee zwei Tagemärsche von Prag entfernt, so schickte Batthyany einige tausend Kroaten und Husaren nach Beraun und nach Königssaal, zwei Meilen oberhalb von Prag, an der Mündung der Beraun in die Moldau. Diese leichten Truppen fingen alle Lieferungen, die das platte Land machen sollte, auf und schnitten alle Verbindungen ab, sodaß die preußische Armee vier Wochen lang keine Nachrichten von Prag und von den Vorgängen im übrigen Europa erhielt. Zwei für den König bestimmte Postsäcke wurden aufgehoben. Infolgedessen erfuhr er weder von dem Marsche der Sachsen noch von dem Verbleib der Armee des Prinzen von Lothringen.

Es muß seltsam erscheinen, daß ein so starkes Heer wie das preußische weder imstande war, das platte Land in Respekt zu halten und zu den nötigen Lieferungen zu zwingen, noch sich mit Lebensmitteln zu versehen und eine genügende Zahl von Spionen zu halten, die es von der geringsten Bewegung der Feinde unterrichteten. Doch man muß sich klarmachen, daß in Böhmen der hohe Adel, die Priester und Amtmänner dem Hause Österreich sehr zugetan sind, daß religiöse Vorurteile dem ebenso dummen wie abergläubischen Volke eine unüberwindliche Abneigung gegen die Preußen einflößten und daß der Wiener Hof den sämtlich leibeigenen Bauern befohlen hatte, ihre Hütten beim Anmarsch der Preußen zu verlassen, ihr Getreide zu vergraben und sich in die benachbarten Wälder zu flüchten. Auch war ihnen Ersatz<178> für allen von den Preußen angerichteten Schaden versprochen. Die Armee fand also auf ihrem Wege nichts als Wüsteneien und leere Dörfer. Niemand brachte Lebensmittel zum Verkauf ins Lager. Das Volk fürchtete die harten Strafen der Österreicher und ließ sich durch kein Geld überreden. Die Not wuchs noch, als die Österreicher ein Korps von 10 000 Husaren aus Ungarn heranzogen, das den Preußen in diesem nur aus Morästen, Wäldern, Bergen und allen möglichen Defileen bestehenden Lande jegliche Verbindung abschnitt. Bei seiner Überlegenheit an leichten Truppen hatte der Feind ferner den Vorteil, alles, was im Lager des Königs vorging, zu erfahren, während die Preußen keine Streifkorps auszuschicken wagten, da sie dieselben bei ihrer geringen Stärke für verloren ansehen mußten. So war denn das Heer des Königs, das stets nach römischer Art verschanzt stand, auf den Umkreis seines Lagers beschränkt.

Als zu all diesem Ungemach auch noch der Mangel an Lebensmitteln trat, mußten die Preußen auf dem Wege, den sie gekommen waren, wieder zurückkehren. Feldmarschall Schwerin war dafür, auf Neuhaus zu rücken, um die Besorgnis des Feindes wegen Österreichs zu vermehren. Erbprinz Leopold jedoch bestand darauf, nach Budweis zu marschieren, das General Nassau besetzt hielt. Inzwischen brachte ein Spion die Meldung, daß die Armee des Prinzen von Lothringen bei Protiwin stände. Das gab den Ausschlag. Das preußische Heer ging über die Moldau zurück und lagerte sich auf den Höhen von Wodnian. Kaum aber war es hier angelangt, so stellte sich heraus, daß die erwähnte Meldung falsch gewesen war. Hieraus entstand ein Zerwürfnis zwischen Schwerin und dem Erbprinzen Leopold. Der König mußte oft mit seiner ganzen Autorität dahin wirken, daß die Eifersucht der beiden Feldmarschälle nicht zur Schädigung der allgemeinen Interessen führte.

Oberstleutnant Janus von den Dieuryschen Husaren sollte die Lieferungen des Landvolks in der Gegend von Tabor beitreiben. Das Bedürfnis war um so dringender, als die Mehlvorräte des Heeres zu Ende gingen. Janus rückte mit 200 Husaren in ein Dorf Mühlhausen am Ufer der Moldau. Der Feind bekam Nachricht davon und überfiel ihn mit einer starken Husarenabteilung. Er aber als tapferer Mann zog den Tod der Niederlage vor. Sein ganzes Häuflein wurde zersprengt (4. Oktober). Nadasdy schlug bei Mühlhausen Brücken und rückte geradewegs auf Tabor vor. Aber Prinz Heinrich, des Königs Bruder, der dort krank lag, und Oberst Kalnein, der Kommandant des Ortes, zeigten ihm handgreiflich, daß man eine von den Preußen verteidigte Stadt mit leichter Reiterei nicht einnehmen kann.

Inzwischen traf die Meldung ein, der Prinz von Lothringen hätte ein befestigtes Lager hinter der Wottawa, zwei Meilen von Pisek, bezogen, die Sachsen wären zu ihm gestoßen und er beabsichtige, im Rücken der Preußen über die Moldau zu gehen, um sie von der Sazawa und folglich auch von Prag abzuschneiden. Der Mangel an Lebensmitteln, die Hindernisse, die Nadasdy ihrer Beitreibung in den Weg legte, und die Möglichkeit, daß die Österreicher die erwähnte Bewegung ausführten, bestimmten die Preußen, sich Tabor zu nähern. Sie gingen am 8. Oktober auf der Brücke<179> bei Thein über die Moldau. Die Arrieregarde wurde von Panduren und Husaren lebhaft beunruhigt, setzte ihren Marsch jedoch fort. Der brave Husarenoberst Ruesch nahm ein ganzes Bataillon Dalmatier gefangen, das sich zu weit vorgewagt hatte, und schlug ein ihm weit überlegenes feindliches Korps, wonach er wieder zur Armee stieß. Der König bezog wieder das Lager bei Tabor, um dem nach Neuhaus detachierten General Du Moulin Zeit zu geben, sich mit dem Gros zu vereinigen.

Die Österreicher waren so sicher, die preußische Armee von Prag abschneiden zu können, daß sie schon in Beneschau, ja selbst im Chrudimer Kreise Magazine anlegen ließen. Zu spät bereute es nun der König, keine stärkere Besatzung in Prag zurückgelassen zu haben. Der Plan, zwischen Tabor, Neuhaus, Budweis und Frauenberg Winterquartiere zu beziehen, war verkehrt. Zwischen diesen Orten und Prag gab es keine mit Mauern versehene Stadt, die zur Aufrechterhaltung der Verbindung mit der Hauptstadt dienen konnte. Die Moldau war überall zu durchwaten und ihr linkes Ufer mit undurchdringlichen Waldungen bedeckt, aus denen die leichten Truppen der Österreicher die preußischen Winterquartiere unaufhörlich beunruhigen konnten. Hätte es nur nicht an Lebensmitteln gefehlt, so konnte sich der König wenigstens zwischen der Sazawa und der Luschnitz behaupten. Aber Nahrungsmangel ist im Kriege das stärkste Argument, und da die Gefahr, Prag zu verlieren, groß war, sobald man sich nach der Sazawa und Luschnitz wandte, sah sich die preußische Armee zur Umkehr gezwungen.

Noch war der König unschlüssig, ob er die Stellung bei Budweis und Tabor halten oder räumen sollte. Allerdings war zu befürchten, daß der Feind jene beiden Städte mit Gewalt einnehmen würde. Andrerseits war zu bedenken, daß 300 Kranke und Verwundete in Tabor hatten zurückbleiben müssen, weil es an Fuhrwerk zu ihrer Fortschaffung fehlte. Man wollte die braven Leute nicht ganz aufgeben. Es wurde also beschlossen, in beiden Städten eine Besatzung zurückzulassen. Da seit der Vereinigung der Österreicher mit den Sachsen eine Schlacht wahrscheinlich war, so hoffte man, sie würden sich nach einer Niederlage bis nach Pilsen zurückziehen müssen, wenn sie Budweis und Tabor besetzt fänden. Eine grundfalsche Rechnung! In kritischen Augenblicken ist es besser, 300 Kranke preiszugeben, als einige tausend Menschen in Städten ohne hinreichende Verteidigungseinrichtungen aufs Spiel zu setzen. Im Gegenteil, wenn man eine Schlacht zu liefern beabsichtigte, mußte man alle Streitkräfte zusammenziehen, um den Feind sicherer schlagen zu können. Auch hätten jene beiden elenden Nester den Prinzen von Lothringen wohl nicht gehindert, seinen Rückzug dahin einzuschlagen, wo es ihm am richtigsten schien. Aber, so sagte man sich, Feldmarschall Seckendorff ist schon in Bayern angelangt, hat Bernklau nach Österreich zurückgetrieben und ganz Bayern bis auf Ingolstadt, Braunau und Straubing vom Feinde gesäubert. Sehr richtig! Aber die Fortschritte der Kaiserlichen durften doch die Preußen nicht abhalten, vernünftig zu handeln, und sie waren auch gar nicht so groß, daß man ungestraft Fehler begehen konnte.

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Unter diesen Umständen war die Stellung bei Beneschau von größter Wichtigkeit. Man mußte sie vor dem Prinzen von Lothringen besetzen, denn sie war unangreifbar und konnte im Besitz des Feindes über das Schicksal der Armee entscheiden. Der einzige Ausweg wäre dann gewesen, bei Rattay über die Sazawa zu gehen und seinen Proviant aus Pardubitz zu beziehen. Feldmarschall Schwerin nahm also mit 15 000 Mann die Stellung bei Beneschau ein und bemächtigte sich auch der ansehnlichen Magazine, die dort für die Österreicher errichtet waren. Am 18. Oktober stieß der König mit der Hauptarmee zu ihm. Die feindliche Avantgarde war schon im Vormarsch auf Beneschau. Die Armee blieb acht Tage zwischen Beneschau und Konopischt stehen. Hier erhielt man eine unangenehme Nachricht, auf die man freilich gefaßt sein mußte: 10 000 Ungarn hatten das Regiment Kreytzen in Budweis und das Pionierregiment in Labor gefangen genommen.180-1 So verlor man 3 000 Mann, um 300 Kranke zu retten. Den König gereute es längst, die beiden Regimenter gewissermaßen preisgegeben zu haben. Er hatte dem Kommandanten von Budweis, General Kreytzen, durch acht verschiedene Boten den Befehl übersandt, die Stadt zu räumen und der Armee zu folgen, aber keiner dieser Befehle hatte ihn erreicht. Budweis ergab sich nach achttägiger Belagerung, nachdem aller Vorrat, den man dort zurückgelassen hatte, verzehrt war. Tabor wurde mit offenem Laufgraben angegriffen und nach viertägiger Belagerung durch eine in die Mauer gelegte Bresche gestürmt. Frauenberg ergab sich180-2, weil die Österreicher die einzige Wasserleitung der Stadt abgeschnitten hatten. Da die Lebensmittel der Armee auszugehen drohten, so wurde Winterfeldt mit einigen Bataillonen und einem Husarenregiment detachiert, um das Magazin von Leitmeritz nach Prag zu schaffen. Als aber die obenerwähnte Avantgarde des Prinzen von Lothringen merkte, daß die Preußen ihr bei Beneschau zuvorgekommen waren, zog sie sich nach Neweklau und von da nach Marschowitz zurück, wo sie sich mit der österreichisch-sächsischen Hauptarmee vereinigte.

Der König war über diese Nachricht hocherfreut. Nun schien ihm der Augenblick gekommen, den bei Tabor und Budweils erlittenen Schimpf zu rächen. Am 24. Oktober nachmittags ließ er die Armee in acht Kolonnen gegen den Feind vorrücken, auf einem Wege, den wohl nie ein Heer betreten hat. Gegen Abend langte er auf einer Höhe, nur eine Viertelmeile vom österreichischen Lager entfernt an. Die Preußen besetzten sie und blieben die ganze Nacht dort stehen. Am nächsten Morgen bei Tagesanbruch ritt der König mit den hohen Offizieren auf Rekognoszierung. Es ergab sich, daß der Feind sein Lager gewechselt hatte und sich jetzt dem rechten preußischen Flügel gegenüber auf einer steilen Anhöhe befand. Davor zog sich, beide Heere trennend, ein Morast hin, den ein sumpfiger Bach durchfloß. Von dieser Seite war der Feind unangreifbar. Man stellte ein paar Grenadierbataillone in ein dichtes Gehölz, von wo man den rechten Flügel des Feindes sehen konnte, fand ihn aber<181> ebenso vorteilhaft aufgestellt wie den linken. Bei der Unmöglichkeit eines Angriffs auf diese Stellung gab man den Plan ganz auf und beschloß, ins Lager bei Beneschau zurückzukehren. Die Grenadiere, die zur Erkundung des Feindes gedient hatten, bildeten die Arrieregarde. Die Österreicher, die auf einen Angriff gefaßt waren, bemerkten den Abmarsch der Preußen nicht, weil ein Berg ihre Bewegungen verbarg. Bloß beim Nachtrupp kam es zu einem leichten Scharmützel. So nahmen die Preußen ihre Stellung bei Beneschau friedlich wieder ein.

Wenn ein Heer mit 150 Schwadronen über acht Tage in ein und demselben Lager steht, ist es nicht zu verwundern, daß die Fourage ausgeht, zumal in einer gebirgigen und waldreichen Gegend, und wenn man das Landvolk nicht zu Lieferungen anhalten kann. Diese Notlage zwang den König, ein anderes Lager zu wählen, das zugleich seiner Bäckerei näher lag. Die Armee brach also am folgenden Tage auf, ging bei Porschitsch über die Sazawa und nahm Stellung bei Pischely. Zugleich ward General Nassau mit 10 Bataillonen und 30 Schwadronen detachiert, um eine feindliche Abteilung von 10 000 Mann, teils reguläre Truppen, teils Ungarn, von Kammerburg zu vertreiben. Nassau griff den Feind trotz seiner vorteilhaften Stellung auf einer Anhöhe an. Ein paar Kanonenschüsse erschütterten den Gegner. Er verließ seine Stellung und ging bei Nattay über die Sazawa (26. Oktober). Nassau marschierte nebenher, sah, daß der Feind Neu-Kolin vor ihm erreichen wollte, kam ihm zuvor und besetzte den Ort.

Nach dem Scharmützel bei Kammerburg blieben alle Nachrichten vom General Nassau aus. Ebensowenig konnte man ihm Nachrichten zukommen lassen. So groß war die numerische Überlegenheit der österreichischen leichten Truppen über die preußischen. Sie operierten in einem waldreichen Gelände, besaßen die Liebe der Einwohner und waren von allem unterrichtet, indes die Preußen nichts erfuhren. Die Österreicher streiften nach allen Seiten, um sich ihre Überlegenheit zunutze zu machen, und faßten den Plan, den Obersten Zimmernow zu überfallen, der das Magazin in der Festung Pardubitz mit seinem Regiment deckte. Ein Detachement von 1 500 Grenadieren und 600 Husaren, die aus Mähren gekommen waren, verkleidete sich als Bauern und versuchte unter dem Vorwande, dem Magazin Lebensmittel zu liefern, mit Hilfe der Wagen in die Stadt zu dringen. Allein diese List wurde durch einen Österreicher selbst verraten, der unvorsichtigerweise seine Pistole fallen ließ. Die Wachen an den Toren und auf den Außenwerken feuerten auf diese Eindringlinge, die dabei sechzig Mann verloren (19. Oktober). Die wachsame Verteidigung von Pardubitz gereichte Zimmernow sehr zur Ehre. Der Feind aber hatte den Verdruß unnützer Verluste.

Kurz nachdem der König das Lager bei Pischely bezogen hatte, rückte der Prinz von Lothringen ins Lager von Beneschau ein. Das Land war ihm ergeben, die Kreise lieferten ihm Lebensmittel, und so konnte er noch einige Tage dort zubringen, wo die Preußen verhungert wären. Dann rückte er nach Kammerburg, ging über die<182> Sazawa und richtete seinen Marsch auf Janowitz, die Sümpfe hinter sich lassend. Des Prinzen oder vielmehr des alten Feldmarschalls Traun Absicht war, den König zur Wahl zwischen Schlesien und Böhmen zu zwingen. Blieb der König bei Prag stehen, so schnitten ihm die Feinde die Verbindung mit Schlesien ab. Rückte er aber gegen Pardubitz vor, so waren Prag und ganz Böhmen für ihn verloren. Der Plan war schön, ja bewundernswürdig. Zudem wählte Marschall Traun in weiser Vorsicht stets unangreifbare Lager aus, um nicht wider Willen zur Schlacht genötigt zu werden.

Hätte der König den Feind in dem Augenblick angreifen können, wo er sein Lager verließ, so konnte er ihn zum Kampfe zwingen oder die Stellung von Kuttenberg vor ihm erreichen, wodurch alle schönen Pläne Trauns vereitelt worden wären. Aber der Brotmangel, ein in der Erzählung des Feldzuges schon oft angeführter Grund, verhinderte auch dies. Um jedoch selbst das Unmögliche zu versuchen, rückte der König am nächsten Tage mit dem linken Flügel der Armee vor. Erbprinz Leopold sollte am Tage darauf mit dem Proviant, den man aus Prag erwartete, nachfolgen. Das Glück wollte, daß der König im Lager bei Schwarz-Kosteletz einen für den Feind bestimmten dreitägigen Vorrat an Brot, Wein und Fleisch fand, den er an seine Truppen verteilen ließ. Am folgenden Tage wollte er bis Janowitz marschieren, wurde aber durch Spione getäuscht, die ihm versicherten, daß der Prinz von Lothringen schon dort stände. Er schwenkte also links ab, und die Armee bezog ein Lager bei Kaurschim, eine Meile von der Elbe. Erst hier erfuhr man, daß General Nassau bei Neu-Kolin stände und daß ein Brottransport aus Leitmeritz unterwegs sei. Zur Sicherung dieses Transportes wurden Brandeis und Nimburg von Grenadieren besetzt.

Am folgenden Tage stieß Erbprinz Leopold zur Armee, und am übernächsten Tage rückte man nach Planian. Der Feind hatte gleichfalls dorthin gewollt, und so fand man in Planian Lebensmittel im Überfluß. Der rechte Flügel der Preußen lagerte beim Kloster Zasmusk, nur eine Viertelmeile vom linken österreichischen Flügel entfernt, aber Sümpfe und Wälder trennten beide Heere. Indes stand es um Pardubitz schlimm. Die Österreicher waren der Festung um einen halben Tagemarsch näher als die Preußen. Du Moulin wurde mit acht Bataillonen und zehn Schwadronen abgeschickt. Er ging durch Neu-Kolin und deckte Pardubitz und die Magazine.

Die Hauptsache war jetzt, Kuttenberg vor dem Feinde zu erreichen. Man durfte keinen Augenblick verlieren. Obwohl die Truppen durch drei Märsche hintereinander ermüdet waren, wurde beschlossen, am folgenden Tage entweder durch einen Gewaltmarsch bis Kuttenberg zu kommen oder den Prinzen Karl zur Schlacht zu zwingen. Keins von beiden geschah. Wegen eines dichten Nebels, der von sechs Uhr früh bis um Mittag dauerte, ging der halbe Tag verloren, und so sehr man sich nachher auch anstrengte, so kam man bei Einbruch der Nacht doch nicht weiter als bis Groß-Gbel. Dort wurden die Zelte aufgeschlagen. Die Armee hatte Neu-Kolin und die Elbe eine halbe Meile hinter sich. Ihre beiden Flügel lehnten sich an Dörfer, und vor der Front<183> erstreckte sich eine kleine Ebene bis zu einem dichten Gehölz, wo sich der Prinz von Lothringen gelagert hatte. Der Prinz benutzte seine den Preußen gegenüber vorteilhafte Stellung und schickte gegen Abend ein starkes Detachement zur Besetzung der Anhöhe St. Johannes des Täufers, die sehr steil ist und die ganze umliegende Gegend beherrscht. Der König wünschte, eine Schlacht zu liefern, bevor seine Magazine aufgezehrt waren. Ein großer Schlag entsprach seinem Vorteil, aber nicht dem der Österreicher, und so vermieden sie ihn sorgfältig. Während der Prinz von Lothringen und Traun ihre Stellung auf dem Gipfel der Felsen nahmen, lagerte sich Nadasdy mit 6 000 Ungarn auf dem rechten Flügel der Preußen. Ghillanyi besetzte mit einem ebenso starken Korps das Gehölz, das die Ebene begrenzte. Trenck und Morocz stellten sich mit ihren leichten Truppen auf den linken Flügel, um die Preußen auch auf dieser Seite eingeschlossen zu halten und sie daran zu hindern, ihr Lager zum Fouragieren zu verlassen. Es scheint vielleicht sonderbar, daß die Preußen nichts unternahmen, um die genannten Korps aus ihrer Nähe zu vertreiben. Aber wegen der Defileen, die man vor sich hatte, konnte man ihnen nur schwer etwas anhaben.

Die schlechte Ernährung, das Elend und die Strapazen, die die Truppen ertragen hatten, erzeugten eine große Menge von Krankheiten. Kein Regiment war, wo nicht hundert Mann die Ruhr hatten. Den Offizieren ging es nicht besser. Die Fourage war im Lager verbraucht, Lebensmittel konnte man nur auf dem andern Elbufer bekommen, und die Jahreszeit wurde von Tag zu Tag rauher. Alle diese Gründe zwangen den König, den Rückmarsch über die Elbe bei Neu-Kolin anzutreten und die Truppen in Kantonnierungsquartiere zu legen, um die Kranken zu schonen und zu heilen. Die Armee brach am 9. November auf und vollzog ihren Rückzug in so guter Ordnung, daß man einen Angriff des Prinzen von Lothringen auch auf diesem Gelände mit Aussicht auf Erfolg hätte annehmen können. Zehn Bataillone besetzten Neu-Kolin und postierten sich hinter Mauern, die eine natürliche Verschanzung bildeten. Auf Anhöhen in der Nähe der Stadt wurden Batterien aufgepflanzt, die das ganze Gelände bestrichen. So wurden Neu-Kolin und Pardubitz wichtige Stellungen, weil sie die Verbindung mit Schlesien und Prag sicherten. Zwischen beiden Orten wurden längs des Flusses Stellungen angelegt, hinter denen die Truppen kantonnierten. Kaum waren die Preußen über die Elbe gegangen, so griffen die Panduren Neu-Kolin an, wurden aber so schlecht empfangen, daß ihnen die Lust verging, wiederzukommen. Am 14. nachts versuchten die Grenadiere der Königin mit allen ungarischen Truppen einen neuen Angriff, wurden jedoch überall kräftig zurückgeworfen, wobei sie 300 Tote verloren. Trenck, der berüchtigte Räuber, ward dabei verwundet.

Der Prinz von Lothringen hielt den Feldzug für beendigt und hätte den Truppen gern Ruhe gegönnt. Das hatten sie nach den Strapazen im Elsaß und in Böhmen wohl verdient. Allein der Wiener Hof war andrer Meinung und erteilte dem Prinzen ausdrücklichen Befehl zur Fortsetzung der Operationen.

<184>

Der König wiegte sich in der Hoffnung, der Feind würde seine Winterquartiere zwischen Elbe und Sazawa beziehen. Er wollte sie von Pardubitz und Neu-Kolin aus überfallen und den Czaslauer und Chrudimer Kreis von den Österreichern säubern. Deshalb hatte er sein Quartier zu Trnowa nahe bei Pardubitz genommen. Erbprinz Leopold stand unweit von Neu-Kolin. Der Feind machte zu dieser Zeit einige Bewegungen, die einen Angriff auf Pardubitz zu verraten schienen. Deshalb sah der Erbprinz sich veranlaßt, sich den Quartieren des linken preußischen Flügels noch mehr zu nähern. Mittlerweile fing man Briefe aus Wien auf, die ein großes Unternehmen für den 18. November ankündigten. General Einsiedel, der zu Prag kommandierte, meldete, der Feind ließe in allen benachbarten Dörfern an Sturmleitern arbeiten, und General Nassau zeigte an, daß er binnen kurzem einen Angriff auf Neu-Kolin erwartete. Für Pardubitz, wo sich der linke Flügel der Armee befand, war nichts zu befürchten.

An der Elbe entlang standen von Meile zu Meile Infanterieposten. 40 Husarenschwadronen waren zwischen ihnen verteilt, um den Patrouillendienst zu versehen und auf die geringsten Bewegungen des Feindes zu achten. Auf diese Weise mußte der König es stets im voraus erfahren, wenn der Feind einen Versuch machte, über die Elbe zu gehen. Eigentlich war also nur für Prag etwas zu besorgen. Der König schickte Rothenburg mit seinen Dragonern und drei Bataillonen zur Verstärkung der Prager Besatzung. Endlich kam der kritische Tag, der 18.; doch geschah von seiten des Feindes nichts als vieles Hin- und Hermarschieren. Der 19. schien entscheidender. Von 5 Uhr morgens an hörte man Geschützdonner und ziemlich lebhaftes Infanteriefeuer. Der König schickte nach allen Seiten Kundschafter, um zu erfahren, woher dieses Feuer kam. Allgemein glaubte man an einen abermaligen Angriff des Feindes auf Neu-Kolin. Die Schüsse, die man hörte, kamen vom rechten Flügel des Heeres, und da General Nassau einen Angriff des Prinzen von Lothringen auf seine Stellung erwartete und keine andre Nachricht eintraf, so beruhigte man sich bei dieser Wahrscheinlichkeit. Die Ungewißheit währte bis gegen Mittag, wo ein Husarenoffizier dem König Meldung brachte: die Österreicher hätten in der Nacht Brücken bei Selmitz geschlagen, was man infolge der Nachlässigkeit der Patrouillen erst bei Tagesanbruch gemerkt hätte. Oberstleutnant Wedell184-1, dessen Bataillon am nächsten stand, sei hinmarschiert, hätte trotz des Feuers von 50 Geschützen die österreichischen Grenadiere dreimal zurückgeschlagen und dem Prinzen von Lothringen den Übergang fünf Stunden lang streitig gemacht. Die Husaren, die er zur Armee geschickt hätte, um seine Lage zu melden, seien unterwegs von Ulanen getötet worden, die sich in die benachbarten Wälder geschlichen hätten. Mangels Unterstützung hätte er sich in guter Ordnung durch den Wald von Wischeniowitz zur Armee zurückgezogen.

Der Übergang des Feindes über die Elbe war schlimm, mochten nun die Husaren durch ihre Nachlässigkeit daran Schuld sein oder nicht. Damit war das Schicksal des<185> ganzen Feldzugs entschieden. Sich darüber zu beklagen, wäre Zeitvergeudung gewesen. Man dachte also lieber daran, den Schaden nach Kräften wieder gutzumachen. Die Armee erhielt sofort Befehl, sich bei Wischeniowitz im Mittelpunkt der Kantonnementsquartiere zu versammeln. In Pardubitz blieben nur drei Bataillone unter dem Obersten Retzow zurück. Die Armee traf um 9 Uhr abends am Versammlungsorte ein und lagerte sich in Schlachtordnung, ausgenommen das Nassausche Korps, das in Neu-Kolin stand, und die zwei detachierten Bataillone in Brandeis und Nimburg. In dem Gefechte bei Selmitz, das in den preußischen Annalen ewig denkwürdig bleiben wird, hatte das Bataillon Wedell zwei Offiziere und 100 Mann an Toten und Verwundeten verloren. Wedell erwarb sich wegen seiner heldenmütigen Verteidigung den Beinamen des preußischen Leonidas. Der Prinz von Lothringen erstaunte, daß ein einziges Bataillon ihm fünf Stunden lang den Übergang über die Elbe streitig gemacht hatte, und sagte zu den Offizieren seines Stabes: „Wie glücklich wäre die Königin, wenn sie in ihrem Heere so heldenhafte Offiziere hätte.“ Die kritische Lage, in der man sich befand, bewog den König, die höchsten Offiziere seines Heeres zu einem Kriegsrat zusammenzuberufen. Man hatte nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: entweder nach Prag zu marschieren und Böhmen zu halten, oder Prag und dies Königreich zu räumen und sich nach Schlesien zurückzuziehen. Beides hatte seine Nachteile. Erbprinz Leopold war dafür, nach Prag zu marschieren, weil in Leitmeritz noch einige Mehlvorräte waren und weil man mit<186> gestatteten; nicht zu gedenken des gefährlichen Rückzugs von mindestens dreißig Meilen, den die Besatzung von Prag machen mußte, bevor sie über Leitmeritz und durch die Lausitz die schlesische Grenze erreichte. Der König hielt es für das sicherste, nach Schlesien zu marschieren. Wollte man Prag halten, so gäbe man den Österreichern Gelegenheit, dem Heere jede Verbindung mit Schlesien abzuschneiden. Ein gleiches würden die Sachsen an ihren Grenzen tun, sodaß die Armee aus Mangel an Lebensmitteln, Rekruten, Waffen, Munition und Remonten noch vor dem Frühjahr zugrunde gerichtet sein würde. Wo sollte ferner bei unterbrochener Verbindung das Geld zur Besoldung der Truppen, zum Ankauf von Magazinen usw. herkommen? Wie sollte Marwitz mit seinen 22 000 Mann Ober- und Niederschlesien gegen das Heer des Prinzen von Lothringen decken? Diese Gründe entschieden für den Rückmarsch nach Schlesien. Dort fand die Armee alles, was sie zu ihrer Wiederherstellung brauchte. In den Festungen waren Magazine und auf dem Lande Lebensmittel zu finden. Die Verbindung mit der Mark Brandenburg war wiederhergestellt, und es mangelte weder an Geld noch an Pferden, Rekruten und Hilfsquellen aller Art. Nahm man die Dinge, wie sie waren, so verlor der König bei seinem Rückzug aus Böhmen in der Tat nichts als seine schwere Artillerie. Alle Generale traten seiner Meinung bei.

Der auf der Stelle gefaßte Entschluß mußte auch sofort ausgeführt werden. Der König schickte seinen Adjutanten Bülow186-1, einen umsichtigen Mann, auf den er sich verlassen konnte, an alle detachierten Korps sowie an die Besatzung von Prag mit dem Befehl, Böhmen zu räumen. General Nassau erhielt die Weisung, auf dem Wege über Chlumetz oder Nechanitz zur Armee zu stoßen. Der König wollte dem Prinzen von Lothringen gegenüber geeignete Bewegungen machen, um diese Vereinigung zu erleichtern. Bülow gelangte durch die feindlichen Husarenabteilungen hindurch und richtete seine Aufträge aus. Der Entschluß, Prag zu räumen, war um so mehr geboten, als die Besatzung nur noch für sechs Wochen Lebensmittel besaß. Hätte man so lange gewartet, so würde der Hunger zur Kapitulation gezwungen haben.

Am 20. November näherte der König sich Chlumetz, um Nassaus Anmarsch zu unterstützen. Dort blieb er stehen, bis Nassaus Detachement Bidschow und Nechanitz erreicht hatte. Am 22. nahm die Armee Stellung zwischen Pardubitz und Königgrätz, beim Dorfe Wositz, um das Defilee von Nechanitz zu decken. Die Kranken und die Bagage gingen unter guter Bedeckung nach Schlesien voraus, um den Marsch der Truppen zu erleichtern. Retzow räumte Pardubitz. Am 24. rückte die ganze Kavallerie dem General Nassau entgegen und eskortierte sein Korps zur Armee. Die Infanterie zog durch Königgrätz und kantonnierte in den Dörfern diesseits der Elbe. Am 25. und 26. blieb die Armee in dieser Stellung. Am 27. teilte sie sich in drei<187> Kolonnen; die eine nahm ihren Weg durch die Grafschaft Glatz, die zweite, unter Führung des Königs, ging durch die Engpässe bei Braunau, die dritte, unter Du Moulins Führung, zog auf dem Wege von Trautenau nach Schatzlar. Die erste Kolonne ward auf ihrem Marsche gar nicht beunruhigt. Die Brigade Truchseß, die Arrieregarde der zweiten Kolonne, wurde beim Überschreiten des Mettau-Baches bei dem Dorfe Pleß angegriffen. Truchseß ließ sich sehr zur Unzeit in ein Scharmützel mit den Panduren ein, bei dem er vierzig Mann an Toten und Verwundeten einbüßte. Bezeichnend für die Ungarn ist folgendes. Als während des Gefechts einige Schweine im Dorfe Pleß zu schreien anfingen, stellten die Panduren die Feindseligkeiten ein und jagten ins Dorf, um die Tiere zu schlachten, da sie lieber essen als kämpfen wollten. Sicherlich gibt es in der Geschichte wenig Beispiele von so heftigen Scharmützeln, die so grotesk endigten. Du Moulins Kolonne ward beim Dorf Goldenöls angegriffen, aber so matt, daß wir darüber hinweggehen. Die Kolonne des Königs langte am 4. Dezember in Tannhausen an. Der alte Fürst von Anhalt traf fast zu gleicher Zeit dort ein. Erbprinz Leopold lag an einer Krankheit danieder, die für sein Leben fürchten ließ. Feldmarschall Schwerin hatte die Armee mißvergnügt noch vor ihrem Rückzug nach Schlesien verlassen187-1. Der König mußte nach Berlin gehen, um dort die nötigen Vorbereitungen für den kommenden Feldzug zu treffen und auch, um einige Unterhandlungen einzuleiten, die man später, wenn es die Umstände geboten, mit größerem Nachdruck weiterführen konnte.

Den übrigen Korps begegnete auf ihrem Rückzuge folgendes. Winterfeldt brachte sein Detachement glücklich von Leitmeritz nach Schlesien zurück. Er ward unterwegs zwar beunruhigt, aber durch seine guten Maßregeln hielt er sich die Ungarn vom Leibe. Die Besatzung von Prag befolgte die ihr erteilten Befehle nicht buchstäblich. Einsiedel sollte die Festungswerke auf dem Wischehrad und dem Lorenzberg in die Luft sprengen, die Kanonen der schweren Artillerie zerstören, die Lafetten verbrennen und die Flinten der österreichischen Besatzung ins Wasser werfen lassen. Er glaubte fälschlich, dieser Befehl würde widerrufen werden, und schob die Ausführung bis zum Augenblick des Abmarsches auf; da war es denn zu spät. Als er den Moment zur Räumung der Stadt gekommen sah, trieb er so viele Pferde wie möglich auf, um anstatt des schweren Geschützes, das er im Stich lassen mußte, wenigstens 42 österreichische Feldstücke mitzunehmen. Am 26. November verließ die Besatzung Prag. Einsiedel hatte seine Anordnungen aber so schlecht getroffen, daß seine Truppen noch aus dem Karls-Tore ausrückten, als schon 400 Panduren von einer andern Seite in die Stadt<188> drangen und den Nachtrupp angriffen. Rothenburg, der beim Nachtrupp war, ließ mit Kartätschen auf sie feuern und hielt sie sich so vom Leibe. Die Besatzung traf am 30. in Leitmeritz ein und blieb dort einige Tage, um sich mit Brot und Proviant zu versehen. Als Einsiedel nach Böhmisch-Leipa kam, erfuhr er, daß ihm die Sachsen den Weg nach Schlesien verlegen wollten. Der Prinz von Lothringen war nämlich dem König nur bis Nachod gefolgt und hatte dann den Weg nach Mähren eingeschlagen, wogegen die Sachsen nach dem Bunzlauer und Leitmeritzer Kreise marschiert waren. Unterwegs kam es zu einigen Scharmützeln mit den feindlichen leichten Truppen, die aber wenig zu bedeuten hatten. Bei seiner Ankunft in Hohenwald, einem Flecken zwei Meilen von Friedland und drei Meilen von der schlesischen Grenze, erblickte Einsiedel ein starkes feindliches Korps. Wie er von Überläufern und Spionen erfuhr, war es ein Teil des sächsischen Heeres unter Führung des Ritters von Sachsen, durch 2 000 österreichische Grenadiere verstärkt. Einsiedel, der sich noch nie in solcher Lage befunden hatte, verlor alle Fassung. Er war lange Zeit unschlüssig, ob er die Sachsen, die sich aus aufgeschaufeltem Schnee Verschanzungen gemacht hatten, angreifen oder den Rückzug nach Schlesien durch die Lausitz antreten sollte. Die Feinde hatten auf der Straße nach Friedland große Verhaue gemacht, sodaß sie zu dieser Jahreszeit unpassierbar war. Rothenburg sah ein, daß die Truppen durch Einsiedels Unentschlossenheit vor Frost und Elend umkommen würden. Er ließ die Wege nach der Lausitz rekognoszieren und faßte zugleich den Entschluß, den Ritter von Sachsen auf seine eigne Verantwortung hin anzugreifen. Ein Hauptmann Kottwitz, ein geborener Sachse, desertierte in der Nacht und verriet dem Ritter Rothenburgs Absichten. Der aber machte sich die Verräterei selbst zunutze. Am folgenden Tage frühmorgens brach er auf, schwenkte links ab und rückte in die Lausitz ein. Die Sachsen hatten nur an ihre Verteidigung gedacht. Da sie zudem erfuhren, daß ein starkes preußisches Korps unter Nassau durch Schlesien heranzöge und sie im Rücken bedrohte, so machte ihnen diese Nachricht genug zu schaffen, und die Besatzung von Prag entkam ihnen glücklich. Rothenburg marschierte ruhig weiter. Ein Oberst Vitzthum, der an der Lausitzer Grenze kommandierte, wollte ihm den Weg verlegen; als er aber die Zahl der Preußen sah, die ihm gegenüber standen, gab er seinen Widerstand auf. Der sächsische General Arnim, unter dessen Befehl er stand, schickte einen andern Offizier ab, um den Preußen den Durchmarsch zu verbieten, aber Rothenburg überhäufte ihn mit Höflichkeiten, setzte seinen Marsch fort und langte am 13. Dezember an der schlesischen Grenze an. Dort wurden seine Truppen dazu verwandt, die Kette der Winterquartiere von der Lausitz bis zur Grafschaft Glatz zu ziehen.

So endigte der Feldzug, dessen Anfang so glückverheißend gewesen war. Die große Armada, die Böhmen verschlingen, ja Österreich überschwemmen sollte, teilte das Schicksal jener „unüberwindlichen“ Flotte, die Philipp II. von Spanien auslaufen ließ, um England zu erobern.

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Man muß zugeben, daß es nirgends schwerer ist, Krieg zu führen, als in Böhmen. Das Land wird von einer Gebirgskette umschlossen, die den Einmarsch und Ausmarsch gleich gefahrvoll macht. Selbst wenn man die Stadt Prag erobert hat, braucht man ein ganzes Heer, um sie zu halten, und dadurch wird das Korps, das gegen den Feind wirken soll, zu sehr geschwächt. Magazine kann man in Böhmen nur zur Winterszeit anlegen, wo die Einwohner ihre Dörfer nicht verlassen können. Einige fruchtbare Gegenden können zwar Lebensmittel für große Heere liefern. Dort wird es nie an trocknem und frischem Futter fehlen. Aber andre gebirgige und bewaldete Kreise sind zu unfruchtbar, als daß eine Armee sich lange in ihnen halten könnte. Überdies ist in ganz Böhmen kein verteidigungsfähiger Ort. Wenn die Österreicher also den Gegner ohne Schlacht aus Böhmen vertreiben wollen, so können sie ihn aushungern, indem sie ihm alle Verbindungen abschneiden. Die Gebirgskette, die Böhmen rings umgibt, liefert einem erfahrenen Offizier alles, was er nur wünschen kann, an Engpässen und Stellungen, um die Transporte abzufangen. Es gibt nur eine Methode, Böhmen zu erobern.

Kein General beging mehr Fehler in diesem Feldzuge als der König. Der allererste war zweifellos der, daß er nicht Magazine genug angelegt hatte, um sich wenigstens sechs Monate in Böhmen halten zu können. Wer das Gebäude eines Heeres errichten will, muß bekanntlich den Magen zur Grundlage nehmen189-1. Aber das ist nicht alles. Der König rückt in Sachsen ein. Er weiß, daß die Sachsen dem Wormser Vertrag beigetreten waren189-2: er mußte sie also entweder zwingen, seine Partei zu ergreifen, oder sie zerschmettern, bevor er den Fuß nach Böhmen setzte. Er belagert Prag und schickt ein schwaches Detachement nach Beraun gegen Batthyany. Hätte diese Truppe nicht Wunder an Tapferkeit vollbracht, so traf ihn selbst die Schuld an ihrer Vernichtung. Nach der Eroberung Prags wäre es sicherlich richtig gewesen, mit der Hälfte des Heeres stracks auf Batthyany loszugehen, ihn noch vor Ankunft des Prinzen von Lothringen aufzureiben und das Magazin in Pilsen wegzunehmen, dessen Verlust den Österreichern die Rückkehr nach Böhmen unmöglich gemacht hätte. Sie hätten erst von neuem Lebensmittel zusammenbringen müssen. Das hätte Zeit gekostet, und so wäre der Feldzug für sie verloren gewesen. Nur daß die preußischen Magazine nicht eifrig genug angefüllt wurden, ist nicht die Schuld des Königs, sondern der Proviantkommissare, die das Geld für die Lieferungen zwar einsteckten, aber die Magazine leer ließen. Doch wie konnte der König so schwach sein, den Feldzugsplan des Marschalls Belle-Isle anzunehmen und nach Tabor und Budweis zu rücken, wo er doch selbst einsah, daß dieser Marsch weder den Umständen, noch seinem Vorteil, noch den Regeln der Kriegskunst entsprach? So weit darf man die Nachgiebigkeit nicht treiben. Dieser Fehler zog eine Menge andrer nach sich. War es schließlich wohl richtig, seine Armee in Kantonnementsquartiere zu legen, wo<190> der Feind nur einen Tagemarsch entfernt stand? Der ganze Vorteil des Feldzuges war auf Österreichs Seite. Traun spielte die Rolle des Sertorius und der König die des Pompejus. Trauns Benehmen ist ein vollendetes Muster der Kriegführung und verdient das Studium und die Nacheiferung jedes eifrigen und fähigen Soldaten. Wie der König selbst zugestehen mußte, hat er diesen Feldzug als seine Schule des Krieges und Traun als seinen Lehrmeister angesehen. Glück ist den Fürsten oft verhängnisvoller als Unglück. Jenes berauscht und verblendet sie; dieses lehrt sie Vorsicht und Bescheidenheit.

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11. Kapitel

Einfall der Österreicher in Oberschlesien und in die Grafschaft Glatz. Ihre Vertreibung durch den Fürsten von Anhalt und General Lehwaldt. Unterhandlungen mit Frankreich. Tod Karls VII. Französische Intrigen in Sachsen. Neue Unterhandlungen mit den Franzosen. Unterhandlungen mit den Engländern zur Herbeiführung des Friedens. Schwierigkeiten infolge des Warschauer Vertrags. England verspricht seine guten Dienste. Vorbereitungen für den Feldzug. Abreise des Königs nach Schlesien. Friedensschluß des jungen Kurfürsten von Bayern mit Österreich zu Füssen (1745).

Kaum hatte der König die Armee verlassen191-1, so wollten die Österreicher sich schon den angeblichen Schrecken der Preußen zunutze machen und fielen in Oberschlesien und in die Grafschaft Glatz ein. Marwitz, dessen Korps in der Umgegend von Troppau kantonnierte, zog sich noch vor der Annäherung des Feindes auf Ratibor zurück, wo er starb. Prinz Dietrich von Anhalt führte das Korps über Kosel und Brieg weiter und stieß bei Neiße zur Armee. Lehwaldt, der in der Grafschaft Glatz befehligte, zog sich nach Breslau zurück, noch ehe der Feind heran war. Beide Rückzüge erfolgten ohne jeden Verlust. Da man sie rechtzeitig vornahm, fanden die Österreicher keine Gelegenheit, sie auszunutzen.

Diese Ereignisse nötigten den König, nach Schlesien zurückzukehren (21. Dezember). Dort verabredete er mit dem alten Fürsten von Anhalt191-2 die nötigen Maßregeln, um die Absichten des Prinzen von Lothringen zu durchkreuzen. Der Fürst versammelte ein starkes Korps bei Neiße, ging am 8. Januar 1745 über den Fluß und stracks auf den Feind zu. Seine Truppen zogen sich bei Tagesanbruch zusammen und verbrachten die Nächte dicht beieinander in Kantonnierungsquartieren. Beim Anmarsch der Preußen verließ Traun die Stellung bei Neustadt und kehrte nach Mähren zurück. Auf diesem Marsche mußten die Österreicher fünf Nächte im Schnee kampieren. Viele kamen vor Frost um und viele desertierten. Der Fürst von Anhalt konnte nur einen Teil der Arrieregarde angreifen, von der er einige Gefangene machte. Dann nahm er bei Troppau und Jägerndorf Stellung.

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General Nassau säuberte mit 6 000 Mann Oberschlesien in der Gegend von Ratibor und jenseits der Oder von den dort umherstreifenden Ungarn, und Lehwaldt marschierte mit der gleichen Truppenzahl nach der Grafschaft Glatz, um die Österreicher, die sich dort festsetzen wollten, zu vertreiben. Nassau verjagte die Ungarn ohne Mühe aus Troppau und griff unvermutet Oderberg und Ratibor an, sobald Traun nach Mähren zurückgekehrt war; 3 000 Feinde wurden in Ratibor überrumpelt. Umsonst versuchten die Ungarn sich durchzuschlagen. Nachdem das mißglückt war, wollten sie sich über die Oderbrücke retten. Bei dem Gedränge brach die Brücke. Zugleich drangen die Preußen in die Stadt ein. Was nicht durchs Schwert umkam, ertrank oder wurde gefangen genommen. Ein andres ungarisches Korps unter dem General Karolyi wartete Nassaus Ankunft gar nicht erst ab, sondern zog sich auf Pleß im Fürstentum Teschen zurück.

Zur selben Zeit ging Lehwaldt gegen Wenzel Wallis vor, der auf Habelschwerdt gerückt war. Die Stadt liegt in einem an Mähren grenzenden Tale. Lehwaldt marschierte über Johannesberg in die Grafschaft Glatz und sah sich bald dem Feinde gegenüber, der beim Dorfe Plomnitz eine sehr vorteilhafte Stellung eingenommen hatte. Vor der Front schlängelte sich ein Bach, dessen Ufer an vielen Stellen fast unzugänglich waren. Aber Lehwaldt ließ sich durch nichts abschrecken und griff die Österreicher an (14. Februar). Seine Truppen überwanden alle Hindernisse, setzten über den Bach, erklommen die Höhen und stürmten so kühn und so ungestüm gegen den Feind an, daß er seine Stellung verließ. Zwar versuchten die Österreicher sich in einem Gehölz hinter dem Schlachtfelde wieder zu ordnen, aber die preußischen Grenadiere setzten ihnen mit gefälltem Bajonett nach und trieben sie weiter. Hinter dem Gehölz lag eine kleine Ebene und dahinter ein Buschholz, wo sich der Gegner zum zweiten Male zu sammeln suchte. Aber die Preußen griffen ihn so ungestüm an, daß die Verwirrung vollständig wurde und in allgemeine Flucht ausartete. Lehwaldt hatte nur 400 Husaren bei sich, die man in einem gebirgigen und unwegsamen Lande für ausreichend gehalten hatte: bei stärkerer Reiterei wären ihm wenig Feinde entronnen. Das österreichische Korps entfloh nach Böhmen. Es verlor bei jenem Gefecht 900 Mann. Wallis, sein Führer, betete während des Kampfes in der Kapelle eines Heiligen und flehte wie Moses den Himmel mit erhobenen Armen an, den Österreichern den Sieg zu verleihen. Man meldete ihm: „Ihre Leute sind geschlagen; Sie haben keine Zeit zu verlieren. Retten Sie sich, oder der Feind nimmt Sie gefangen.“ Da saß er auf und gab seinem Pferde die Sporen. Das war sein ganzer Anteil an jenem Gefechte. Die Preußen erbeuteten drei Kanonen und machten hundert Gefangene. An Toten und Verwundeten verloren sie nur dreißig Mann. Sehr betrauert wurde der brave Oberst Gaudy192-1, ein Offizier von Ruf, der dem verstorbenen König bei der Belagerung von Stralsund (1715) einen wichtigen Dienst geleistet hatte, und zwar durch Angabe eines <193>Weges, auf dem die schwedische Verschanzung bei niedrigem Wasserstande von der Seeseite zu umgehen war. Auf diese Weise wurde sie denn auch erobert.

Die zahlreichen Erfolge der Preußen Schlag auf Schlag feuerten ihren Mut an und benahmen den Truppen der Königin alle Lust, den Feldzug noch weiter in die Länge zu ziehen. Ein jeder rückte also in seine Winterquartiere und blieb nun ruhig dort stehen.

Das Glück hatte den Preußen seine Gunst auch noch durch die Geburt eines Prinzen193-1 bewiesen, dem die Prinzessin von Preußen das Leben geschenkt hatte. Dadurch ward die Erbfolge in der regierenden Linie, die sich bisher nur auf die drei Brüder des Königs erstreckte, gesichert.

Der Berliner Hof erwartete die Ankunft des Marschalls Belle-Isle, den Ludwig XV. bei seinen Bundesgenossen herumschickte, um die erforderlichen Maßregeln für die Eröffnung des kommenden Feldzuges zu verabreden. Der Marschall war nach München gegangen, von da nach Kassel. Hier riet man ihm, wenn er nach Berlin reiste, den Weg durch das Hannöversche zu meiden, und empfahl ihm einen weit sichereren Weg über das Eichsfeld nach Halberstadt. Aber der Marschall verließ sich auf seine Stellung als Gesandter und seinen deutschen Fürstentitel193-2. Er schlug den Rat in den Wind und nahm in seiner Verblendung den gewöhnlichen Weg. Kaum in Elbingerode angelangt, wird er von hannöverschen Dragonern gefangen genommen193-3. Er besaß so viel Geistesgegenwart, alle seine Papiere zu vernichten. Im Triumph wird er nach Hannover geführt, wo der geheime Rat jauchzt, einen Marschall von Frankreich, den Vertrauensmann der Frankfurter Union, kurz, einen Mann, der eine so große Rolle in Europa spielte, gefangen zu haben. Er wird nach England gebracht und im Schloß Windsor gefangen gesetzt, wo er einige Monate bleibt. Erst nach der Schlacht bei Fontenoy ward er ausgewechselt. Der König von Frankrelch war durch die Kränkung, die ihm die Hannoveraner durch Gefangennahme seines Gesandten zugefügt hatten, in seinem Stolze tief verletzt. In Versailles sagte man, die Hannoveraner hätten gegen die der kaiserlichen Majestät schuldige Ehrfurcht und gegen das Völkerrecht verstoßen, da sie einen Mann, der eine diplomatische Würde bekleidete, auf freier Landstraße wie einen Räuber verhaftet hätten. In London sagte man: nach erfolgter Kriegserklärung könne jeder französische Offizier, der ohne Paß den Grund und Boden des Königs von England beträte, mit Fug und Recht verhaftet werden. Der Marschall Belle-Isle sei als Offizier und nicht als Gesandter zu betrachten. Diese Würde sei nicht allgemein, sondern besitze nur an dem Hofe Geltung, wo der Minister beglaubigt sei. Der eigentliche Grund zur Demütigung des Marschalls Belle-Isle aber war nur die Rachsucht des Königs von England. Georg betrachtete ihn als den Urheber des Krieges in Deutschland, als den Mann, der<194> ihn gezwungen hatte, Kaiser Karl VII. seine Stimme zu geben, und ihn 1741 zur Neutralität genötigt hatte, als Marschall Maillebois das Kurfürstentum Hannover bedrohte. Belle-Isle galt folglich als geschworener Feind des Hauses Hannover.

Zu der öffentlichen Unbill, die Ludwig XV. erlitt, gesellte sich noch persönlicher Kummer. Die Herzogin von Chateauroux, die aus Metz verwiesen worden war, starb aus Gram darüber. Nachdem der König genesen war, flammte seine erste Glut wieder auf. Die Liebe war von der Religion verdrängt worden: nun rächte sie sich, indem sie die Leidenschaft des Königs für seine Geliebte heftiger denn je auflodern ließ. Während man bereits über die Rückberufung der Herzogin verhandelte, erfuhr der König ihren Tod. Kein Sakrament hat wohl je so viele Gewissensbisse erzeugt als jenes, das Ludwig XV. zu Metz empfangen hatte. Er warf sich den Tod eines zärtlich geliebten Wesens vor. Die Sehnsucht, die er nicht mehr befriedigen konnte, und seine vergebliche Reue erregten sein Gemüt so sehr, daß er sich eine Zeitlang in tiefem Kummer von der Welt zurückzog. War seine Krankheit für seine Alliierten ebenso verhängnisvoll gewesen wie für seine Geliebte, so bereitete sie ihm doch die süßeste Genugtuung, die einem Herrscher zuteil werden kann. Man nannte ihn fortan Ludwig den Vielgeliebten, eine Bezeichnung, die mehr wert ist als der Beiname des Heiligen oder des Großen, den zumeist die Schmeichelei und selten die Wahrheit den Königen beilegt.

Wenn der König von Frankreich Widerwärtigkeiten erfuhr, so war Preußen dagegen wahren Unglücksfällen ausgesetzt. Seit dem unglücklichen Feldzuge in Böhmen war Preußen aus einer Hilfe leistenden Macht zur kriegführenden Partei geworden, und der Kriegsschauplatz war vom Elsaß an die schlesische Grenze verlegt. Die feindliche Gesinnung der Sachsen hatte sich deutlich offenbart. Es war vorauszusehen, daß sie ihrerseits alles aufbieten würden, um den Krieg in das Herz der alten preußischen Staaten hinüberzuspielen. Um allen Feinden Widerstand leisten zu können, waren ungeheure Ausgaben nötig, und der Ruin des platten Landes war fast unvermeidlich. Der Friede erschien als das einzige Mittel, sich aus einer so kritischen Lage zu befreien. Frankreich hatte sich zur nachdrücklichen Unterstützung Preußens verpflichtet. Der König richtete einen pathetischen Mahnbrief an Ludwig XV. Aus der Antwort ging hervor, daß die Interessen seiner Verbündeten den König von Frankreich ebenso kalt ließen, wie die eigenen ihm am Herzen lagen. Dabei war der Krieg in Böhmen nur angefangen worden, um das Elsaß zu retten.

Um die europäische Politik vollends zu verwirren, trat am 20. Januar 1745 der Tod Kaiser Karls VII. ein. Der Kaiser war wohltätig bis zum Übermaß und trieb seine Freigebigkeit so weit, daß er dadurch selbst in Dürftigkeit geriet. Zweimal verlor er seine Staaten, und ohne seinen vorzeitigen Tod hätte er seine Hauptstadt zum dritten Male als Flüchtling verlassen müssen. Sein Hinscheiden führte zur völligen Auflösung der Frankfurter Union. Sie war von den Franzosen schon dadurch verletzt worden, daß sie keinen ihrer Artikel erfüllten. Der Name des Kaisers hatte den Bund<195> der Fürsten, die seine Verteidigung übernommen hatten, legitimiert. Alle ihre Schritte waren den Reichsgesetzen gemäß. Sobald er aber nicht mehr lebte, wurde das Bündnis hinfällig. Die Reichsfürsten hatten kein gemeinsames Ziel mehr und waren nicht mehr durch gleiche Interessen mit Preußen verknüpft. Es war daher leicht vorauszusehen, daß das neue Haus Österreich auch das Unmögliche versuchen würde, um die Kaiserkrone zurückzugewinnen. In Versailles betrachtete man den Tod des Kaisers insgeheim als eine glückliche Lösung des Knotens und sah sich aus aller Verlegenheit befreit. Man war der ansehnlichen Subsidien, die man dem Kaiser gezahlt hatte, überdrüssig und hoffte, mit der Königin von Ungarn einen guten Tausch zu machen, wenn man ihr die Kaiserkrone gegen einen vorteilhaften Frieden überließ. Dem Wiener Hofe kam es bei seinen ehrgeizigen Wünschen vor allem zu statten, daß ein Drittel der Kurfürsten im Solde des Königs von England stand, und daß der Kurfürst von Mainz, der großen Einfluß auf die Beratungen des Wahltages hatte, der Königin von Ungarn treu ergeben war. Wo sollte man zudem einen Nebenbuhler finden, den man gegen den Großherzog von Toskana aufstellen konnte? Der Kurfürst von der Pfalz war zu schwach und der junge Kurfürst von Bayern195-1 noch nicht in dem Alter, das die Goldene Bulle für die Wahlfähigkeit vorschrieb. Mit dem Throne von Polen hielt man den Kaiserthron für unvereinbar, und so fiel der Kurfürst von Sachsen gänzlich aus. Es blieb folglich niemand als der Großherzog von Toskana, der die Heere der Königin von Ungarn, das englische Gold und die Intrigen der Geistlichkeit hinter sich hatte. Der Versailler Hof sah die Schwierigkeit ein, den Großherzog diesmal vom Thron auszuschließen; trotzdem wollte Frankreich ihm Nebenbuhler erwecken, um sich dann seine Nachgiebigkeit besser bezahlen zu lassen. Der Marschall von Sachsen lenkte die Wahl des Versailler Hofes auf August III., König von Polen. D'Argenson195-2 griff den Gedanken eifrig auf. Er hoffte den König von Polen durch seine Kandidatur mit der Königin von Ungarn zu entzweien und glaubte, daß sich der Ausführung dieses Planes keine Macht außer Preußen widersetzen würde. War d'Argenson doch von den Ursachen der Mißstimmung, die zwischen Berlin und Dresden herrschte, genau unterrichtet.

In der Tat hatte der König von Polen nichts unterlassen, um den König von Preußen zu reizen. Seit Beginn des Jahres 1744 hatte August versucht, die Republik Polen zur Teilnahme an seinem Bündnis mit Österreich195-3 zu bewegen, das eigentlich nur eine Erneuerung der Garantie der Pragmatischen Sanktion war. Er stellte dem Reichstag zu Warschau die Notwendigkeit vor, die Kronarmee um 20 000 Mann zu vermehren, um den Absichten eines ehrgeizigen Nachbarn, der die Republik unverzüglich angreifen wollte, entgegenzutreten. Er schloß ein Schutz- und Trutzbündnis<196> mit Rußland196-1, und jedermann sagte sich ins Ohr, es sei gegen Preußen gerichtet. Der König von Polen war durch Schlesien zum polnischen Reichstag gereist und hatte in Warschau und an den andern europäischen Höfen verleumderisch von der Rücksichtslosigkeit der Preußen gegen ihn wie gegen seine Familie gesprochen, obwohl man ihm jede gekrönten Häuptern schuldige Achtung erwiesen hatte. Infolge des Durchmarsches der preußischen Truppen durch Sachsen wurde das Geschrei noch lauter. Man hielt den Sachsen als Gegenbeispiel vor, daß sie 1711 durch Brandenburg marschiert wären, um die Schweden anzugreifen; aber sie fanden diese Beispiele nur gut für sich und schlecht für andre. Man hatte dem König von Polen in seinem eignen Interesse vorgeschlagen, seine Tochter, die Prinzessin Maria Anna, mit dem Sohne des Kaisers zu verheiraten196-2. Der französische und preußische Gesandte machten dem Grafen Brühl sogar sehr beträchtliche Anerbietungen, um ihn auf die Seite des Kaisers zu ziehen. Aber es war alles umsonst. Der Platz war schon besetzt von den Engländern, Österreichern und Russen. Trotz so vieler Züge von Feindseligkeit von sächsischer Seite gestattete der König von Preußen vor dem Ausbruch des Krieges doch sechs Regimentern, die in Polen standen, den Durchmarsch durch Schlesien nach der Lausitz.

Der König von Polen hatte der Königin von Ungarn vertragsmäßig im Kriegsfalle nur 6 000 Mann zu stellen. Sobald aber die Preußen in Böhmen eingerückt waren, stießen 22 000 Sachsen zu den Österreichern, und Sachsen versagte den Preußen die Durchfuhr der Lebensmittel und Kriegsvorräte. Das kam einer förmlichen Kriegserklärung gleich. Der König von Preußen glaubte, die so sehr gegen ihn ergrimmten sächsischen Nachbarn darauf aufmerksam machen zu müssen, welch schlimme Händel sie sich selbst dadurch zuziehen würden. Aber seine, vielleicht zur Unzeit erfolgte Erklärung empörte ihre Eigenliebe und vermehrte noch ihren Haß gegen Preußen. Als das preußische Heer Böhmen verlassen mußte, schrieb Graf Brühl das seiner eignen Gewandtheit zu. Ja, er rühmte sich, die Königin von Ungarn habe Böhmen dank der Tapferkeit der sächsischen Truppen wiedererlangt, welche die Preußen zum Rückzug gezwungen hätten.

Mit solchen Prahlereien nicht zufrieden, suchte Brühl vor allem den König von Preußen mit der Republik Polen zu entzweien. Bekanntlich besteht in Polen ein strenges Gesetz gegen Bestechung von Reichstagsmitgliedern. Durch viele Geschenke bewog Brühl einen Starosten Wilczewski, vor versammeltem Reichstag zu erklären, der preußische Gesandte habe ihn mit einer Summe von 5 000 Dukaten bestochen. Das gestand der Starost mit zerknirschter und treuherziger Miene, die in der Tat hätte irreführen können. Aber er ward streng verhört und durch seine eigenen Aussagen der Lüge überführt. Der Reichstag zu Warschau ward augenblicklich abgebrochen, nachdem er das Bündnis mit Österreich und die Heeresvermehrung abgelehnt hatte.

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Polen wimmelte damals von Mißvergnügten, wie die meisten Republiken. Die Freiheit wird ja nur durch die verschiedenen Parteien aufrechterhalten, die sich gegenseitig die Wage halten. Die mißvergnügten Polen boten dem König von Preußen an, eine Konföderation gegen die Czartoryski und Potocki oder eigentlich gegen August III. zustande zu bringen. Das wäre ein gutes Mittel gewesen, den König von Polen in die Enge zu treiben. Aber der König von Preußen war völlig abgeneigt, das Feuer des Krieges zu schüren. Er wollte es im Gegenteil löschen und besaß Mäßigung genug, jenen Woiwoden zu raten, die Ruhe ihres Vaterlandes nicht zu stören. Ja, er ließ dem König von Polen, der ihn so schwer beleidigt hatte, für seine Durchreise durch Schlesien alle Sicherheiten anbieten. August III. schlug dies Angebot aus, in einer Form, die die an seinem Hofe sonst üblichen guten Manieren sehr vermissen ließ, und trat den Heimweg nach Sachsen durch Mähren an, das er 1742 hatte erobern wollen! In Olmütz hatte er eine Zusammenkunft mit dem Großherzog von Toskana. Von da reiste er über Prag nach Dresden. Brühl und seine Gattin begaben sich nach Wien, wo sie die Früchte ihrer Parteilichkeit einheimsten.

Sobald Brühl nach Dresden zurückgekehrt war, schickte er seinen ersten Sekretär und Vertrauten, namens Saul, an den Wiener Hof, um mit dem österreichischen Minister Bartenstein die Teilung Schlesiens zu vereinbaren. Ein diesbezüglicher geheimer Artikel wurde dem Warschauer Vertrag angefügt197-1. Darin wurden dem König von Polen die Herzogtümer Glogau und Sagan versprochen. Dafür verpflichtete er sich zum Angriff gegen Schlesien, entsagte allen Ansprüchen auf die Kaiserkrone und versprach dem Großherzog von Toskana seine Stimme bei der Kaiserwahl. Außerdem erbot er sich, seine Hilfstruppen auf 30 000 Mann zu bringen. Über das, was die Königin von Ungarn dem König von Polen zusagte, ist man sich nicht einig. Einige behaupten, der Wiener Hof habe sich nur verpflichtet, des Königs Interessen bei einem allgemeinen Friedensschluß zu vertreten und dem Grafen Brühl das Fürstentum Teschen nebst der Würde eines Reichsfürsten zu versprechen. Doch dem sei, wie ihm wolle. Es ist nicht anzunehmen, daß die letztgenannten Bedingungen bei König August den Ausschlag gegeben haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach lag das Schwergewicht des Bündnisses in der Teilung Schlesiens. Diese Wahrscheinlichkeit erhöht sich noch dadurch, daß der damalige französische Gesandte in Polen, Graf Saint-Séverin, sich für den Entdecker jener Abmachung hielt, und daß sie gerüchtweise schon ziemlich allgemein bekannt war.

Alle diese Verträge zwischen dem Wiener und Dresdener Hofe vermehrten den Verdacht der Preußen. Die Zeit zur Eröffnung des Feldzuges rückte heran. Cagnony, der preußische Geschäftsträger zu Dresden, verlangte vom Grafen Brühl Erklärungen, wozu er die in Böhmen stehenden sächsischen Truppen zu gebrauchen gedächte.<198> Kurz, er forderte eine kategorische Antwort, ob die sächsischen Truppen die unter preußischer Herrschaft stehenden Provinzen angreifen wollten oder nicht. Brühl machte Ausflüchte und wähnte, seine in ganz Europa bekannten Absichten verbergen zu können.

Das war das Verhältnis zwischen beiden Höfen, als Frankreich dem König von Preußen den Vorschlag machte, die Kaiserkrone aufs Haupt eines Feindes zu setzen, der ihn so schwer beleidigt hatte. Wäre der König nur seinem Groll gefolgt, so hätte er den Vorschlag weit von sich gewiesen. Er bewies Mäßigung. Die gesunde Politik gebot die Anwendung aller Mittel, um zwei gegen ihn verbündete Feinde zu trennen. Schmeichelte der Kaisertitel dem König von Polen, so mußte er zum Todfeinde der Königin von Ungarn werden. Dann hatte der König von Preußen gewonnenes Spiel. Er brauchte sich nur mit dem Hause Österreich zu vergleichen und brachte dadurch August um den Thron, nach dem er strebte. Aber Frankreichs Projekt ließ sich nicht ausführen, weil die Kaiserkrone mit der Krone Polens auf einem Haupte unvereinbar war. August hätte also vorerst der polnischen Krone entsagen müssen, und das war nach den polnischen Gesetzen unzulässig. Der König von Preußen machte also gar keine Schwierigkeiten. Er ging auf alles ein, was Frankreich von ihm verlangte, und gab sich zur Mitarbeit an jenem chimärischen Plane her. Der Chevalier Courten hatte die Unterhandlungen in Berlin zu führen und war auf mehr Widerstand von seiten des Königs gegen die Erhebung seines Feindes gefaßt. Seine Einwilligung hielt er für einen Beweis von Willfährigkeit gegen den französischen Hof.

Nicht so zufrieden war der König mit dem Plan für den bevorstehenden Feldzug, den der französische Gesandte vorschlug. Trotz seiner honigsüßen Worte merkte man wohl, daß Frankreich gar nicht die Absicht hatte, sich für seine Verbündeten anzustrengen. Es sollten keinerlei Vorkehrungen zur Verpflegung des Heeres in Bayern getroffen und die Eröffnung des Feldzuges möglichst hinausgeschoben werden. Die Deutschen sollten Passau belagern, die Franzosen Ingolstadt, aber niemand dachte daran, was die Österreicher inzwischen unternehmen würden. Das Heer des Marschalls Maillebois hatte sich von der Lahn hinter den Main zurückgezogen. Die Franzosen wollten es dort verstärken und untätig stehen lassen. Die französische Hauptmacht sollte nach Flandern rücken, wo Ludwig XV. einen zweiten Feldzug zu führen gedachte, und die im Versailler Vertrag ausgemachte Diversion nach Hannover wurde vom Versailler Ministerium gänzlich verworfen. Nachdem der König alle möglichen Gründe erschöpft hatte, um den französischen Gesandten umzustimmen, setzte er eine Art Denkschrift auf, die er an Ludwig XV. schickte. Darin waren die militärischen Operationen den politischen Plänen der beiden Höfe angepaßt und die Bewegungen der Truppen mit ihrer gegenwärtigen Stellung, den obwaltenden Umständen und der Möglichkeit der Ausführung in Einklang gebracht. Folgendes war vorgeschlagen: Maillebois' Armee sollte über die Lahn in die Gegend zwischen Fran<199>ken, Westfalen und den Niederrhein rücken, den Kurfürsten von Hannover durch ihre Nähe im Zaume halten und ihn darin hindern, die böhmische Wahlstimme anzuerkennen199-1 und die Wahl des Großherzogs zu begünstigen. Ferner sollte das Heer dazu dienen, die ganze Gegend in Schach zu halten und den Kurfürsten von der Pfalz, den Landgrafen von Hessen sowie alle Alliierten des verstorbenen Kaisers zu beschützen. Reichten auch diese Maßnahmen nicht völlig hin, um den Großherzog vom Kaiserthron auszuschließen, so konnten die Franzosen seine Erwählung auf diese Weise doch hinausschieben, und wer Zeit gewinnt, hat alles gewonnen. Ebenso verlangte der König, das Heer in Bayern sollte genügend verproviantiert werden, einen fähigen Oberkommandierenden erhalten und sich unverzüglich zusammenziehen, sobald die Österreicher sich in ihren Quartieren zu rühren begannen, damit die Preußen und Bayern mit vereinten Kräften gegen ihre gemeinsamen Feinde vorgehen könnten. Ferner erklärte der König seinen Verbündeten, er sei nach den Erfahrungen des Feldzugs von 1744 von weiten Vorstößen abgekommen und werde künftig nur so weit in die Länder der Königin eindringen, wie seine Lebensmittel ihm nachkommen könnten. Da er die Österreicher und Sachsen so dicht auf dem Halse habe und zudem von den Russen bedroht werde, so sei für ihn doppelte Vorsicht geboten. Wenn aber die Franzosen keine geeigneten Maßregeln zur Hintertreibung der Kaiserwahl träfen, so sähe er sich genötigt, mit der Königin von Ungarn Frieden zu schließen.

Hierauf schickten die Franzosen Valory nach Dresden, um den König von Polen zur Bewerbung um den Kaiserthron zu bereden. Allein der Warschauer Vertrag, das Übergewicht der Russen am sächsischen Hofe und die englischen Guineen banden dem König die Hände.

Dieses Vorspiel bestärkte den Berliner Hof in der Meinung, der Großherzog würde zum Kaiser gewählt werden, die Armee der Verbündeten würde in Bayern kein Glück haben, den Franzosen läge nur ihr Feldzug in Flandern am Herzen und ihre Verbündeten täten gut, für sich selbst zu sorgen. Es wäre zu wünschen gewesen, daß man alle diese politischen Händel auf friedlichem Wege hätte schlichten können, um unnützem Blutvergießen vorzubeugen. Aber die Fackel der Zwietracht sprühte neue Funken über ganz Europa, und die Geldmittel der Großmächte waren noch nicht erschöpft.

Die Preußen fingen auf gut Glück eine Unterhandlung in London an, in der Hoffnung, dort mehr Geneigtheit zum Frieden zu finden als früher, und auch wegen einer soeben geschehenen Umwälzung im englischen Ministerium. Seit Lord Carteret den Wormser Vertrag geschlossen hatte, war die Liebe der englischen Nation zu ihm erkaltet. Man warf ihm vor, daß er zu ungestüm und zu hitzig wäre und sich von seiner Lebhaftigkeit zu ständigen Übertreibungen hinreißen ließe. Die all<200>gemeine Unzufriedenheit nötigte den König, den Minister zu entlassen200-1, der allen seinen Wünschen entsprach und alles, was Georg zum Vorteil seines Kurfürstentums tat, geschickt mit dem englischen Nationalinteresse bemäntelte. Der König mußte es sich bieten lassen, daß das Parlament ihm die Verfügung über die Siegel entzog und sie dem Herzog von Newcastle anvertraute. Lord Harrington wurde Premierminister. Das Volk nannte das neue Ministerium die Partei der Pelhams, weil dessen Mitglieder aus dieser Familie stammten. Die neuen Minister entfernten zwar alle Kreaturen Carterets, konnten aber die von ihm geschlossenen Bündnisse nicht brechen und die Richtung, die er der europäischen Politik gegeben hatte, nicht plötzlich verändern. Carteret war falsch und durchtrieben gewesen und hatte nicht einmal den Anstand gewahrt, mit dem selbst die unredlichsten Charaktere ihre Schlechtigkeit verhüllen. Harrington stand im Ruf eines Ehrenmannes. Er war furchtsamer als sein Vorgänger, dafür aber besaß er alle Eigenschaften einer vornehmen Seele.

In Berlin war man für Harringtons Persönlichkeit eingenommen und versuchte daher mit seiner Hilfe die Wege für einen allgemeinen Frieden zu ebnen. Unter anderm schlug man ihm folgendes vor: Don Philipp sollte in Italien ein Fürstentum bekommen; Frankreich sollte von seinen Eroberungen Ypern und Veurne behalten; dafür sollte Spanien den Engländern den Schleichhandel für zwanzig weitere Jahre oder noch länger gestatten. Alle Verbündeten sollten den Großherzog von Toskana als Kaiser anerkennen, und Preußen sollte, den Bestimmungen des Breslauer Friedens gemäß, im Besitz von Schlesien bleiben. Die englischen Minister lehnten jede Unterhandlung über diese Punkte ab, da der König die Fortsetzung des Krieges wünschte und alle Versuche der Pelhams zu seiner Beendigung hintertrieb. Der Grund für seine hartnäckige Weigerung kam endlich im Haag heraus. Der hervorragendste Geist und zugleich der größte Redner Englands, Lord Chesterfield, war damals Gesandter in Holland. Er verhehlte dem preußischen Gesandten bei den Generalstaaten, Graf Podewils, nicht, daß der Warschauer Vertrag die guten Absichten der Pelhams lahmlege, und daß der König von Preußen sich daher nicht durch Verhandlungen hinhalten lassen dürfe, sondern den Absichten seiner Feinde, die seinen Untergang beschlossen hätten, tapfer entgegentreten müsse. Das hinderte indes nicht, daß die häufigen Vorstellungen des preußischen Gesandten in London200-2 dem König von Preußen die volle Zuneigung des neuen Ministeriums gewannen. Ja die Minister ließen ihm versichern, daß sie nur auf eine Gelegenheit warteten, ihm dienlich zu sein.

Lord Chesterfields Rat war der beste, dem man folgen konnte. Die Unterhandlungen wurden fortgesetzt, aber des Königs Hauptaugenmerk war auf die Rüstungen zum nächsten Feldzuge gerichtet. Zum Wichtigsten gehörte die Anlage großer Magazine in Schlesien, zu der beträchtliche Summen verwandt wurden. Mit vielem Eifer<201> wurde an der Komplettierung der Truppen gearbeitet. Die Mannschaften wurden in den Winterquartieren gut verpflegt, die Kavallerie erhielt Ersatz an Pferden und Mannschaften. Über sechs Millionen Taler wurden aus dem Schatze genommen, um diese Ausgaben zu bestreiten. Außerdem schossen die Stände anderthalb Millionen Taler als Darlehen vor. Alle diese Summen wurden aufgewandt, damit der König die Fehler, die er 1744 in Böhmen begangen hatte, im Jahre 1745 wieder gutmachen konnte. Nachdem die letzte Hand an die Rüstungen gelegt war, reiste der König von Berlin nach Schlesien (15. März).

Unterwegs erfuhr er, daß der Kurfürst von Bayern mit der Königin von Ungarn den Vertrag zu Füssen unterzeichnet hatte. Der Friedensschluß war folgendermaßen zustande gekommen. Unmittelbar nach des Kaisers Tode hatte Seckendorff den Oberbefehl über das Heer niedergelegt, aber die Winterquartiere so schlecht verteilt, daß die Truppen völlig verzettelt waren. Das von ihnen besetzte Gebiet war viel zu groß, und die Österreicher waren noch im Besitz der Festungen und des Donaulaufes. Sie sahen ein, wie wichtig es für sie sei, ihre Operationen auf diesem Kriegsschauplatz zu beenden, bevor sie auf einen andern übergingen. Aus der Stellung der Bayern und ihrer Verbündeten schlossen sie, daß sie leichten Kaufs davonkommen würden. Batthyany kam seinen Feinden zuvor. Sie waren zwar dreimal so stark wie er, wollten sich aber vor Ende Mai nicht zusammenziehen. Mit 12 000 Mann — das war sein ganzes Heer — erscheint Batthyany zwischen Braunau und Schärding, überfällt die zerstreuten Quartiere der Verbündeten und nimmt ihnen Pfarrkirchen, Vilshofen und Landshut nebst den geringen Magazinen fort, die die Bayern dort zusammengebracht hatten. Zugleich überschreitet ein andres österreichisches Detachement die Donau bei Deggendorf, schneidet die Hessen von den Bayern ab, wirft sie über den Inn zurück, zwingt sie, das Gewehr zu strecken (29. März), und treibt die fliehenden Bayern bis über München hinaus. Kaum ist der junge Kurfürst zur Regierung gekommen, so muß er auch schon, wie sein Vater und Großvater201-1, seine Hauptstadt verlassen. Er flüchtet nach Augsburg. Ségur hatte mit den Franzosen und Pfälzern, die er befehligte, kein besseres Geschick. Er wurde auf dem Rückzuge bei Pfaffenhofen geschlagen (15. April). Zugleich besetzten die Österreicher die Rheinbrücke und zwangen ihn dadurch zur Beschleunigung seines Rückmarsches, um Donauwörth vor dem Feinde zu erreichen.

Während die Bayern sich wie eine Herde ohne Hirten in wilder Flucht und in völliger Auflösung nach Friedberg retteten, erschien Seckendorff am bayerischen Hofe, aber nicht als ein Held, der in seinem Geiste die Mittel zur Rettung findet, wenn das feige Volk verzagt, sondern als eine Kreatur des Wiener Hofes, um den jungen, unerfahrenen und vom Unglück verfolgten Fürsten zu umgarnen. Die Franzosen hatten schon seit dem letzten Feldzuge geargwöhnt, daß Seckendorff bestochen sei. Im Elsaß<202> war er gegen die Österreicher nicht so vorgegangen, wie man es hätte erwarten sollen. Er war lahm beim Angriff und lau in der Verfolgung, wenn er den Feind hätte vernichten können. Ja, man beschuldigte ihn, er habe die Winterquartiere der Verbündeten absichtlich auseinandergelegt, um diese dem Feind mit gebundenen Händen auszuliefern. Man sagte sogar, die Königin von Ungarn habe ihm 300 000 Gulden an Rückständen, die er von Kaiser Karl VI. zu fordern hatte, ausgezahlt, damit er den Kurfürsten von Bayern zum Frieden bewegte. Augenscheinlich hatte der Wiener Hof ihm Versprechungen gemacht, vielleicht hatte man ihm die genannte Summe auch zugesichert, aber zur Zahlung war der Wiener Hof damals nicht imstande. Was am meisten gegen Seckendorff spricht, war seine Eile, den Frieden mit Österreich herbeizuführen. Er legte dem jungen Kurfürsten gefälschte Papiere vor, zeigte ihm angebliche Briefe des Königs von Preußen, in denen zu lesen stand, daß Preußen mit der Königin von Ungarn Frieden geschlossen hätte. Er gaukelte ihm Erfolge vor, die die österreichischen Waffen in Flandern und in Italien errungen hätten, und beschwor den jungen Kurfürsten, seinen Zwist mit der Königin beizulegen, um seinem völligen Untergang vorzubeugen. Der unerfahrene Jüngling ließ sich von den Kreaturen des Wiener Hofes, mit denen Seckendorff ihn umgeben hatte, bereden. Sein Vater, der Kaiser, hatte ihm sterbend gesagt: „Vergiß nie die Dienste, die der König von Frankreich und der König von Preußen dir erwiesen haben, und lohne ihnen nicht mit Undank!“ Eingedenk dieser Worte hielt er seine Feder eine Welle unentschlossen in der Hand. Aber der Abgrund, der vor ihm aufgähnte, Seckendorffs Vorspiegelungen und die Hoffnung auf ein besseres Schicksal bestimmten ihn, am 22. Aprll 1745 den Vertrag von Füssen zu unterzeichnen. In diesem Vertrage verzichtete die Königin von Ungarn auf jede Kriegsentschädigung und versprach, den Kurfürsten wieder in den Vollbesitz seiner Staaten einzusetzen. Der Kurfürst entsagte seinerseits, für sich wie für seine Nachkommen, allen Ansprüchen, die das Haus Bayern auf die österreichischen Lande erhob. Er erkannte die böhmische Kurstimme für gültig an und versprach seine eigne Stimme bei der Kaiserwahl dem Großherzog von Toskana. Ferner sagte er die Abberufung seiner Hilfstruppen zu, unter der Bedingung, daß sie auf ihrem Rückmarsche nicht belästigt würden und daß die Königin von Ungarn keine Kriegssteuern aus Bayern mehr erhöbe. Die letzten Artikel wurden von den Österreichern aber so schlecht befolgt, daß sie die Hessen entwaffneten, sie wie Gefangene nach Ungarn führten und unter dem Vorwande von Rückständen noch große Kontributionen aus Bayern eintrieben.

So endigte die Frankfurter Union, und die Österreicher zeigten wieder einmal, daß, wenn sie im Glück sind, nichts härter ist als ihr Joch. Überblickt man aber alle Ereignisse vom Anfang des Jahres an, welch lehrreiches Schauspiel bietet sich dann den bisognosi di gloria und den Staatsmännern, die die Zukunft im voraus zu bestimmen wähnen! Der Kaiser stirbt; sein Sohn schließt mit der Königin von Ungarn Frieden; dem Großherzog von Toskana winkt die Kaiserkrone; im Warschauer Bünd<203>nis vereinigt sich halb Europa gegen Preußen; das preußische Geld hält Rußland in Untätigkeit; England neigt sich auf Preußens Seite herüber. Inzwischen hatte der König seine Rüstungen vollendet. Von dem bevorstehenden Feldzuge hing nun Preußens Ruhm, Glück und Schicksal ab.

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12. Kapitel

Feldzüge in Italien und in Flandern. Begebenheiten am Rhein. Ereignisse vor den Operationen des Jahres 1745.

Um den Faden unserer Erzählung im folgenden nicht abreißen zu lassen, halten wir für geboten, einen kurzen Bericht der Ereignisse in Italien, in Flandern und am Rhein zu geben, bevor wir auf die preußischen Kriegstaten in Schlesien kommen.

Wie erinnerlich, hatte Gages Winterquartiere bei Terni bezogen und seine Spanier und Neapolitaner an beiden Ufern des Tiber gelagert. Lobkowitz hatte sein Quartier bei Imola, Don Philipps Heer stand teils in Savoyen, teils in der Grafschaft Nizza. Die Spanier eröffneten den Feldzug mit der Einnahme von Oneglia. Die französischen und spanischen Truppen versammelten sich in der Gegend von Nizza. Darauf rückte Fürst Lobkowitz bis Cesena vor. Gages ging ihm entgegen, schlug ihn am 31. März bei Rimini, machte 700 Gefangene und verfolgte ihn bis nach Lugo. Von da zog sich Fürst Lobkowitz durch Bologna zurück, ging über den Panaro und nahm Stellung bei Camposanto. Fast zu gleicher Zeit überschritt Gages den Panaro bei Modena und rückte gegen die Ufer der Trebia vor. Von dort eröffnete er sich durch das Genuesische eine Verbindung mit dem Infanten. Lobkowitz marschierte nach Parma und zog dort 15 000 Mann zusammen, in der Hoffnung, die Vereinigung der beiden Armeen zu verhindern. Allein Gages überschritt die Apenninen und den Fluß Magra, ohne sich um die Truppen zu kümmern, die seine Nachhut belästigten. Er zog unter den Mauern von Genua vorbei und erreichte das Polceveratal. Dadurch wurden die Österreicher zum Marsch auf Tortona genötigt. Don Philipp und Maillebois verließen am 1. Juni die Grafschaft Nizza. Sie zogen am Meere entlang die Riviera hinauf und ließen sich in ihrem Marsche auch durch zwölf englische Kriegsschiffe nicht behindern, die ein starkes Feuer auf sie unterhielten und ihnen einige Verluste beibrachten. Die Spanier spürten hier gleichzeitig die Wirkungen des Glücks und des Unglücks. Die Piemontesen waren schlau genug, acht spanische Magazine in der Gegend von Ventimiglia zu verbrennen. Aber zugleich erklärte sich Genua gegen den König von Sardinien und ließ seine Truppen, 10 000 Mann, zum Infanten stoßen.

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Die Österreicher wußten weder das Verdienst noch den Wert guter Generale zu schätzen. Sie hatten den Feldmarschall Traun entlassen, der im letzten Jahre im Elsaß wie in Böhmen sich selbst übertroffen hatte, und den Fürsten Lobkowitz an seiner Statt dem Prinzen von Lothringen zur Seite gestellt. Das Oberkommando in Italien übernahm Graf Schulenburg für den abberufenen Lobkowitz bis zur Ankunft des Fürsten von Liechtenstein, den der Hof damit betraut hatte. Schulenburg hatte Gages gegenüber nicht mehr Glück als sein Vorgänger: solche geistige Überlegenheit hatte der Spanier über die österreichischen Generale. Gages drängte seinen neuen Gegner von Novi bis Rivalta zurück, indes Don Philipp durch Cairo ins Gebiet von Montferrat eindrang, Acqui eroberte und sich mit der neapolitanischen und spanischen Armee bei Asti vereinigte. Schulenburg ging über den Tanaro und nahm Stellung an der Mündung dieses Flusses in den Po, bei einem Flecken namens Bassignana. Der Infant nahm die Gelegenheit wahr. Er ließ Tortona einschließen und rückte gegen die Österreicher vor. Sie zogen sich über den Po zurück und verbrannten und zerstörten alle Brücken hinter sich. Tortona ergab sich nebst seiner Zitadelle den Spaniern. Ein Zuzug von 8 000 Spaniern und Neapolitanern kam unter dem Duc de la Vieuxville aus der Romagna, ging durch das Großherzogtum Toskana, eroberte Piacenza nebst der Zitadelle und vertrieb die Österreicher aus dem Herzogtum Parma. Sofort geht Gages bei Parpanasso über den Po, indes der Infant Alessandria verläßt, den Tanaro überschreitet, die Österreicher am 27. September bei Bassignana angreift und den Sieg davonträgt. Dann belagert der Infant Messandria, das mit Ausnahme der Zitadelle kapituliert. Auch Valenza, Vigevano und viele andre Städte, die wir übergehen, mußten sich dem Sieger ergeben.

In dieser üblen Lage trifft Fürst Liechtenstein ein, um den Oberbefehl über ein geschlagenes, geschwächtes und mutloses Heer zu übernehmen. Wir wollen nicht erörtern, ob der Wiener Hof keine bessere Wahl im Oberkommando hätte treffen können. Soviel aber steht fest, daß der neue Oberkommandierende das geschehene Unglück nicht wieder gutmachte. Niemand hemmte den Siegeslauf der Gegner. Sie nahmen dem König von Sardinien Casale, Asti und Lodi weg. Der Infant zog als Sieger in Mailand ein und blockierte das Kastell der Stadt mit 18 000 Mann. So waren die Spanier am Ende des Feldzuges im Besitz der ganzen Lombardei, mit Ausnahme von Turin, Mantua und einigen Zitadellen, die sie eingeschlossen hielten. Ihre raschen Erfolge verdankten sie dem Feldherrntalent von Gages, zum Teil auch den genuesischen Hilfstruppen. Aber, wie schon gesagt, das Glück macht die Menschen sorglos, und so schliefen die Besieger Italiens denn auf ihren Lorbeeren ein. Zur Sicherung ihrer Winterquartiere hätten sie sich unbedingt der Zitadellen von Mailand und Alessandria bemächtigen müssen. Dazu wäre nur etwas Tatkraft nötig gewesen. Aber die Ausdauer verließ sie, als nur noch wenige Schritte zum Ziele fehlten, wo der Siegespreis des Wettlaufs winkte.

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Das Waffenglück war in diesem Jahre ganz auf seiten der Bourbonen, in Italien so gut wie in Flandern. Ludwig XV. hatte sich an die Spitze seines 80 000 Mann starken flandrischen Heeres gestellt. Der Marschall von Sachsen befehligte unter ihm. Bei Eröffnung des Feldzuges machten die Franzosen Scheinangriffe auf mehrere feste Plätze und belagerten plötzlich Tournai, einen der wichtigsten Barriereplätze, den 9 000 Holländer verteidigten. Die guten Festungswerke und die starke, von Vauban erbaute Zitadelle bereiteten den Belagerern viele Hindernisse und Schwierigkeiten. Die Verbündeten konnten den Franzosen nur 50 000 Mann unter dem Herzog von Cumberland und dem Feldmarschall Königsegg entgegenstellen. Gleichwohl rückten sie gegen Tournai vor und lagerten in der Ebene von Anderlecht. Trotz ihrer Nähe eröffneten die Franzosen am 1. Mai die Laufgräben. Die Verbündeten sahen ein, wie wichtig der Entsatz von Tournai für sie war, und beschlossen alles daranzusetzen, um Ludwig XV. zur Aufhebung der Belagerung zu zwingen.

Geht man am rechten Ufer der Schelde stromauf, so liegt südlich das Dorf Fontenoy, bis dahin ein unbekanntes Nest, seither aber durch die nach ihm benannte Schlacht berühmt. Dort wählte der Marschall von Sachsen eine Stellung aus, die ihm vorteilhaft genug schien, um die Absichten des Herzogs von Cumberland zu vereiteln. Zur Belagerung von Tournai ließ er nur die allernotwendigsten Truppen zurück. Sein rechter Flügel lehnte sich an die Schelde. Das Dorf Antoing am Scheldeufer wurde mit Infanterie und Kanonen besetzt. Die beiden Infanterietreffen nahmen eine hakenförmige Aufstellung gegen den Trinitatisberg ein, der am äußersten Ende des linken Flügels lag. Die Reiterei bildete hinter der Infanterie ein drittes Treffen. Ferner wurde das Dorf Antoing durch eine Batterie am jenseitigen Scheldeufer flankiert, während drei Schanzen, mit Infanterie und Kanonen gespickt, die Front der französischen Stellung deckten. Linkerhand vom Heere zog sich ein Gehölz hin, das die Franzosen durch Verhaue unzugänglich gemacht hatten.

Am 11. Mai bei Tagesanbruch rückte das Heer der Alliierten aus dem Walde von Barry vor und formierte sich in der Ebene in zwei Treffen gegenüber der französischen Armee. Der linke Flügel der Verbündeten eröffnete die Schlacht. Die holländischen Truppen sollten die Dörfer Fontenoy und Antoing angreifen, führten den Auftrag aber so lahm aus, daß sie von den Franzosen zweimal hintereinander zurückgeschlagen wurden. Nun gingen einige englische Brigaden vor, um die Schanzen vor der Front des französischen Heeres zu nehmen. Aber der General, dem dieser Auftrag zufiel, führte ihn nicht aus. Wahrscheinlich fand er ihn zu gefährlich. Als Königsegg sah, daß er große Verluste in Einzelkämpfen hatte, ohne Fortschritte zu machen, wollte er den Kampf mit einem Schlage entscheiden. Unter Umgehung der Dörfer und Schanzen machte er einen allgemeinen Angriff auf die französische Armee. Wäre der Plan ihm geglückt, so wäre die gesamte Besatzung der befestigten Stellungen nach dem Siege gefangen genommen worden, und die Schlacht wäre ein Gegenstück zu der berühmten Schlacht von Höchstädt geworden. Allein der Ausgang entsprach der Er<207>wartung nicht. Königsegg stellte zwei Infanterielinien gegenüber der Lücke auf, die zwischen Antoing und dem Walde von Barry klafft. Aber beim Angriff kamen sie in das Kreuzfeuer aus dem Dorfe und aus den Schanzen. Die Flanken erlitten schwere Verluste und bogen sich zurück. Das Zentrum litt weniger und blieb im Vorrücken. Durch das Abfallen der Flügel erhielt die österreichische Angriffsformation die Gestalt eines Keils, der durch den weiteren Vormarsch des Zentrums und durch die Verwirrung in eine tiefe Kolonne überging. Aber trotz der Unordnung griff diese Masse die französische Garde doch tapfer an, warf sie zurück, drang durch die beiden feindlichen Treffen und hätte vielleicht einen völligen Sieg davongetragen, hätten die Führer der Verbündeten die Verwirrung der Franzosen besser ausgenutzt. Die Mitte des französischen Heeres war durchbrochen. Es wäre ein leichtes gewesen, die Angriffskolonne zu spalten und die eine Hälfte nach rechts, die andre nach links zu werfen. Dadurch wäre die ganze noch standhaltende Infanterie in der Flanke gefaßt worden. Zugleich hätte die Kavallerie zur Unterstützung der mitten durchgeteilten Infanteriemasse vorgehen müssen. Hätten die Verbündeten so gehandelt, dann wäre es wahrscheinlich um die Franzosen geschehen gewesen. Aber während die Angreifer der Unordnung in ihren eignen Reihen abzuhelfen suchten, ließ der Marschall von Sachsen die königliche Leibgarde und die in Reserve gestellten Irländer vorgehen und verstärkte ihren Angriff durch die Salven einiger schleunigst aufgefahrenen Batterien. Auf diese Weise wurden die Engländer aus Angreifern zu Angegriffenen. Von allen Seiten, in der Front wie in der Flanke bedrängt, wichen sie nach tapferem Widerstand zurück, lösten sich auf und wurden von den Franzosen bis in den Wald von Barry verfolgt. Nach gewöhnlicher Schätzung kostete diese Schlacht den Verbündeten 10 000 Mann, mehrere Kanonen und einen Teil ihrer Bagage. Sie zogen sich durch Leuze unter den Kanonen von Ath nach dem Lager von Lessines zurück und überließen den Franzosen das Schlachtfeld und die Stadt Tournai.

Ludwig XV. und der Dauphin wohnten der Schlacht persönlich bei. Man hatte ihnen einen Platz bei einer zurückliegenden Windmühle angewiesen. Seitdem nannten die Franzosen ihren König nur noch Ludwig Müller (Louis du Moulin). So viel steht fest, daß Ludwig XV. am Tage nach der Schlacht bei dem Ritt über die blutgetränkte und mit Leichen bedeckte Walstatt zum Dauphin sagte: „Hier siehst du die Schlachtopfer, die dem politischen Haß und den Leidenschaften unsrer Feinde gefallen sind. Bewahre das im Gedächtnis, damit du mit dem Leben deiner Untertanen nie leichtfertig umgehst und ihr Blut nie in ungerechten Kriegen vergeudest.“ Der Marschall von Sachsen hatte trotz eines Anfalls von Wassersucht den Oberbefehl geführt. Er erhielt vom König die schmeichelhaftesten Lobsprüche. War es doch, als sei er von der Bahre aufgestanden, um Frankreichs Feinde niederzuschmettern. Der König von Preußen beglückwünschte ihn zu seiner Ruhmestat. Er sähe, so schrieb er an ihn, mit der Welt seinen Sieg als ein Unterpfand dafür an, daß der Marschall nach seiner Genesung noch ganz andre Dinge vollbringen würde. Europa ward mit gereimten<208> Zeitungen überschwemmt, die das große Ereignis verherrlichten. Aber man muß bekennen, daß der Tempel Viktorias diesmal den Musentempel an Schönheit übertraf. Die Einnahme von Tournai besiegelte den Sieg der Franzosen. Die Besatzung, 4 000 Mann, hatte sich in die Zitadelle geflüchtet. Sie kapitulierte am 20. Juni unter der Bedingung, achtzehn Monate nicht gegen die Franzosen zu fechten.

Ludwig XV. verstärkte sein Heer in Flandern mit 20 000 Mann, die er von der Rheinarmee nahm. Prinz Conti erhielt deren Oberbefehl an Stelle von Maillebois, der nach Italien geschickt worden war. Eine so unzeitige Truppenverschiebung verstößt gegen alle Regeln der Politik und der Kriegskunst. Die Veranlassung dazu bedarf der Erklärung. Zum besseren Verständnis des Lesers wird es dienen, wenn wir die Gründe für diese Maßnahme entwickeln. Frankreich hatte alle Hebel seiner Politik in Bewegung gesetzt, um den Ehrgeiz des Königs von Polen auf den Kaiserthron zu erregen. Obwohl die Franzosen trotz aller Intrigen mit diesem Plane nicht durchdrangen, ließen sie sich doch nicht abschrecken. Im Gegenteil, sie fuhren fort, in Dresden zu unterhandeln. Graf Saint-Séverin hatte Frankreich am sächsischen Hofe zwar gute Dienste geleistet, war aber dem Grafen Brühl durch seine Geschicklichkeit und seinen Scharfblick unbequem, ja verhaßt geworden. Brühl hatte es durchgesetzt, daß Saint-Séverin vom Grafen Vaulgrenant abgelöst wurde. Der hielt sich selbst für schlauer als Brühl. Im Grunde waren sie es beide nicht. Immerhin gelang es dem Sachsen, Vaulgrenant bei dieser Unterhandlung zu überlisten. Brühl brachte ihm die Überzeugung bei, daß Frankreich nur dadurch zu einem vorteilhaften Frieden mit der Königin von Ungarn gelangen könnte, daß es der Kaiserwahl des Großherzogs von Toskana nicht entgegenträte und seine Armee unter dem Befehl des Prinzen Conti am Rheine untätig ließe, um so mehr, als es seine Truppen an der Schelde viel besser als am Main verwenden könnte. Der Staatsrat Ludwigs XV. tappte blind in die Falle. Er prüfte weder die Ehrlichkeit des Rates, noch fragte er sich, ob der Vorschlag zu den Verpflichtungen stimmte, die Frankreich seinen Verbündeten gegenüber eingegangen war. Die geschwächte Rheinarmee unter Conti war jetzt nicht mehr fähig, den Unternehmungen des Wiener Hofes entgegenzutreten. Der Großherzog wurde gegen Frankreichs Willen zum Kaiser gewählt. Der Friede kam nicht zustande. Ja, der Versailler Hof durfte, um sich nichts zu vergeben, nicht einmal Vorwürfe erheben.

Die der Rheinarmee entzogenen Truppen langten in Flandern just an, als das französische Heer nach der Kapitulation der Zitadelle von Tournai abmarschierte. Es teilte sich in drei Korps. Das eine nahm Stellung bei Courtrai, das zweite bei St. Ghislain, das dritte bei Condé. Vicomte du Chayla schlug eine Abteilung von 5 000 Mann unter dem Kommando des Generals Molck, die der Herzog von Cumberland detachiert hatte, um Gent zu besetzen. Die kleine Schlappe verbreitete Schrecken im Heer der Verbündeten. Es zog von Brüssel ab. Gent, Brügge, Oudenaarde, jetzt unbeschützt, ergaben sich den Franzosen. Der Feldzug endete mit der Ein<209>nahme von Nieuport, Dendermonde, Ostende und Ath, worauf der Marschall von Sachsen Winterquartiere hinter der Dender bezog. Der Feldzug stellte den französischen Waffenruhm, den der Krieg in Böhmen vernichtet hatte, wieder her. Ludwig XIV. hatte im Jahre 1672 mehr Land erobert, es aber ebenso rasch wieder verloren. Ludwig XV. sicherte sich seine Besitzungen und verlor nichts.

Die Spanier und Franzosen hatten den Feldzug in Italien und Flandern um einen Monat früher eröffnet, als die Truppen in Schlesien ins Feld rückten. Die Preußen und Österreicher hatten erst gegen Ende Februar ruhige Winterquartiere bezogen. Beide bedurften der Ruhe, um sich von ihren Strapazen zu erholen. Der König von Preußen konnte seinen Feinden zuvorkommen. Er brauchte nur die österreichischen Quartiere in Böhmen zu überfallen. Aber er setzte mehr aufs Spiel, wenn er dort einbrach, als wenn er den Gegner erwartete. Deshalb zog er seine Kantonnements in der Mitte von Schlesien zusammen, sodaß er allen Gebirgspässen, durch die der Feind eindringen konnte, gleich nahe war. Es wäre unsinnig gewesen, dem Gegner fünfzehn bis zwanzig Straßen streitig zu machen, die in einer Breite von vierundzwanzig deutschen Meilen aus Böhmen und Mähren nach Schlesien führten. Das sicherste blieb, den Prinzen von Lothringen anzugreifen, wenn er aus den Pässen heraustrat, ihn dann nach Böhmen zu verfolgen, das Land an der schlesischen Grenze auf zwölf Meilen in der Runde auszufouragieren und die Truppen im Spätherbst nach Schlesien zurückzuführen, um ihnen ruhige Winterquartiere zu verschaffen. Der Plan war einfach, leicht ausführbar und entsprach den Umständen. Man hatte also alle Ursache, auf sein Gelingen zu rechnen.

Die Armee war folgendermaßen aufgestellt. 10 Bataillone, 10 Schwadronen und 500 Husaren unter Generalleutnant Truchseß bildeten eine Kette von der Lausitz bis zur Grafschaft Glatz. Ihre Patrouillen gingen nach Schatzlar, Braunau und Böhmisch-Friedland. General Lehwaldt deckte die Grafschaft Glatz mit 10 Bataillonen und 500 Husaren. Außerdem lagen drei Bataillone als Besatzung in der Festung, deren Gouverneur Fouqué war. Markgraf Karl verteidigte die Grenze von Oberschlesien mit 16 Bataillonen und 20 Schwadronen. Hautcharmoy deckte mit 5 Bataillonen und 16 Schwadronen den Teil Oberschlesiens jenseits der Oder. Die Hauptarmee stand zwischen Breslau, Brieg, Schweidnitz, Glatz und Neiße. In Neiße hatte der König sein Hauptquartier. Hier wütete eine Seuche. Die Menschen bekamen Beulen und starben in wenigen Tagen. Hätte man gesagt, es sei die Pest, so wären alle Verbindungen, ja sogar die Lieferungen für die Magazine abgeschnitten worden. Die Furcht vor der Ansteckung wäre bei Eröffnung des Feldzuges verhängnisvoller geworden als alle Unternehmungen des Feindes. Man milderte also jenen furchtbaren Namen und nannte die Krankheit Faulfieber. So ging alles seinen gewöhnlichen Gang. Derart machen Worte oft mehr Eindruck auf die Menschen als die Dinge selbst.

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Kurz nach der Ankunft des Königs fing der Kleinkrieg mit großer Heftigkeit an. Die Feinde hofften, die Preußen durch ununterbrochene Belästigung allmählich aufzureiben. Ungefähr 10 bis 12 000 Ungarn unter dem alten Feldmarschall Esterhazy und den Generalen Karolyi, Festetics, Spleny und Ghillanyi machten Einfälle in Oberschlesien und drangen soweit wie möglich vor. Major Schaffstedt, der mit 200 Mann nach dem kleinen Flecken Rosenberg detachiert war, wurde angegriffen. Die Feinde steckten das Städtchen in Brand. Der Major hielt sich tapfer, doch von allen Seiten umzingelt, sah er sich gezwungen zu kapitulieren, worauf er zu seinem Regiment in Kreuzburg zurückkehrte210-1. Der Schimpf mußte vergolten und der Dünkel der neu ausgehobenen ungarischen Truppen gedemütigt werden. Der König sandte Streifkorps gegen sie aus. Es kam zu kleinen Gefechten, dem Vorspiel der entscheidenden Schläge. Da dieses Buch ein Denkmal der Tapferkeit und des Ruhmes der um ihr Vaterland verdienten Offiziere sein soll, so halten wir es für unsere Pflicht, ihre Heldentaten der Nachwelt zu berichten und sie durch solche Beispiele von Seelengröße zur Nacheiferung anzufeuern.

Die Leitung des Unternehmens erhielt Winterfeldt wegen seiner seltenen Verdienste. Er ging mit 6 Bataillonen und 1 200 Husaren bei Kosel über die Oder, während Goltz mit einem Bataillon und 500 Husaren den Fluß bei Oppeln überschritt, um gemeinschaftlich mit ihm die Ungarn unter Esterhazy anzugreifen. Winterfeldt überfiel das Dorf Slawentzitz, wo er 120 Gefangene machte. Er hörte links von sich ziemlich lebhaftes Feuer und rückte sogleich dorthin. Es waren 5 000 Ungarn, die das Goltzsche Detachement umzingelt hatten. Winterfeldt griff sie an und trug einen völligen Sieg davon210-2. Spleny rettete sich mit seinen Husaren, nachdem er 300 Mann und seine Bagage verloren hatte. Winterfeldt hatte damit noch nicht genug. Er setzte die Verfolgung fort und stieß am folgenden Tag auf 2 000 Husaren, die sich vor einem Sumpfe postiert hatten. Er warf sie in den Sumpf, wo der größte Teil umkam oder gefangen genommen wurde. Durch diese Erfolge erlangten die preußischen Husaren allmählich ein Übergewicht über die ungarischen. Der Husarenoberst Wartenberg schlug noch eine große Abteilung Insurgenten bei Kreuzburg und zerstreute sie gänzlich (20. April).

Während dieses Vorspiels zum Kriege rückte das Frühjahr heran. Der April ging zu Ende. Es war Zeit, die Armee zusammenzuziehen. Sie bezog Kantonnementsquartiere zwischen Patschkau und Frankenstein. Man stellte Wege für vier Kolonnen her in der Richtung auf Jägerndorf, Glatz und Schweidnitz. Hier mußte der Feind aus dem Gebirge heraustreten. Die von den Österreichern angelegten Magazine und die Orte, wo ihre regulären Truppen sich zu versammeln begannen, verrieten ihre Absichten deutlich. Man merkte, daß die Insurrektionstruppen und die Ungarn in Oberschlesien nur dazu bestimmt waren, die Preußen irrezuführen und sie dorthin zu locken,<211> indes die österreichische Hauptarmee über Landeshut in Schlesien eindringen sollte. Der Plan war an sich nicht übel, scheiterte aber bei der Ausführung.

Teilten die Preußen ihre Kräfte, um dem Feinde allerorten die Stirn zu bieten, so waren sie zu schwach, um einen entscheidenden Schlag gegen die Hauptmacht des Prinzen von Lothringen zu führen. Blieben sie aber beisammen, so konnten die vielen leichten Truppen, die nirgends Widerstand gefunden hätten, ihnen die Lebensmittel abschneiden und sie schließlich aushungern. Das sicherste war also, seine Hauptmacht zusammenzuhalten, zugleich aber die Entscheidung durch einen großen Schlag herbeizuführen.

Man traf Anstalten, um Oberschlesien, mit Ausnahme der Festung Kosel, gegen Ende Mai zu räumen. Die Magazine wurden von Troppau und Jägerndorf nach Neiße geschafft. Rochow deckte den Transport mit 1 200 Pferden und einem Grenadierbataillon. 4 000 Ungarn, halb Husaren, halb Panduren, griffen ihn an, konnten ihm aber nichts anhaben211-1. Die Kavallerie machte hier die erste Probe auf ihre neue Fechtweise und sah ein, wie brauchbar sie war.

Es galt, die Feinde in Sicherheit zu wiegen. Ihr Dünkel sollte sie bei ihrer Unternehmung zur Nachlässigkeit verleiten. Zu dem Zwecke benutzte der König einen Mann aus Schönberg, der beiden Heeren als Spion diente. Er ließ ihn reichlich bezahlen und sagte ihm, er könne ihm keinen größeren Dienst erweisen als durch rechtzeitige Benachrichtigung vom Marsche des Prinzen von Lothringen, damit er<212> selbst sich auf Breslau zurückziehen könnte, noch ehe die Österreicher aus den Gebirgspässen herausgetreten seien. Um den Spion noch mehr in seinem Irrtum zu bestärken, ließ der König Wege nach Breslau ausbessern. Der Spion versprach alles, erfuhr von der Instandsetzung der Wege und eilte zum Prinzen von Lothringen mit der Meldung, daß der Feind fortzöge und daß er niemand mehr vorfinden würde.

Die Aufmerksamkeit des Königs war jetzt in erster Linie auf Landeshut gerichtet. Dorthin detachierte er Winterfeldt mit einigen Bataillonen und den Husarenregimentern Ruesch und Bronikowski, um die Bewegungen der Österreicher zu beobachten. Bald sollte Winterfeldt sich hervortun. Bei Hirschberg schlug er 800 Ungarn unter einem Freischarenführer Patatich und machte 300 Gefangene. Zur Vergeltung des der ungarischen Nation angetanen Schimpfes rückte Nadasdy mit 7 000 Mann gegen Winterfeldt, der nur 2 400 Mann hatte, vor und griff ihn bei Landeshut an (22. Mai). Nach vierstündigem Kampfe war die ungarische Infanterie völlig geschlagen. Gerade als Nadasdy sich zum Rückzuge wandte, trifft General Stille mit zehn Schwadronen Alt-Möllendorff-Dragonern ein und stürzt sich auf den Feind. Die Ungarn werden völlig geworfen und unter fortwährenden Gefechten bis an die böhmische Grenze zurückgetrieben. Die Österreicher verloren bei diesem Treffen 600 Mann. Einige ihrer vornehmsten Offiziere fielen verwundet in Feindeshand. Von den Gefangenen erfuhr man, daß Nadasdy Befehl hatte, bei Landeshut Posto zu fassen. Wäre ihm das gelungen, dann sollte der Prinz von Lothringen ihm folgen. Winterfeldt wurde wegen seiner hervorragenden Leistungen und seines klugen Benehmens zum Generalmajor befördert.

Markgraf Karl mußte nun unverzüglich aus Oberschlesien abberufen werden. Die ungarische Miliz hatte sich die Aufhebung der Winterquartiere zunutze gemacht, um ganz Oberschlesien mit Streifkorps zu überschwemmen. 6 000 Husaren schwärmten zwischen Jägerndorf und Neustadt, um die Verbindung des Markgrafen mit der Armee zu unterbrechen. Damit der Befehl zum Rückzug nach Neiße den Markgrafen auch wirklich erreichte, schickte der König die Zietenhusaren an ihn ab. Sie schlugen sich durch die Ungarn durch und überbrachten ihm die Order212-1. Der Markgraf setzte sich am 22. Mai in Marsch. Sein Korps zählte etwa 12 000 Mann. Die Feinde sahen seinen Rückzug voraus. Sie hatten sich auf 20 000 Mann verstärkt, teils durch zusammengeraffte barbarische Völker, teils durch einige reguläre Truppen, die aus<213> Mähren zu ihnen gestoßen waren. Sie besetzten tags zuvor alle Anhöhen auf dem Wege des Markgrafen und pflanzten dort drei Batterien auf, die die Preußen in der Flanke beschossen und auf ihrem Marsche sehr belästigten. Aber der Markgraf ließ sich durch die Hindernisse, die der Feind ihm in den Weg legte, nicht abschrecken. Er bemächtigte sich mit einigen Bataillonen der benachbarten Höhen und der wichtigsten Defileen und stellte am Austritt derselben die Kavallerieregimenter Geßler und Württemberg auf. Sie warfen sich mit unerhörtem Ungestüm auf das Regiment Ogylvi, machten den größten Teil davon nieder, griffen dann das Regiment Esterhazy an, das im zweiten Treffen stand, ließen es gleichfalls über die Klinge springen, sammelten sich wieder, attackierten das Dragonerregiment Sachsen-Gotha, das die österreichische Infanterie unterstützen sollte, schlugen es gänzlich und richteten ein großes Blutbad unter den Flüchtlingen an. Die Feinde ließen mehr als 800 Tote auf dem Platze. Ihre Freischaren, die Zuschauer dieses Treffens, stürzten sich, als sie das traurige Schicksal der regulären Truppen sahen, mit wildem Geheul in die Wälder213-1. Der Markgraf bewies in diesem Kampfe eine Tapferkeit, die seines Großvaters, des Großen Kurfürsten, würdig war. General Schwerin213-2 führte die Kavallerieattacke an, die drei verschiedene Regimenter kurz hintereinander niederwarf. Sein Ruhm war um so glänzender, als mit dieser Waffentat die Epoche des Ruhmes für die preußische Kavallerie anbrach. Erstaunlich ist es, wie schnell sich Kühnheit oder Schrecken der großen Masse mitteilen. Im Jahre 1741 war die preußische Kavallerie die unbehilflichste, schwerfälligste und mutloseste in ganz Europa. Nun war sie einexerziert, hatte Gewandtheit, Mut und Selbstvertrauen erlangt und versuchte ihre eignen Kräfte. Es gelang, und da ward sie verwegen. Lohn und Strafe, Lob und Tadel, zur rechten Zeit angewandt, verwandeln den Geist der Menschen und erfüllen sie mit Gesinnungen, die man ihnen im rohen Naturzustande nicht zugetraut hätte. Kommen dann noch große Beispiele von Tapferkeit wie das eben genannte hinzu, die ihre Bewunderung erregen, so ergreift Wetteifer alle Herzen. Einer will es dem andern zuvortun, und gewöhnliche Menschen werden zu Helden. Oft liegen die Talente nur in einer Art von Winterschlaf. Heftige Erschütterungen wecken sie auf; sie ermannen und entwickeln sich. Die Ehrung und Belohnung des Verdienstes erregt die Eigenliebe der Augenzeugen. Im alten Rom waren die Bürger- und Mauerkronen und vor allem die Triumphe ein Ansporn für alle, die auf solche Ehren Anspruch erheben konnten. Es empfahl sich daher, die Ruhmestat von Jägerndorf beim Heere recht herauszustreichen. Der Markgraf, General Schwerin und alle, die sich ausgezeichnet hatten, wurden im Triumphe empfangen. Die Kavallerie wartete mit Ungeduld auf die Gelegenheit, es diesen Helden gleichzutun, ja sie zu übertreffen. Alle brannten vor Begierde, zu kämpfen und zu siegen.

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Unter solchen glücklichen Vorzeichen wurde das Heer am 27. Mai im Lager bei Frankenstein zusammengezogen, mit Ausnahme der Truppen, die die Festungen schützten, und eines Korps von 6 Bataillonen und 20 Schwadronen unter Hautcharmoy, das dem Feldmarschall Esterhazy gegenüberstand und das sich in die Festungen Kosel, Brieg und Neiße zurückziehen konnte, falls die Übermacht des Feindes es erdrückte.

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13. Kapitel

Schlacht bei Hohenfriedberg. Einmarsch in Böhmen. Dortige Begebenheiten. Schlacht bei Soor. Rückzug der Truppen nach Schlesien.

Unsicher war die Lage des Königs noch immer. Die Politik war voller Abgründe. Der Krieg hing von Zufällen ab, und die Finanzen waren fast gänzlich erschöpft. Unter solchen Verhältnissen muß man alle Kraft zusammennehmen und den ringsum dräuenden Gefahren fest ins Auge schauen. Man darf sich nicht durch die Schattenbilder der Zukunft beunruhigen lassen und muß auf alle nur mögliche und denkbare Weise dem Verderben zuvorkommen, solange es noch Zeit ist. Vor allem aber darf man nicht von den Grundsätzen abweichen, auf die man sein politisches und militärisches System gebaut hat. Der Feldzugsplan des Königs stand fest. Um jedoch nichts unversucht zu lassen, wandte er sich zuvor an seine Verbündeten. Durch nachdrücklich geführte Unterhandlungen suchte er Hilfe von ihnen zu erlangen. Nur von Frankreich war etwas zu erwarten. Der König ließ dem Versailler Hofe die Unmöglichkeit vorstellen, einen Krieg noch lange auszuhalten, dessen ganze Last allein auf seinen Schultern lag. Er forderte ihn auf, sein Bündnis buchstäblich zu erfüllen, und da der Feind sich zu einem Einfall in seine Staaten rüstete, so drängte er Ludwig XV., ihm die für den Fall versprochenen Subsidien zu zahlen oder ihm durch eine wirkliche Diversion Luft zu schaffen. Auf das französische Ministerium schienen seine Vorstellungen wenig Eindruck zu machen. Es behandelte sie als Lappalien und sah die Schlacht von Fontenoy und die Eroberung einiger fester Plätze in Flandern als eine beträchtliche Diversion an. Nun wandte sich der König persönlich an Ludwig XV. und beschwerte sich über die kühle Haltung des Versailler Ministeriums. Er betonte, in welch mißlicher und bedrängter Lage er sich befände, und daß nur die Freundschaft für Seine Allerchristlichste Majestät ihn in diese Not gebracht hätte. Er hielt dem König von Frankreich vor, daß er ihm einige Gegendienste für den Beistand schulde, den er ihm zu einer Zeit geleistet hätte, wo das Glück sich im Elsaß den Österreichern zuwandte. Die Schlacht von Fontenoy und die Einnahme von Tournai wären gewiß glorreiche Ereignisse für des Königs Person und für Frankreichs Vorteil, aber für Preußens<216> unmittelbares Interesse bedeuteten sie nicht mehr als ein Sieg am Skamander oder die Eroberung von Peking. Zudem, fuhr der König in seinem Briefe fort, hielten die Franzosen in Flandern kaum 6 000 Österreicher in Schach, und er könne sich in der augenblicklichen Gefahr nicht mit schönen Worten zufrieden geben, sondern müsse dringend um wirkliche Hilfe bitten. Der Vergleich mit dem Skamander und Peking mißfiel Seiner Allerchristlichsten Majestät. Die Verstimmung war zwischen den Zeilen des Antwortschreibens zu lesen, und der König von Preußen fühlte sich wiederum durch den kalten und hochmütigen Ton dieser Antwort gekränkt.

Während diese kleinen Zwistigkeiten dem unter Verbündeten nötigen Einvernehmen schadeten, begannen die Österreicher ihre Operationen im Felde. Das österreichische Heer, aus den Truppen der Königin und aus den Sachsen bestehend, rückte allmählich an die schlesische Grenze. Die Österreicher kamen von Königgrätz und aus der Gegend von Jaromircz, die Sachsen von Jung-Bunzlau und Königinhof. Sie vereinigten sich bei Trautenau, von wo sie auf Schatzlar vorrückten. Unterwegs konnten sie sich nicht aufhalten. Alle ihre Bewegungen waren also fast auf Tag und Stunde zu berechnen. Es war daher an der Zeit, General Winterfeldt in Landeshut die nötigen Befehle zu erteilen. Er sollte sich beim Nahen des Feindes auf das Du Moulinsche Korps zurückziehen und gemeinsam mit ihm den Rückzug bis Schweidnitz fortsetzen. Dabei sollten sie möglichst geschickt die Nachricht aussprengen, daß die Preußen im Begriff ständen, den Fuß des Gebirges zu verlassen und unter den Kanonen von Breslau Schutz zu suchen.

Der doppelte Spion, von dem schon die Rede war, griff diese Gerüchte begierig auf und brachte dem Prinzen von Lothringen flugs die Bestätigung vom Rückzug der Preußen, den er ihm vor einiger Zeit gemeldet hatte. List nutzt im Kriege oft mehr als Kraft. Freilich darf man sie nicht zu häufig anwenden, sonst verliert sie ihren Wert. Man soll sie für wichtige Gelegenheiten aufsparen. Wenn die falschen Nachrichten, die man dem Feinde zukommen läßt, seinen Leidenschaften schmeicheln, so ist man fast sicher, ihn in die Falle zu locken. Da Winterfeldt und Du Moulin dem Feinde um einen Tagemarsch voraus waren, so gelangten sie nach Schweidnitz, ohne daß ihnen das geringste zustieß.

Die Armee des Königs verließ Frankenstein und bezog am 30. Mai ein Lager bei Reichenbach. Von da hatte sie nur noch einen kleinen Marsch bis Schweidnitz, das sie am 1. Juni passierte. Das Winterfeldtsche und das Du Moulinsche Korps marschierten als Avantgarde und nahmen die Anhöhen von Striegau diesseits des Striegauer Wassers ein. General Nassau besetzte mit seinem Korps den Nonnenbusch, und die Armee lagerte in der Ebene zwischen Alt-Jauernick und Schweidnitz. Derart war der zwei Meilen breite Raum zwischen Striegau und Schweidnitz von einer fast ununterbrochenen Linie preußischer Truppen besetzt. Die Stellung des Königs war höchst vorteilhaft. General Wallis, der Führer der feindlichen Avantgarde, und Nadasdy erschienen zuerst auf den Anhöhen von Freyburg. Der Prinz<217> von Lothringen war über Landeshut in Schlesien eingedrungen. Von dort hatte er seinen Marsch über Reichenau und Hohen-Helmsdorf fortgesetzt. Von seinem Lager konnte er auf vier Wegen in die Ebene herabsteigen: über Freyburg, Hohenfriedberg, Schweinhaus und Kauder. Der König rekognoszierte das ganze Gebiet, um über das Gelände für die Aufstellung seiner Armee im voraus Bescheid zu wissen. Drei Tage lang wurden die Wege ausgebessert. Kein Hindernis sollte die Preußen aufhalten, dem Feinde entgegenzueilen, sobald er in die Ebene herabkam. Damit benahm man dem Zufall alles, was Voraussicht ihm zu entreißen vermag.

Am 2. Juni hielten die österreichischen und sächsischen Generale Kriegsrat auf dem Galgenberg217-1 bei Hohenfriedberg. Sie konnten von dort zwar die ganze Ebene überschauen, erblickten aber nur kleine Abteilungen des preußischen Heeres; denn die Hauptmacht war durch den Nonnenbusch und durch Schluchten verdeckt, hinter denen sie absichtlich aufgestellt war, um den Feind in Unkenntnis über die Zahl der Preußen zu halten und ihn in dem Glauben zu bestärken, daß er in ein unverteidigtes Land käme. Der Prinz von Lothringen lagerte am folgenden Tage bei dem Dorfe Ölse und gab Wenzel Wallis Befehl, mit seinem Vortrab das Magazin zu Schweidnitz fortzunehmen. Von da sollte er die Preußen bis nach Breslau verfolgen. Der Herzog von Weißenfels erhielt den Auftrag, mit seinen Sachsen Striegau zu nehmen und dann Glogau zu belagern. Der Prinz von Lothringen hatte bei seinem Plane nur vergessen, daß er ein Heer von 70 000 Mann vor sich hatte, das fest entschlossen war, jeden Fußbreit Landes bis aufs Äußerste zu verteidigen. Derart kreuzten sich die Pläne der Österreicher und der Preußen wie entgegenstehende Winde, die Wolken zusammentreiben, deren Zusammenprall Blitz und Donner erzeugt.

Der König besichtigte täglich seine Vorposten. Am 3. war er auf einer Höhe217-2 vor Du Moulins Lager. Von dort konnte er das ganze Blachfeld, die Anhöhen von Fürstenstein und sogar einen Teil des österreichischen Lagers bei Reichenau überschauen. Er hatte sich ziemlich lange auf der Anhöhe aufgehalten, als er in den Bergen eine aufsteigende Staubwolke erblickte, die in die Ebene vorrückte und sich von Kauder nach Rohnstock hinschlängelte. Dann sank der Staub, und man sah deutlich das österreichische Heer, das in acht großen Kolonnen aus dem Gebirge herausgetreten war. Der rechte Flügel lehnte sich an das Striegauer Wasser und zog sich von dort gegen Rohnstock und Hausdorf. Am linken Flügel standen die Sachsen bis Pilgramshain hin. Sofort erhielt Du Moulin Befehl, das Lager um 8 Uhr abends abzubrechen, über das Striegauer Wasser zu gehen und sich auf einem vor der Stadt liegenden Felsen zu postieren. Dort befindet sich ein Topasbruch, der dem Berge den Namen gegeben hat217-3. Die Armee setzte sich um 8 Uhr abends in Bewegung und marschierte unter größter Stille nach rechts in zwei Treffen ab. Selbst das Rauchen war<218> verboten. Die Spitze traf um Mitternacht bei den Striegauer Brücken ein. Dort wurde gewartet, bis alle Korps beisammen waren.

Am 4. Juni um 2 Uhr früh versammelte der König die höchsten Offiziere, um ihnen die Dispositionen für die Schlacht zu geben. Wir würden sie hier übergehen, wäre nicht alles, was mit einer Entscheidungsschlacht zusammenhängt, wichtig. Die Anordnung lautete wie folgt:

„Die Armee marschiert unverzüglich rechts in zwei Treffen ab und geht über das Striegauer Wasser. Die Kavallerie stellt sich in Schlachtordnung dem linken feindlichen Flügel gegenüber, nach Pilgramshain zu. Du Moulin deckt ihren rechten Flügel. Der rechte Infanterieflügel stellt sich neben den linken Kavallerieflügel, den Rohnstocker Büschen gegenüber auf. Die Kavallerie des linken Flügels lehnt sich an das Striegauer Wasser und behält die Stadt Striegau weit im Rücken. Zehn Dragoner- und zwanzig Husarenschwadronen stellen sich als Reserve hinter die Mitte des zweiten Treffens und halten sich zur Verwendung bereit. Hinter jedem Kavallerieflügel steht ein Husarenregiment als drittes Treffen, um bei offenem Gelände den Rücken und die Flanke der Kavallerie zu decken oder zur Verfolgung vorzugehen. Die Kavallerie greift den Feind mit der blanken Waffe ungestüm an, macht während des Gefechts keine Gefangenen und richtet ihre Hiebe nach dem Gesicht. Nachdem sie die feindliche Kavallerie attackiert, geworfen und zerstreut hat, kehrt sie um und fällt der feindlichen Infanterie in die Flanke oder in den Rücken, je nach der Gelegenheit. Die Infanterie rückt im Geschwindschritt gegen den Feind an. Wenn irgend möglich, geht sie mit dem Bajonett vor. Muß gefeuert werden, dann nur auf 150 Schritt. Finden die Generale auf den Flügeln oder vor der Front des Feindes ein Dorf unbesetzt, so nehmen sie es, umstellen es mit Infanterie und benutzen es nach Möglichkeit zur Umfassung der feindlichen Flanke. Es dürfen aber keine Truppen in die Häuser oder Gärten gelegt werden, damit nichts die Verfolgung des geschlagenen Gegners hindert.“

Sobald jeder wieder auf seinem Posten war, setzte sich die Armee in Marsch. Kaum war die Spitze über den Bach, als Du Moulin Meldung sandte, er habe feindliche Infanterie auf einer Anhöhe vor sich erblickt und seine Stellung geändert. Er sei rechts abgebogen und hätte sich auf einer gegenüberliegenden Anhöhe formiert, wodurch er sogar den linken Flügel des Feindes überflügele. Du Moulin war auf die Sachsen gestoßen. Sie hatten Befehl, Striegau zu besetzen, und waren nun sehr erstaunt, Preußen vor sich zu finden. Der König ließ schleunigst eine Batterie von sechs Vierundzwanzigpfündern auf dem Topasberge auffahren. Sie war in der Schlacht von erheblichem Nutzen, da sie große Verwirrung unter den Feinden anrichtete.

Die ganze sächsische Armee eilte zur Unterstützung ihrer Avantgarde heran, die zur Einnahme von Striegau Befehl hatte. Nun donnerten ihr die preußischen Geschütze ganz unerwartet entgegen. Zugleich formierte sich die Kavallerie des rechten preußischen Flügels unter der Batterie. Die Gardesdukorps marschierten neben Du Moulin<219> auf, und die linke Flanke des Flügels stieß an die Rohnstocker Büsche. Zweimal attackierten die Preußen die sächsische Reiterei, dann flüchtete diese in wildem Getümmel. Nun hieben die Gardesdukorps die beiden Infanteriebataillone nieder, auf die Du Moulin bei Beginn der Schlacht gestoßen war. Darauf griffen die preußischen Grenadiere und das Regiment Anhalt die sächsische Infanterie in den Büschen an, wo sie sich zu entwickeln begann, vertrieben sie daraus und verjagten sie auch von einem Damme, wo sie sich wieder sammeln wollte. Von da setzten sie durch einen Teich und gingen gegen das zweite Treffen der Sachsen vor, das auf sumpfigem Boden stand. Der Kampf war noch blutiger als der erste, aber ebenso rasch beendigt. Die Sachsen mußten sich auch hier zur Flucht wenden.

Die sächsischen Generale brachten einige Bataillone wieder zum Stehen und stellten sie auf einer Anhöhe hakenförmig auf, um ihren Rückzug zu decken. Aber die schon siegreiche preußische Reiterei des rechten Flügels tauchte in ihrer Flanke auf, während die preußische Infanterie aus dem Gehölz heraustrat und zum Angriff vorging. Kalckstein stieß noch mit Truppen aus dem zweiten Treffen dazu, das die Sachsen bedeutend überflügelte. Als diese ihre verzweifelte Lage erkannten, warteten sie den Angriff nicht ab, sondern ergriffen schimpflich die Flucht. So wurden sie völlig geschlagen, noch ehe der linke preußische Flügel ganz aufmarschiert war. Es verging noch eine gute Viertelstunde, bevor der linke Flügel mit den Österreichern handgemein wurde.

Der Prinz von Lothringen hatte in seinem Hauptquartier zu Hausdorf die Meldung erhalten, daß man Gewehr- und Geschützfeuer vernähme. Er glaubte schlecht und recht, die Sachsen griffen Striegau an, und legte der Meldung keinen Wert bei. Schließlich meldete man ihm, die Sachsen wären auf der Flucht, und das ganze Blachfeld wimmelte von ihnen. Nun kleidete er sich schleunigst an und gab den Befehl zum Vormarsch. Die Österreicher rückten mit gemessenen Schritten in die Ebene zwischen dem Striegauer Wasser und den Rohnstocker Büschen, die von zahlreichen Grenzgräben zwischen den Bauerngütern durchschnitten wird. Sobald Markgraf Karl und der Prinz von Preußen dem Feinde nahe genug waren, griffen sie ihn so heftig an, daß er zurückwich. Die österreichischen Grenadiere benutzten die genannten Gräben sehr geschickt und hätten ihren Rückzug in guter Ordnung vollzogen, wäre das Regiment Garde nicht zweimal mit gefälltem Bajonett auf sie eingedrungen. Die Regimenter Hacke, Bevern und alle, die im Feuer standen, zeichneten sich durch Tapferkeit aus. Als der Feind vor dem rechten Flügel vertrieben war, ließ der König eine Viertelschwenkung machen, um die Österreicher in der linken Flanke und im Rücken zu fassen. Der rechte Flügel strich durch die Rohnstocker Büsche und Teiche, und als er sie hinter sich hatte und den Feind angriff, hatte der linke preußische Flügel schon beträchtliches Gelände gewonnen.

Die Kavallerie des linken Flügels hatte einen Unfall erlitten. Kaum war Kyau mit seinen zehn Schwadronen über die Brücke des Striegauer Wassers gegangen, als die Brücke einbrach. Kyau entschloß sich zum Angriff auf die feindliche Kaval<220>lerie. General Zieten stieß mit der Reserve zu ihm, warf alles, was ihm Widerstand leistete, vor sich nieder und verschaffte Nassau, der den linken Flügel kommandierte, Zeit, den Bach zu durchwaten. Kaum hatte Nassau seinen Flügel in Reih und Glied gestellt, so griff er die ganze feindliche Reiterei, die er vor sich fand, an und schlug sie in die Flucht. General Polentz trug viel zum Erfolge bei. Er hatte sich mit seiner Infanterie in das Dorf Fehebeutel geschlichen, von wo er die österreichische Kavallerie in der Flanke beschoß und sie durch mehrere Salven erschütterte, sodaß sie leichter geschlagen wurde. Geßler, der das zweite Treffen befehligte, sah, daß es hier keine Lorbeeren zu pflücken gab. Er wandte sich zur preußischen Infanterie, und als er die Österreicher in Unordnung sah, ließ er die Infanterie auseinandertreten, ging durch sie hindurch, formierte sich in drei Kolonnen und stürzte sich mit unerhörtem Ungestüm auf den Feind. Die Bayreuther Dragoner hieben einen großen Teil nieder und nahmen einundzwanzig Bataillone von den Regimentern Marschall, Grünne, Thüngen, Daun, Kolowrat220-1, Wurmbrand220-2 und einem andern Regiment, dessen Name mir entfallen ist, gefangen. Trotzdem viele getötet wurden, betrug die Zahl der Gefangenen doch 4 000 Mann, dazu 66 Fahnen. General Schwerin220-3, der Vetter dessen, der sich bei Jägerndorf hervorgetan hatte, und eine Unmenge von Offizieren, die wir wegen ihrer großen Anzahl nicht aufführen können, erwarben sich hier unsterblichen Ruhm.

Diese Heldentat geschah zur selben Zeit, wo der rechte preußische Flügel dem Prinzen von Lothringen in die Flanke fiel. Damit erreichte die Verwirrung der Österreicher den Höhepunkt. Alles lief auseinander und flüchtete in größter Unordnung nach dem Gebirge. Die Sachsen zogen sich über Bohrau-Seifersdorf zurück. Das Zentrum der Österreicher rettete sich über Kauder und ihr Flügel über Hohenfriedberg, wo zu ihrem Glück Nadasdy und Wallis eingetroffen waren, die den Rückzug deckten. Die Preußen verfolgten sie bis auf die Höhen von Kauder. Dort machten sie halt, um sich zu verschnaufen.

Die Preußen nahmen in der Schlacht insgesamt 4 Generale, 200 Offiziere und 7 000 Gemeine gefangen. Ihre Siegestrophäen bestanden in 76 Fahnen, 7 Standarten, 8 Paar Pauken und 60 Kanonen. Das Schlachtfeld war mit Toten besät. Die Feinde verloren 4 000 Mann, darunter mehrere höhere Offiziere. Der Verlust der Preußen an Toten und Verwundeten betrug kaum 1 800 Mann. Mehrere Offiziere, die in der Schlacht fielen, erwarben sich Anspruch auf die Trauer des Vaterlandes. Unter ihnen befanden sich General Truchseß und die Obersten Massow, Kahlbutz und Döring220-4.

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Das war die dritte Entscheidungsschlacht um den Besitz von Schlesien, aber nicht die letzte. Wenn die Fürsten um Provinzen spielen, bilden die Untertanen den Einsatz. Durch List wurde die Schlacht vorbereitet, aber durch Tapferkeit gewonnen. Wäre der Prinz von Lothringen durch seine selbst getäuschten Spione nicht irregeführt worden, so wäre er niemals so plump in die Falle gegangen. Das bestätigt wieder die alte Lehre, daß man nie von den Grundsätzen der Kriegskunst abweichen und nie die Vorsicht außer acht lassen soll. Ihre peinliche Beobachtung sichert allein den Erfolg. Selbst wenn alles dem Plan eines Heerführers Erfolg verspricht, ist es immer das sicherste, seinen Feind nie so weit zu unterschätzen, daß man ihn für unfähig zum Widerstande hält. Der Zufall behauptet stets sein Recht.

Selbst in dieser Schlacht wäre ein Mißverständnis für die Preußen beinahe verhängnisvoll geworden. Im Anfang zog der König 10 Bataillone des zweiten Treffens unter Kalcksteins Befehl zur Verstärkung Du Moulins vor und schickte einen seiner Adjutanten an den Markgrafen Karl mit dem Auftrage, den Befehl über das zweite Treffen während Kalcksteins Abwesenheit zu übernehmen. Der einfältige Offizier meldete dem Markgrafen aber, er solle das zweite Treffen mit seiner Brigade, die am äußersten Ende des linken Flügels stand, verstärken. Der König merkte das Versehen noch bei Zeiten und machte es schleunigst wieder gut. Hätte der Prinz von Lothringen die falsche Bewegung benutzt, so hätte er den linken Flügel der Preußen, der noch nicht an das Striegauer Wasser angelehnt war, in der Flanke fassen können. So hängt das Schicksal ganzer Staaten und der Feldherrnruhm oft an Kleinigkeiten, und ein einziger Augenblick entscheidet den Erfolg. Aber man muß gestehen, bei der Tapferkeit der Truppen, die bei Hohenfriedberg fochten, lief der Staat keine Gefahr. Kein Korps wurde zurückgeworfen. Von 64 Bataillonen kamen nur 27 ins Feuer und trugen den Sieg davon. Die Welt ruht nicht sicherer auf den Schultern des Atlas, als Preußen auf einer solchen Armee.

Man darf sich nicht wundern, daß die Österreicher nicht nachdrücklicher verfolgt wurden. Die Nacht vom 3. zum 4. war mit dem Anmarsch verbracht worden. Die Schlacht dauerte zwar nicht lange, war aber ohne Unterbrechung sehr anstrengend. Die Munition war verschossen. Bagage, Munition und Lebensmittel waren in Schweidnitz und mußten erst herangeholt werden. Die Korps von Wallis und Nadasdy, die an der Schlacht nicht teilgenommen hatten, bildeten den Nachtrupp der Österreicher. Sie hatten die Anhöhen bei Hohenfriedberg besetzt. Es wäre tollkühn gewesen, sie aus ihrer Stellung vertreiben zu wollen. Die Preußen standen auf der Anhöhe von Kauder, aber die von Hohenfriedberg lag ihnen zur Linken: man durfte also durch unbesonnenes Draufgehen nicht wieder verlieren, was man durch Klugheit gewonnen hatte.

Am nächsten Tage wurden Winterfeldt und Du Moulin zur Verfolgung des Feindes abgeschickt. Sie erreichten den Prinzen von Lothringen bei Landeshut. Er wartete sie nicht ab, hob sein Lager bei ihrem Anmarsche auf und befahl Nadasdy, seinen Rückzug zu decken. Winterfeldt griff Nadasdy an, schlug ihn in die Flucht und ver<222>folgte ihn bis an die böhmische Grenze, nachdem er ihm 200 Mann getötet und 130 Gefangene gemacht hatte. Du Moulin bezog das von den Österreichern geräumte Lager. Nach dem Siege bei Hohenfriedberg berief der König Cagnony, seinen Gesandten in Dresden, ab. Bülow222-1, der diplomatische Vertreter Polens in Berlin, mußte abreisen, ebenso der sächsische Resident in Breslau. Der König erklärte, daß er den Einfall der Sachsen in Schlesien als offenen Bruch ansähe.

Die Armee folgte am 6. dem Du Moulinschen Korps und rückte nach Landeshut. Als der König dort eintraf, umringte ihn eine Schar von zweitausend Bauern und bat ihn um Erlaubnis, alle Katholiken in der Gegend totschlagen zu dürfen. Ihre Erbitterung kam von den harten Verfolgungen, welche die Protestanten zur österreichischen Zeit von der Geistlichkeit erdulden mußten. Man hatte den Lutheranern ihre Kirchen genommen und sie katholischen Priestern gegeben, die im ganzen Dorfe die einzigen ihres Glaubens waren. Der König war weit entfernt, ihnen eine so grausame Erlaubnis zu erteilen. Er ermahnte sie vielmehr, sich nach den Geboten der Heiligen Schrift zu richten, die zu segnen, die ihnen fluchten, und für ihre Verfolger zu bitten, um in das Himmelreich zu kommen. Die Bauern antworteten, er habe recht, und standen von ihrem grausamen Vorhaben ab.

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Die Avantgarde rückte bis Starkstadt. Dort erfuhr sie, daß die Feinde Trautenau geräumt hätten und sich nach Jaromircz hinzögen; worauf sie sich bei Skalitz postierte. Die Armee nahm den Weg über Friedland und Nachod, der für die Verpflegung bequemer war. Dann trat sie aus dem Gebirge hervor und breitete sich längs der Mettau aus. Das ist ein kleiner Bach mit steilen Ufern, der von Neustadt kommt und bei Pleß in die Elbe mündet.

Das österreichische Lager war hinter der Elbe zwischen Smirschitz und Jaromircz. Nadasdy, dessen Korps etwa 6 000 Mann stark war, machte Miene, der preußischen Vorhut den Übergang über die Mettau zu verwehren. Aber Lehwaldt vertrieb die Ungarn ohne Blutvergießen, ging über den Bach und lagerte sich eine Viertelmeile vom jenseitigen Ufer.

Am Tage darauf rückte die um 11 Bataillone verstärkte Avantgarde auf Kralova-Lhota, wo der König sich an ihre Spitze stellte und bis Königgrätz vorging. Hier besetzte er das Gelände zwischen Rusek, das nach der Elbe zu liegt, und Diwetz, einem Ort an der Adler. Das ist ein Bach, der aus dem Glatzer Gebirge kommt und bei Königgrätz in die Elbe mündet. Die Armee lagerte eine Viertelmeile hinter der Avantgarde unter dem Befehl des Erbprinzen Leopold. Durch diese Bewegungen wurde der Prinz von Lothringen gezwungen, sich Königgrätz zu nähern. Er postierte sich auf einer Anhöhe an der Mündung der Adler in die Elbe, den Preußen gegenüber. Sein rechter Flügel stand an einen Sumpf gelehnt, sein linker bog sich nach Pardubitz zurück. Im Rücken hatte er einen zwei Meilen großen Wald, der sich bis Holitz ausdehnt. Durch drei über die Adler geschlagene Brücken hatte er die Verbindung mit Königgrätz hergestellt, wo er ein Detachement von 800 Mann stehen hatte. Er ließ vor der Stadt auf einer kleinen Anhöhe eine Schanze aufwerfen, die den Anmarsch der Preußen verhinderte. In dieser Stellung war er unangreifbar. Der König begnügte sich damit, die Städte Jaromircz und Smirschitz mit Infanterie und die Elbufer mit Dragoner- und Husarenabteilungen zu besetzen, um die Beitreibung der Fourage zu decken. Wie die beiden Heere so um Königgrätz herumstanden, konnte man sie für ein und dasselbe Korps halten, das die Stadt belagerte. Jedenfalls war sowohl die Avantgarde wie das Gros der Preußen in so günstiger Stellung, daß der Feind ihnen nichts anhaben konnte. Man hätte allerdings einen Handstreich gegen Königgrätz ausführen können; aber was hätte man dabei gewonnen? Die Stadt besaß weder Festungswerke noch Magazine, und früher oder später hätte man sie doch verlassen müssen. Es wäre also unnützes Blutvergießen gewesen.

Oberflächliche Beurteiler glaubten, der König hätte in seiner günstigen Lage den zu Neiße entworfenen Feldzugsplan ändern und seine Vorsätze mit den Erfolgen erweitern müssen. Dem aber war nicht so. Die Schlacht bei Hohenfriedberg hatte Schlesien gerettet, der Feind war geschlagen, doch nicht völlig vernichtet. Vor allem aber hatte die Schlacht die böhmischen Gebirge, über welche die Lebensmittel für die Armee kommen mußten, nicht aus der Welt geschafft. Im Jahre 1744 hatte man die<224> Proviantwagen verloren, und so konnten die Lebensmittel dem Lager nur auf schlesischen Bauernwagen zugeführt werden. Seit dem Abmarsche des Markgrafen Karl aus Oberschlesien hatten die Ungarn die Festung Kosel überrumpelt (26. Mai). Sie wagten sich auf ihren Streifzügen bis in die Nähe von Schweidnitz und Breslau und waren im Begriff, sich hinter die Armee zu schieben und ihr die Lebensmittel abzuschneiden. Zudem konnte sich der König nicht weiter als zehn deutsche Meilen von Schweidnitz entfernen, von wo er nur alle fünf Tage Lebensmittel erhielt. Hätte er den Kriegsschauplatz nach Sachsen verlegt, so hätte er Schlesien der Willkür der Österreicher preisgegeben. Alle diese wichtigen Gründe bewogen den König, seinem ersten Plane treu zu bleiben, nämlich die böhmischen Grenzen kahl zu essen, damit der Feind dort nicht überwintern konnte.

Die Franzosen machten noch einige Versuche, dem König von Polen die Kaiserkrone, der er längst entsagt hatte, als Lockspeise anzubieten. Für Preußen bot nur noch eine Unterhandlung Vorteil: die mit England. Durch sie allein konnte der Friede mit der Königin von Ungarn zustande kommen. Der König von England war damals in Hannover und hatte Lord Harrington mitgenommen. Der junge Graf Podewils, preußischer Gesandter im Haag, erhielt Befehl, nach Hannover zu reisen, um das Terrain zu sondieren und die Gesinnung Lord Harringtons und des Hofes zu erforschen.

Was die Kriegsoperationen betraf, so ward beschlossen, sich solange wie möglich in Böhmen zu halten, die besten Lager sorgfältig auszusuchen und die Truppen nicht unnötig auszusetzen, zumal Nassau nach Oberschlesien detachiert werden sollte, um Kosel zurückzuerobern. Bei jeder Gelegenheit sollten scheinbare Offensivbewegungen ausgeführt werden, um dem Feinde zu imponieren und ihm die Absicht zu verbergen, daß man nichts dem Zufall überlassen wollte. Nassau marschierte am 25. Juni mit 12 000 Mann nach Oberschlesien ab. Er ging über Glatz und Reichenstein und warf die Ungarn auf Neustadt zurück, von wo er sie unter Verlusten weitertrieb. Dann rückte er gegen Kosel vor und traf alle Anstalten zur Belagerung. Die Festung war durch die Schurkerei eines desertierten Offiziers der Besatzung gefallen. Der Verräter hatte den Feinden hinterbracht, daß der Graben noch nicht ganz fertig sei, und die Stelle an der Spitze einer Bastion angegeben, wo man durchwaten könnte. Er führte 2 000 Panduren durch den Graben, erstieg die Bastion und die Festung, deren Kommandant Foris war. Einige Mannschaften wurden niedergehauen, der Rest, 350 Mann stark, geriet in Gefangenschaft. Das geschah zwei Tage nach dem Abmarsch des Markgrafen Karl aus Oberschlesien.

Während Nassau derart in Oberschlesien beschäftigt war, gab sich der König alle Mühe, seine Truppen in Böhmen zu halten. Zu dem Zwecke detachierte er seine schwere Kavallerie gegen Opotschno, eine halbe Meile links von den beiden preußischen Heeresabteilungen. Sie beunruhigte den Prinzen von Lothringen Nacht für Nacht, um seine Standhaftigkeit, die sich nicht selten verleugnete, auf die Probe zu stellen, und<225> auch, um ihn in der Meinung zu bestärken, daß der König einen großen Schlag plane, den er unversehens ausführen wolle. Vier Wochen lang wurden die Österreicher so in Alarm erhalten. Der König hatte zur Linken ein Detachement bei Hohenbruck stehen. Das machte die Feinde besorgt: sie fürchteten, im Rücken angefallen zu werden. In der Tat konnten die Preußen auf Reichenau und Hohenmauth rücken. Dann wäre der Prinz von Lothringen gezwungen gewesen, Mähren zu decken, von wo er seine Lebensmittel bezog. Seine Magazine lagen staffelweise hintereinander. Das nächste war in Pardubitz, dahinter eines in Chrudim und weiter nach Mähren zu ein drittes in Deutsch-Brod. Mit diesem Vorstoß hätte man die ganze Verpflegung der Österreicher gestört und das Heer des Königs ins Land des Überflusses geführt; denn er konnte sein Mehl dann, statt aus Schweidnitz, aus Glatz beziehen, was ebenso gut ging. Wollte der König aber lieber etwas nach rechts unternehmen, so konnte er unweit von Smirschitz über die Elbe gehen und das gute und sehr günstige Lager bei Chlum beziehen. Dahinter lagen weite Ebenen, die ihm Fourage im Überfluß lieferten. Dort machte er die Österreicher um Pardubitz besorgt und schnitt gewissermaßen auch die Verbindung der Sachsen mit der Lausitz ab. Der letzte Plan wurde dem andern vorgezogen, vornehmlich im Hinblick auf die Sachsen, denn der König hatte Wind bekommen, daß Graf Brühl etwas wider die Kurmark im Schilde führte.

Um dem Feinde seine Absichten besser zu verbergen, detachierte der König Winterfeldt mit 3 000 Mann ins Lager von Reichenau, während die Armee rechts abschwenkte, um unweit von Jaromircz über die Elbe zu gehen. Dort stießen alle Detachements wieder zu ihr. Die Hauptarmee lehnte sich mit ihrem rechten Flügel an ein Gehölz jenseits Chlum, wo man einen Verhau anlegte. Ihr linker Flügel stieß bei dem Dorfe Nechanitz an die Elbe. Außerdem hatte sie den Vorteil, daß das Lager von einem Ende bis zum andern auf beherrschenden Höhen stand. Du Moulin ging mit 6 Bataillonen und 40 Schwadronen wieder über die Mettau zurück und postierte sich bei Skalitz, zur Sicherung der Zufuhr der Lebensmittel zwischen Jaromircz und Neustadt, wo ein Bataillon Besatzung stand.

Vielleicht wäre es besser gewesen, den erstgenannten Plan auszuführen. Später erfuhr man, daß der Herzog von Weißenfels dem Prinzen von Lothringen nicht nach der mährischen Grenze gefolgt wäre. Von Reichenau bis Glatz sind nur fünf Meilen, von Chlum nach Schweidnitz dagegen zehn, eine Entfernung, die den Transport der Lebensmittel mühsamer und schwieriger gestaltete. Doch die Menschen begehen Fehler, und wer die wenigsten begeht, ist denen überlegen, die mehr machen.

Solange die Armee bei Chlum stand, benutzten Freund wie Feind die Zeit nur zum Fouragieren und zur Aussendung von Streifkorps, um den Gegner am Fouragieren zu hindern. Unter allen österreichischen Offizieren zeichnete sich nur der Oberst Dessewffy im Kleinkriege aus. Er machte einige Handstreiche, die aber durch die häufigen Beutezüge der preußischen Streifkorps vergolten wurden, die Fouqué aus Glatz den Österreichern in den Rücken schickte.

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In Smirschitz stand ein vorgeschobener Posten, der eine neue Kriegslist erfand, um die Ungarn abzuschrecken. Die kamen häufig heran und beschossen eine Schanze und eine bei der Elbbrücke stehende Schildwache. Es ist ein kleiner Spaß, der dem Leser nach so vielen ernsten Dingen etwas Erholung bereiten wird. Einige Wachen waren von den Panduren verwundet worden. Die Kalcksteinschen Grenadiere kamen auf den Einfall, einen Gliedermann anzufertigen, den sie als Grenadier anzogen und an Stelle der Schildwache aufstellten. Sie bewegten die Puppe durch Schnüre, sodaß man sie in einer gewissen Entfernung für einen Menschen halten konnte. Zugleich versteckten sie sich in dem nahen Gesträuch. Die Panduren kommen an und schießen. Der Gliedermann fällt um. Sie wollen über ihn herfallen. Da dringt Heftiges Feuer aus dem Gehölz, die Grenadiere werfen sich auf die Panduren und nehmen alle, die sie verwundet haben, gefangen. Fortan wurde der Posten in Ruhe gelassen.

Kehren wir jedoch zu wichtigeren Dingen zurück. Seit der Schlacht von Hohenfriedberg hatte der Prinz von Lothringen bei seinem Hofe immerfort auf Verstärkung gedrungen. Man schickte ihm nun acht Regimenter. Sie kamen teils aus Bayern, teils von der Rheinarmee, teils von der Besatzung von Freiburg, die man eben mit den Franzosen ausgewechselt hatte. Aber während die Verstärkungen anlangten, marschierte der Herzog von Weißenfels ab und ließ von den 24 000 Sachsen nur 6 000 Mann zurück. Der Grund seines Rückzuges war folgender. Der König von Preußen hatte erfahren, daß der König von Polen in Unterhandlung mit den Bayern stände, um gegen Subsidien 6 000 Mann von ihnen in seine Dienste zu nehmen. Dieses Korps hätte durch einen Einfall in Brandenburg eine schlimme Diversion machen können. Die Wege zur Aussöhnung mit Sachsen waren gesperrt. Das einzige Mittel, den Dresdener Hof in Schach zu halten, war, ihn einzuschüchtern. Deshalb zog der Fürst von Anhalt seine Truppen bei Halle zusammen. Dort wurde er durch vier Regimenter Infanterie und drei Kavallerieregimenter verstärkt, die Geßler ihm aus Böhmen zuführte. Die Sachsen konnten darauf gefaßt sein, daß der Fürst von Anhalt offensiv gegen sie vorgehen würde. Sein Korps war stark genug, sie zu überwältigen. Zugleich erschien ein Manifest, worin der König erklärte, daß er nach dem Beispiel der Königin von Ungarn, welche die Verbündeten und Hilfstruppen des verstorbenen Kaisers, die Hessen, Pfälzer und Preußen, als Feinde behandle, sich gleichfalls für berechtigt halte, die Sachsen als Bundesgenossen der Königin von Ungarn wie Feinde zu behandeln und ihnen all das Leid zu vergelten, das sie den Staaten des Königs zugefügt hätten oder zuzufügen beabsichtigten. Der Fürst von Anhalt hatte schon den Arm erhoben. Er war im Begriff, zuzuschlagen, als die Unterzeichnung des Vertrags zu Hannover226-1 den Streich aufhielt.

<227>

Man darf nicht vergessen, daß die Franzosen auch nicht einen Artikel des Versailler Traktates erfültt hatten. Sie verweigerten Preußen alle Hilfe. Durch den Rückzug des Prinzen Conti war der Kaiserthron dem ersten besten preisgegeben und jedes Band zerrissen, das die Franzosen mit den deutschen Fürsten verknüpfte. Zu all diesen Gründen trat noch ein stärkerer: die völlige Erschöpfung der preußischen Finanzen. Alles zusammen bewog den König zu Friedensverhandlungen. Der Vertrag von Hannover hatte den Breslauer Frieden zur Grundlage. Außerdem verpflichtete sich König Georg, ihm die Garantie von seiten aller europäischen Mächte bei dem allgemeinen Friedensschluß zu verschaffen. Der König von Preußen versprach dafür, den Großherzog von Toskana als Kaiser anzuerkennen. Georg hatte lange zwischen seinen hannöverschen Ministem und Lord Harrington geschwankt. Endlich unterzeichnete er das Abkommen am 22. September.

Es hatte damals den Anschein, als ob die Herstellung des Friedens im Reiche unmittelbar auf den Vertrag von Hannover folgen sollte. Aber es genügte nicht, die Leidenschaften des Königs von England zu beruhigen. Es gab noch weit unversöhnlichere Feinde, welche die aufstrebende preußische Macht niederdrücken wollten. Brühl in Dresden und Bartenstein in Wien hielten den Augenblick für gekommen und wollten die nach ihrer Meinung vorteilhaften Umstände benutzen. Die Kaiserkrone erhöhte noch den Übermut des Wiener Hofes, und die Begierde, sich in die Beute eines Feindes zu teilen, gab dem Dresdener Hof Standhaftigkeit.

Vielleicht ist zum Verständnis des Zusammenhanges eine Darstellung erwünscht, auf welche Weise die Kaiserwürde wieder an das neue Haus Österreich kam. Nach dem Frieden zu Füssen war Ségur am Neckar entlang gezogen, um sich mit dem Prinzen Conti zu vereinigen. Batthyany folgte ihm quer durch das Reich, um zu dem bei Weilburg stehenden Korps des Herzogs von Aremberg zu stoßen. Jetzt hätte Frankreich alles aufbieten müssen, um die Vereinigung zu verhindern, aber es ging nicht ehrlich zu Werke. Der ganze Krieg war unter dem Vorwand geführt worden, die Kaiserwürde nicht an das neue Haus Österreich kommen zu lassen. Frankreich mußte seine Truppen also in der Gegend von Frankfurt zusammenziehen. Dann hätte es die Kaiserwahl nach seinem Willen lenken können. Es mußte den Prinzen Conti ermächtigen, den Herzog von Aremberg aus der Umgegend zu vertreiben, vor allem aber mußte es Arembergs Vereinigung mit Batthyany verhindern; denn durch sie erhielten die Österreicher ein bedeutendes Übergewicht über die Franzosen.

Ludwig XV. und Prinz Conti hatten dem König von Preußen mehrfach brieflich versichert, sie würden der Wahl des Großherzogs selbst auf die Gefahr einer Schlacht hin entgegentreten. Doch das waren nur schöne Worte! Die Schlacht wurde nicht geliefert, und Prinz Conti mußte 15 000 Mann nach Flandern abgeben227-1. Graf Traun erhielt den Oberbefehl über die Armee im Reich. Er detachierte Bernklau und ließ<228> ihn bei Biebrich über den Rhein gehen. Prinz Conti wurde dadurch besorgt. Er sprengte seine Brücke bei Aschaffenburg, ließ die Brücke bei Höchst abbrechen und zog sich über Gerau auf den Rhein zurück. Der Großherzog kam persönlich zur Armee. Traun ging bei Flörsheim über den Main, Bernklau schlug einige Freikompanien des Prinzen Conti bei Oppenheim. Nun hielten die Franzosen nicht mehr stand. Prinz Conti wich bei Gernsheim und bei Rheintürkheim über den Fluß zurück (19. Juli). Seine Bagage wurde von den Feinden weggenommen, die ihm auf dem Rückzuge hart zusetzten. Er lagerte sich bei Worms hinter dem Osthofener Bach und zog sich von da auf Mutterstadt zurück, wo er den für die französischen Waffen wenig ruhmvollen Feldzug beschloß.

Contis Rückzug war das Signal für den Ausbruch eines allgemeinen Taumelgeistes unter den Reichsfürsten, die nun gänzlich dem Hause Österreich zufielen. Angesichts des Hochmuts und der Tyrannei, womit Österreich von jeher in Deutschland geschaltet hat, erstaunt man mit Recht, daß es noch so niedrige Sklaven gab, die sein hartes Joch gern auf sich nahmen. Trotzdem war die Mehrzahl der deutschen Fürsten so gesinnt. Der König von England hatte das ganze kurfürstliche Kollegium in seinem Solde; er war Herr des Reichstages. Der Kurfürst von Mainz228-1 verdankte dem Hause Österreich sein Glück und war das blinde Werkzeug seines Willens. Nach altem Brauche beruft der Älteste des kurfürstlichen Kollegiums die Kurfürsten zur Kaiserwahl. Nach Karls VII. Tode versah der Mainzer dieses Geschäft. Er setzte die Eröffnung des Wahltages auf den 1. Juni fest. Freiherr von Erthal wurde mit der Einladung der Kurfürsten betraut. Er ging nach Prag und ließ dem Königreich Böhmen die gleiche Einladung wie den andern Kurfürsten zukommen, ganz gegen die Beschlüsse des letzten Wahltages, nach denen die böhmische Wahlstimme ruhen sollte.

Zu Anfang des Jahres 1745 hatte man sowohl in Wien wie in Hannover gefürchtet, das Heer des Prinzen Conti möchte durch sein Erscheinen bei Frankfurt verhindern, daß die Anhänger des Großherzogs von Toskana ihre Stimme für ihn abgaben. Man hatte deshalb die Absicht, den Wahltag in Erfurt abzuhalten. Auch das verstieß gegen die Grundgesetze des Reiches, besonders gegen die Goldene Bulle; aber die Feigheit der Franzosen bewahrte die Königin von Ungarn vor dieser Übertretung.

Der Wahltag trat also am 1. Juni in Frankfurt zusammen. Frankreich schloß den Großherzog von Toskana aus. Aber das Heer des Prinzen Conti, das Frankreichs Veto hätte unterstützen sollen, war bereits verschwunden: ein schweigendes Eingeständnis der Ohnmacht, durch das Frankreich sich alle seine Verbündeten entfremdete. Der brandenburgische und der pfälzische Gesandte228-2 überreichten dem Reichstag eine Denkschrift, worin die Prüfung folgender drei Punkte beantragt ward:

1. Sind alle vom Kurfürsten von Mainz geladenen Gesandten zur Abgabe ihrer Stimme berechtigt?

<229>

2. Genießen ihre Höfe die in der Goldenen Bulle geforderte Freiheit?

3. Haben nicht einige von ihnen durch Versprechungen oder Bestechungen sich dieser Freiheit begeben?

Der erste Punkt betraf den Gesandten Böhmens, der nicht zugelassen werden sollte. Der zweite bezog sich auf den pfälzischen Gesandten, dessen Sekretär vor den Toren Frankfurts von den Österreichern rechtswidrig aufgehoben war. Im dritten Falle befand sich fast das ganze kurfürstliche Kollegium.

Die beiden Gesandten legten schließlich gegen die Wahlversammlung Verwahrung ein und erklärten sie so lange für unrechtmäßig, als bis ihre Beschwerden abgestellt wären. Danach zogen sie sich zurück. Wie ein unrechter Schritt stets andre zur Folge hat, so überstieg die österreichische Kabale nun alle Schranken des Anstandes. Ohne Rücksicht auf den erwähnten Protest wurde die Kaiserwahl auf den 13. September festgesetzt. Der brandenburgische und der pfälzische Gesandte begaben sich nun nach Hanau unter erneutem Einspruch gegen die gesetzwidrige und parteiische Wahlversammlung, deren Beschlüsse und Maßnahmen sie für null und nichtig erklärten.

Zur großen Befriedigung des Königs von England und der Königin von Ungarn wurde der Großherzog von Toskana am 13. September gewählt. Nun entstand die Frage, ob es für den König von Preußen vorteilhafter war, den neuen Kaiser einfach anzuerkennen oder völlig mit ihm zu brechen, indem er weder die Wahl noch den Gewählten anerkannte. Der König hielt die rechte Mittelstraße zwischen beiden Extremen ein: er hüllte sich in tiefes Schweigen. Konnte er doch Frankreich nicht bewegen, das zu Frankfurt Geschehene umzustoßen, und wenn er andrerseits den Kaiser ohne weiteres anerkannte, so behielt er keinen Trumpf in der Hand, den er beim Friedensschluß ausspielen konnte.

Die Königin von Ungarn sonnte sich zu Frankfurt bereits im Glanze der Kaiserkrone, die sie ihrem Gemahl mit solcher Mühe aufs Haupt gesetzt hatte. Sie überließ dem Kaiser den äußeren Prunk und behielt die Macht für sich. Ja, sie hörte es nicht ungern, wenn man sagte, der Großherzog sei nur das Schattenbild der Kaiserwürde, sie aber deren Seele. Sie zeigte sich zu Frankfurt in ihrem ganzen Stolz und Übermut, behandelte die Fürsten wie ihre Untertanen, ja, gegen den Prinzen Wilhelm von Hessen229-1 war sie mehr als unhöflich. In ihren Reden erklärte sie öffentlich, sie wolle lieber ihren Rock am Leibe als Schlesien missen. Vom König von Preußen sagte sie, er besäße zwar einige große Eigenschaften, verdunkle sie aber durch Wankelmut und Ungerechtigkeit.

Der König hatte durch geheime Sendboten einige Andeutungen über den Frieden fallen lassen, die aber sämtlich verworfen wurden. Die Standhaftigkeit der Kaiserin artete bisweilen in Starrsinn aus. Sie war von der Kaiserwürde, die sie wieder an ihr Haus gebracht hatte, wie berauscht. Sie sah nur lachende Perspektiven und glaubte<230> ihrer Hoheit etwas zu vergeben, wenn sie mit einem Fürsten, den sie der Rebellion beschuldigte, wie mit ihresgleichen unterhandelte. Zu dem Motiv der Eitelkeit traten noch die triftigeren Gründe der Staatsräson. Seit Ferdinand I. galt es als Grundsatz des Hauses Österreich, den Despotismus in Deutschland einzuführen. Nichts stand also dieser Absicht mehr im Wege, als wenn man zugab, daß ein Kurfürst zu mächtig wurde, daß ein König von Preußen, durch Teile vom Erbe Kaiser Karls VI. bereichert, seine Macht dem österreichischen Ehrgeiz entgegensetzte und die Freiheit des Deutschen Reiches zu nachdrücklich gegen Österreich verfocht. Das war es, was den Wiener Hof in Wirklichkeit abhielt, dem Vertrag von Hannover beizutreten.

Der König von Polen hatte andre Gründe. Ihm lag vor allem daran, seinem Hause die polnische Krone zu erhalten, und um sie sich desto besser zu sichern, wollte er den Krieg benutzen, um durch Eroberungen in Schlesien eine Verbindung zwischen Sachsen und Polen herzustellen. Sein Ehrgeiz ging darauf aus, das Herzogtum Glogau und, wenn möglich, noch mehr zu erlangen. Brühl hielt den König von Preußen schon für verloren und wollte deshalb von keinem Vergleich hören.

An den mehr oder minder begründeten Hoffnungen des Wiener und Dresdener Hofes lag es also, daß die Konvention zu Hannover damals keinen Frieden zwischen den drei kriegführenden Mächten zur Folge hatte. Indes wiegte sich der König von England in der Hoffnung, die Kaiserin und den König von Polen durch Beharrlichkeit umzustimmen. Er machte dem König von Preußen in dieser Hinsicht die verlockendsten Versprechungen, und so wurde die Unternehmung gegen Sachsen einstweilen aufgeschoben. Außerdem wäre es unter solchen Umständen nicht ratsam gewesen, die Lage noch mehr zu verwirren und noch einen neuen Krieg anzufangen. Die Mäßigung des Königs von Preußen mußte seine Feinde beschämen, die ihn durch Verleumdung bei allen Fürsten Europas verhaßt zu machen suchten.

Der König ließ die Sachsen also in Ruhe, führte aber den Krieg gegen die Kaiserin-Königin mit allem Nachdruck fort. Denn man soll nicht wähnen, einen Feind nachgiebig zu stimmen, indem man ihn mit den Waffen in der Hand glimpflich behandelt. Nur Siege führen zum Frieden. Deshalb wurde Nassau auch zur Beschleunigung seiner Operationen gedrängt. Kosel leistete ihm nur schwachen Widerstand. Er eröffnete die Laufgräben auf der unteren Oderseite. Zufällig gerieten ein paar Häuser in Brand, und der Kommandant wurde dadurch gezwungen, sich am 6. September zu ergeben. Nassau nahm in Kosel 3 000 Kroaten gefangen und verlor bei der Belagerung selbst nur 45 Mann. Nachdem er die Stadt verproviantiert und 1 200 Mann zur Besatzung zurückgelassen hatte, rückte er mit seinem kleinen Heere nach Troppau. Von dort aus setzten seine Streifkorps einige mährische Kreise in Kontribution, auch hatte er Scharmützel mit den Ungarn, die er sämtlich zu seinem Vorteil und Ruhm bestand.

Doch es ist Zelt, nach Böhmen zurückzukehren. Die preußische Armee stand bei Chlum und die österreichische bei Königgrätz. Zweimal machten die Feinde den Ver<231>such, das Städtchen Neustadt, wo Major Tauentzien231-1 befehligte, mit Gewalt zu nehmen. Jedesmal wurden sie durch die Tapferkeit des verdienstvollen Kommandanten zurückgeschlagen. Der Posten war sehr wichtig, weil er die Verbindung mit Schlesien sicherte. Der Prinz von Lothringen schätzte die Verstärkung durch die neuen Hilfstruppen höher ein als den Verlust, den er durch den Abzug der Sachsen erfuhr. Er ging über die Adler und bezog das frühere preußische Lager zwischen Königgrätz und Kralova-Lhota. Die Preußen änderten infolgedessen ihre Stellung, sodaß sie die Elbe vor ihrer Front hatten und sich mit ihrem rechten Flügel an Smirschitz, mit dem linken an Jaromircz lehnten. Du Moulin behielt seinen Posten bei Skalitz, und General Lehwaldt besetzte die Anhöhen bei Pleß an der Mündung der Mettau in die Elbe, sodaß die Preußen beide Flüsse in ihrer Gewalt hatten.

Der französische Gesandte Marquis Valory hatte sich in der Vorstadt von Jaromircz einquartiert. Man riet ihm, lieber in die Stadt zu kommen, aber er hörte nicht darauf. Ein österreichischer Freischarenführer namens Franquini stand mit dem Wirte des Marquis in geheimem Einverständnis. Er versuchte, Valory aufzuheben, schlich sich zwischen Scheunen und Gärten heran, fing aber aus Versehen den Sekretär anstatt des Gesandten. Der Sekretär, namens Darget, hatte die Geistesgegenwart, alle Papiere zu zerreißen. Er opferte sich für seinen Herrn, indem er sich für Valory ausgab. Erst als Franquini dessen nicht mehr habhaft werden konnte, sagte er die Wahrheit231-2.

Die Stellung der Preußen war unangreifbar. Selbst wenn der Prinz von Lothringen einen Übergang über die Mettau hätte versuchen wollen, konnte der König<232> auf vielen über die Elbe geschlagenen Brücken dem Feind in den Rücken fallen und ihn von Königgrätz abschneiden. Er hatte nur einige Sorge wegen der Lebensmittel, weil nämlich Franquini sich in einem Walde eingenistet hatte, der im Volksmunde das Königreich Silva hieß und der zwischen den Straßen nach Braunau, Starkstadt und Trautenau lag. Aus diesem Schlupfwinkel überfiel Franquini alle Zufuhren, die aus Schlesien kamen. Jeder Transport mußte eine kleine Schlacht liefern, und oft mußte Hilfe gesandt werden. Das ermüdete die Truppen, und man kriegte sein Brot nur mit dem Säbel in der Faust.

Inzwischen begann auch die Kaiserin-Königin des ergebnislosen Krieges müde zu werden. Der König von England drängte sie zum Frieden. Aber bevor sie den Kampf aufgab, wollte sie noch einmal ihr Glück versuchen. Sie gab dem Prinzen von Lothringen strikten Befehl, die Offensive zu ergreifen und den Preußen bei guter Gelegenheit eine Schlacht zu liefern. Zur Unterstützung bei diesem wichtigen Unternehmen gab sie dem Prinzen eine Art von Kriegsrat bei: den Herzog von Aremberg und den Fürsten Lobkowitz. Damit glaubte sie für alles gesorgt zu haben. Sie hoffte nun, das Glück, das ihr zu Frankfurt bei der Kaiserwahl gelächelt hatte, würde sie auch in Böhmen auf dem Schlachtfelde nicht verlassen. Im preußischen Lager erfuhr man bald, daß Aremberg und Lobkowitz ins österreichische Lager gekommen waren, und erriet ungefähr die Absichten der Kaiserin. Fürst Lobkowitz war von heftigem und ungestümem Charakter. Er wollte beständig angreifen und raufen. Täglich schickte er Husaren zu Scharmützeln aus, oft sehr zur Unzeit, und war empört, wenn Nadasdy oder Franquini eine Schlappe erlitten. Der Prinz von Lo-thringen kannte die Preußen von den drei Feldzügen, die er gegen sie geführt hatte. Er hätte den Kleinkrieg dem großen Schlage vorgezogen, den man jetzt von ihm verlangte. Er hätte sich damit begnügt, dem Feinde die Lebensmittel abzuschneiden, ihn langsam auszuhungern und eine Menge kleiner Erfolge davonzutragen, die alle zusammen so viel wert sind wie die größten Siege. Was den Herzog von Aremberg betrifft, so war er altersschwach und verlebt und stimmte stets dem zu, der das letzte Wort hatte.

Die beiden Heere standen sich nur auf halbe Kanonenschußweite gegenüber. Täglich sah der König von seinem hochgelegenen Zelte aus, wie die feindlichen Generale seine Stellung rekognoszierten. Man hätte sie für Astronomen halten können, denn sie beobachteten die Preußen mit großen Fernrohren. Dann beratschlagten sie miteinander. Aber sie vermochten nichts gegen das Lager, das zu vorteilhaft lag und zum Erstürmen zu stark war.

Bald beunruhigten die Feinde den General Lehwaldt. 1 500 Panduren gingen bei Nacht über die Mettau und verschanzten sich auf einer Anhöhe in der Nähe der preußischen Stellung. Ein Schwarm leichter Truppen sollte ihnen folgen. Lehwaldt ließ ihnen keine Zeit dazu. Er rückte ihnen mit zwei Bataillonen entgegen, vertrieb sie mit gefälltem Bajonett aus ihrer Schanze, nahm 40 Mann gefangen und ließ<233> sie durch Husaren verfolgen. Die Mettaubrücke brach bei ihrer wilden Flucht, und viele Panduren ertranken (11. September). Durch Lehwaldts tapfere Tat wurde es den Österreichern unmöglich, Verbindung mit Franquini zu bekommen. Sonst wäre den Preußen in ihrem Lager die Zufuhr abgeschnitten worden.

Fürst Lobkowitz ließ sich durch das Mißlingen mehrerer Pläne nicht abschrecken. Er machte beständig neue Projekte und versuchte zum dritten Male, sich Neustadts zu bemächtigen. Die Stadt wurde am 7. September von 10 000 Mann berannt. Der König erhielt erst am 12. Nachricht davon und schickte sofort Du Moulin und Winterfeldt zu Hilfe. Letzterer erzwang sich mit 300 Mann Infanterie vom Regiment Schwerin den Weg durch ein Gehölz, das von 2 000 Panduren verteidigt wurde. Die Ungarn verloren zwei Kanonen und wurden in eine tiefe Schlucht geworfen, die hinter ihrer Front lag. Beim Anmarsch der Preußen hoben die Österreicher die Belagerung von Neustadt auf und gingen über die Mettau in ihr Lager zurück. Tauentzien hatte sich in dem elenden Nest mit seinen an vielen Stellen geborstenen Mauern noch fünf Tage nach Eröffnung der Laufgräben gegen 10 000 Belagerer gehalten; diese hatten ihm in den beiden letzten Tagen sogar die Wasserleitungen abgeschnitten, welche die Stadtbrunnen speisten, und die Mauern mit zehn Kanonen beschossen, sodaß ein großes Stück einstürzte. Festungen, die von Vauban und Coehoorn angelegt sind, haben sich verhältnismäßig nicht so lange gehalten wie das schlecht befestigte Neustadt. Die Widerstandskraft einer Festung liegt also nicht ausschließlich in der Stärke ihrer Verteidigungsanlagen, sondern ebensosehr in der Tapferkeit und Umsicht des Kommandanten. Seit das Wasser fehlte, war Neustadt nicht länger zu halten. Gab man es aber auf, so war die Zufuhr der Lebensmittel gefährdet. Indes war die ganze Gegend ausfouragiert. Es wurde also Zeit, die Stellung zu wechseln. Die Mauern von Neustadt wurden zuvor zerstört.

Am 18. September ging die Armee bei Jaromircz über die Elbe und lagerte bei Chwalkowitz, ohne daß der Feind irgendwie Miene machte, Widerstand zu leisten. Von dem neuen Lager aus mußte General Polentz mit 1 000 Reitern und drei Bataillonen zur Deckung der Neumark und Oder gegen ein Korps von 6 000 Ulanen detachiert werden. Dieses Korps hatte König August in Polen ausgehoben. Es sollte nach Sachsen marschieren und sich mit seinen übrigen Truppen vereinen. Die andern Detachements kehrten indes zur Armee zurück. Du Moulin deckte ihren linken Flügel.

Am 19. machte die österreichische Armee ein Freudenfeuer zur Feier der Kaiserwahl des Großherzogs. Der Name „Kaiserliche Armee“ schmeichelte den Offizieren. Zwei Tage vergingen in Festen, bei denen alles betrunken war. Vielleicht wäre das der rechte Augenblick zum Angriff gewesen. Aber der König wollte seinen Feldzugsplan nicht ändern. Er beschloß deshalb, sein Lager nach Staudenz zu verlegen. Der Weg dahin geht durch ein Tal zwischen Wäldern und Bergen, die zum Silvawalde gehören. Franquini stellte sich beim Dorfe Liebenthal in Hinterhalt. Dort mußte die zweite Kolonne vorbeiziehen. Erbprinz Leopold, der sie führte, ließ den Wald von einigen<234> Bataillonen abstreifen. Zugleich erklomm Major Malachowski234-1 mit ein paar Hundert Husaren die schroffen Felsen und unterstützte die Infanterie bei der Vertreibung der Streifscharen. Es war gewiß das Kühnste, was Kavallerie unternehmen kann, und gereichte Malachowski zum höchsten Ruhme. Immerhin wurden bei dem Gefecht 20 Mann getötet und 40 verwundet.

Das Heer kam erst des Abends spät im Lager von Staudenz an. Lehwaldt besetzte mit seinem Korps Starkstadt. Du Moulin ging mit seinem Detachement nach Trautenau, um die Zufuhren aus Schlesien zu decken. Derart hatten die Preußen die ganze Gebirgskette längs der schlesischen Grenze von Trautenau bis Braunau in ihrer Gewalt. Die ganze Gegend wurde rein ausfouragiert, und der Feind hätte sich hier den Winter hindurch unmöglich halten können. So wurde eine Scheidewand gezogen, durch die Schlesien bis zum nächsten Frühling vor Einfällen geschützt war. Freilich war das Fouragieren in dem durchschnittenen und unwegsamen Gelände weit schwieriger als in der Ebene. Zur Sicherung der Fouragierenden vor Überfällen mußten ihnen Bedeckungen von 3 000 Reitern und 7 000 bis 8 000 Mann Infanterie mitgegeben werden. Jedes Bund Stroh kostete ein Treffen. Morocz, Trenck, Nadasdy und Franquini schwärmten Tag für Tag umher. Kurz, es war eine Schule für den Kleinkrieg.

Von allen österreichischen Offizieren besaß Franquini die genaueste Kenntnis der Wege, die von Böhmen nach Schlesien führen. Er griff zwischen Schatzlar und Trautenau mit 4 000 Panduren einen Mehltransport an, der von 300 Mann zu Fuß eskortiert wurde234-2. Der Führer der Kolonne war der junge Möllendorff234-3, des Königs Adjutant. Er hielt allen Angriffen des Feindes stand und bemächtigte sich eines Kirchhofs, der das Defilee beherrschte. Von dort aus verteidigte er die Wagen und behauptete sie drei Stunden lang, bis Du Moulin ihm zu Hilfe kam und ihn heraushieb. Die Feinde ließen 40 Tote auf dem Platze. Der Verlust der Bedeckung war gering. Franquini spannte nur einige dreißig Wagen aus und nahm die Pferde mit. Solche kleinen Scharmützel, so unbedeutend sie an sich sind, machen doch der Nation und den Beteiligten zu viel Ehre, um sie in Vergessenheit sinken zu lassen. Sie können spätern Geschlechtern zum Ansporn dienen.

Der Feind machte täglich neue Unternehmungen. Da die Einwohner auf seiner Seite waren, erfuhr er, daß die Lebensmittel und die preußische Feldbäckerei in Trautenau waren. Das genügte ihm, um die unglückliche Stadt an allen vier Ecken anzuzünden. Binnen drei Stunden waren alle Häuser eingeäschert. Da die Mehlfässer vorsichtigerweise in gewölbten Kellern untergebracht waren, so verbrannte nichts als ein paar Bagagewagen. Die barbarische Brandstiftung aber fiel auf ihre Urheber zurück. Die Kaiserin-Königin gewann dadurch nichts als eine zerstörte Stadt mehr in Böhmen.

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Die geschilderten Einzelkämpfe waren nur das Vorspiel für das, was der Wiener Hof und seine Generale seit lange planten. Als der Prinz von Lothringen sah, daß die Preußen den Rückzug aus Böhmen antraten, folgte er ihnen und lagerte sich bei Königinhof, um sie aus der Nähe zu beobachten. Das Lager bei Staudenz war nicht nach allen Regeln der Kunst angelegt. Der König hatte sein Heer durch mehrere Detachierungen geschwächt und behielt nicht Truppen genug übrig, um den Raum, den er zu besetzen hatte, ganz auszufüllen. Nassau stand in Oberschlesien, Polentz in der Neumark. Du Moulin war von Trautenau nach Schatzlar geschickt worden, weil Franquini einige Vorstöße gegen den Ort gemacht hatte, und Lehwaldt war an Du Moulins Stelle nach Trautenau gerückt. Nach all diesen Detachierungen war das Heer des Königs nur noch 18 000 Mann stark. Diese Truppenzahl reichte nicht ganz zur Besetzung des Lagerplatzes aus, den die Natur angewiesen hatte. Das Lager beherrschte zwar hier und da die benachbarten Anhöhen, aber der rechte Flügel war völlig von einem Hügel235-1 beherrscht, den man bei der Schwäche des Heeres nur mit Kavalleriewachen und Husarenabteilungen hatte besetzen können, um wenigstens im Notfalle in seinem Besitz zu sein. Aber wegen der Wälder, Hohlwege und Gebirgspässe konnte die Kavallerie sich nicht weiter als eine halbe Meile zum Rekognoszieren vorwagen. Der Feind hingegen schickte Tag für Tag Trupps von 400 bis 500 Reitern vor, die um das preußische Lager streiften. Sie zogen hin und her, gingen längs des Silvawaldes vor und zurück und unterhielten Verbindung mit Franquini, der bei Marschendorf stand. Das feindliche Heer war nur einen Tagemarsch von dem preußischen entfernt. Deshalb war der König in Sorge, der Prinz von Lothringen möchte Trautenau vor ihm erreichen. Dann wäre die preußische Armee von Schlesien abgeschnitten gewesen. Um dem Feinde zuvorzukommen, beschloß der König, am nächsten Tage aufzubrechen. Um aber zuvor Näheres von den Bewegungen der Österreicher zu erfahren, schickte er sofort ein Detachement von 2 000 Pferden unter General Katzler zur Rekognoszierung der Wege nach Arnau und Königinhof ab, mit dem Befehl, Gefangene zu machen und Bauern aus der Gegend aufzugreifen, um von ihnen zu erfahren, was im Lager des Prinzen von Lothringen vorginge. Katzler rückte ab und geriet nichtsahnend zwischen zwei österreichische Kolonnen, die durch die Wälder marschierten, um sich den Blicken des Gegners zu entziehen. Katzler erblickte vor sich einen Haufen leichter Truppen, denen ein ihm überlegenes Kavalleriekorps folgte. Daraufhin zog er sich in guter Ordnung zurück und meldete dem König, was er gesehen hatte. Viel war es freilich nicht gewesen. Die Armee erhielt Befehl, am nächsten Morgen um 10 Uhr abzumarschieren.

Am 30. September, morgens um 4 Uhr versammelte der König die Generale vom Tagesdienst, um ihnen die Marschdisposition zu diktieren. Da kam ein Offizier mit der Meldung, daß die Feldwachen auf dem rechten Flügel des Lagers eine lange<236> Kavallerielinie gesehen hätten und daß dies, soviel aus der großen Ausdehnung des Staubes zu schließen sei, die ganze feindliche Armee sein müßte. Gleich darauf brachten mehrere Offiziere Meldung, daß österreichische Truppen anfingen, sich der rechten Seite des Lagers gegenüber zu entwickeln. Auf die Nachrichten hin erhielten die Truppen unverzüglich Befehl, ins Gewehr zu treten. Der König ritt selbst zu den Feldwachen, um mit eignen Augen die Lage zu prüfen und seinen Entschluß zu fassen.

Zum besseren Verständnis der Schlacht bei Soor muß man sich das Gelände, auf dem sie stattfand, genau vorstellen. Vor der Schlacht lehnte sich die preußische Armee mit dem rechten Flügel an ein kleines Gehölz, das von einem Grenadierbataillon besetzt war. Das Dorf Burkersdorf lag in der rechten Flanke, auf dem Wege von Prausnitz nach Trautenau. Es war unbesetzt, da es in einem tiefen Grunde liegt und seine Häuser zerstreut stehen. Dieser Grund zog sich von der Front bis zum äußersten Ende des rechten preußischen Flügels und trennte das Lager von einer ziemlich bedeutenden Anhöhe, die sich vom Wege nach Burkersdorf bis nach Prausnitz erstreckt. Auf der Anhöhe waren die Husaren und die Feldwachen postiert. Die Front der Armee war durch das Dorf Staudenz gedeckt. Dahinter lagen Berge und Wälder, die zum Königreich Silva gehörten. Der linke Flügel des kleinen Heeres lehnte sich an eine unzugängliche Schlucht. Zwei Wege führten vom Lager nach Trautenau. Der eine, rechts vom Lager, ließ Burkersdorf links liegen, zog sich durch ein kleines Defilee und dann durch eine Ebene bis nach Trautenau. Der andre lief links vom Heere durch ein Tal voller Defileen und durch das Dorf Rudersdorf und schließlich mehr auf Fußwegen als auf gebahnter Straße nach Trautenau.

Als der König zu seinen Feldwachen kam, sah er, daß die Österreicher sich in Schlachtordnung aufzustellen begannen. Angesichts eines so nahen Feindes hielt er es für verwegener, sich durch die Defileen zurückzuziehen, als den Feind ungeachtet seiner bedeutenden Überlegenheit anzugreifen. Der Prinz von Lothringen hatte mit Bestimmtheit auf den Rückzug des Königs gerechnet und danach seine Dispositionen getroffen. Er wollte die preußische Arrieregarde in ein Gefecht verwickeln, und das wäre ihm sicher geglückt. Doch der König entschloß sich ohne Zaudern zum Angriff. Es war ruhmvoller, nach tapferer Gegenwehr vernichtet zu werden, als auf einem Rückzuge umzukommen, der sicher in schimpfliche Flucht ausgeartet wäre.

Es ist zwar sehr gefährlich, angesichts eines schon in Schlachtordnung stehenden Feindes zu manövrieren. Aber die Preußen kannten keine Bedenken. Sie machten eine Viertelschwenkung rechts, um sich der Front des Gegners parallel zu stellen236-1, eine mißliche Bewegung, die aber mit erstaunlicher Ordnung und Schnelligkeit ausgeführt wurde. Dazu kam, daß die Preußen den drei Treffen der Österreicher nur ein einziges entgegenzustellen hatten. Außerdem mußten sie unter dem Feuer von<237> achtundzwanzig feindlichen Geschützen aufmarschieren, die in zwei Batterien aufgefahren waren. Ein Hagel von Granaten fiel in die preußische Kavallerie. Jedoch nichts brachte die Preußen außer Fassung. Kein Mann verzog beim Aufmarsch eine Miene, keiner wich aus dem Gliede. So rasch die Armee sich aber auch formierte, der rechte Flügel war doch fast eine halbe Stunde dem feindlichen Geschützfeuer ausgesetzt, bevor der linke ganz aus dem Lager gerückt war.

Nun erhielt Feldmarschall Buddenbrock Befehl, mit der Kavallerie anzugreifen, was er ungesäumt tat. Die Österreicher hatten ihr Gelände schlecht gewählt. Ihre Kavallerie hatte einen Absturz hinter sich, und die drei Kavallerietreffen standen wegen des engen Raumes viel zu dicht hintereinander. Zwischen den einzelnen Treffen waren kaum zwanzig Schritt Abstand. Nach aller Gewohnheit feuerten sie ihre Karabiner ab, aber ehe sie die Säbel gezogen hatten, wurden sie teils in den Abgrund, der hinter ihnen lag, teils auf ihre eigne Infanterie geworfen. Das mußte so kommen; denn das erste zurückgeschlagene Treffen mußte notwendig das zweite fortreißen und dieses das dritte. Es war gar kein Raum da, wo die insgesamt 50 Schwadronen sich wieder hätten ordnen können.

Durch diesen ersten Erfolg angefeuert, griff die erste preußische Infanteriebrigade vom rechten Flügel die österreichischen Batterien, von denen oben die Rede war, zu hastig an. Achtundzwanzlg mit Kartätschen geladene Kanonen lichteten die Glieder der Angreifer im Nu und brachten sie zum Weichen. Fünf Bataillone der Reserve kamen indes sehr zur gelegenen Zeit heran. Die Zurückgeworfenen formierten sich hinter ihnen von neuem, und mit vereinten Kräften eroberten die zehn Bataillone nun die feindliche Batterie. Generalleutnant von Bonin und Oberst von Geist trugen am meisten zum Gelingen des ruhmvollen Angriffs bei.

Nun erblickten die Preußen eine starke feindliche Kolonne, die von ihrem rechten Flügel die Anhöhen herab gegen Burkersdorf vorging. Aber der König kam dem Angriff zuvor. Er ließ das Dorf durch ein Bataillon des Regiments Kalckstein besetzen. Die entferntesten Häuser links wurden in Brand gesteckt, um das Bataillon zu decken, bis die Infanterie des linken Flügels sich dahinter formiert hatte. Das Bataillon feuerte pelotonweise auf den Feind wie auf dem Exerzierplatze, und die feige Kolonne suchte ihr Heil in der Flucht.

Die Kavallerie des rechten preußischen Flügels hatte nun nichts mehr zu tun. Der Abgrund, in den sie die Österreicher geworfen hatte, fing bei der Straße nach Trautenau an und verlief sich gegen das Zentrum der Preußen auf das Dorf Soor zu, das vor ihnen lag. Während allein die Buddenbrock-Kürassiere und eine Husarenabteilung hinter dem rechten Infanterieflügel als zweites Treffen zurückblieben, schickte der König die Regimenter Gensdarmes, Prinz von Preußen, Rothenburg und Kyau, insgesamt 20 Schwadronen, zur Verstärkung auf den linken Flügel der Armee. Derweil griff die Infanterie des rechten Flügels die feindliche Infanterie in der Flanke an, trieb sie ununterbrochen vor sich her und warf sie auf den rechten Flügel der<238> Kaiserlichen zurück. Die Garde, die in der Mitte des Treffens stand, stürmte nun unter Führung des Prinzen Ferdinand von Braunschweig eine vom Feinde noch gehaltene Anhöhe. Sie war steil und bewaldet, wurde aber trotzdem erobert. Ein sonderbarer Zufall wollte, daß Prinz Ludwig von Braunschweig die Anhöhe gegen seinen eignen Bruder verteidigte. Prinz Ferdinand tat sich bei dem Angriff sehr hervor.

Auf dem Schlachtfelde wechselten Anhöhen und Mulden unaufhörlich ab. Dadurch kam es immerfort zu neuen Kämpfen; denn die Österreicher suchten sich auf den Anhöhen immer wieder zu sammeln. Sie wurden aber mehrfach zurückgetrieben. Schließlich wurde die Verwirrung allgemein und artete in Flucht aus. Das ganze Feld war mit fliehenden Soldaten übersät. Reiter und Fußvolk, alles lief durcheinander.

Während die siegreiche preußische Armee den geschlagenen Feind hitzig verfolgte, umzingelten die Bornstedt-Kürassiere, die auf dem linken Flügel kämpften, das Regiment Damnitz und ein Bataillon von Kolowrat, eroberten zehn Fahnen und machten 1 700 Gefangene. Die übrige Kavallerie des linken Flügels konnte der österreichischen Reiterei nicht habhaft werden. Diese vermied jeden Kampf und zog sich in ziemlicher Ordnung in den Silvawald zurück. Der König hemmte die Verfolgung beim Dorfe Soor, nach dem die Schlacht den Namen trägt. Hinter dem Dorfe beginnt der oft erwähnte Silvawald. Dahinein durfte man dem Feinde nicht nachfolgen, sonst hätte man sehr zur Unzeit und ohne Not alle errungenen Vorteile aufs Spiel gesetzt. Es war in der Tat genug, daß ein Korps von 18 000 Mann eine Armee von mehr als 40 000 Mann in die Flucht geschlagen hatte. Außerdem war mit weiterem Vorgehen gar nichts zu gewinnen.

Die Sieger verloren den Prinzen Albert von Braunschweig238-1, den General Blanckensee238-2, die Obersten Buntsch, Bredow, Blanckenburg, Dohna und Ledebur238-3, die Oberstleutnants Lange und Wedell von der Garde238-4 und 1 000 Mann, glorreiche Opfer für das Wohl des Vaterlandes. Die Verwundeten wurden auf 2 000 Mann geschätzt. Die Besiegten verloren 22 Kanonen, 10 Fahnen, 2 Standarten, 30 Offiziere und 2 000 Gefangene. Erbprinz Leopold zeichnete sich in der Schlacht aus, noch mehr aber Feldmarschall Buddenbrock und General Goltz238-5, die mit 12 Schwadronen mehr als 50 schlugen.

Wenn die Schlacht bei Soor nicht so entscheidend war wie die von Hohenfriedberg, so liegt die Schuld an dem Gelände, auf dem sie geliefert wurde. Einem Feinde, der in einer Ebene geschlagen wird, kann man auf seiner Flucht schwere Verluste beibringen. Wer aber in einem gebirgigen Lande unterliegt, ist vor nachdrücklicher Verfolgung durch Kavallerie sicher. Mögen die Truppen, die er auf den Höhen wieder<239> zum Stehen bringt, noch so gering sein, sie reichen doch hin, der Verfolgung des Siegers Einhalt zu tun.

Der Plan der Schlacht von Soor war schön und gut ersonnen, stamme er nun vom Prinzen von Lothringen oder von Franquini, dem er von anderen zugeschrieben wird. Die Stellung der Preußen war unstreitig fehlerhaft. Es war unentschuldbar, daß sie nur auf die Sicherung ihrer Front bedacht waren und ihren rechten Flügel unbekümmert in einem Talgrunde stehen ließen, den eine nur 1 000 Schritt entfernte Anhöhe beherrschte. Aber wenn die Österreicher auch einen guten Plan zu entwerfen wußten, so verstanden sie ihn doch nicht auszuführen. Sie machten dabei folgende Fehler. Der Prinz von Lothringen hätte die Kavallerie seines linken Flügels an dem Wege nach Trautenau, im Rücken des preußischen Lagers aufstellen sollen. Sperrte er den Weg, so hatte das Heer des Königs weder Raum zur Entwicklung, noch die Möglichkeit zur Anlehnung seines rechten Flügels. Ferner hätte der Prinz von Lothringen sofort, als er auf dem Schlachtfelde anlange, seine Kavallerie mit verhängtem Zügel in das preußische Lager einbrechen lassen müssen. Die Preußen hätten dann weder Zeit gehabt, zu den Waffen zu greifen, noch in Reih und Glied zu treten, noch sich zu verteidigen, und so wäre der Sieg den Österreichern sicher gewesen. Der Herzog von Aremberg soll sich mit seiner Kolonne in der Nacht verlaufen und sich verkehrt aufgestellt haben, mit dem Rücken gegen das Lager des Königs. Das sähe dem Herzog ganz ähnlich. Angeblich verlor der Prinz von Lothringen viel Zeit, um Arembergs Torheit wieder gutzumachen. Als die Preußen nun aber auf dem Schlachtfeld erschienen, was hinderte da den Prinzen von Lothringen, sie auf der Stelle mit der Kavallerie seines linken Flügels anzugreifen? Sie wäre von einer Anhöhe herab in<240> die noch im Entwickeln begriffenen Truppen eingebrochen, ja sogar in solche, die noch in Marschformation waren.

Dem König warf man nicht weniger Fehler vor als seinem Gegner. Vor allem rügte man seine schlechte Stellung, durch die er sich zu einer Schlacht hatte zwingen lassen, während ein geschickter Feldherr sich nur dann schlagen soll, wenn es ihm paßt. Der König hätte, so sagte man, wenigstens vom Anmarsch der Österreicher unterrichtet sein sollen. Dagegen machte er geltend, daß der Feind ihm an leichten Truppen bedeutend überlegen war und daß er die 500 Husaren, die ihm nach den vielen Detachierungen noch übrig blieben, nicht durch weite Entsendung aufs Spiel setzen durfte. Aber, wandte man ein, er hätte nicht soviel Detachierungen machen und sich angesichts einer an Zahl überlegenen Armee nicht so sehr schwächen dürfen. Er führte zu seiner Rechtfertigung an, das Geßlersche und das Polentzsche Korps, die zum Fürsten von Anhalt stoßen sollten, wären ebenso hoch anzuschlagen wie die heimgerückten Sachsen, und die Detachierung des Generals Nassau wäre zur Deckung der Provianttransporte aus Schlesien nötig gewesen. Diese Transporte wären völlig ausgeblieben, wenn die Ungarn, die ganz Schlesien unsicher machten, nicht vertrieben wurden. Schließlich wäre auch Du Moulins und Lehwaldts Detachierung nach den Gebirgspässen unerläßlich gewesen; denn wollte man vom Feinde nicht ausgehungert werden, mußte man die Pässe besetzt halten. Es waren nur so viele Trainpferde vorhanden, als man zu jedem für fünf Tage hinreichenden Mehltransporte brauchte. Wäre nur eine dieser Zufuhren ausgeblieben, so wäre die Armee in Böhmen ohne Brot und Lebensmittel gewesen. Man sagte auch, der König hätte sich lieber nach Schlesien zurückziehen als eine Schlacht in Böhmen riskieren sollen. Er aber war der Meinung, daß der Verlust einer Schlacht in Böhmen nicht so schlimm sein konnte wie in Schlesien. Außerdem wäre der Krieg durch einen überstürzten Rückzug nach Schlesien verpflanzt worden. Dazu kam, daß man in Böhmen auf Feindes Kosten lebte, in Schlesien aber die eignen Lebensmittel verzehrt hätte. Doch wir überlassen es dem Leser, das Für und Wider abzuwägen.

Der Sieg von Soor ist vor allem dem engen Gelände zuzuschreiben, auf dem der Prinz von Lothringen den König angriff. Dies Gelände brachte den Feind um alle Vorteile der überlegenen Zahl. Die Preußen konnten ihm in gleich breiter Front entgegentreten. Die Menge der Truppen kam den Österreichern gar nicht zustatten. Ihre drei Treffen standen fast ohne allen Zwischenraum aufeinandergedrängt und hatten keinen Spielraum zum Fechten. Riß erst einmal Verwirrung ein, so war kein Halten mehr. Der Sieg wurde aber auch durch die Tapferkeit der preußischen Truppen errungen, die die Fehler ihres Führers wettmachten und den Feind für seine Fehler bestraften.

Während der Schlacht plünderten die kaiserlichen Husaren das preußische Lager. Der linke Flügel und das Zentrum hatten nämlich keine Zeit mehr gehabt, die Zelte abzubrechen. Das machten Nadasdy und Trenck sich zunutze. Der König und viele<241> Offiziere verloren ihre ganze Bagage. Selbst des Königs Sekretäre241-1 wurden gefangen genommen. Sie besaßen die Geistesgegenwart, alle ihre Papiere zu vernichten.

Doch wie konnte man an solche Kleinigkeiten denken, wo der Geist mit den größten und wichtigsten Dingen beschäftigt war, vor denen alle andern zurücktreten: mit dem Ruhm und der Wohlfahrt des Staates. Lehwaldt kam auf das Kampfgetöse hin noch rechtzeitig herbei, rettete die Bagage des rechten Flügels und tat den schändlichen Grausamkeiten Einhalt, welche die zucht- und zügellosen ungarischen Scharen gegen einige Kranke und gegen die im Lager zurückgebliebenen Frauen verübten. Derartige Untaten empören jeden, der ein menschliches Empfinden hat, und wer sie begeht oder duldet, dem bringen sie Schande. Zum Lobe des preußischen Soldaten muß gesagt werden, er ist tapfer, aber nicht grausam und hat oft Beweise von Seelengröße geliefert, die man Leuten aus niederem Stande nicht zutrauen sollte.

Die Nachwelt wird vielleicht erstaunen, daß ein in zwei Feldschlachten siegreiches Heer sich vor dem geschlagenen Gegner zurückzieht, statt die Frucht seiner Siege zu ernten. Des Rätsels Lösung liefern die Gebirge, die Böhmen einschließen, die Engpässe, die es von Schlesien trennen, die Schwierigkeit der Verpflegung, die Überlegenheit des Feindes an leichten Truppen und endlich die Erschöpfung der Armee. Hätte der König seine Winterquartiere in Böhmen beziehen wollen, so wären folgende Schwierigkeiten entstanden. Das Land war rein ausfouragiert. In der ganzen Gegend gibt es nur wenige und kleine Städte, fast alle mit schlechten Mauern. Man hätte also die Truppen der Sicherheit wegen in solchen Nestern zusammenpferchen müssen, und das hätte der Armee ansteckende Krankheiten und schließlich den Untergang gebracht. Es waren kaum Mehlwagen vorhanden. Wo sollte man Fouragewagen für die Kavallerie finden? Verließ aber der König Böhmen, so konnte er Rekruten, Remonten und neue Ausrüstungen beschaffen und den Truppen reichliche Nahrung und Ruhe gewähren, sodaß sie im künftigen Frühjahr, wenn es nötig war, wieder ins Feld gestellt werden konnten. Wahrscheinlicher war es jedoch, daß die Kaiserin-Königin nach der Schlacht von Soor geneigter sein würde, dem Vertrage von Hannover beizutreten.

Nachdem man der Ehre halber fünf Tage auf dem Schlachtfelde von Soor gelagert hatte, führte der König seine Truppen nach Trautenau zurück. Der Prinz von Lothringen stand noch bei Ertina, um bei der Nachricht vom Anmarsch der Preußen auf Königgrätz zurückzugehen.

Im Lager von Soor traf die Meldung ein, daß General Nassau am Tage der Schlacht ein Korps Ungarn bei Leobschütz geschlagen und 170 Gefangene gemacht hatte. Auch Fouqué war es gelungen, 400 Husaren zwischen Grulich und Habelschwerdt aufzuheben. Sie wurden nach Glatz gebracht. Warnery241-2, der mit 300 Pferden bei Landeshut stand, erfuhr, daß ein neues ungarisches Regiment Leopold Palffy nach Böhmisch<242>Friedland marschiert sei. Er umging und überfiel es und brachte von seinem Handstreich 8 Offiziere und 140 Mann als Gefangene mit. Aber da das Glück stets mit Unglück gepaart ist, so mißlang dem Major Chasot242-1 vom Du Moulinschen Korps sein Vorstoß gegen Marschendorf. Er wurde angegriffen, geschlagen und verlor 80 Mann.

Nachdem die Armee die Lebensmittel in der Umgegend von Trautenau völlig aufgezehrt hatte, trat sie den Rückzug nach Schlesien über Schatzlar an. Die Pässe und Defileen auf diesem Wege sind die schlimmsten in ganz Böhmen. Mag man vorrücken oder zurückgehen, man muß stets die allergrößte Vorsicht üben, will man die Truppen sicher hindurchbringen. Die Aupa floß hinter dem Lager des Königs bei Trautenbach entlang. Felsen und Wälder bedeckten das andre Ufer. Am 14. Oktober ging die Bagage unter starker Bedeckung voraus, um den Marsch zu erleichtern. Am 15. stellten sich fünf Bataillone auf den Bergen auf, um den Rückzug des Heeres zu decken und als Nachtrupp zu dienen. Die Armee brach am 16. auf. Sie marschierte in zwei Kolonnen. Erbprinz Leopold führte die linke, die über Trautenbach ging. Er erreichte Schlesien, ohne vom Feind etwas zu sehen. Die rechte Kolonne führte der König selbst. Die Kavallerie ritt voran; die Infanterie überschritt den Fluß, ehe Franquini, Nadasdy, Morocz u. a. m. vom Marsche der Preußen erfuhren. Nun aber eilten sie mit 7 000 bis 8 000 Mann herbei. Obwohl alle Anhöhen mit Infanterie besetzt waren, mußte man sie im Weiterrücken doch nach und nach verlassen. Die Panduren besetzten die geräumten Stellungen und feuerten von dort auf den Nachtrupp. Das Geschieße dauerte von 8 Uhr morgens bis um 6 Uhr abends. Ein Hauptmann und 30 Mann fielen dabei, gegen 80 wurden verwundet. Das ganze Du Moulinsche Korps deckte den Marsch durch das letzte Defilee, das durch ein Tal nach Schatzlar führt, und hielt den Feind auf. Ein Kavallerieangriff, den die kleine Ebene bei Schatzlar ermöglichte, kostete den Österreichern 300 Mann. Sie schlugen sich in die Büsche. Du Moulin marschierte rechts ab, ging über die Rehhornberge und erreichte das Lager auf dem Wege, den der König ihm freigehalten hatte.

Die Armee blieb bis zum 19. in Schatzlar, dann lagerte sie zu Liebau auf schlesischem Boden. Du Moulins Korps erhielt den Auftrag, einen Kordon längs der Grenze zu bilden. Die Hauptarmee bezog Kantonnementsquartiere zwischen Rohnstock und Schweidnitz. Sie konnte sich binnen sechs Stunden zusammenziehen und hatte es doch bequem in den vielen Dörfern und Städten jenes blühenden Landes. In dieser Stellung wartete der König ab, bis die österreichischen Truppen Kantonnementsquartiere bezogen hätten, um dann selbst in die Winterquartiere abzurücken. Nassau, der in Oberschlesien überwintern wollte, überfiel ein ungarisches Korps bei Hultschin und vertrieb den Feldmarschall Esterhazy von Oderberg. Die Wartenberg-Husaren, die zu seinem Korps gehörten, zeichneten sich gleichfalls aus. Sie schlugen das Regiment<243> Sachsen-Gotha, erbeuteten eine Standarte und machten 111 Gefangene243-1. Hierauf rückte Nassau auf Poruba. Die Ungarn entflohen nach Teschen und von da nach Jablunka. Fouqué243-2, der in Glatz nicht müßig bleiben wollte, ließ 200 Husaren aufheben, die sich unbesonnenerweise in Nachod eingenistet hatten. Der gewandte Offizier bewies während des ganzen Krieges viel Geist und Fähigkeit. Wir begnügen uns mit dem Hinweis, daß vierzig Streifkorps, die er während des Feldzuges aus Glatz aussandte, dem Feinde mehr als 800 Mann abnahmen.

Der König erfuhr am 24. Oktober, daß der Prinz von Lothringen sein Heer in drei Korps geteilt hätte. Er vermutete, das sei in der Absicht geschehen, sich in der Folge weiter auszubreiten; denn die Jahreszeit für Operationen im Felde war vorüber. Der König übergab dem Erbprinzen Leopold das Kommando mit der Weisung, die Truppen ohne strikten Befehl nicht weiter auseinanderzuziehen. Dann reiste er nach Berlin (30. Oktober), wo seine Gegenwart notwendig war, um die ins Stocken geratenen Unterhandlungen wieder in Gang zu bringen, wie auch, um Gelder für den nächsten Feldzug aufzutreiben, falls der Friede im Winter nicht zustande kommen sollte.

<244>

14. Kapitel

Die Revolution in Schottland nötigt den König von England, Hannover zu verlassen, und verzögert die Friedensverhandlungen. Entdeckung der Absichten der Österreicher und Sachsen gegen Brandenburg. Widerspruch der Ratgeber. Feldzugsplan. Der Fürst von Anhalt zieht sein Heer bei Halle zusammen. Des Königs Abreise nach Schlesien. Zug nach der Lausitz. Marsch des Fürsten von Anhalt auf Meißen. Schlacht bei Kesselsdorf. Einnahme von Dresden. Unterhandlungen und Friedensschluß.

Hätten die Preußen während des Jahres 1745 mit ihren Unterhandlungen soviel Glück gehabt wie mit ihren Waffen, so hätten sie sich wie ihren Feinden unnützes Blutvergießen ersparen können, und der Friede wäre eher zustande gekommen. Allein mehrere unerwartete Zwischenfälle vereitelten des Königs gute Absichten.

Kaum hatte der König von England fast widerwillig den Vertrag zu Hannover unterzeichnet, so brach eine Revolution in Schottland aus und zwang ihn zu schnellerer Rückkehr nach London, als er beabsichtigt hatte. Ein Jüngling, der Sohn des Prätendenten244-1, geht heimlich, nur von einigen Getreuen begleitet, nach Schottland. Er hält sich auf einer Insel an der Nordküste verborgen, damit seine Anhänger Zeit finden, ihre Bauern zu versammeln und zu bewaffnen, die schottischen Bergbewohner aufzuwiegeln und eine Miliz aufzubringen, die wenigstens der Schatten eines Heeres war. Durch diese Diversion entzündet Frankreich einen Bürgerkrieg in England, und ein in Schottland gelandeter Knabe ohne Truppen und Hilfsmittel zwingt König Georg, die englischen Truppen, die Flandern verteidigten, zum Schutze seines gefährdeten Thrones zurückzurufen. Frankreich bewies bei diesem Plane viel Klugheit. Seinem Gelingen dankte es alle Eroberungen, die es seitdem in Flandern und Brabant gemacht hat.

Anfangs verachteten der König von England und seine Minister den jungen Karl Eduard mit seinem schwachen Anhang und die aufkeimende Empörung. In London nannte man das Ganze den Einfall eines jakobitischen Priesters (womit man den Kardinal Tencin meinte) und einen Jugendstreich. Aber der junge Leichtfuß schlug und vertrieb den General Cope, den die Regierung ihm mit allen in der Hast zusammen<245>gerafften Truppen entgegengeworfen hatte (21. September). Diese Niederlage öffnete dem König die Augen und lehrte ihn, daß in einem Staate mit aristokratischer Verfassung ein Funke eine Feuersbrunst entzünden kann. Die schottischen Angelegenheiten lenkten nun die ganze Aufmerksamkeit seines Ministeriums auf sich. Die auswärtigen Unterhandlungen gerieten ins Stocken. Die Bundesgenossen hielten England für so gut wie verloren und achteten es nicht mehr wie früher. Das Mißlichste war, daß der Vertrag von Hannover ruchbar zu werden begann. Die Österreicher und Sachsen hatten geplaudert. Das konnte eine üble Wirkung bei den Franzosen haben, die noch die einzigen Bundesgenossen Preußens waren. Und so wurde denn die Diversion des jungen Karl Eduard in Schottland zu einer Diversion für die Königin von Ungarn. Sie bekam nun freie Hand, alle Kräfte gegen den König von Preußen einzusetzen. Der König von England widerriet ihr zwar dringend das Vorgehen gegen Preußen, aber seine Ratschläge wurden zu Wien jetzt verachtet.

Der König von Preußen, der in Berlin war, bot alles auf, um Geld zur Fortsetzung des Krieges zu bekommen245-1. Die schlesischen Einkünfte waren nicht so eingegangen wie in Friedenszeiten; zwei Drittel davon waren ausgeblieben. Er mußte andre Geldquellen suchen, und die waren schwer zu finden.

Die Verlegenheit war groß. Aber die Gefahr, die dem Staate von den Feinden drohte, war noch weit schrecklicher. Der König erfuhr auf folgende Weise davon. Seit der Vermählung des schwedischen Thronfolgers mit der Prinzessin Ulrike waren die Schweden den Interessen Preußens zum Teil gewogen. Rudenschöld und Wulfvenstierna, die schwedischen Gesandten in Berlin und Dresden, waren dem König auch persönlich zugetan. Der letztere ging im Hause des Grafen Brühl ein und aus; er gehörte zur Spielpartie des Ministers. In seiner Gegenwart war Brühl nicht so vorsichtig, wie es einem Premierminister, dem alle Geheimnisse seines Herrn anvertraut sind, geziemt. Wulfvenstierna kam ohne Mühe hinter den Plan des Wiener und des Dresdener Hofes, das Heer des Prinzen von Lothringen in Sachsen einrücken zu lassen, es mit den sächsischen Truppen zu vereinigen und dann während des Winters geradenwegs auf Berlin loszumarschieren. Er teilte seine Entdeckung Rudenschöld mit. Durch ihn erfuhr der König am 11. November davon, gerade an dem Tage, wo man die Trophäen von Hohenfriedberg und Soor in der Garnisonkirche aufhängte. Rudenschöld teilte des weiteren mit, das Projekt sei von Brühl entworfen, von Bartenstein verbessert, von Rutowski erweitert und durch Saul245-2 nach Frankfurt an die Königin von Ungarn geschickt worden. Brühl sei überzeugt, daß man Preußen durch diesen Schlag zermalmen würde. In der sicheren Hoffnung darauf habe der Wiener und Dresdener Hof es abgelehnt, den Friedensplänen des Königs von England beizutreten. Man hätte sich sogar schon in die Beute geteilt, und zwar sollte der König von Polen die Bistümer Mag<246>deburg und Halberstadt nebst Halle und dessen Gebiet erhalten, die Kaiserin aber Schlesien sich wiedernehmen. Schließlich entdeckte Rudenschöld dem König auch, weshalb Brühl solchen Haß gegen ihn hegte. Er war erbittert über ein vom König veröffentlichtes Manifest246-1, insbesondere über folgende Stelle:

„Während so viele Greuel in Schlesien verübt wurden und es dem Himmel, dem gerechten Vergelter aller Verbrechen, gefiel, sie so auffällig, augenscheinlich und streng zu strafen, behauptete man in Dresden kaltblütig, Sachsen stände nicht im Kriege mit Preußen und der Herzog von Weißenfels hätte mit seinen Truppen nicht die Erbländer des Königs angegriffen, sondern nur seine neuen Erwerbungen. Das Dresdener Ministerium gefiel sich in solchen Sophistereien, gleich als wären kleine scholastische Spitzfindigkeiten und kindische Wortklaubereien von Haarspaltern hinreichende Gründe zur Rechtfertigung seines illegitimen Vorgehens. Nichts ist leichter als die Widerlegung usw.“

Ebenso hatte sich Brühl über die folgende Stelle erbost: „Es scheint, daß die Geduld und Mäßigung des Königs nun ein Ende hatten. Aber Seine Majestät hatte Mitleid mit einem benachbarten Volke, das an den ihm zugefügten Kränkungen unschuldig war; und da er das Elend und die unvermeidlichen Verheerungen des Krieges kannte, so schob er die gerechte Vollstreckung seiner Vergeltung noch hinaus, um mit dem Dresdener Hofe neue Wege zum gütlichen Vergleich anzubahnen. Da er jedoch abermals eine völlige Zurückweisung erfuhr, so ist zu vermuten, daß das Vertrauen des Königs von Polen durch die schändliche Treulosigkeit seiner Minister gemißbraucht worden ist. Die beweglichsten Vorstellungen und die vorteilhaftesten Anerbietungen sind ganz umsonst verschwendet worden.“

Man muß zugeben, daß Brühl in diesen Stellen heftig angegriffen wurde. Ein Irrtum war ausgeschlossen; denn die Minister, die man im Plural nannte, waren mehr seine Untergebenen als Gleichgestellte.

Rudenschölds Bericht klang um so wahrscheinlicher, als der König den Charakter des Grafen Brühl und den hochfahrenden Sinn der Kaiserin-Königin kannte. War das sächsische Projekt aber gefahrvoll für Preußen, so war es für Sachsen nicht minder gewagt. Doch die Leidenschaften, und besonders die Rachsucht, machen die Menschen so blind, daß sie in der Hoffnung, sich Befriedigung zu verschaffen, alles aufs Spiel setzen.

Die heftige Krisis verlangte ein schleuniges Gegenmittel. Das Heer des Fürsten von Anhalt erhielt Befehl, sich unverzüglich bei Halle zusammenzuziehen. Da ein entscheidender Entschluß gefaßt werden mußte, so glaubte der König, seinem Ansehen nichts zu vergeben, wenn er Männer von Erfahrung zu Rate zog und das Klügste, was ihm vorgeschlagen wurde, befolgte. Wer für das Wohl eines Volkes zu sorgen hat, darf nichts verabsäumen, was dazu beitragen kann.

<247>

Dem Fürsten von Anhalt eröffnete der König Brühls Plan zuerst. Der Fürst gehörte zu jenem selbstgefälligen Menschenschlag, der die eigne Ansicht stets eigensinnig verficht, aber voller Widerspruch gegen andre Meinungen ist. Er bemitleidete den König geradezu wegen seiner Leichtgläubigkeit. Er hielt es für unnatürlich, daß ein Minister des Königs von Polen, ein geborener Sachse, aus reinem Mutwillen vier Heere in das Land seines Herrn ziehen und es dem unausbleiblichen Untergang aussetzen könnte. Der König zeigte ihm einen Brief, aus dem hervorging, daß General Grünne binnen zwei Tagen mit seinem Heere in Gera eintreffen würde, um bei Leipzig zu den Sachsen zu stoßen. Er legte ihm verschiedene Briefe aus Schlesien vor, die sämtlich bestätigten, daß die Sachsen den Prinzen von Lothringen mit seinen Truppen binnen kurzem in der Lausitz erwarteten und daß sie große Magazine für ihn errichteten. Schließlich sagte der König dem Fürsten, daß er ihm den Oberbefehl über das bei Halle zusammengezogene Heer anvertraute. Der Fürst von Anhalt verharrte in seinem Unglauben, aber in seinen Zügen war doch Genugtuung darüber zu lesen, daß ihm Gelegenheit zur Verjüngung seines alten Ruhmes geboten werden sollte.

Graf Podewils trat einen Augenblick später ein. Er zeigte sich ebenso ungläubig wie der Fürst von Anhalt, aber bei ihm war es nicht Widerspruchsgeist, sondern Furchtsamkeit. Podewils hatte einiges Kapital zu Leipzig angelegt und fürchtete es zu verlieren. Obwohl unbestechlich, wollte er bloß aus Schwäche nichts von einem Bruch mit den Sachsen wissen. Der Gedanke war ihm unheimlich, und da er alle andern für ebenso furchtsam hielt wie sich selbst, so traute er Brühl keinen verwegenen Plan zu. Kurz, bei diesen schönen Beratungen stritt man sich über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Sachverhalts, aber niemand dachte daran, der heranziehenden Gefahr vorzubeugen. Der König mußte sein ganzes Ansehen aufbieten, damit der Fürst von Anhalt die erforderlichen Maßregeln zur Verpflegung des Heeres bei Halle traf, und damit Podewils die Gesandten im Ausland anwies, das Komplott der Sachsen und des Königs Entschluß, ihnen zuvorzukommen, den fremden Höfen mitzuteilen.

Doch es schien, als wäre die Lage noch nicht verworren genug gewesen. Neue Schwierigkeiten traten hinzu. Der russische Gesandte247-1 erklärte dem König im Namen der Kaiserin, sie hoffe, er werde von einem Angriff auf das Kurfürstentum Sachsen abstehen, da ein solcher Schritt sie verpflichten würde, dem König von Polen das Kontingent zu schicken, das sie ihm kraft ihres Bündnisses schuldete. Der König ließ ihr erwidern, Seine Majestät wünsche mit allen Nachbarn in Frieden zu leben. Wenn aber jemand gegen seine Staaten verderbliche Pläne ausbrütete, so sollte keine Macht in Europa ihn hindern, sich zu verteidigen und seine Feinde zu vernichten.

Inzwischen bestätigten alle Briefe aus Sachsen und Schlesien Rudenschölds Nachrichten. Um von den Bewegungen des Prinzen von Lothringen besser unterrichtet zu<248> sein, schickte der König den General Winterfeldt mit einem gemischten Korps, Kavallerie, Infanterie und Husaren, gegen Friedland an der böhmischen und Lausitzer Grenze, mit dem Auftrage, falls der Prinz von Lothringen in die Lausitz einrückte, ihn zu begleiten und am Queis entlang zu ziehen, der an der schlesischen Grenze fließt. Der König beabsichtigte, die Sachsen von zwei Seiten zugleich zu überfallen. Und zwar sollte der Fürst von Anhalt seinen Angriff auf Leipzig, Wurzen und Torgau richten; das Heer in Schlesien aber sollte gegen den Prinzen von Lothringen vorgehen, ihn wenn möglich in seinen Kantonnements in der Lausitz überraschen oder ihm eine Schlacht liefern und ihn nach Böhmen zurücktreiben.

Während ganz Berlin in Bestürzung war, trug der König den größtmöglichen Gleichmut zur Schau, um das Publikum zu beruhigen. Sein Entschluß stand fest. Die Erklärung der Russen beunruhigte ihn nicht, denn Rußland konnte erst in sechs Monaten ins Feld rücken, und das war mehr Zeit als nötig, um das Schicksal Preußens und Sachsens zu entscheiden. Die Lage war so verzweifelt, daß man siegen oder untergehen mußte. Der König fürchtete die Ungläubigkeil und die Langsamkeit des Fürsten von Anhalt. Auch besorgte er, das 7 000 Mann starke Grünnesche Korps möchte geradenwegs auf Berlin marschieren. Um nach Möglichkeit für die Sicherung der Hauptstadt zu sorgen, ließ der König General Hacke mit einer Besatzung von 5 000 Mann zurück. Da aber Berlin einen Umfang von zwei Meilen hat, so war eine Verteidigung unmöglich. Deshalb sollte Hacke dem Feinde entgegengehen und ihm eine Schlacht liefern, bevor er sich der Stadt näherte. Die Maßregel war allerdings unzureichend, doch es fehlten die Mittel zu etwas Besserem. Man traf für den Notfall Vorkehrungen, um die königliche Familie, die Archive, die Kanzleien und die obersten Behörden nach Stettin zu bringen. Dort konnten sie Zuflucht finden, wenn das Waffenglück die Preußen verließ. Der König schrieb noch einen eindringlichen Brief an den König von Frankreich, schilderte ihm seine Lage mit lebhaften Farben und bat ihn dringend um die vertragsmäßig ausbedungene Hilfe. Allerdings erwartete er von diesem Briefe nichts, er hatte ihn nur der Form halber geschrieben.

Es ist schwer zu erraten, warum der Fürst von Anhalt dem König abzuraten suchte, den Oberbefehl des schlesischen Heeres selbst zu übernehmen. Der Fürst trieb seine lästigen Vorstellungen so weit, daß der König ihm schließlich erklärte, er sei entschlossen, sich an die Spitze seiner Truppen zu stellen. Wenn der Fürst von Anhalt selbst eine Armee hielte, so möchte er den Oberbefehl geben, wem er wollte. Hierauf nötigte er ihn, nach Halle zu gehen. Der König reiste am 16. November nach Schlesien ab und hinterließ Berlin in Bestürzung, die Sachsen in Hoffnung und ganz Europa in Spannung über den Ausgang des Winterfeldzuges.

Am 17. traf der König in Liegnitz ein. Dort fand er den Erbprinzen Leopold und den General Goltz, der die Aufsicht über das Proviantwesen hatte. Aus Briefen von Winterfeldt, die zugleich eintrafen, ging hervor, daß 6 000 Sachsen als Avantgarde des Prinzen von Lothringen über Zittau in die Lausitz eingerückt waren und daß die<249> österreichischen Truppen im Begriff standen, ihnen zu folgen. Erbprinz Leopold stimmte dem Operationsplan des Königs vollkommen bei. Die Armee in Schlesien hatte eine Effektivstärke von 30 000 Mann, lauter alte, ausgesuchte, sieggewohnte Soldaten, jetzt durch vierwöchentliche Ruhe gestärkt und zu jeder Tat entschlossen. Indessen waren noch einige Vorsichtsmaßregeln zu treffen, bevor man aus Schlesien aufbrach. Man konnte das bisher noch unbefestigte Schweidnitz mit seinen Magazinen nicht ganz entblößt lassen. Deshalb sollte Nassau aus Oberschlesien nach Landeshut rücken, um dem Korps von Hohen-Ems entgegenzutreten, der von seinem Hofe Befehl zu einem Einfall nach Niederschlesien in die Gegend von Hirschberg hatte.

Des Königs Lage ähnelte der vor der Schlacht von Hohenfriedberg. Er brauchte die gleiche Kriegslist, um den Feind in die nämliche Falle zu locken. Er tat, als ob er die sächsische Grenze gewissenhaft respektierte und nur Krossen vor dem Prinzen von Lothringen erreichen wollte. Um das noch glaubhafter zu machen, ließ Winterfeldt einige Husaren, die in der Lausitz Ausschreitungen begangen hatten, bestrafen. Man stellte Wege nach Krossen her und errichtete an ihnen Magazine, sodaß die Bauern (die man immer zuerst täuschen muß) den Preußen keinerlei andre Absichten zutrauten. Winterfeldt besetzte Naumburg am Queis und sprengte aus, er stehe dort nur, um den Feind auf seinem Marsche längs des Flusses zu begleiten und ihm in Krossen zuvorzukommen.

Der Prinz von Lothringen glaubte fest, daß die Preußen sich in ihren Winterquartieren ausruhten, daß ihre Truppen mutlos seien und daß er nur ein Beobachtungskorps von 3 000 Mann zu fürchten habe. Dank dieser schmeichelhaften Meinung wiegte er sich in gefährlicher Sicherheit, und die nämliche Kriegslist gelang zum zweiten Male. Es ist eine alte Wahrheit: Mißtrauen ist die Mutter der Sicherheit249-1. Ein kluger Feldherr soll den Feind nie unterschätzen, sondern stets auf dessen Schritte achten und sie bei allen seinen Operationen zum Leitstern nehmen. Um den Österreichern die Bewegungen des preußischen Heeres nach Möglichkeit zu verbergen, ließ der König drei Flüsse, die vor ihm lagen, besetzen: den Queis durch Winterfeldt, die Lausitzer Neiße durch leichte Truppen und den Bober durch andre Detachements. Alles, was aus der Lausitz kam, hatte freien Eingang, aber niemand durfte über die drei Flüsse nach Sachsen, sodaß man selbst wohl Nachrichten bekam, sie dem Feind aber abschnitt.

Auf Grund der Nachrichten vom Feinde rückte die Armee bald darauf vor und kantonnierte am Queis. Der König nahm sein Hauptquartier zu Hohlstein (22. November), nur eine Meile von Naumburg entfernt. Er ließ vier Brücken über den Fluß schlagen, um ihn in vier Kolonnen rasch überschreiten zu können. Seine Absicht war, sich von den Kaiserlichen überholen zu lassen, ihnen dann in den Rücken zu fallen, ihre Zufuhr abzuschneiden und sie so zur Annahme einer Schlacht oder zu schimpflicher Flucht nach der böhmischen Grenze zu zwingen. Allerdings durfte man bei Ausführung<250> dieses Planes keine Streifkorps in die Lausitz schicken, konnte also nur durch Spione Nachrichten bekommen, und die sind nie so zuverlässig wie die von den Truppen gebrachten. Zudem war das Unternehmen so wichtig, daß man das Sichere dem Glänzenden vorziehen mußte.

Winterfeldt, der des Königs Projekt kannte, meldete ihm (22. November), daß die Österreicher heranrückten, sich aber in ihren Quartieren stark ausbreiteten, sodaß ihr linker Flügel bei Lauban und ihr rechter bei Görlitz stände. Am nächsten Tage würden sie nach Aussage seiner Spione weitermarschieren, deshalb hielte er den Augenblick zum Handeln für gekommen. Auf die Meldung hin brach das preußische Heer am 23. November in vier Kolonnen auf. Jede Kolonne wurde von einem Generalleutnant geführt. Als Vereinigungspunkt wurde Naumburg bestimmt. Dort erteilte der König die weiteren Dispositionen. An jenem Morgen erhob sich ein dichter Nebel, der dem Feinde jede Bewegung der Armee verbarg.

Bei Naumburg führt eine steinerne Brücke über den Queis. Daneben waren zwei Furten für die Kavallerie angelegt. Man schlug rasch noch eine Pontonbrücke für die zweite Infanteriekolonne. Nachdem alles fix und fertig war, kamen die Generale, die Führer der vier Kolonnen, in Naumburg zusammen. Sie empfingen Befehl, sofort über den Queis zu gehen. Alle Kolonnen erhielten Wegweiser nach Katholisch-Hennersdorf und den Auftrag, sich gegenseitig zu unterstützen, sobald eine von ihnen auf die Quartiere des Feindes stieße und zur Durchführung ihrer Operationen Kavallerie oder Infanterie brauchte. Denn es fehlte an genauen Nachrichten über die Standorte des Prinzen von Lothringen, sodaß bestimmte Anordnungen nicht getroffen werden konnten.

Sobald die Kolonnen über den Queis gingen, sank der Nebel. Die beiden Flügelkolonnen bestanden aus Kavallerie, die beiden mittleren aus Infanterie. Jeder Kolonne ritt ein Husarenregiment zur Aufklärung voraus, um den Generalen beizeiten zu melden, was sie vom Feinde vor sich hätten. Der König ritt an der Spitze der ersten Infanteriekolonne. Ihr Wegweiser war ein Müllerbursche, der sie in einen Sumpf führte. Im Sommer diente der Sumpf als Viehweide, aber im Spätherbst war er unpassierbar. Mit Mühe arbeitete man sich wieder heraus, und nach vielem Suchen fand man endlich einen Weg an einem Walde entlang, auf dem man weiterkam.

Während des Vormarsches ritten die Zietenhusaren auf Katholisch-Hennersdorf und brachten die Meldung, das Dorf sei von zwei Bataillonen und sechs Schwadronen Sachsen besetzt. Zieten ließ sagen, er werde den Feind so lange hinhalten, bis die Armee heran wäre. Sofort wurden zwei Kürassierregimenter aus der vierten, nächsten Kolonne vorgeschickt. Rochow führte die Regimenter Geßler und Bornstedt heran. Polentz wurde mit drei Grenadierbataillonen zu ihrer Unterstützung beordert. Der sogenannte Sumpf, den man für unpassierbar hielt, hatte die Sachsen getäuscht. Sie hatten auf dieser Seite keine Wachen ausgestellt, und so war es möglich, sie zu überfallen. Das Dorf Katholisch-Hennersdorf ist eine halbe Meile lang. Das Treffen<251> fing um 4 Uhr auf der Ostseite an und endete um 6 Uhr auf der Westseite. Polentz fiel den Sachsen in den Rücken, Rochow griff sie in der Front an und Winterfeldt in der Flanke. Die Regimenter Sachsen-Gotha, Dallwitz und der größte Teil des Regiments O'Byrn wurden gefangen genommen, mit ihnen General Buchner, Oberst O'Byrn und dreißig Offiziere. Insgesamt verloren die Sachsen 6 Kanonen, 1 100 Mann, 2 Paar Pauken, 2 Standarten und 3 Fahnen. Ihre Bagage fiel den Husaren zu, die die kleine Belohnung wohl verdient hatten.

Die Armee bezog ihr Lager bei Katholisch-Hennersdorf. Den Truppen wurde gesagt, wenn man sie in den nächsten Tagen etwas strapazieren müßte, so geschähe das nur, um ihnen Schlachten zu ersparen. Obgleich die Hälfte der Armee ohne Zelte war, ja mehrere Regimenter nur leinene Beinkleider hatten, so fügten sie sich doch in alles, was, wie sie einsahen, geschehen mußte. Ein so glücklicher Anfang verhieß den Preußen, daß der Prinz von Lothringen vor ihnen nicht standhalten würde. Die Bestürzung, die durch den Überfall auf die sächsischen Quartiere bei den Österreichern entstanden war, mußte aber sofort ausgenutzt werden. Damit sie gar nicht zur Besinnung kamen, beschloß man, ihnen scharf nachzusetzen.

Am folgenden Tage, dem 24., war das Wetter so trübe und der Nebel so dicht, daß man nur vorsichtig weiterrücken durfte. Die Preußen lagerten hinter dem Dorfe Leopoldshain. Zur größeren Sicherheit wurden 15 Bataillone in das Dorf gelegt. Die Späher meldeten, die Österreicher seien überall auf dem Rückzuge. Auf den Wegen sähe man nichts als ausgespannte Wagen, umgestürztes Gepäck, im Stich gelassene Pulverwagen. Kurz, alles bezeugte ihre Flucht. Die sehr zahlreichen Überläufer sagten aus, ihre Truppen seien in völliger Auflösung, da man ihnen in den beiden letzten Tagen zwanzig verschiedene widersprechende Befehle gegeben hätte.

Am 25. früh traf die Meldung ein, der Prinz von Lothringen hatte sein Heer bei Schönberg, eine Meile vom preußischen Lager, zusammengezogen. Der König schwankte keinen Augenblick. Der Tag war heiter. Die Armee setzte sich sofort in Marsch, um den Feind anzugreifen. Als sie sich Görlitz näherte, meldeten die Streifkorps, der Feind sei in aller Stille nach Zittau abgezogen. Die preußische Armee lagerte bei Görlitz, dessen Besatzung kapitulierte. 60 Offiziere und 250 Mann ergaben sich kriegsgefangen. Unter den Offizieren waren Kranke sowie Verwundete von Hennersdorf, die sich nach Görlitz gerettet hatten. In der Stadt fand man ein Magazin, eine erwünschte Beute, die das Unternehmen nicht wenig erleichterte.

Am 26. kam die Armee bis zum Kloster Radmeritz. Dort wurden Kantonnementsquartiere bezogen. Bonin und Winterfeldt erhielten den Auftrag, mit 70 Schwadronen und 10 Bataillonen an dem Flüßchen Neiße entlangzuziehen. Dadurch drohte man dem Feinde, ihn von Zittau abzuschneiden. Der Prinz von Lothringen sah sich gezwungen, sein Lager bei Ostritz zu verlassen, um Zittau vor den Preußen zu erreichen. Bei seinem hastigen Rückzuge machten die preußischen Husaren beträchtliche Beute in der österreichischen Bagage.

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Am 27. rückte der König nach Ostritz und schickte Winterfeldt nach Zittau. Die Nachhut des Prinzen von Lothringen zog gerade durch die Stadt. Winterfeldt griff sie an und machte 350 Gefangene. Der Feind verlor sämtliche Bagage und steckte die Wagen selbst in Brand, um sie nicht in die Hände seiner Verfolger fallen zu lassen.

Die ganze Unternehmung dauerte nur fünf Tage. Die Österreicher verloren dabei mehrere Magazine, ihre ganze Bagage und kehrten um 5 000 Mann schwächer nach Böhmen zurück.

Der König ließ 10 Bataillone und 20 Schwadronen in der Gegend von Zittau zur Deckung des wichtigen Postens. Winterfeldt kehrte mit 5 Bataillonen und 5 Schwadronen nach Schlesien zurück, um Hohen-Ems in die Flanke zu fallen, indes Nassau ihn in der Front angriff. Die Operation gelang so gut, daß in kaum 24 Stunden kein Österreicher mehr in Schlesien war. Die Philipert-Dragoner wurden von den Wartenberg-Husaren geschlagen252-1. Hohen-Ems gab dem Prinzen von Lothringen nichts nach, weder in der Hast seines Rückzuges, noch im Verlust seiner Bagage.

Die preußischen Truppen in der Lausitz bezogen Erholungsquartiere bei Görlitz, ausgenommen Lehwaldt, der mit 10 Bataillonen und 20 Schwadronen nach Bautzen detachiert wurde. Von da sollte er gegen die Elbe vorstoßen und durch einen Scheinangriff auf Dresden die Operationen des Fürsten von Anhalt unterstützen. Oberst Brandeis, der mit zwei Bataillonen in Krossen geblieben war, nahm Guben ein, wo er ein großes sächsisches Magazin fand.

Während des Zuges in die Lausitz blieben alle Nachrichten vom Fürsten von Anhalt aus. Dagegen sprengten die Sachsen das Gerücht aus, Grünne sei bei Torgau über die Elbe gegangen und rücke auf Berlin. Dieses Gerücht machte dem König schon Sorge, als ein Offizier aus Halle mit der Meldung anlangte, der Fürst von Anhalt habe am 30. November seinen Marsch angetreten, um die Sachsen in ihren Verschanzungen bei Leipzig anzugreifen, habe die Stellung aber verlassen gefunden. Leipzig habe sich ergeben, und die Sachsen seien nach Dresden geflohen. Der König schickte den Offizier umgehend zurück, um den Fürsten von Anhalt zum sofortigen Marsch auf Meißen zu drängen und ihn wissen zu lassen, daß das Lehwaldtsche Korps nur auf seine Ankunft warte, um zu ihm zu stoßen. Als man in Dresden erfuhr, wie schnell der Prinz von Lothringen abgefertigt war, entstand große Bestürzung. Das Grünnesche Korps erhielt augenblicklich Befehl zur Umkehr. Auch Graf Rutowski wurde mit seiner Armee zur Deckung der Hauptstadt zurückbeordert.

Während der Fürst von Anhalt auf Meißen vorrückte, blieb das Heer des Königs in abwartender Stellung. Der König benutzte die Frist zur Wiederanknüpfung der so oft abgebrochenen Verhandlungen mit Sachsen, deren Abschluß bei der jetzigen Lage entfernter denn je schien. In dieser Absicht schrieb der König einen Brief an Villiers, den englischen Gesandten am Dresdener Hofe, worin er erklärte, trotz der<253> offenen Erbitterung, die seine Feinde auch jetzt wieder gegen ihn zeigten, und trotz der Erfolge, die er eben erst über sie errungen hätte, bliebe er doch bei seinem einmal gefaßten Vorsatz und zöge Mäßigung der Anwendung von Gewalt vor. Deshalb böte er dem König von Polen den Frieden auf der Grundlage des Vertrages von Hannover an und wolle alles Vergangene vergessen.

Der König hatte seinen Schritt nach reiflicher Überlegung getan. Man kann in der Tat nur so lange Friedensvorschläge machen, als das Waffenglück mit Einem ist. Ist man selbst der Unterlegene, so findet man den Feind jeder Versöhnung abgeneigt. Kam der Friede zustande, so sparte man das Blut vieler tapferer Offiziere, die bereit waren, es für Preußens Sieg zu vergießen. Der König sagte sich, daß der Krieg in Sachsen trotz seines günstigen Verlaufes doch eine Feuersbrunst im Hause des Nachbars war, die auf das eigne überspringen konnte. Zudem mußte der Krieg sobald wie möglich beendet werden, damit sich Rußland nicht einmischen konnte. Von Frankreich war keine Hilfe zu erwarten. Setzte der König den Kriegswirren nicht im Laufe des Winters ein Ziel, so stand zu befürchten, daß die Königin von Ungarn ihre am Rhein überflüssig gewordenen Truppen im nächsten Frühjahr zurückberiefe und sie mit der böhmischen Armee vereinigte. Dadurch hätte sie ein großes Übergewicht erlangt. Schließlich war der Vorwand des Krieges seit dem Tode Karls VII. hinfällig geworden. Dazu kam noch, daß durch die schlechte Ernte des Jahres das Korn knapp und teuer und daß die Finanzen völlig erschöpft waren. Das einzige Mittel gegen all diese Mißstände war der Friede.

Man wundert sich vielleicht, daß der König so mäßige Friedensbedingungen stellte. Aber man muß bedenken, daß er sich in der Zwangslage befand, alles, was er tat, genau zu berechnen und keine leichtsinnigen Wagnisse zu unternehmen. Durch das Friedensangebot betätigte er die uneigennützigen Grundsätze, die er in den Manifesten von 1744 und 1745 aufgestellt hatte253-1. Nötigte er dem König von Polen jetzt aber ein Stück Landes ab, so verkettete er die sächsischen Interessen mit den österreichischen und stiftete einen Bund, den er nach den Regeln der Staatskunst zerstören mußte. Ferner war Europa schon eifersüchtig genug auf die Erwerbung Schlesiens. Die Erinnerung daran mußte also verwischt, aber nicht aufgefrischt werden. Schließlich war der einfachste Weg zum Frieden die Wiederherstellung des Besitzstandes vor dem letzten Kriege. Die vorgeschlagenen Bedingungen waren weder hart noch drückend. Sie konnten den Frieden um so dauerhafter machen, als kein Same von Erbitterung und Eifersucht zurückblieb.

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Das waren die Grundsätze, nach denen der König handelte. Wie man im folgenden sehen wird, ist er trotz seiner Waffenerfolge nie von ihnen abgewichen. Wer hätte aber gezweifelt, daß der König von Polen so billige Vorschläge aufs beste aufnehmen würde? Trotzdem geschah gerade das Gegenteil. Graf Brühl hatte nichts als seinen Plan im Kopfe. Aus dem Grunde hatte er den Prinzen von Lothringen nach Sachsen zurückkehren lassen, um die Sachsen unter Rutowski und das Grünnesche Korps mit dem österreichischen Heere zu vereinigen. Im Vollgefühl dieser Kriegsmacht beschloß er, das Schicksal seines Königs und die Wohlfahrt seines Landes auf das Glücksspiel einer Schlacht zu setzen. Derart opferte er alles, was der Mehrzahl der Menschen heilig ist, seiner Privatrache.

Villiers erschien am Dresdener Hofe mit der Miene eines Mannes, der eine gute Nachricht bringt. Er bat um Audienz, unterbreitete die ihm aufgetragenen Vorschläge und redete dem König August ins Gewissen, das ihm und seinem Lande drohende Unheil abzuwenden. Der König erwiderte ihm trocken, er werde sehen, was zu tun sei. Brühl sprach sich dem englischen Gesandten gegenüber deutlicher aus. Er prahlte mit der Hilfe, die er von den Russen erwartete, mit Sachsens großen Hilfsquellen und schloß mit den Worten, er werde Herrn Villiers aus Hochachtung für den König von England eine Denkschrift mit den Bedingungen zustellen lassen, unter denen sich der König von Polen zum Frieden verstehen könnte.

Am Tage darauf, dem 1. Dezember, reiste König August nach Prag und die beiden ältesten Prinzen254-1 nach Nürnberg. Welch ein Gemisch von Hochmut und Schwäche! Nach der Abreise des Hofes übergab einer der sächsischen Räte dem englischen Gesandten eine Denkschrift folgenden Inhalts. Der König von Polen wolle dem Vertrage von Hannover beitreten, wenn die Preußen sogleich alle Feindseligkeiten einstellten, keine Kontributionen mehr einforderten, die bereits erhobenen ersetzten, Sachsen unverzüglich räumten und allen angerichteten Schaden, auch den, der durch den Rückmarsch der Truppen noch entstehen würde, bezahlten. Villlers hegte keine Hoffnung auf das Zustandekommen eines Friedens, dessen Bedingungen die Sachsen so hochfahrend vorschrieben. Er sandte die Denkschrift an den König von Preußen mit der Versicherung der freundschaftlichen Gesinnung seines Herrn und mit dem Zusatz, daß er für die Erklärung der sächsischen Minister nicht die Garantie übernähme254-2. Damit war genug gesagt.

Zugleich erfuhr der König, daß der Prinz von Lothringen bei Leitmeritz über die Elbe gegangen sei und auf Dresden marschierte. Kombinierte man die Bewegung der österreichischen Armee mit der schnellen Flucht des Königs von Polen und seiner Söhne, so war es klar, daß Brühl den Frieden nicht wollte. Um die Pläne so er<255>bitterter Feinde besser vereiteln zu können, verlegte der König sein Hauptquartier nach Bautzen, und Lehwaldt ging nach Königsbrück, eine Meile von Meißen.

Unterdes antwortete der König Villiers, er habe den Grafen Podewils zu sich beschieden, um die Anbahnung des Friedens nach Möglichkeit zu erleichtern. Wie er hoffe, werde auch der König von Polen einen seiner Minister abschicken, um die letzte Hand an das Friedenswerk zu legen und durch Unterzeichnung der Präliminarien den Feindseligkeiten ein Ende zu machen. Was den Artikel der Vergütung für Fourage und Kontributionen beträfe, so könne der König für den Schaden, den die sächsischen Truppen in Schlesien angerichtet hätten, ebensogut Ersatz fordern. Das beste aber wäre wohl, den Artikel ganz zu streichen. Der König drückte schließlich die Hoffnung aus, daß Rußland und Holland die Garantie für den Frieden übernehmen würden. Die Abreise des Königs von Polen empfände er als Unfreundlichkeit, ja als Kränkung. Er sähe darin kein günstiges Vorzeichen für den Gang der Verhandlungen (5. Dezember). Brühl hatte seinen Herrn nach Prag gebracht, um ihn völlig in seiner Gewalt zu haben. Dort sah König August nichts von dem Elend des Krieges und hörte die Klagen seines Landes nicht. Vielmehr sollten ihn die Österreicher in kriegerischer Stimmung erhalten. Derart opferte Brühl alles und jedes den Interessen der Königin von Ungarn.

Der König von Preußen sah ein, daß die Unterhandlungen nur durch einen Sieg zum glücklichen Abschluß zu bringen waren. Es wurde höchste Zeit, die Operationen im Felde wieder aufzunehmen. Die Lausitz war erobert. Alles hing jetzt vom Vorgehen des Fürsten von Anhalt ab. Seit acht Tagen hatte der König keine Briefe von ihm erhalten. Die Ungewißheit war um so peinlicher, als kein Augenblick zu gemeinschaftlichem Handeln zu verlieren war. Die Brücke bei Meißen war von größter Bedeutung. Man mußte sich ihrer bemächtigen, bevor der Feind an ihre Zerstörung dachte. Aber Lehwaldt konnte die Stadt, die am linken Elbufer liegt, nur mit Unterstützung des Fürsten von Anhalt einnehmen. Da alle Nachrichten von ihm ausblieben, so berechnete der König die Marschtage des Fürsten und fand, daß er am 8. oder spätestens am 9. Dezember in Meißen einzutreffen vermöchte. Lehwaldt rückte am 8. nach Meißen, aber wer nicht kam, war der Fürst von Anhalt, und da der Fluß mit Eis ging, so konnte Lehwaldt keine Schiffsbrücke schlagen. Alle diese Zwischenfälle verzögerten den Gang der Operationen.

Inzwischen schickte Villiers aus Prag einen Kurier an den König mit der Nachricht, daß der König von Polen keinen Minister mit Vollmachten senden werde, sondern im Gegenteil zahlreiche Hilfstruppen von seinen Bundesgenossen erwarte. Die würden im Kurfürstentum Brandenburg die Verwüstungen vergelten, die die Preußen in Sachsen angeblich begangen hatten. Der König hätte Dresden verlassen müssen, weil er besorgt hätte, im offenen Kriege noch weniger geschont zu werden als in den Manifesten, die dem Kriege vorangingen. Wie man sieht, traf das letztere weit mehr auf Brühl zu als auf König August.

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Der König von Preußen antwortete Villiers, er bewundere den Stolz und die Unbeugsamkeit des Königs von Polen. Er hege gar keinen Haß gegen ihn, aber man könne ein Heer von 80 000 Mann unmöglich ernähren, ohne daß das Land darunter zu leiden hätte. Wäre seinen Feinden das Glück so günstig gewesen wie ihm selbst, so würden die Sachsen in Brandenburg nicht so viel Mäßigung gezeigt haben, wie der König in Sachsen. Vielmehr würden sie alles geplündert, verbrannt und zerstört haben, wie es Beispiele aus Schlesien bewiesen. Da der König von Polen aber durchaus Krieg haben wolle, so solle ihm kräftiger denn je damit gedient werden. Am 9. trafen endlich Nachrichten vom Fürsten von Anhalt aus Torgau ein. Der Fürst meldete, er habe in Torgau 200 Mann gefangen genommen. Die Langsamkeit seines Marsches schob er auf die Schwierigkeit, Proviant und Wagen herbeizuschaffen. Das war aber nur ein Vorwand zur Entschuldigung seiner Saumseligkeit. Er hatte neun Tage zu neun Meilen gebraucht. Sein Verhalten war um so weniger zu entschuldigen, als er in Halle über ein Magazin verfügte und in Leipzig ein feindliches Magazin weggenommen hatte. Außerdem hatte er keinen Feind vor sich, war also Herr der Fourage, der Lebensmittel, der Pferde und der Lieferungen des platten Landes. Nur sein Widerspruchsgeist und sein Alter waren an seiner Langsamkeit schuld. Der Fürst hätte es nicht ungern gesehen, wenn der Zug nach der Lausitz für einen gut abgelaufenen Jugendstreich gegolten hätte. In all seinem Tun und Lassen kehrte er stets den bedächtigen und weisheitsvollen Mann von gereifter Erfahrung heraus, und zwar in absichtlichem Kontrast gegen das Feuer, womit der König alles ausführte.

Der Fürst von Anhalt erntete für seine Langsamkeit keine Lobsprüche. Der König schrieb ihm, seine Saumseligkeit verstieße sehr gegen die Interessen des königlichen Dienstes; denn nun hätten die Österreicher Zeit, sich mit den Sachsen zu vereinigen und die Brücke bei Meißen zu zerstören, wodurch die Verbindung beider Heere so gut wie unmöglich geworden sei. Der König gab ihm strikten Befehl, unter Aufbietung aller Kräfte so schnell wie irgend möglich heranzurücken. In seiner Antwort versprach der Fürst, am 12. in Meißen zu sein. Hierauf wurden alle Quartiere enger gelegt. Der König ließ nur 4 Bataillone und einige Husaren in Zittau, ein Bataillon in Görlitz und 2 in Bautzen. Die Armee vereinigte sich am 13. bei Kamenz, mit Ausnahme von Lehwaldt, der schon Meißen gegenüberstand. Am 12. traf der Fürst von Anhalt in Meißen ein. Aber die sächsische Besatzung hatte sich durch eine Ausfallspforte gerettet und war wieder zur Hauptarmee gestoßen.

Während die Infanterie des Fürsten in Meißen einrückte, marschierte seine Kavallerie, Mann hinter Mann, durch einen Hohlweg. Die beiden letzten Regimenter, die Roëllschen und Holstein-Dragoner, saßen ab und warteten, bis die Reihe an sie kam. Das bemerkte Sybilski256-1, schlich sich mit den Sachsen in ein dichtes Gehölz und <257>überfiel von da aus die preußischen Dragoner. Die Schlappe kostete ihnen zwei Paar Pauken, drei Standarten und 180 Gefangene. Andre Schwadronen saßen auf und vertrieben den Feind, aber der Schimpf blieb sitzen und die Hilfe kam zu spät. Der erkrankte General Roëll, der der Kolonne im Wagen folgte, verlor dabei sein Leben. Es war an jenem Tage freilich bitter kalt, und die Kavallerie hatte 12 Stunden im Sattel gesessen. Trotzdem war es verkehrt, durch ein Gehölz zu reiten, ohne es vorher abzusuchen. Im Kriege rächen sich die geringsten Fehler, denn der Feind ist unerbittlich.

Den 12. verwandte man zur Ausbesserung der Elbbrücke, und am 13. vereinigte sich General Lehwaldt mit dem Fürsten von Anhalt. Wie erinnerlich, war die Meißener Brücke für den König ein Gegenstand der Besorgnis gewesen. Die Sachsen hätten sie zerstören müssen. Aber das sächsische Ministerium, das den Generalen ihr Tun und Lassen vorschrieb, begriff nicht, daß eine Brücke zum Verderben eines Landes beitragen könnte. Die Brücke bestand zum Teil aus Quadersteinen. Ihr Bau hatte 150 000 Taler gekostet. Das Ministerium wollte von ihrer Zerstörung nichts wissen. Der Geheime Rat war ein Gemisch von Pedanten und Emporkömmlingen. Hennicke, der an seiner Spitze stand, hatte es vom Lakaien bis zum Minister gebracht257-1. Er war ein gewiegter Finanzmann und verstand sich auf die Kunst, das Volk methodisch auszubeuten. Er beschaffte das Geld für den Aufwand des Königs und für die Verschwendung seines Günstlings. Auf diese Verdienste gestützt, regierte er Sachsen unter Brühls Leitung. Er erließ die Befehle an die Armee, leitete ihre Operationen, und seiner Unfähigkeit muß man die groben Verstöße der sächsischen Generale in dem Winterfeldzuge anrechnen.

Das Heer des Königs langte am 14. in Königsbrück an. Der Fürst von Anhalt rückte unter fortwährendem Drängen des Königs noch am selben Tage bis Naustadt, wo seine Truppen trotz der schneidenden Kälte im Felde kampieren mußten. Am 13. Dezember war der Prinz von Lothringen mit seinem Heere bei Dresden angelangt. Hennicke, der alle Anordnungen selbst traf, legte die Quartiere der Österreicher so weit auseinander, daß sie 24 Stunden gebraucht hätten, um sich zu versammeln. Der Prinz von Lothringen erhob Vorstellungen dagegen, aber Hennicke, der es gewohnt war, den Pächtern und Steuereinnehmern Gesetze vorzuschreiben, ging auf nichts ein. Der Prinz sah voraus, daß Graf Rutowski angegriffen werden würde. Er bat den Grafen, ihn beizeiten zu benachrichtigen, falls er seiner bedürfe, denn es werde viel Zeit kosten, seine verstreuten Truppen zu sammeln. Rutowski antwortete ihm, er brauche keine Hilfe und sei in seiner Stellung stark genug. Auch würden die Preußen nie so tollkühn sein, ihn anzugreifen. Seit der Schlacht bei Fontenoy, die der Marschall von Sachsen durch seine überlegene Artillerie gewonnen hatte, ahmten viele Generale seine Methode nach. Die Aufstellung der Österreicher<258> in der Schlacht bei Soor sollte eine Kopie der Schlacht von Fontenoy sein. Auch Rutowskis Stellung bei Kesselsdorf war der von Fontenoy nachgemacht. Nur bestand ein kleiner Unterschied zwischen dem Marschall von Sachsen und seinen Nachahmern, und daher waren auch die Erfolge verschieden.

Inzwischen setzten sich die beiden preußischen Heere in Bewegung. Die Armee des Fürsten von Anhalt marschierte auf den Feind zu, und die vom König geführten Truppen gingen bei Meißen über die Elbe. Der König ließ 14 Bataillone in Meißen einrücken. Die übrige Armee bezog Kantonnements am rechten Elbufer, sodaß der König seine Truppen jederzeit zusammenziehen und dem Fürsten von Anhalt im Notfalle zu Hilfe kommen konnte. Gingen aber die Österreicher bei Dresden über die Elbe, so konnte der König ihnen auf dieser Seite die Stirn bieten. Bei der Ankunft in Meißen erhielt der König einen Brief von Villiers. Darin schrieb der Gesandte, die verzweifelte Lage König Augusts III. und die Bedrängnis, in die er geraten sei, hätten ihn endlich bestimmt, die Hand zu einem Vergleich zu bieten. Saul, Brühls Merkur, solle mit Instruktionen und Vollmachten für die sächsischen Minister nach Dresden abgehen, damit sie mit den preußischen Ministern den Frieden vereinbaren könnten. Auch wolle die Königin von Ungarn dem Frieden beitreten, wenn die Konvention zu Hannover einige Milderungen erführe. Er, Villiers, würde sich sobald als möglich nach Dresden begeben, um im Notfalle zwischen den Parteien zu vermitteln und ihre Aussöhnung herbeizuführen.

Kaum hatte der König den Brief gelesen, so kam die Meldung, der ganze Himmel stände nach Dresden zu in Flammen, und man hörte das Getöse einer furchtbaren Kanonade. Der König vermutete mit Recht, daß der Fürst von Anhalt mit dem Feinde zusammengestoßen sei. Er ließ die Kavallerie sofort satteln, die Infanterie ins Gewehr treten und eilte selbst mit hundert Husaren auf die Straße nach Dresden. Nach allen Seiten wurden Patrouillen ausgeschickt. Eine Patrouille brachte sechs Flüchtlinge vom Sybilskischen Korps ein. Sie versicherten, daß die Sachsen geschlagen wären. Ihre Aussage fand um so mehr Glauben, als man keinen Preußen ankommen sah, was doch geschehen wäre, hätte die Schlacht einen für die Preußen ungünstigen Ausgang genommen. Aber die einbrechende Nacht nötigte den König zur Rückkehr nach Meißen; denn er durfte sich keinem Unfall aussetzen und mußte sich damit zufrieden geben, daß die Preußen aller Wahrscheinlichkeit nach gesiegt hatten. Wäre die Schlacht für den Fürsten von Anhalt unglücklich gewesen, so wollte der König seine Truppen auf den Anhöhen bei Meißen zusammenziehen, den Geschlagenen entgegenrücken, sie ins zweite Treffen nehmen, mit seinen eignen Truppen das erste Treffen bilden und den Feind von neuem angreifen, um ihn um jeden Preis zu schlagen. Aber der Fürst von Anhalt ersparte ihm alles Weitere. Schon am Abend traf ein Offizier vom Heere des Fürsten ein und erstattete dem König Bericht von den näheren Umständen der glorreichen Schlacht bei Kesselsdorf.

<259>

Der Fürst von Anhalt war am 15. frühmorgens aus seinem Lager aufgebrochen und über Wilsdruff geradenwegs auf Dresden marschiert. Hinter Wilsdruff stießen seine Husaren auf eine starke Ulanenabteilung und trieben sie bis Kesselsdorf vor sich her. Dort erblickten sie die ganze sächsische Armee in Schlachtordnung und machten dem Fürsten von Anhalt sofort Meldung davon. Eine tiefe Schlucht mit hier und da sumpfigem Grunde deckte die feindliche Front. Am tiefsten ist sie an der Elbseite; nach Kesselsdorf zu flacht sie sich ab und verliert sich jenseits des Dorfes gegen den Tharandter Wald völlig. Die Sachsen hatten ihren linken Flügel an Kesselsdorf gelehnt. Dort war das Gelände, wie gesagt, ganz eben. Das Dorf selbst wurde von den sächsischen Grenadieren und vom Regiment Rutowski verteidigt. Eine Batterie von 24 schweren Geschützen drohte den Angreifern Tod und Verderben. Am rechten Flügel stand das Grünnesche Korps. Es lehnte sich an Pennrich unweit der Elbe. Die Stelle war wegen der unersteiglichen Felsen und Abgründe unangreifbar. Vor der Schlacht stand die sächsische Reiterei links von Kesselsdorf in Schlachtordnung neben der übrigen Armee mit dem linken Flügel nach Tharandt. Graf Rutowski änderte ihre Stellung ohne ersichtlichen Grund und postierte sie als drittes Treffen hinter der Infanterie.

Als der Fürst von Anhalt mit der Spitze seines Heeres an Ort und Stelle ankam, erkannte er gleich, daß der Ausgang der Schlacht vom Besitz des Dorfes Kesselsdorf abhinge. Dementsprechend traf er seine Maßnahmen. Er begann, seine Truppen dem Feinde gegenüber aufzustellen, die Infanterie, die das Dorf angreifen sollte, in drei Treffen, die Bonin-Dragoner im vierten. Sobald der Aufmarsch vollendet war, griffen drei Grenadierbataillone und die drei Bataillone des Regiments Anhalt das Dorf in der Front an, während Lehwaldt es von der Seite faßte. Aber 24 mit Kartätschen geladene Kanonen, die sächsischen Grenadiere und das Regiment Rutowski trieben die Stürmenden zurück. Der zweite Angriff war nicht glücklicher. Das Feuer war zu heftig. Nun aber brach das Regiment Rutowski zur Verfolgung der Preußen aus dem Dorfe hervor. Dadurch kam es vor seine eigenen Batterien und verhinderte sie am Schießen. Den Moment nahm der Fürst von Anhalt wahr. Er befahl dem Obersten Lüderitz, mit seinen Dragonern zu attackieren. Lüderitz stürzte sich in voller Karriere auf die Sachsen. Alles, was Widerstand leistete, wurde niedergehauen, der Rest wurde gefangen. Zugleich drang die Infanterie von allen Seiten in Kesselsdorf ein, eroberte den Ort und die Batterie, die die sächsische Stellung so furchtbar gemacht hatte. General Lehwaldt vollendete den Sieg. Er zwang alle Truppen, die das Dorf verteidigt hatten, sich zu ergeben.

Der Fürst von Anhalt benutzte als geschickter Feldherr den ersten Erfolg. Er drang unverzüglich in die linke Flanke des Feindes. Die Kavallerie seines rechten Flügels warf die sächsische beim ersten Angriff zurück und zerstreute sie vollständig, sodaß sie sich nicht wieder sammeln konnte. Die ganze sächsische Armee wandte sich schleunigst zur Flucht und entrann nur dadurch den Preußen, weil diese gewohnt waren, Ord<260>nung zu halten und nicht auseinanderzulaufen. Der linke preußische Flügel unter Prinz Moritz260-1 hatte sich derweilen mit dem Feinde herumkanoniert, bis Kesselsdorf erstürmt war. Nun aber wollte er am Ruhme des Tages auch seinen Teil haben. Er rückte, allen Hindernissen zum Trotze, gegen die Sachsen vor. Schwierigkeiten, die das Gelände bot, Schnee, der den Boden schlüpfrig machte, Felsen, die erklettert werden mußten, und ein Feind, der für den heimischen Herd focht — nichts konnte den Ansturm der Sieger hemmen. Die Sachsen und Österreicher wurden von den steilen Felsen bei Pennrich vertrieben. Die Preußen konnten weder ihre Bataillone noch selbst ihre Rotten in Reih und Glied halten, so schroff waren die Höhen, die sie erstiegen. Als sie so aufgelöst vorgingen, griff die feindliche Kavallerie sie an. Bei einiger Tapferkeit hätten die Sachsen die preußische Infanterie zusammenhauen müssen. Aber der Angriff war so lahm und wurde so schlecht unterstützt, daß die<261> sächsische Kavallerie nach einigen Salven der Preußen verschwand und das Schlachtfeld den Siegern überließ. Die Kavallerie des linken preußischen Flügels hatte sich während der ganzen Schlacht nicht betätigen können, da sie durch unüberschreitbare Abgründe vom Feinde getrennt war. Der Fürst von Anhalt schickte sie nun zur Verfolgung der Flüchtlinge vor, und Geßler brachte noch eine große Anzahl von Gefangenen ein.

Der Fürst von Anhalt gab bei Kesselsdorf glänzende Beweise seiner Erfahrung und Geschicklichkeit. Generale, Offiziere und Soldaten, alles zeichnete sich aus. Der Erfolg rechtfertigte ihre Kühnheit. Die Sachsen ließen 3 000 Tote auf dem Schlachtfelde. 215 Offiziere und 6 500 Soldaten wurden gefangen genommen. Außerdem verloren die Sachsen 5 Fahnen, 3 Standarten, 1 Paar Pauken und 48 Kanonen. Die Preußen hatten an Toten 41 Offiziere und 1 621 Mann und doppelt soviel an Verwundeten.

Untersuchen wir die auf beiden Seiten begangenen Fehler, so finden wir zunächst, daß Graf Rutowski nur an die Sicherung seines linken Flügels gedacht hatte. Der rechte schwebte in der Luft, und das Dorf Kesselsdorf konnte umgangen werden. Hätten die Preußen sich mehr nach rechts gehalten, so hätte der Fürst von Anhalt den Ort ganz umgehen und ihn mit geringeren Opfern einnehmen können. Aber er langte eben erst an und hatte keine Zeit gehabt, das Gelände zu rekognoszieren. Das reicht zu seiner Entschuldigung aus. Der Hauptfehler der Sachsen war unstreitig, daß sie aus dem Dorfe hervorbrachen. Dadurch hinderten sie ihre eigne Artillerie am Beschießen der Preußen, und die Artillerie war doch gerade ihre beste Verteidigung! Ebenso schwer war der Fehler, daß ihre zwischen Kesselsdorf und Pennrich postierte Infanterie nicht auf dem Höhenkamm stand, sondern mehr als hundert Schritt dahinter. Dadurch erstreckte sich ihr Schußfeld nicht über die Abhänge hinaus. Sie ließ es ruhig zu, daß die Höhen erstiegen wurden, und feuerte erst auf den Feind, als er die größte Schwierigkeit schon überwunden hatte. Aber dergleichen Beobachtungen lassen sich bei den meisten menschlichen Handlungen machen. Wir alle begehen Fehler, denn keiner ist vollkommen. Wenn wir die bei Kesselsdorf gemachten Fehler trotzdem rügen, so geschieht es nur, damit die Nachwelt aus ihnen lernt und sich nicht so schwere Verstöße zuschulden kommen läßt wie die Sachsen.

Graf Rutowski langte mit seiner ganzen Armee in wilder Flucht in Dresden an. Dort fand er den Prinzen von Lothringen mit Zusammenziehung seiner zerstreuten Truppen beschäftigt. Der Prinz schlug Rutowski vor, die Preußen am nächsten Tage mit vereinten Kräften anzugreifen, aber der Sachse hatte genug. Er entschuldigte sich damit, daß seine Infanterie fast vernichtet sei, daß er 10 000 Mann verloren habe, daß es ihm an Waffen und Munition fehle und daß seine Truppen sich noch nicht von ihrem Schrecken erholt hätten. Er machte geltend, daß der König sich soeben mit dem Fürsten von Anhalt vereinigt habe, daß in Dresden keine Vorräte an Lebensmitteln und kein Kriegsbedarf mehr vorhanden sei, und hielt es für das beste, sich<262> mit den Trümmern des Heeres nach Zehista am Fuße der böhmischen Gebirge zu retten. Dieser Plan wurde ausgeführt. Die Sachsen räumten Dresden und ließen nur Milizen zurück. Am 16. lagerten sie bei Königstein und schicken ihre Kavallerie nach Böhmen voraus, da sie sie auf sächsischem Boden nicht länger unterhalten konnten. Das Heer des Königs rückte am 16. bis Wilsdruff. Am 17. stellte es sich ins erste Treffen und ging über den Plauenschen Bach.

Der Sieg bei Kesselsdorf machte die Langsamkeit wett, die der Fürst von Anhalt zu Anfang an den Tag gelegt hatte. Die Schlacht hatte einen schönen Schleier darüber gebreitet. Der König beglückwünschte ihn aufs schmeichelhafteste zu dem Ruhme, den er sich erworben, und sagte ihm vieles, was seiner Eigenliebe wohltun mußte. Der Fürst beritt mit dem König das Schlachtfeld. Man staunte, welch große Schwierigkeiten die Truppen überwunden hatten, und wunderte sich über die bedeutende Zahl der Gefangenen, noch mehr aber darüber, daß das ganze Feld von Dresdener Bürgern wimmelte, die den Preußen seelenvergnügt entgegenkamen.

Als der König 1744 durch Sachsen marschiert war, hatte der Herzog von Weißenfels 10 Bataillone nach Dresden geworfen. Man hatte Batterien errichtet, die Straßen verbarrikadiert und überall, wo nur ein Pfahl eingeschlagen werden konnte, Palisaden aufgeführt. Kein Preuße hätte die Hauptstadt zu betreten gewagt. Jetzt, im Jahre 1745, wo der König mit 80 000 Mann in Sachsen stand, wo die sächsischen Truppen völlig geschlagen waren, blieben die Tore von Dresden geöffnet, und die jüngeren Mitglieder des Königshauses, die Minister, die obersten Behörden, alles ergab sich auf Gnade und Ungnade. Solcher Widersprüche ist der menschliche Geist fähig, wenn er nicht systematisch handelt und die Regierenden keine gesunde Logik besitzen. Wahrscheinlich war die Stadt ohne Lebensmittel, und die wirren Beratungen, die Bestürzung unter den sächsischen Ministern führten eine restlose Ergebung herbei. Die Prinzen konnten sich retten, die Minister gleichfalls: es waren ja nur vier Meilen bis zur böhmischen Grenze. Nicht minder erstaunlich ist es, daß die Sachsen 6 000 Mann Milizen in Dresden zurückließen, das sie doch preisgeben wollten. Sie hätten diese Truppen zur Ergänzung ihrer Armee besser brauchen können.

Sogleich ließ der König die Vorstadt von Dresden besetzen. Der Kommandant wurde zur Übergabe aufgefordert. Er antwortete, Dresden sei kein fester Platz. Die Minister übersandten an Stelle einer Kapitulation eine Denkschrift. Der König setzte die Bedingungen nach seinem Gutdünken fest. Am 18. zogen die Preußen in Dresden ein. Die Miliz wurde entwaffnet und zur Ergänzung des preußischen Heeres benutzt. Man fand in Dresden 415 Offiziere und 1 500 Verwundete von der Schlacht bei Kesselsdorf. Der König schlug sein Hauptquartier in Dresden auf. Auch der Generalstab beider Heere wurde in der Stadt untergebracht. Über die Absichten des Königs auf die sächsische Hauptstadt waren die schmählichsten Gerüchte in Umlauf. Es hieß, der Fürst von Anhalt habe um Erlaubnis zur Plünderung Dresdens gebeten. Das hätte er seinen Truppen versprochen, um sie in der Schlacht anzufeuern. Nur<263> der menschliche Hang zur Leichtgläubigkeit konnte solchen Verleumdungen Glauben verschaffen. Nie hätte der Fürst von Anhalt es gewagt, dem König einen so barbarischen Wunsch zu äußern. Zudem kann man solche Versprechungen nur zuchtlosen Horden machen, nicht aber preußischen Soldaten, die nur für Ruhm und Ehre kämpften. Wenn die Preußen gesiegt hatten, so lag das einzig und allein am Ehrgefühl der Offiziere und am Gehorsam der Soldaten.

Kaum war der König in Dresden, als er auch schon den Kindern König Augusts seinen Besuch abstattete, um ihre Furcht zu beschwichtigen und sie völlig zu beruhigen. Er suchte ihr Unglück zu lindern, ließ ihnen alle gebührenden Ehrenbezeigungen erweisen und stellte sogar die Schloßwache unter ihren Befehl. Hierauf schrieb er an Villiers, er habe sich sehr gewundert, gerade an einem Schlachttage Friedensvorschläge zu erhalten. Um aber die Verhandlungen abzukürzen, sei er selbst nach Dresden gekommen. Das Glück sei mit ihm gewesen und erlaube ihm, Vergeltung für die schlimmen Praktiken, die Falschheit und Treulosigkeit des Grafen Brühl zu üben. Er sei aber von einer so niedrigen Gesinnung weit entfernt und biete dem König von Polen seine Freundschaft, jedoch zum letzten Male, an. Er erwarte, daß die Herren von Rex und von Bülow Vollmachten erhalten hätten, damit er mit ihnen den Frieden unverzüglich abschließen könnte. Übrigens würde er nicht um Haaresbreite von den Verpflichtungen abweichen, die er durch die Konvention von Hannover dem König von England gegenüber eingegangen wäre. Unverblendet von seinem Glück, werde er seine Forderungen weder erhöhen noch erniedrigen. Die Königin von Ungarn dürfe also nicht hoffen, ihn von seinem Entschluß abzubringen. Schließlich empfahl der König Villiers, ihm das letzte Wort des Königs von Polen genau zu berichten, damit der Herstellung des Friedens in Deutschland und im Norden keine<264> neuen Hindernisse erwüchsen. Hierauf ließ er alle sächsischen Minister zu sich entbieten, rekapitulierte alles, was geschehen war, legte ihnen offen und ehrlich seine Ansichten dar und teilte ihnen die maßvollen Friedensbedingungen mit, die er seinen Feinden machte. Es gelang ihm, sie davon zu überzeugen, daß sie selbst keine vorteilhafteren Bedingungen sich wünschen oder stellen und daß ihr König nichts Besseres tun könnte, als sie zu unterzeichnen.

Zugleich wurde Vorsorge für die Aufrechterhaltung der strengsten Ordnung getroffen. Der König ließ in allem die größte Milde walten, um dem unglücklichen Nachbarlande die Last eines Krieges, für den das Volk nichts konnte, möglichst zu erleichtern. Wie üblich, wurde in den Kirchen ein Tedeum gesungen, und die städtische Artillerie schoß dreimal Salut. Am Abend wurde in der Oper „Arminius“264-1 gespielt. Diese Kleinigkeiten werden hier nur wegen der damit verknüpften bezeichnenden Züge erwähnt. Alles, auch die Oper, war in Brühls Händen ein Werkzeug zur Beherrschung seines Königs. Nach dem Sturze des Grafen Sulkowski264-2 wurde in der Oper die „Güte des Titus“ gegeben, um die Nachsicht des Königs gegen die angeblichen Verbrechen jenes Günstlings zu preisen. Während des letzten Krieges kam „Arminius“ zur Aufführung. Die Geschichte des Arminius sollte eine symbolische Verherrlichung des Beistandes sein, den August III. der Königin von Ungarn gegen die Franzosen und Preußen leistete, denen man vorwarf, die ganze Welt unterjochen zu wollen. Die schmeichelnden Lobsprüche der italienischen Dichtkunst, erhöht durch den Zauber der Töne und von den geschmeidigen Kehlen der Kastraten gesungen, brachten dem König von Polen die Überzeugung bei, daß er das Muster eines Fürsten und ein Vorbild der Menschheit sei. Die Sänger unterdrückten in Gegenwart der Preußen einen Chor, den sie unter den jetzigen Umständen nicht vorzutragen wagten. Konnten die Worte doch ebensogut auch auf die jüngsten Ereignisse in Sachsen bezogen werden. Sie lauteten:

Sulle rovine altrui alzar non pensi il soglio,
Colui che al sol' orgoglio riduce ogni virtù264-3.

Die Opernchöre waren für August III. dasselbe, was die Vorspiele zu den Opern für Ludwig XIV.

Während in Dresden Tedeums und Opern gesungen wurden, kam aus Prag der mit Ungeduld erwartete Villiers mit Vollmachten und allen zum Friedensschluß nötigen Ermächtigungen für die sächsischen Minister. Ihm folgte Graf Friedrich Harrach im Auftrage der Kaiserin-Königin.

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Indes man zu Dresden eifrig an der Wiederherstellung des Friedens arbeitete, erhielt der König folgende Antwort von Ludwig XV. auf den beweglichen Brief aus Berlin, worin er um Frankreichs Beistand gebeten hatte. Die Antwort war von den französischen Ministem entworfen. Der König hatte sie nur abgeschrieben. Sie lautete:



Mein Herr Bruder!

Ew. Majestät bestätigen mir in Ihrem Schreiben vom 15. November, was ich über die Konvention zu Hannover vom 26. August schon wußte. Ich mußte erstaunt sein über einen Vertrag, der mit einem mir feindlich gesinnten Fürsten verhandelt, geschlossen, unterzeichnet und ratifiziert wurde, ohne daß ich das geringste davon erfuhr. Ich wundere mich gar nicht, daß Ew. Majestät die Anwendung gewaltsamer Mittel und eine offene, förmliche Verbindung gegen mich ausgeschlagen haben. Meine Feinde mußten Ew. Majestät kennen! Es ist eine neue Beleidigung, daß sie Ihnen Vorschläge zu machen wagten, die Ihrer unwürdig sind. Ich rechnete auf Ihre Diversion. Ich habe zwei große Diversionen in Flandern und in Italien gemacht. Ich hielt am Rheine die größte Armee der Königin von Ungarn in Schach. Meine Geldopfer und meine Anstrengungen haben glänzende Resultate gezeitigt. Aber Ew. Majestät haben diese Erfolge durch den ohne mein Vorwissen geschlossenen Vertrag stark beeinträchtigt. Wäre die Königin von Ungarn dem Vertrag beigetreten, so hätte ihre ganze böhmische Armee sich schleunigst gegen mich gewandt. Das sind gewiß keine Mittel, die zum Frieden führen. Nichtsdestoweniger nehme ich Anteil an der furchtbaren, Ihnen drohenden Gefahr und erwarte mit größter Ungeduld die Nachricht, daß Sie ihr entronnen sind. Ihre Ruhe wird auch die meine sein. Ew. Majestät sind jetzt stark und der Schrecken unserer Feinde, über die Sie große und rühmliche Siege errungen haben. Überdies setzt die kalte Jahreszeit den militärischen Operationen ein Ziel. Das genügt, um Sie zu schützen. Wer vermöchte Ew. Majestät wohl besser zu raten als Sie selbst? Sie brauchen nur zu tun, was Ihr Geist, Ihre Erfahrung und vor allem Ihre Ehre Ihnen diktieren. Meinen Beistand, der allein in Subsidien und in Diversionen bestehen kann, habe ich auf jede mir mögliche Weise geleistet und werde darin mit allen erfolgversprechenden Mitteln fortfahren. Ich vermehre meine Truppen. Ich vernachlässige nichts. Ich beschleunige alles, um den nächsten Feldzug mit dem größten Nachdruck zu führen. Haben Ew. Majestät Pläne, die meine Unternehmungen fördern können, so bitte ich sie mir mitzuteilen, denn es wird mir stets eine große Freude sein, Verabredungen mit Ihnen zu treffen usw.

Der Brief schien auf den ersten Blick entgegenkommend und höflich. Berücksichtigt man aber die verzweifelte Lage des Königs von Preußen und die verschiedenen vorangegangenen Verhandlungen mit Frankreich, so findet man darin eine ironische Ton<266>art angeschlagen, die um so weniger angebracht war, als man den Versailler Vertrag nicht geschlossen hatte, um die gegenseitigen Verpflichtungen nur mit schönen Redensarten zu erfüllen. Entkleidet man den Brief all seines Wortschwalls, so sagt er tatsächlich nur folgendes: „Ich bin Ihnen sehr böse, daß Sie den Vertrag zu Hannover geschlossen haben, ohne mich zu benachrichtigen; denn der Prinz von Lothringen würde ins Elsaß zurückkehren, wenn die Königin von Ungarn dem Vertrag beiträte. Sehen Sie denn nicht, daß der Krieg, den ich in Italien und in Flandern führe, eine Diversion zu Ihren Gunsten ist? Mir liegt doch gar nichts an der Eroberung Flanderns, und ob mein Schwiegersohn Don Philipp266-1 in Italien eine Krone bekommt, ist mir ganz gleichgültig. Conti hält die Hauptmacht der Königin von Ungarn in Deutschland ganz vorzüglich in Schach. Er ist über den Rhein zurückgegangen, sodaß jeder beliebige Prätendent zum Kaiser erwählt werden konnte. Traun konnte den General Grünne getrost nach Sachsen detachieren und wird ihm vielleicht mit seinen übrigen Truppen nachfolgen, wenn die Königin von Ungarn es für gut findet, ihn gegen Sie ins Feld zu stellen. Ich habe in diesem Feldzuge Großes vollbracht, aber auch von Ihnen hat man gesprochen. Ich bedaure die gefährliche Lage, in die Sie sich aus Liebe zu mir gebracht haben. Man erwirbt sich aber nur dann Ruhm, wenn man sich für Frankreich aufopfert. Bleiben Sie also standhaft und dulden Sie nur weiter. Folgen Sie dem Beispiel meiner übrigen Verbündeten, die ich zwar, ehrlich gesagt, verlassen habe, denen ich aber Almosen gab, als man ihnen alle ihre Besitzungen genommen hatte. Ihr eigener Geist mag Sie beraten und Ihr Dünkel, der Sie bisweilen trieb, mir Ratschläge zu erteilen. Sie besitzen zweifellos Geschick genug, sich aus der Klemme zu ziehen. Zudem wird die Winterkälte Ihre Feinde zu Eis erstarren lassen, und sie werden Ihnen nichts antun. Sollte Ihnen aber ein Unglück zustoßen, so verspreche ich Ihnen eine Leichenrede in der französischen Akademie, sobald Ihre Feinde Ihren Staat zerstört haben werden. Ihr Name soll in die Märtyrerliste aufgenommen werden, in der die Namen aller Schwärmer stehen, die sich für Frankreichs Wohl zugrunde gerichtet haben, sowie die Namen aller Bundesgenossen, die Frankreich im Stiche zu lassen geruht hat. Sie sehen, daß ich Diversionen gemacht habe, und an Subsidien habe ich Ihnen bis zu einer Million Livres geboten. Hoffen Sie nur tapfer auf den schönen Feldzug, den ich im nächsten Sommer unternehmen werde und für den ich schon jetzt gewaltig rüste. Seien Sie versichert, daß ich mich in allen Fällen mit Ihnen ins Einvernehmen setzen werde, wo Sie meinem Willen blindlings folgen und allem beipflichten, was meinem Vorteil entspricht.“

Sobald die Friedensverhandlungen dem Abschluß nahe waren, sandte der König an Ludwig XV. folgende Antwort266-2. Wir führen sie dem Inhalt nach an, weil der Gegenstand ebenso bedeutsam wie heikel ist.

<267>

Mein Herr Bruder!

Auf meinen Brief vom 15. November hin mußte ich auf wirklichen Beistand von Ew. Majestät rechnen. Ich will hier nicht untersuchen, aus welchen Gründen Sie Ihre Verbündeten den Launen des Schicksals preisgeben. Für diesmal hat mich allein die Tapferkeit meiner Truppen aus meiner schlimmen Lage befreit. Hätten mich meine Feinde durch ihre Zahl überwältigt, so hätten Ew. Majestät mich zwar beklagt, ich aber wäre verloren gewesen. Wie kann ein Bündnis Bestand haben, wenn beide Teile nicht mit gleichem Eifer zu ihrer gegenseitigen Erhaltung beitragen? Ew. Majestät sagen mir, ich sollte mir selbst raten. Ich tue es, da Sie es für gut finden. Die Vernunft gebietet mir die rasche Beendigung eines Krieges, der gegenstandslos geworden ist, seit die österreichischen Truppen nicht mehr im Elsaß stehen und der Kaiser gestorben ist. Die Schlachten, die man noch liefern würde, wären nur unnützes Blutvergießen. Die Vernunft rät mir, an meine eigene Sicherheit zu denken. Sie sagt mir, daß die großen Rüstungen der Russen meinen Staat von Kurland her bedrohen, daß die Armee des Herrn von Traun, die am Rhein steht, leicht nach Sachsen marschieren könnte, daß das Glück unbeständig ist, und daß ich in meiner Lage von keinem meiner Verbündeten Hilfe erwarten kann. Die Österreicher und Sachsen haben Bevollmächtigte zu Friedensverhandlungen hergesandt. Ich weiß mir also keinen andern Rat, als den Frieden zu unterzeichnen. Nach Erfüllung dieser meiner Pflicht gegen meinen Staat und mein Haus wird mir nichts mehr am Herzen liegen, als den Interessen Ew. Majestät nützen zu können. Möchte ich doch das Glück haben, zum Werkzeug eines allgemeinen Friedens zu werden! Ew. Majestät können Ihre Pläne Keinem anvertrauen, der Ihnen ergebener ist als ich, und der eifriger an der Wiederherstellung der Eintracht und des guten Einvernehmens unter den Mächten arbeitet, die dieser lange Zwist miteinander verfeindet hat. Ich bitte Sie, mir stets Ihre schätzbare Freundschaft zu bewahren. Gestatten Sie die Versicherung usw.

Das hieß sich mit Anstand trennen und so triftige Gründe ins Feld führen, daß die Franzosen dagegen nichts einwenden konnten.

Indessen standen die Österreicher und Sachsen noch in der Gegend von Pirna. Man mußte sie weiter vertreiben, um mit größerer Ruhe über den Frieden verhandeln zu können. Deshalb wurde Oberst Retzow mit 5 Bataillonen und Kavallerie nach Freiberg detachiert. Die Besorgnis, die sein Erscheinen erregte, beschleunigte den Rückzug der Verbündeten nach Böhmen. Die sächsische Armee war kaum 15 000 Mann stark. Der König von Polen war seiner Einkünfte beraubt und hatte kein Geld mehr zur Bezahlung des Soldes. Bis zum Frühjahr und zum Aufbruch der Russen konnte er nicht warten. Er sah die Wertlosigkeit dieser Hilfe wohl ein. Kurz, seine augenblickliche Bedrängnis zwang ihn, in den Frieden zu willigen.

<268>

Mittlerweile kam Graf Harrach in Dresden an. Er glaubte, der König werde jetzt von seinen Erfolgen aufgeblasen sein und nach österreichischem Muster seine Forderungen unmäßig heraufschrauben. Bald aber erkannte Harrach seinen Irrtum, ja er dankte dem König für das Entgegenkommen, das er bei der Verhandlung bewies. Der König antwortete ihm, die Veranlassung zum Kriege sei mit dem Tod Karls VII. geschwunden. Seitdem hege er selbst unveränderlich die gleiche Gesinnung, wie er sie jetzt an den Tag lege. Harrach machte noch Vorschläge für eine Zusammenkunft des Königs mit der Königin von Ungarn. Der König aber wich aus, indem er an einigen Beispielen die Zwecklosigkeit und die üblen Folgen solcher Monarchenbegegnungen darlegte. Indes flocht er in seine Ablehnung geschickt einige Komplimente für die Kaiserin ein. Graf Harrach begnügte sich damit und ließ seinen Vorschlag fallen.

Der Friede ward am 25. Dezember 1745 unterzeichnet. Der Beitritt der Königin von Ungarn zur hannöverschen Konvention war nichts weiter als eine Erneuerung des Breslauer Friedens. Die Sachsen versprachen, den Feinden des Königs den Durchmarsch durch ihr Land nie zu gestatten, unter welchem Vorwand es auch sei. Der Fürstenberger Zoll wurde gegen Gebiete von gleichem Werte ausgetauscht268-1. Sachsen verpflichtete sich zur Zahlung einer Million Taler Kriegskosten, für die der König von Polen die Bürgschaft übernahm. In demselben Artikel verzichtete er auf jede Kriegsentschädigung. Dafür versprach der König von Preußen, vom Tage der Unterzeichnung an alle Kontributionen einzustellen und Sachsen unverzüglich zu räumen, mit Ausnahme von Meißen, wo das preußische Feldlazarett war. Die Stadt sollte erst nach der Genesung der Verwundeten geräumt werden.

So endigte der Zweite Schlesische Krieg, der im ganzen sechzehn Monate gewährt hatte. Er war von beiden Seiten mit äußerster Leidenschaft und Erbitterung geführt worden. Die Sachsen hatten dabei ihren ganzen Haß gegen Preußen und ihren Neid über die Vergrößerung des Nachbarstaates offen gezeigt. Die Österreicher fochten um die Kaiserkrone und um ihr Übergewicht im Reiche. Die Russen wollten sich einmischen, um Einfluß auf die deutschen Angelegenheiten zu erlangen. Frankreich sollte sich an dem Kriege beteiligen, tat es aber nicht. Preußen sah sich drohenden Gefahren ausgesetzt und bestand sie durch die Mannszucht und den Heldenmut seiner Truppen.

Der Krieg führte keine der großen Umwälzungen herbei, die das Antlitz Europas verändern. Er verhinderte sie vielmehr, indem er den Prinzen von Lothringen zwang, das Elsaß zu verlassen. Der Tod Karls VII. gehörte zu den nicht vorauszusehenden Ereignissen. Dadurch scheiterte der Plan, die Kaiserwürde dem neuen Hause Österreich für immer zu entreißen. Schätzt man die Dinge nach ihrem wirklichen Wert ein, so ist zuzugeben, daß der Krieg ein in mancher Hinsicht sehr unnützes Blutvergießen<269> war, und daß Preußen durch eine Kette von Siegen weiter nichts erreichte als die Bestätigung des Besitzes von Schlesien.

Betrachten wir den Krieg aber nur im Hinblick auf Gewinn und Verlust der kriegführenden Mächte, so finden wir, daß er den Preußen acht Millionen Taler kostete. Bei der Unterzeichnung des Friedens waren nur 15 000 Taler zur Fortsetzung des Krieges vorhanden. Die Preußen nahmen ihren Feinden in beiden Feldzügen 45 664 Gefangene ab, und zwar 12 000 Mann in Prag, 1 750 durch Streifkorps, 250 in den Gefechten bei Plomnitz und Reinerz durch General Lehwaldt, 7 136 in der Schlacht bei Hohenfriedberg, 3 000 bei der Einnahme von Kosel und 5 000 bei verschiedenen Gelegenheiten durch den General Nassau, 250 durch die Zietenschen Husaren, 2 030 in der Schlacht bei Soor, 400 durch die Truppen des Markgrafen Karl in Oberschlesien, 427 durch Streifzüge der Glatzer Besatzung, 1 342 durch General Winterfeldt, 271 durch Major Warnery, 1 392 bei Katholisch-Hennersdorf, 6 658 in der Schlacht bei Kesselsdorf und 3 758 bei der Einnahme von Dresden.

Die Österreicher machten folgende Gefangene: das Regiment Kreytzen bei Budweis (1 400 Mann), ein Pionierbataillon bei Tabor (700 Mann), sowie 400 Kranke, 300 Mann beim Ausmarsch aus Prag, 300 in Kosel und 1 340 bei verschiedenen kleinen Gefechten, insgesamt 4 440, noch nicht ein Zehntel von dem, was sie selbst verloren hatten. Oberschlesien und einige an Böhmen grenzende Teile von Niederschlesien hatten am meisten unter dem Kriege zu leiden, so der Hirschberger, Striegauer und Landeshuter Kreis. Aber das waren Schäden, die sich durch gute Verwaltung leicht ersetzen ließen. Böhmen und Sachsen litten gleichfalls unter der Besetzung durch große Heere; doch war das Land nicht gänzlich zugrunde gerichtet. Die Königin von Ungarn mußte ihren ganzen Kredit aufbieten, um sich Mittel zur Fortsetzung des Krieges zu verschaffen. Die Engländer zahlten ihr zwar Subsidien, aber das war kein hinreichender Ersatz für das, was die Operationen ihrer Heere in Flandern, am Rhein, in Italien, in Böhmen und in Sachsen verschlangen. Dem König von Polen kostete der Krieg über fünf Millionen Taler. Er bezahlte seine Schulden in Papiergeld und machte noch neue dazu; denn Brühl verstand sich auf die Kunst, seinen Herrn methodisch bankrott zu machen.

Der König von Preußen wandte seine ganze Sorgfalt auf die Wiederherstellung seiner Armee und ergänzte sie größtenteils aus österreichischen und sächsischen Gefangenen, unter denen er die Auswahl hatte. Derart wurden seine Truppen auf Kosten des Auslandes wieder komplettiert. Das Land selbst trug zum Ersatz der Verluste in so vielen blutigen Schlachten nur 7 000 Mann bei.

Seit die Kriegskunst in Europa sich vervollkommnet hat und die Politik ein gewisses Gleichgewicht unter den Mächten zu schaffen versteht, haben die größten Unternehmungen nur selten den erwarteten Erfolg. Bei gleichen Kräften auf beiden Seiten und bei wechselnden Verlusten und Erfolgen stehen sich die Gegner auch am Ende des erbittertsten Krieges fast in gleichem Machtverhältnis gegenüber wie vor<270>her. Die Erschöpfung der Finanzen führt endlich den Frieden herbei, der das Werk der Menschenliebe und nicht der Notwendigkeit sein sollte.

Kurz, wenn Ansehen und Ruhm der Heere so großer Anstrengungen und Opfer wert sind, so hat Preußen das erreicht und ist für den Zweiten Schlesischen Krieg belohnt worden. Aber das war auch alles, und selbst dieser ideelle Gewinn erweckte noch Neid.

<271>

Anhang

Denkwürdigkeiten (1746)

Vorwort

Viele haben Geschichte geschrieben, aber sehr wenige haben die Wahrheit gesagt. Die einen wollten Anekdoten berichten, die sie nicht kannten, und sie dachten sich welche aus. Andere haben ein Flickwerk aus Zeitungsnachrichten gemacht. Sie haben Bände zusammengeschrieben, die nichts als formlose Anhäufungen von Gerüchten und Volksaberglauben enthalten. Wieder andere haben weitschweifige und abgeschmackte Kriegstagebücher verfaßt. Schließlich hat die Schreibwut einige Autoren verführt, die Geschichte von Ereignissen zu schreiben, die etliche Jahrhunderte vor ihrer Geburt stattfanden. In diesen Romanen sind die wichtigsten Tatsachen kaum wiederzuerkennen: die Helden denken, reden und handeln wie der Verfasser, und was der erzählt, sind Hirngespinste und nicht die Taten derjenigen, deren Leben er berichten soll. Alle diese Bücher verdienen es nicht, auf die Nachwelt zu kommen. Und doch ist Europa mit ihnen überschwemmt, und es gibt Leute, die töricht genug sind, ihnen Glauben zu schenken. Außer dem klugen de Thou271-1, Rapin de Thoyras271-2 und höchstens zwei bis drei anderen besitzen wir nur schwache Geschichtschreiber. Man muß sie mit verdoppelter, skeptischer Aufmerksamkeit lesen und zwanzig Seiten voller Fehlschlüsse überschlagen, bevor man nur eine anziehende Tatsache oder eine Wahrheit findet. Wahr zu sein, ist in der Geschichtschreibung also viel; es ist aber nicht alles. Man muß auch unparteiisch sein, mit Wahl und Urteil schreiben und vor allem die Dinge mit philosophischem Blick betrachten und prüfen.

In der Überzeugung, daß es nicht irgendeinem Pedanten noch einem Benediktiner, die im 19. Jahrhundert zur Welt kommen werden, zustehe, die Menschen unseres Zeitalters, unsere Verhandlungen, unsere Intrigen, unsere Kriege und Schlachten<272> und all die großen Ereignisse zu schildern, die in unseren Tagen die große Bühne des europäischen Theaters geziert haben, glaubte ich, daß es mir als Zeitgenossen und Mitwirkendem zukäme, meinen Nachfolgern von den Umwälzungen Rechenschaft zu geben, die ich auf der Welt sich vollziehen sah und an denen ich einigen Anteil hatte. Dir, künftiges Geschlecht, widme ich dieses Werk! Nur mit leichten Strichen will ich in ihm das skizzieren, was die fremden Mächte betrifft, und mich um so ausführlicher mit dem beschäftigen, was Preußen angeht, da es sich unmittelbar auf mein Haus bezieht, das die Eroberung Schlesiens als die Epoche seiner Erhöhung betrachten kann.

Dieses Stück Geschichte, das ich schreiben will, ist um so schöner, als es voller Ereignisse ist, die den Stempel der Größe und Eigenart tragen. Ja, ich wage zu behaupten: seit dem Untergange des römischen Reiches verdient keine Geschichtsepoche so viel Beachtung wie die des Todes Kaiser Karls VI., des letzten Habsburgers im Mannesstamm, die jene berühmte Liga oder vielmehr jene Verschwörung so vieler Könige zum Sturze des Hauses Habsburg hervorrief.

Ich werde nichts ohne Beweise behaupten. Die Archive sind meine Gewähr. Die Berichte meiner Minister, die Briefe von Königen, Herrschern und die einiger großer Männer an mich sind meine Beweise. Hin und wieder stütze ich mich auf das einstimmige Zeugnis verschiedener zuverlässiger Leute; anders läßt die Wahrheit sich nicht ermitteln. Die Darstellung meiner Feldzüge wird nur eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse sein; aber ich werde den unsterblichen Ruhm, den viele Offiziere sich erworben haben, nicht verschweigen: ihnen widme ich diesen schwachen Versuch als ein Denkmal meiner Dankbarkeit. Die gleiche Kürze nehme ich mir für das politische Gebiet vor; doch werde ich die Züge, die den Geist des Zeitalters und der verschiedenen Völker kennzeichnen, sorgfältig wahren. Ich werde Gegenwart und Vergangenheit miteinander vergleichen, denn nur durch Vergleichung bildet sich das Urteil. Ich werde mir herausnehmen, Europa unter allgemeinen Gesichtspunkten zu betrachten und alle seine Staaten und Mächte am geistigen Auge vorüberziehen zu lassen. Hin und wieder werde ich auch auf kleine Einzelheiten eingehen, aus denen die größten Dinge entstanden sind.

Da ich nur für die Nachwelt schreibe, so werde ich mich durch keine Rücksicht auf das Publikum, durch keine Schonung behindern lassen. Ich werde ganz laut aussprechen, was viele nur im stillen denken, werde die Fürsten so schildern, wie sie sind, ohne Vorurteile gegen meine Feinde und ohne Parteilichkeit für meine Verbündeten. Von mir werde ich nur da reden, wo es unvermeidlich ist. Nicht jeder Hochstehende verdient die Beachtung künftiger Zeiten. Solange ein König lebt, ist er der Abgott seines Hofes; die Großen beweihräuchern ihn, die Dichter besingen ihn; das Publikum fürchtet ihn oder liebt ihn nur mäßig. Ist er tot, so kommt die Wahrheit zutage, und oft rächt sich die Scheelsucht dann allzu streng an den seichten Schmeicheleien, mit denen man ihn bei Lebzeiten umgab.

<273>

Der Nachwelt steht das Urteil über uns alle nach unserm Tode zu; während unseres Lebens müssen wir uns selbst beurteilen. Sind unsre Absichten lauter, lieben wir die Tugend, trägt unser Herz nicht die Mitschuld an den Irrtümern unseres Geistes und sind wir überzeugt, daß wir unserm Volke all das Gute getan haben, das wir ihm tun konnten, so muß uns das genügen.

Man wird in diesem Werke von geschlossenen und wieder gebrochenen Bündnissen hören. Dazu muß ich bemerken, daß wir von unsern Mitteln und Fähigkeiten abhängen: wenn unsre Interessen wechseln, so müssen wir uns mit ihnen ändern. Unser Amt ist es, für die Wohlfahrt der Völker zu sorgen. Finden wir, daß in einem Bündnis Gefahr oder Unsicherheit für sie liegt, so müssen wir es brechen, um sie zu schützen; da opfert der Herrscher sich selbst zum Wohle seiner Untertanen. Die Annalen der Weltgeschichte liefern zahllose Beispiele dafür, und man kann in der Tat nicht anders handeln. Die Leute, die dieses Verhalten so heftig verurteilen, sehen in dem gegebenen Wort etwas Heiliges. Sie haben recht, und als Privatmann denke ich wie sie. Denn ein Mensch, der einem andern sein Wort verpfändet, muß es halten, selbst wenn er unbesonnen ein Versprechen geleistet hat, dessen Erfüllung ihm Schaden bringen muß; denn die Ehre geht über den Vorteil. Ein Fürst aber, der sich verpflichtet, tut das nicht für sich selbst; sonst wäre er ja in der Lage des Privatmanns. Er setzt große Staaten und weite Provinzen tausendfachem Unglück aus; es ist also besser, der Herrscher bricht seinen Vertrag, als daß das Volk zugrunde geht. Was würde man von einem Chirurgen sagen, der einen brandigen Arm aus dem lächerlichen Bedenken nicht amputieren wollte, weil das Abschneiden eines Armes eine unrechte Handlung ist? Sieht man denn nicht ein, daß es viel schlimmer ist, einen Menschen umkommen zu lassen, wenn er noch zu retten wäre? Ich wage zu behaupten: es sind die Umstände einer Handlung, alles, was sie begleitet und was aus ihr folgt, wonach man sie als gut oder schlecht beurteilen soll. Aber wie wenige urteilen so aus der Kenntnis der Ursachen! Die Menschheit ist eine Herde. Sie folgt blindlings ihrem Führer, und wenn ein geistreicher Mann ein Wort sagt, so sprechen es tausend Toren ihm nach.

Ich kann es mir nicht versagen, hier noch einige allgemeine Gedanken über die großen Ereignisse anzufügen, die ich beschreibe. Ich finde, in den mächtigsten Staaten herrscht mehr Unordnung als in den kleinen; trotzdem erhält sich die Maschine durch ihre Größe in Gang, und man wird der inneren Mißstände nicht gewahr. Ich mache die Beobachtung, daß die Fürsten, die ihre Waffen zu weit über ihre Grenzen hinaustragen, stets Unglück haben; denn sie können diese weit vorgeschobenen Truppen nicht ergänzen, noch ihnen zu Hilfe kommen. Ich mache die Beobachtung, daß alle Nationen tapferer sind, wenn sie für den heimischen Herd fechten, als wenn sie ihre Nachbarn angreifen. Sollte das nicht an einem uns zur Natur gewordenen Grundsatz liegen, nach dem es gerecht ist, sich zu verteidigen, nicht aber seinen Nachbarn anzufallen? Ich sehe, daß die französische und spanische Flotte der englischen nicht widerstehen können, und ich

II 18<274> wundere mich, daß die spanische Seemacht zur Zeit Philipps II. der englischen und holländischen ganz allein überlegen war. Ich bemerke mit Verwunderung, daß alle diese Rüstungen zur See keine andere Wirkung haben, als daß sie den Handel, den sie schützen sollen, vernichten. Auf der einen Seite steht der König von Spanien, Herr von Peru, aber in Europa verschuldet an alle Beamten der Krone, ja an die Hofbediensteten und die Arbeiter von Madrid; auf der andern die englische Nation, die mit vollen Händen die Guineen vergeudet, die sie durch dreißigjährigen Gewerbfleiß verdient hat. Ich sehe, wie die Pragmatische Sanktion halb Europa die Köpfe verdreht, wie die Königin von Ungarn ihre Provinzen zerstückelt, um deren Unteilbarkeit zu sichern. Der Krieg, der in Schlesien ausbricht, wird zum Weltbrand, und seine Schrecklichkeit wächst in dem Maße, wie er um sich greift. Die Hauptstadt der Welt steht dem ersten besten offen; der Papst segnet die, welche ihm Kriegssteuern aufbürden; er wagt seinen Bannstrahl nicht gegen sie zu schleudern, und Italien wird unterjocht und geht verloren. Das Glück ist launisch; keine Macht erfreut sich dauernden Wohlergehens; rasch kommen die Rückschläge nach den Erfolgen. Wie ein wütender Bergstrom reißt England die Holländer in seinem Laufe mit, und diese besonnenen Republikaner, die ihre Deputierten zur Führung der Heere entsandten, als die größten Männer Europas, ein Prinz Eugen, ein Marlborough, an deren Spitze standen, schicken jetzt niemanden hin, wo der Herzog von Cumberland und der Fürst von Waldeck mit der Heerführung betraut werden274-1. Auch der Norden fängt Feuer, und es entbrennt ein für Schweden verhängnisvoller Krieg; Dänemark regt sich, murrt und beruhigt sich wieder; nur Polen bleibt unberührt, weil es in seiner Ohnmacht keine Eifersucht erweckt. Sachsen wechselt zweimal die Partei274-2; beide Male wird sein Ehrgeiz enttäuscht: zuerst geht es leer aus; dann wird es zu Boden geschmettert. Das verhängnisvollste jedoch ist das furchtbare Blutvergießen: Europa gleicht einem Schlachthause; überall sieht man blutige Schlachten, als hätten die Fürsten beschlossen, die Welt zu entvölkern. Die Verwickung der Ereignisse hat die Gründe zum Kriege verändert: die Wirkungen dauern fort, obgleich die eigentlichen Ursachen verschwunden sind. Ich glaube einen Haufen Spieler zu sehen, die in ihrer Leidenschaft die Partie erst dann aufgeben, wenn sie alles verloren oder ihre Gegner zugrunde gerichtet haben. Fragte man einen englischen Minister: „Warum führt ihr den Krieg weiter?“ so würde er antworten: „Weil Frankreich die Kosten für den nächsten Feldzug nicht mehr aufbringen kann.“ Stellte man die gleiche Frage einem Franzosen, so lautete die Antwort ganz ähnlich. Behielte auch eine von beiden Parteien recht, so muß man sich doch fragen, ob die Eroberung von zwei, drei Grenzplätzen und einem kleinen Landstrich, ob eine geringe Grenzerweiterung noch als Erfolg angesehen werden kann, wenn man die ungeheuren Kosten dagegenhält, die der Krieg verschlungen hat, die<275> Steuerlast der Völker, durch welche die gewaltigen Summen aufgebracht werden mußten, und vor allem das Blut so vieler Tausende, mit dem diese Eroberungen erkauft sind? Wen rührte nicht das Schicksal so vieler Unglücklicher, welche die Opfer dieses verhängnisvollen Zwistes sind? Geht einem aber schon das Unglück eines Privatmanns zu Herzen und hegt man schon Mitleid mit einer ganzen Familie, die ein Schicksalsschlag ins Elend stürzt, wieviel größer muß dann die Teilnahme sein, wenn man die Katastrophen der blühendsten Reiche und der mächtigsten Monarchien Europas sieht? Ja, das ist die schönste Lehre der Mäßigung, die man jemandem geben kann. Durch Betrachtung der Klippen, der Schiffbrüche und der Trümmer auf dem Wege des Ehrgeizes öffnet man das Ohr der Stimme der Erfahrung, die uns zuruft: „Könige, Fürsten, künftige Herrscher! Möge die Sage von Ikarus, die uns die Bestrafung des Ehrgeizes vor Augen führt, euch immerdar von dieser unersättlichen, wilden Leidenschaft abhalten!“

Mehr noch: wenn der große Ludwig XIV. wundersame Schicksalsschläge erfuhr, wenn Karl XII. beinahe seine Staaten einbüßte, wenn König August in Polen entthront und sein Sohn in Sachsen abgesetzt ward275-1, wenn der Kaiser275-2 aus seinen Erblanden vertrieben ward, welcher Sterbliche dürfte sich dann gleichen Schicksalen überlegen fühlen und sein Glück aufs Spiel setzen gegen die Ungewißheit aller Ereignisse, die Dunkelheit der Zukunft und gegen jene unberechenbaren Zufälle, welche die Weisheit der tiefsten und geistvollsten Pläne in einem Augenblicke vernichten? Die Geschichte der Begehrlichkeit ist die Schule der Tugend: der Ehrgeiz erzeugt Tyrannen, die Mäßigung Weise!

<276>

Erläuterung zur nebenstehenden Tafel

Eröffnung des Ballfestes, das die europäischen Mächte im großen Saale Deutschland abgehalten haben (1742)

Dieser außerordentliche Ball war vom Oberzeremonienmeister Lord Fleury (1) so hübsch erdacht und angelegt, daß die hohen Herrschaften der Einladung des Zeremonienmeisters Belle-Isle (2) anstandslos entsprachen.

Der Kurfürst von Bayern, als zu erwählender Kaiser, gab den Ball und bezahlte füglich die Musik. Die katholischen Kurfürsten von Mainz (3), Trier (4) und Köln (5) dirigierten die Musik; und obwohl die beiden ersteren wegen ihres hohen Alters schwerhörig waren, so schwang der letzte den Taktstock doch so trefflich, daß man keine falschen Töne merkte, trotzdem mehrere schlechte Instrumente da waren, weil jeder der kleinen Fürsten und Staaten (6), welche die Musikanten abgaben, das in seinem Lande übliche Instrument spielte, mit dem er sich auszuzeichnen hoffte.

Wiewohl jeder wußte, daß die Königin von Ungarn (7) Ballkönigin war, wußten doch manche nicht, wer ihr Partner sein würde, bis Seine Majestät von Preußen (8) als Erster erschien, ihr die Hand reichte und den Ball eröffnete. Als sie sich ein wenig ausruhen wollten, bot der König von Schweden (9) einer russischen Dame die Hand; doch anstatt einer sah man zwei erscheinen, und jede beanspruchte den Tanz. Aber die eine (Elisabeth) (10) machte die andre (Anna) (11) so verwirrt, daß diese es für angezeigt hielt, den Ball zu verlassen.

Hiernach tanzten die Könige von Frankreich (12) und von Polen (13), die Kurfürsten von Bayern und der Pfalz (14) ihrem Range nach mit der Königin von Ungarn. Aber sie tanzten nicht so flott wie der König von Preußen und ermüdeten rascher, besonders der Kurfürst von Bayern (15), dem der Schweiß ausbrach. Man will wissen, daß die Königin von Ungarn englisches Goldpulver einnimmt, das sie derart kräftigt, daß sie die anderen halbtot tanzen kann, zumal sie sich anfangs schont und nicht so stark hüpft wie ihre Tänzer.

Die Könige von England (16) und von Spanien (17) belustigten sich derweil mit englischen Tänzen; aber da diese ihm zu lange dauerten, so wünschte der (altersschwache) König von Spanien, daß man aufhören sollte. Um so mehr bemühte sich seine Gemahlin276-1 (18), sich im Tanzen hervorzutun, und da ihr niemand rasch genug die Hand bot, so tanzte sie solo die „Folie d'Espagne“. Wie man glaubt, wird der König von Sardinien, ihr Landsmann, auch mit ihr allein eine Sarabande tanzen.

Ihre Söhne (19), von denen der eine, der König beider Sizilien276-2, auf Kosten des verstorbenen Kaisers tanzen gelernt hat, während Don Philipp es auf Kosten der Königin von Ungarn erlernen soll, bleiben Zuschauer und tanzen (wenn sie nicht genötigt werden) nur ein Menuett zu vieren mit ihrer Frau Mutter und ihrem Herrn Oheim276-3. Der Großherzog von Toskana konnte nicht tanzen, weil die neuen Schuhe, die er kurz vor Beginn des Balles aus Frankreich bekommen hatte, ihn drückten und er sich vor Hühneraugen fürchtete; inzwischen hält er seiner Gemahlin, wenn sie tanzt, das Gleichgewicht.

Die Könige von Dänemark (20) und Portugal (21) müssen wohl keine Freunde der Tanzkunst sein und werden sich anscheinend nur als Zuschauer beteiligen, ebenso einige andre Herrschaften, welche die gleiche Absicht hegen, falls man sie nicht außerordentlich bittet ober ein feierlicher Fackeltanz befohlen <277>wird; dann werden sie mittanzen. König Stanislaus (22), der nur Polonaisen kann, hält sich abseits und wird keine Sprünge mehr machen, wofern man ihn nicht dazu zwingt. Der extravagante König Theodor von Korsika (23) erschien als Harlekin und machte solche Fratzen und Luftsprünge, daß mehrere der Herrschaften sich vor Lachen ausschütteten; so belustigten sie sich darüber. Plötzlich verschwand er; man glaubt aber, ihn bald mit einer andern Maske auf dem Balle wiederzusehen.

Der Papst (24), der Tanz, Spiel und andere Eitelkeiten für Sünde hält, predigt gewaltig dagegen, aber niemand hört ihm zu, und als man ihm zuflüsterte, am Schlusse des Balles würde der König von Preußen mit der Königin von Ungarn vielleicht die Restitution277-1 tanzen, was viel Staub aufwirbeln dürfte, schlug er ein Kreuz. Der Türkenkaiser (25) hätte gern an dem Balle teilgenommen, hätte er nicht noch einen großen Tanz mit dem Luftspringer Chouli-Kan (26) zu bestehen gehabt, wozu er alle seine Kräfte braucht. Sonst hätte er wahrscheinlich der Königin von Ungarn und der Regentin von Rußland eine orientalische Verbeugung gemacht.

Im Nebensaal halten die Venezianer (27) die Bank, an der, wie man glaubt, der König von Sardinien beteiligt ist; und obgleich der Herzog von Modena (28) als Croupier fungierte, so merkte man doch an der Anordnung des Spieles, daß die Bank weder verlor noch gewann. Unter den Personen, die setzten, verlor der König von Frankreich beträchtlich; man sah seine Louisdors den andern Spielern zurollen, zu denen sich einige englische, schwedische, holländische und polnische Minister gesellt hatten; die schwedischen hatten erkleckliche Summen vor sich liegen. Trotzdem hofft der König von Frankreich, ohne Einbuße aus dem Spiele davonzukommen oder seine Verluste bei einem neuen Balle einzubringen, der diesem folgen soll und der weit prächtiger ausfallen wird. Zu diesem Zweck wird er selbst die Bank halten, oder der Oberzeremonienmeister Fleury (ein halber Geschäftsmann und schlau bis in die Fingerspitzen) wird die Karten auflegen. Man zweifelt daher nicht, daß er sie so gut mischen wird, daß sein König das Verlorene mit Wucherzins zurückgewinnt.

Man weiß noch nicht, wer das nächste Mal Ballkönig sein und die Musik bezahlen wird.

Wie es heißt, nimmt der Herzog von Holstein (29) gegenwärtig in Petersburg Tanzstunden, um beim nächsten Balle mitmachen zu können. Die russischen Tanzlehrer haben freilich bisher keine regelrechten Tanzstunden gegeben; das hat die Regentin Anna erfahren, die nur in Rußland tanzen gelernt und sich durch einen Fehltritt arg verletzt hat. Deshalb soll ihr kleiner Sohn Iwan bis zu seiner Großjährigkeit in Deutschland tanzen lernen.


VI-1 Vgl. Bd. I.

VII-1 Vgl. z. B. S. 71 Anm. 1, 108 Anm. 1, 187 Anm. 1.

VII-2 Vgl. Antimachiavell, Kapitel 18 (Bd. VII).

VIII-1 Vgl. das „Politische Testament“ von 1752 und den „Abriß der preußischen Regierung und der Grundsätze, aus denen sie beruht, nebst einigen politischen Betrachtungen“ von 1776 (Bd. VII).

1-1 Anspielung auf den Benediktinerpater Mabillon († 1707) und die von ihm veröffentlichten Urkundensammlungen.

1-2 Der König hat das Ende der römischen Republik im Auge.

3-1 Der Große Kurfürst hatte in dem Klevischen Erbvergleich von 1666 den Ansprüchen auf Jülich und Berg entsagt. Nach preußischer Auffassung lebten diese mit dem Aussterben der Neuburgischen Linie wieder auf, während nach pfälzischer Ansicht für die beiden Herzogtümer die weibliche Deszendenz galt. Sie fielen nach dem Tode des letzten männlichen Sprossen des Hauses Neuburg, Karl Philipp († 1742), an den Erben der Kurlande, Karl Theodor von Pfalz-Sulzbach.

4-1 Georg II. Die Streitigkeiten betrafen vor allem Werbeangelegenheiten.

4-2 Gemeint ist der Polnische Erbfolgekrieg (1733—1735), der nach dem Tode König Augusts II. ausbrach und definitiv durch den Frieden von Wien (1738) und die Erhebung Augusts III. auf den polnischen Thron beendet wurde.

4-3 Graf Seckendorff, bis 1734 Gesandter in Berlin, wurde 1737 vielmehr wegen seiner unglücklichen Kriegführung gegen die Türken verhaftet. In dem sogenannten Ewigen Bündnis von Berlin (1728) hatte Friedrich Wilhelm I. seinen Rechten auf Jülich entsagt, der Kaiser ihm dagegen die Erbfolge in Berg garantiert. Bereits 1732 schränkte der Wiener Hof seine Zusage ein und suchte 1738 die Streitfrage der Entscheidung der Großmächte zu unterwerfen.

5-1 1739, Friede von Belgrad.

5-2 1738 im Wiener Frieden.

5-3 Herzog Franz Stephan, der Gemahl Maria Theresias, wurde durch Toskana entschädigt.

5-4 Im Frieden von Wien (1738) garantierte Frankreich die Pragmatische Sanktion vom 12. April 1713, welche die weibliche Erbfolge und die Unteilbarkeit der österreichisch-ungarischen Monarchie bestimmte.

5-5 Iwan (VI.), Sohn des Prinzen Anton Ulrich von Braunschweig und seiner Gemahlin Anna, geb. Prinzessin von Mecklenburg, wurde am 23. August 1740 geboren, von seiner Großtante, der Kaiserin Anna Iwanowna († 28. Oktober 1740), zu ihrem Nachfolger ernannt, aber am 6. Dezember 1741 von Elisabeth, der jüngsten Tochter Peters des Großen, entthront. Er starb 1764.

5-6 Ernst Johann Biron, Herzog von Kurland, führte für den unmündigen Iwan die Regentschaft, wurde aber bereits am 20. November 1740 von der Prinzessin Anna mit Hilfe des Feldmarschalls Grafen Münnich gestürzt.

5-7 Auch Sachsen machte Erbansprüche geltend.

6-1 Hans Karl von Winterfeldt, der als Generalleutnant 1757 in Böhmen fiel.

6-2 Graf Moritz Karl Lynar, kursächsischer Gesandter in Petersburg.

6-3 10. April 1741

7-1 Karl Albert, am 24. Januar 1742 als Karl VII. zum römischen Kaiser gewählt; † 20. Januar 1745.

7-2 Die Allianz wurde erst am 4. Juni 1741 gezeichnet.

7-3 Feldmarschall Graf Münnich wurde März 1741 entlassen; Graf Heinrich Johann Friedrich Ostermann, russischer Großadmiral; Marchese Botta, der österreichische Gesandte in Petersburg.

7-4 Die Witwe Kaiser Karls VI., Kaiserin Elisabeth († 1750), und ihre Mutter Christine Luise, Witwe des 1735 gestorbenen Herzogs Ludwig Rudolf von Braunschweig-Wolfenbüttel, geb. Prinzessin von Öttingen († 1747).

7-5 Der englische Gesandte in Petersburg.

11-1 König Antiochus III. von Syrien; König Perseus von Mazedonien.

11-2 Aulus Hirtius, der unter Cäsar in Gallien gefochten hatte, setzte dessen Kommentarien fort.

12-1 Anna Comnena, die Tochter des oströmischen Kaisers Alexios I. (1081—1118), beschrieb in der „Alexias“ das Leben ihres Vaters.

12-2 Gregor von Tours, Verfasser einer Kirchengeschichte Frankreichs (539—593); Jean de Joinville, Geschichtsschreiber Ludwigs IX. († 1318); Pierre de l'Estoile († 1611).

12-3 Jacques Auguste de Thou († 1617), französischer Staatsmann und Geschichtsschreiber.

12-4 Philippe de la Clite de Comines, französischer Staatsmann und Geschichtsschreiber († 1509).

12-5 Anna Maria Luise von Orleans, gewöhnlich Mademoiselle von Orleans genannt, Herzogin von Montpensier († 1693).

12-6 Jean Gondi, Kardinal von Netz, das Haupt der Fronde († 1679).

12-7 Graf Godefroi d'Estrades, französischer Staatsmann und Feldherr († 1686).

12-8 Jean Baptiste Colbert, Marquis be Torcy, französischer Staatsmann († 1746).

14-1 24. April 1547.

14-2 Im Vertrag von Dover (1670) hatte sich Karl II. mit Ludwig XIV. verbündet; im Vertrag von Wien (1689) schloß sein Nachfolger, Wilhelm III., sich den Gegnern Frankreichs an.

17-1 1525. Gemeint sind „Die Lebensbeschreibungen französischer und fremder berühmter Männer und großer Feldherren“ von Pierre de Bourdeilles, Seigneur de Brantôme († 1614).

17-2 Friedrich V. ließ sich 1620 zum König von Böhmen krönen; sein Unternehmen scheiterte durch die Niederlage in der Schlacht am Weißen Berge.

17-3 Kurfürst Maximilian II. Emanuel der im Spanischen Erbfolgekrieg an Frankreichs Seite focht.

18-1 Genauer 81 034 Mann.

18-2 Die Spanier wurden 1738 beschuldigt, einem englischen Matrosen wegen Schmuggels die Ohren abgeschnitten zu haben; der Krieg brach 1739 aus.

19-1 Der Friede zu Wien beendete definitiv den Polnischen Erbfolgekrieg (1733—1735).

19-2 Vgl. S. 5.

19-3 Vgl. S. 5.

19-4 Prinz Eugen, 1663 geboren, trat 19 jährig in österreichischen Dienst und starb 1736.

20-1 Graf Philipp Ludwig Sinzendorff, Oberster Hofkanzler.

20-2 1724 zur Regelung der Besitzververhältnisse in Italien.

21-1 Graf Gundacker Thomas Starhemberg, Konferenzminister.

21-2 Kaiserin Anna Iwanowna (1730—1740).

21-3 Zum ersten Male König von Polen 1704—1709, zum zweiten Male 1733—1738.

22-1 Elisabeth, Gemahlin Karls VI.

22-2 1736—1739, beendet durch den Frieden zu Belgrad.

23-1 Nach dem Tode Ludwigs XIV. (1715) führte an Stelle seines minorennen Urenkels und Nachfolgers der Herzog Philipp von Orleans die Regentschaft. Ludwig XV. (geb. 1710) übernahm 1726 nominell die Regierung, die in Wirklichkeit Kardinal Fleury leitete.

24-1 Der Schotte John Law hatte 1716 eine Notenbank errichtet, deren Bankrott 1720 zu einer allgemeinen Katastrophe führte.

24-2 Während des Polnischen Erbfolgekrieges; er starb 1734.

24-3 Graf Moritz von Sachsen, Marschall von Frankreich (1696—1750).

24-4 Vgl. S. 6. 7.

25-1 Am 15. Januar 1724 hatte Philipp V. abgedankt, sein Sohn Ludwig starb am 31. August desselben Jahres an den Kinderblattern. und Philipp übernahm am 6. September die Regierung wieder

26-1 Alberoni plante, mit Hilfe des spanischen Botschafters in Paris, Fürst Cellamare, nach Gefangennahme des Regenten, Herzog Philipp von Orleans, König Philipp V. zum Vormund Ludwigs XV. zu proklamieren. Am 5. Dezember 1719 erfolgte sein Sturz.

26-2 Er wurde 1726 entlassen.

26-3 Der Infant Don Carlos, Sohn König Philipps V. aus seiner Ehe mit Elisabeth Farnese, war 1718 zum Nachfolger des letzten Herzogs von Toskana bestimmt. Er wurde 1734 König beider Sizilien, mußte indessen 1735 Toskana an Herzog Franz Stephan von Lothringen abtreten (vgl. S. 5) und bestieg 1759 als Karl III. den spanischen Thron.

27-1 Elisabeth Farnese.

27-2 König Johann V. (1689—1750).

28-1 Baron Georg Lyttelton, englischer Staatsmann († 1773).

28-2 Lord John Hervey of Ikworth, englischer Staatsmann und Schriftsteller († 1743).

30-1 Wilhelm IV., seit 1747 Erbstatthalter.

30-2 1730—1746.

31-1 Prinz Friedrich Ernst, der jüngere Bruder der Königin Sophie Magdalene.

31-2 1720—1751.

31-3 9. September 1706.

31-4 Landgraf Karl († 1730).

31-5 Minister des Auswärtigen.

32-1 Marquis Monti, französischer Gesandter in Polen, war 1734 bei der Einnahme Danzigs von
den Russen gefangen genommen worden.

32-2 13. März 1719.

32-3 Pharasmanes, König von Iberien,
in Crébillons des Jüngeren Trauerspiel „Rhadamiste et Zénobie“.

33-1 Iwan III. (1462—1505).

34-1 Vgl. S. 5.

34-2 Vgl. S. 7.

34-3 Philipp Verheyen, belgischer Anatom († 1710).

35-1 So hatte der König auch bei der Neubegründung der Berliner Akademie (1744) die Hebung der geistigen Kultur Preußens im Auge.

37-1 Maria Josepha.

37-2 Maria Amalia, Gemahlin des Kurfürsten Karl Albert.

37-3 Graf Alexander Joseph Sulkowski, kursächsischer Kabinettsminister und General; 1738 gestürzt.

37-4 Maria Theresia, die Tochter Kaiser Karls VI.

38-1 Karl Albert (1726—1745), Sohn von Maximilian Emanuel (1679—1726).

38-2 Während des Türkenkrieges von 1736—1739.

38-3 Klemens August.

38-4 Philipp Karl, Graf von Eltz.

38-5 Franz Georg, Graf von Schönborn.

39-1 Karl Philipp.

39-2 Karl Leopold.

39-3 1438—1740.

40-1 Karl Emanuel III. (1701—1773).

41-1 Viktor Amadeus II. (1666—1732).

41-2 Gemeint ist der Wiener Friede von 1738.

41-3 Im November 1704 führte Graf Mathias Johann von der Schulenburg die sächsischen Truppen aus Polen durch Schlesien glücklich nach Sachsen zurück, verlor 1706 die Schlacht bei Fraustadt, er trat 1715 in venezianische Dienste und erwarb sich 1716 besonderen Ruhm durch die Verteidigung von Korfu gegen die Türken.

41-4 Vgl. S. 26.

41-5 In den Jahren 1501—1503.

42-1 Am 25. Mai 1734.

42-2 Maria Amalia.

42-3 Elisabeth Farnese, die Mutter des Infanten Don Carlos.

42-4 Franz III.

42-5 Gestorben 6. Februar 1740.

43-1 1730. Er trat zum Islam über und hieß seitdem Achmed Pascha.

44-1 Anmerkung des Königs: Maupertuis (1736), La Condamine (1735).

47-1 Marcus Porcius Cato Priscus, der Sieger über Spanien (195), und Lucius Ämilius Paullus Macedonicus, der Sieger von Pydna (168).

50-1 Erweiterungen im Laufgraben.

50-2 Das erste Freibataillon wurde im Herbst 1756 errichtet.

50-3 Friedrich Wilhelm l. befahl 1721 zuerst die Aufstellung einer Husarenschwadron.

51-1 Ilias, 13. Gesang, Vers 20.

52-1 Im Frieden von Utrecht 1713 trat Spanien Gibraltar und Minorka an England ab.

52-2 Im Frieden von Utrecht 1713 den Königstitel und 1720 Sardinien.

52-3 Vgl. S. 26.

52-4 Karl II.,
König von Spanien († 1700).

53-1 Vgl. S. 29. 30.

54-1 In der Fassung von 1746 sagt der König noch deutlicher: „Die Fürsten, welche die Leidenschaft der Vergrößerung beseelt, werden sich, wenn die Gelegenheit kommt, auf Frankreichs Seite stellen; die aber, die den Reichtum dem Ruhme vorziehen, werden sich England anschließen.“

54-2 Vgl. S. 4.

54-3 Vgl. S. 3.

57-1 Vgl. S. 4. Seckendorff erhielt durch Maria Theresia seine Freiheit am 6. November 1740 wieder.

57-2 Nach dem Abkommen vom 5. April 1739 sollte Preußen einen Teil des Herzogtums Berg, aber ohne die Hauptstadt Düsseldorf, erhalten.

57-3 Vgl. S. 4.

58-1 Georg Ludwig von Berghes, Bischof von Lüttich, beanspruchte die Lehnshoheit über die Grafschaft Herstall, die zur oranischen Erbschaft gehörte und 1732 in preußischen Besitz gelangt war; er unterstützte den Widerstand der Einwohner gegen Preußen.

59-1 Vielmehr am 20. Oktober; am 26. erhielt der König die Nachricht.

60-1 Am 28. Oktober 1740.

60-2 Vgl. S. 5.

61-1 Am 6. Dezember 1740.

62-1 Anfang Dezember 1740.

62-2 Am 9. Dezember 1740.

63-1 Anna Luise Föhse, 1701 zur Reichsfürstin erhoben.

65-1 Leopold Maximillian.

65-2 Vielmehr Graf Posadowsky.

65-3 Namens Döblin.

65-4 3. Januar 1741.

66-1 8. Januar 1741.

67-1 Vgl. S. 6. 61.

67-2 Am 27. Dezember 1740. Botta reiste erst am 28. aus Berlin nach Petersburg ab.

68-1 Bei Brandenburg.

68-2 Issy, 25. Januar 1741.

68-3 Vgl. S. 6. 7.

69-1 Gemeint ist der im Februar 1741 geplante Vertrag zwischen der Königin von Ungarn, England, Rußland, den Generalstaaten und dem König von Polen; nach Artikel X dieses Vertrages sollte Preußen in der Tat unter die genannten Mächte aufgeteilt werden. Aber die Ratifikation stieß auf Schwierigkeiten.

70-1 Treffen bei Baumgarten am 27. Februar 1741; Freiherr Wylich von Diersfort war Kommandeur des Regiments Schulenburg.

71-1 Weit schärfer sagt der König in der Fassung von 1746: „Statt mir zu gehorchen, bat Schwerin um eine Verstärkung, mit der er seine Quartiere bis zum Frühjahr zu behaupten versprach.“

73-1 Vielmehr in Friedland. Am 7, marschierte der König nach Falkenberg und ging am 8. bei Michelau über die Neiße.

73-2 Markgraf Karl von Brandenburg-Schwedt.

76-1 Graf Adolf Friedrich von der Schulenburg. —-

76-2 Zu dieser Zeit verließ der König auf die Vorstellungen Schwerins und seiner Umgebung das Schlachtfeld. Er ritt über Löwen nach Oppeln, wo er nur durch die Schnelligkeit seines Pferdes der Gefangennahme entging, und von dort zurück nach Löwen; hier erreichte ihn 2 Uhr nachts die Siegesbotschaft.

77-1 Markgraf Friedrich von Brandenburg-Schwedt.

79-1 Vgl. S. 68.

79-2 Am 19. Dezember 1740.

80-1 Vgl. S. 7.

80-2 Christine Luise und Elisabeth (vgl. S. 7).

80-3 Am 8. Juni 1741 überreichte Ginkel die Note des Pensionärs van Heim.

80-4 Vertrag von Breslau vom 5. Juni 1741; die Unterzeichnung fand bereits am 4. statt.

83-1 Durch den Barrieretraktat vom November 1715 hatte Holland in den spanischen Niederlanden, dle 1714 im Frieden zu Rastatt und Baden in österreichischen Besitz übergegangen waren, das Besatzungsrecht für mehrere Festungen und die Verfügung über einige Plätze erhalten, durch die es sich die Sperrung der Schelde sicherte. Das Barriererecht bezweckte den Schutz Hollands gegen Frankreich.

84-1 Vertrag von Breslau vom 4. November 1741.

84-2 „Partagetraktat“ zu Frankfurt a. M., 19. September 1741.

84-3 In Niederösterreich.

84-4 Mit Frankreich.

86-1 Vgl. S. 3. 56.

87-1 Mit Rußland vom Februar 1741 (vgl. S. 69).

87-2 Am 3. September 1741.

89-1 Freiherr Georg Konrad von der Goltz.

89-2 Vgl. S. 22.

92-1 Ignaz von Koch, Privatsekretär Maria Theresias.

93-1 Witwe Kaiser Josephs I.; Ihre Tochter Maria Amalia war die Gemahlin des Kurfürsten Karl Albert.

93-2 Führer eines französischen Korps.

94-1 Der Sturm erfolgte in der Nacht vom 25. auf den 26. November 1741.

94-2 Franz Maria, Herzog von Broglie.

95-1 Elisabeth Farnese.

96-1 Karl IV., der die Goldene Bulle erließ.

96-2 In der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 1741.

96-3 Lestocq, Schwartz und Michael Woronzow.

97-1 Vgl. S. 68. 84. 87.

97-2 Alexej und Michael Bestushew.

98-1 Die Kaiserin-Witwe Elisabeth, die Mutter Maria Theresias, und die Herzogin von Braunschweig, Antoinette Amalie, die Mutter Anton Ulrichs und Elisabeth Christines, der Gemahlin König Friedrichs, waren Schwestern.

98-2 Am 18. November 1742 zum Thronfolger ernannt, trat er am 5. Januar 1762 nach dem Tode Elisabeths als Peter III. die Regierung an.

100-1 Der im folgenden mitgeteilte Wortlaut der Denkschrift enthält verschiedene Abweichungen; am Schluß fehlt die Aufforderung zu einem Bündnis mit Preußen.

103-1 Vgl. S. 37.

103-2 Am 31. August 1741 verbündete sich Sachsen mit Frankreich und am 19. September mit Bayern (vgl. S. 84).

103-3 Königin Maria Josepha war eine geborene Erzherzogin.

103-4 Vgl. S. 68. 69.

103-5 Der französische Gesandte in Dresden.

105-1 Die Stände des Herzogtums Kurland hatten 1725 den Grafen Moritz zum präsumptiven Thronerben gewählt; doch folgte statt seiner 1737 Ernst Johann Biron, der sich seit dem 20. November 1740 in russischer Gefangenschaft befand (vgl. S. 60).

105-2 Bei Schärding am 17. Januar 1742.

105-3 Johann Georg, Ritter von Sachsen.

106-1 Das Aufgebot der irregulären Truppen.

108-1 In der Fassung von 1746 spricht der König sogar von „unverzeihlicher Nachlässigkeit“, durch die Schwerin beinahe die Armee zugrunde gerichtet hätte.

109-1 Bei Napagedl, 5. März 1742.

109-2 Bei Fulnek, zwischen Prerau und Grätz, 18.-20. April 1742.

109-3 Zeltsch bei Wischau, 13. April 1742.

109-4 Christian Friedrich von Bredow.

115-1 Graf Friedrich Rudolf Rothenburg, preußischer Generalmajor.

116-1 Vielmehr das Regiment Starhemberg.

116-2 Ernst Ferdinand von Werdeck Hans von Wedell, August Friedrich von Bismarck, Freiherr Albrecht Herrmann von Maltzahn, Franz von Kortzfleisch, Hans Jakob von Pritz.

118-1 Anmerkung des Königs: „Bericht des Augenzeugen Wylich.“ (Dieser befand sich als preußischer militärischer Bevollmächtigter im französischen Hauptquartier.)

119-1 Anmerkung des Königs: „Siehe den Bericht Mardefelds.“

119-2 Benedikt XIV.

119-3 Der König irrt in diesem Punkte; denn du Fargis war allem Anschein nach eine mythische Persönlichkeit.

120-1 Am 11. Juni 1742.

121-1 In Berlin am 28. Juli 1742.

123-1 Die im folgenden mitgeteilte Fassung des Schreibens vom 18. Juni 1742 ist nicht genau, zum Teil gekürzt.

124-1 Der französische Generalleutnant Herzog Franz Harcourt befehligte das zum Schutz von Bayern bestimmte französische Hilfskorps.

124-2 Vgl. S. 79.

125-1 Das vom König dazu vermerkte Datum des 20. Juni 1742 beruht auf Irrtum.

126-1 Friedrich I. war als Landgraf von Hessen mit Kaiser Karl VII. verbündet; außerdem hatte er sich verpflichtet, den Engländern gegen Subsidien Truppen zu liefern.

126-2 Der Orden der Mathuriner hat die Pflicht, christliche Gefangene aus türkischer Sklaverei freizulaufen.

127-1 Der König irrt; Prinz Karl von Lothringen suchte sich in den Besitz von Braunau zu setzen.

128-1 Elisabeth.

128-2 Zu Helsingfors, 4. September 1742.

129-1 Friedrich (V.).

129-2 Christian IV.

129-3 Herzog Adolf Friedrich von Holstein-Gottorp, am 4. Juli 1743 gewählt; er bestieg 1751 den schwedischen Thron.

131-1 Flavius Vegetius, „De re militari“, I, 1.

132-1 Am 29. Januar 1743.

132-2 Vgl. S. 24.

133-1 Vgl. S. 24.

134-1 Marc Peter de Voyer de Paulmy, Graf d'Argenson.

134-2 Amelot wurde Staatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten.

134-3 In der Fassung von 1746 spricht der König geradezu von einer Entartung der monarchischen Regierung Frankreichs zu einer Republik.

135-1 Bei Guinegate schlugen die Engländer 1513 die Franzosen.

135-2 Bei Camposanto am 8. Februar 1743.

136-1 Der König von England war Kurfürst von Hannover.

137-1 Graf Alexej war Großkanzler, Graf Michael Oberhofmarschall.

137-2 Friede von Ǻbo, geschlossen am 17. August 1743.

137-3 Christian VI. (1730—1746); ihm folgte sein Sohn Friedrich V. (1746—1766).

138-1 Herzog Adolf Friedrich, vgl. S. 129.

139-1 Konvention von Niederschönfeld, 27. Juni 1743.

142-1 Wilhelm August, Herzog von Cumberland, Sohn Georgs II.

143-1 Karl Wilhelm Graf Finck von Finckenstein, der Sohn des Grafen Albrecht Konrad, des Erziehers König Friedrichs, bisher preußischer Gesandter in Kopenhagen, seit 1749 Kabinettsminister.

145-1 Unterintendant von Straßburg.

145-2 Am 22. Aprll 1743 war Graf Johann Friedrich Karl Ostein dem Grafen Philipp Karl von Eltz (vgl. S. 38) als Kurfürst und Erzbischof gefolgt.

145-3 Vom 1. Februar 1742.

147-1 Marquis de Senecterre.

147-2 Vgl. S. 96. 97.

148-1 Anfang August 1743.

148-2 Gräfin Anna Bestushew, Gemahlin des Oberhofmarschalls Grafen Michael und Mutter der Gräfin Jagushinski.

149-1 Vom 27. März 1743.

149-2 Voltaire kam am 30. August 1743 als Sendling Amelots mit diplomatischen Aufträgen in Berlin an; den großen Fragebogen, den jener ihm vorlegte, füllte König Friedrich mit scherzhaften Antworten in Versen und in Prosa aus.

149-3 Vgl. S. 130.

149-4 Vielmehr Wemding bei Ansbach. September 1743.

150-1 Seit dem 16. Dezember 1741 hatten die Söhne des 1737 gestorbenen Herzogs Karl Alexander und der Herzogin-Regentin Maria Auguste zur Vollendung ihrer Erziehung in Berlin geweilt; sie kehrten Anfang Februar 1744 nach Stuttgart zurück. Die Volljährigkeitserklärung für Herzog Karl Eugen (geboren am 11. Februar 1728) erfolgte durch kaiserliches Dekret vom 7. Januar 1744.

150-2 24. Januar 1744. Die Ernennung Maupertuis' zum Präsidenten der Akademie erfolgte am 1. Februar 1746.

153-1 Als der König dieses schrieb (1775), war er mit Rußland verbündet.

153-2 Prinzessin Sophie, Tochter des Fürsten Christian August und seiner Gemahlin Johanna Elisabeth; sie bestieg als Katharina II. 1762 nach der Abdankung ihres Gemahls, Peters III., den russischen Thron.

154-1 Die Mutter der Braut, Johanna Elisabeth, und der Vater des Bräutigams, Herzog Karl Friedrich von Holstein-Gottorp, waren Geschwisterkinder.

154-2 Die Regentin Anna starb 1746 in Cholmogory auf einer Dwinainsel unterhalb von Archangelsk. Ihr Gatte starb ebendort am 15. Mai 1775.

154-3 Für die Vermählung der Prinzessin Ulrike mit dem schwedischen Thronfolger Adolf Friedrich vgl. unten S. 163.

155-1 Ihr Vater war Gouverneur von Stettin.

155-2 Wilhelm VIII., bis zum Tode seines Bruders, König Friedrichs von Schweden, im Jahre 1751 Statthalter, dann regierender Landgraf.

155-3 Clemens August.

155-4 Karl Theodor.

155-5 Friedrich Karl, Graf von Schönborn.

155-6 Vgl. S. 103.

155-7 Durch den Wiener Vertrag vom 20. Dezember 1743 trat Sachsen dem am 13. September 1743 geschlossenen Wormser Vertrag zwischen Österreich, England und Sardinien (vgl. S. 145) bei.

156-1 1713 und 1714.

156-2 1718.

157-1 Im folgenden gibt der König in gekürzter Form den Inhalt der im Februar 1744 von ihm verfaßten Denkschrift wieder. Die beiden letzten Paragraphen sind um einige historische Beispiele und neue Mitteilungen erweitert.

158-1 Vgl. S. 136. 137.

158-2 Vgl. S. 147. 148.

159-1 Vgl. die launige Erzählung der Geschichte des Friedensschlusses im Antimachiavell, Kap. 25 (Bd.VII).

159-2 Vgl. S. 21.

160-1 Fürst von Siebenbürgen (1580—1629).

160-2 Herzog Karl, des Königs Schwager.

161-1 Graf Heinrich Bünau, Reichshofrat und Kaiserlicher Geheimer Rat; Theodor von Chavigny, französischer Gesandter am kaiserlichen Hofe.

161-2 Friedrich III.

162-1 Generalmajor Graf Friedrich Rudolf Rothenburg gehörte dem engeren Kreise des Königs an.

162-2 Die Versailler Allianz wurde am 5. Juni 1744 geschlossen.

165-1 Bei den Hyerischen Inseln, 22. Februar 1744.

165-2 Karl Eduards Vater, Jakob Eduard, erhob als Sohn des 1688 vertriebenen Königs Jakob II. Ansprüche auf die englische Krone.

167-1 Vgl. S. 145.

167-2 Karl Theodor von der Pfalz.

170-1 Graf Samuel Schmettau stand seit 1741 in preußischen Diensten.

170-2 In seinen Schreiben vom 12. und 29. Juli an Ludwig XV. und Noailles gibt der König den 13. August an; er brach von Potsdam am 14. auf.

172-1 Vgl. S. 61. 67. 78.

173-1 Am 22. Mai 1744. Der entscheidende Beweggrund, die Sicherung Schlesiens, ist im Manifeste nicht genannt.

173-2 Markgraf Karl von Brandenburg-Schwedt.

174-1 Vgl. S. 105.

180-1 Am 22. und 23. Oktober.

180-2 23. Oktober.

184-1 Georg von Wedell; er fiel 1745 bei Soor.

186-1 Major Daniel Gottlieb von Bülow.

187-1 Weit schärfer lautet das Urteil in den Denkwürdigkeiten von 1746, wo der König schreibt, Laune und Krankheit hätten den Feldmarschall zur vorzeitigen Heimkehr veranlaßt. Ähnlich sagt er dort über Schwerins Aufbruch von der Armee im Frühling 1742: „Er wurde krank, wie es seine Gewohnheit war, und reiste ab.“ Endlich ist auch in der Niederschrift von 1775 die Charakteristik fortgeblieben: „Schwerin ist voll Feuer, geeignet zu allen kurzen und raschen Unternehmungen, aber ohne Geduld zur Ausführung von Plänen, die Kaltblütigkeit und Nachdenken erfordern; für seine Person besitzt er heroischen Mut.“

189-1 Ilias, XIX. Gesang, Vers 160—170.

189-2 Vgl. S. 155.

191-1 Am 11. Dezember 1744.

191-2 Nach der Abreise des Königs hatte Fürst Leopold den Oberbefehl übernommen.

192-1 Andreas Eduard von Gaudy.

193-1 Der spätere König Friedrich Wilhelm II., Sohn des Prinzen August Wilhelm und der Prinzessin Luise Amalie, geb. Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel. Er wurde am 25. September 1744 geboren.

193-2 Karl VII. hatte ihn zum Reichsfürsten erhoben.

193-3 Am 20. Dezember 1744.
n 13

195-1 Maximilian Joseph, geb. 28. März 1727.

195-2 Renatus Ludwig de Boyer de Paulmy, Marquis d'Argenson, seit November 1744 französischer Minister des Auswärtigen. —-

195-3 Wiener Vertrag vom 20. Dezember 1743 (vgl. S. 155). Durch einen neuen Vertrag vom 13. Mai 1744 verpflichtete sich Sachsen für englische Subsidien zur Stellung von 20 000 Mann an Österreich.

196-1 Diese Angabe beruht auf Irrtum.

196-2 Die Vermählung der Prinzessin mit Kurfürst Maximilian Joseph kam erst 1747 zustande.

197-1 Abgeschlossen zu Leipzig am 18. Mal 1745. In der zu Warschau am 8. Januar 1745 gezeichneten Quadrupelallianz versprachen England und Holland den Österreichern und Sachsen neue Subsidien, und Österreich und Sachsen sagten sich gegenseitige Unterstützung zu.

199-1 Der Frankfurter Wahltag hatte 1741 den Ausschluß der böhmischen Wahlstimme beschlossen.

200-1 24. November 1744.

200-2 Johann Heinrich Andrié.

201-1 Vgl. S. 38.

210-1 8. April 1745.

210-2 12. April 1745. Die Einzelheiten der Darstellung sind ungenau.

211-1 Gefecht bei Mocker, 4. Mal 1745.

212-1 Es handelt sich um den berühmten Ritt am 19. und 20. Mai 1745, auf dem Zieten mit 550 Husaren 10 Meilen in 22 Stunden zurücklegte, zuletzt unter wiederholten Angriffen und im Galopp, als er sich vom Feinde entdeckt und verfolgt sah. „Well ich“, so berichtete er am 21. dem König, „diejenigen, so mir im Marsch aufhalten wolten, braff durch außfallung der Züge oder gantze Esquadrons mit dem Säbel in der Faust zurücktreiben ließe, so erreichte doch die Höhe nahe vor Jägerndorf, allwo dann der General Bronikowski mit seinem Regiment zu mir stieß.“ Bronikowski war Zieten entgegengeschickt worden. Auf die Rückseite des Berichtes schrieb der König eigenhändig: „ich währe Sehr Mit Seiner Klugen conduite So wohl als so viel ertzeigter Bravour zufriden“.

213-1 Gefecht bei Bratsch, 22. Mai 1745.

213-2 Generalmajor Reimar Julius von Schwerin.

217-1 Heute Siegeshöhe genannt; auf ihr steht der zum Andenken an die Schlacht errichtete Tempel.

217-2 Die Ritterberge südlich vom Dorfe Gräben bei Striegau.

217-3 Richtiger: der Breite Berg.

220-1 Die Brigade des Feldzeugmeisters Baron Thüngen, die durch den Geßlerschen Angriff vernichtet wurde, bestand außer den obengenannten Regimentern auch noch aus den Regimentern Maximilian von Hessen und Baden-Baden, die der König zu erwähnen vergessen hat.

220-2 Das Regiment Wurmbrand nahm an der Schlacht von Hohenfriedberg nicht teil.

220-3 Otto Martin von Schwerin, der Kommandeur en chef der Bayreuther Dragoner.

220-4 Generalleutnant Graf Friedrich Sebastian Wunibald Truchseß-Waldburg; Oberst Ewald Wedig von Massow; Oberst Kaspar Friedrich von Kahlbutz; Kapitän Friedrich Wilhelm Adolf von Düring.

222-1 Friedrich Gotthard von Bülow.

226-1 Am 26. August 1745 unterzeichneten Harrlngton und Andrié den zwischen Preußen und England geschlossenen Vertrag, der den Präliminarfrieden enthielt.

227-1 Vgl. dazu oben S. 208.

228-1 Johann Friedrich Karl, Graf Ostein.

228-2 Pollmann und Menßhagen.

229-1 Er gehörte zur Partei Karls VII. (vgl. S. 143. 155).

231-1 Bogislav Friedrich von Tauentzien.

231-2 Diese Episode, die sich während der Nacht vom 3. zum 4. September abspielte, bildet den Gegenstand des komischen Heldengedichts „Das Palladium“ (vgl. Bd. IX). Ausführlicher als oben schildert der König sie in den Denkwürdigkeiten von 1746: „Franquini unternahm einen verwegenen Streich. Wäre er gelungen, so hätte er sich einen Namen gemacht. Der französische Gesandte hatte sich in der Vorstadt Jaromircz einquartiert, die zum Kukuksbad gehört. Die Wache war wenige Schritte von seinem Hause. Franquini wollte ihn aufheben. Er stand in heimlichem Einverständnis mit den Bürgern der Stadt, insbesondere mit dem Wirt des Gesandten. Mit dessen Unterstützung ließ er ein Dutzend Soldaten durch eine Scheune, die aufs freie Feld führte, sich bei Nacht in das Haus schleichen. Sie stiegen geräuschlos die Treppe hinauf, fanden die Dienerschaft des Marquis im tiefsten Schlafe und fragten, wo ihr Herr wäre. Darget, der Sekretär, antwortete: „Ich bin es.“ Darauf wird er gepackt und abgeführt. Die Wache eilt herbei und feuert. Valory erwacht im Nebenzimmer. Er will um Hilfe rufen und Lärm schlagen. Sein Kammerdiener, der hier mehr Geistesgegenwart bewies als er selbst, hält ihn mit Gewalt zurück. Balory beginnt zu fluchen und zu schelten und überhäuft seinen Kammerdiener mit Schimpfworten: „Du Lump, laß mich los, damit ich den Schuften eins aufbrenne!“ Kurz, er wäre durch seine eigne Schuld in Feindeshand gefallen, hätten Franquinis Leute sich nicht eiligst aus dem Staube gemacht. Am nächsten Morgen war Valory noch immer außer sich und ganz erfüllt von dem nächtlichen Abenteuer. Seine Beredsamkeit erschöpfte sich in Flüchen: „Sackerment, hätt' ich doch die Lumpen beim Kragen gekriegt! Ha, verflucht! was mag aus dem armen Darget geworden sein? Potzblitz, den Hundsföttern von Panduren müßte man die Ohren abschneiden!“ Dargets Treue gegen seinen Herrn und die geschickte Art, in der er sich während seiner Gefangenschaft über alle Vorgänge im österreichischen Lager zu unterrichten wußte, bestimmten mich, ihn später in meine Dienste zu nehmen.“ — Darget wurde am 18. Januar 1746 zum Privatsekretär des Königs ernannt. 1753 kehrte er nach Frankreich zurück.

234-1 Paul Joseph von Malachowski.

234-2 Gefecht bei Trautenbach, 23. September 1745.

234-3 Friedrich von Möllendorff.

235-1 Die Graner Koppe, seit der Schlacht bei Soor auch der „Bataillenberg“ genannt.

236-1 Es handelt sich eigentlich um einen Rechtsabmarsch, durch den die preußische Front, die von den Österreichern überflügelt und in der rechten Flanke bedroht war, diesen gegenüber und parallel mit ihrer Schlachtlinie zu stehen kam.

238-1 Bruder der Königin Elisabeth Christine.

238-2 Alexander Ernst von Blanckensee.

238-3 Konrad Gottfried von Buntsch; Christoph Friedrich von Bredow; Dionysius Georg Joachim von Blanckenburg; Alexander Emil Burggraf zu Dohna; Clamor Hermann von Ledebur.

238-4 Georg von Wedell.

238-5 Wilhelm Dietrich von Buddenbrock; Freiherr Georg Konrad von der Goltz.

241-1 Eichel und Müller.

241-2 Karl Emanuel von Warnery, Verfasser des vielberufenen Werkes „Feldzüge Könlg Friedrichs ll. von Preußen von 1757— 1762“, an denen er äußerst scharfe Kritik übt.
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242-1 Franz Isaak Egmont von Chasot, Major bei den Bayreuther Dragonern, dessen Name in den Denkwürdigkeiten von 1746 bei der Schilderung der Ruhmestaten des Regiments genannt, dann aber 1775 fortgelassen ist.

243-1 20. Oktober 1745.

243-2 Heinrich August Baron de La Motte-Fouqué.

244-1 Karl Eduard Stuart (vgl. S. 165).

245-1 Der Staatsschatz enthielt am 28. Oktober 1745 nur 2 298 Taler; im Dezember, zur Nachtzeit, wurde der silberne Chor und alles Silbergerät des Weißen Saales aus dem Berliner Schlosse in die Münze geschafft.

245-2 Vgl. S. 197.

246-1 Das „Manifest Sr. Königl. Majestät in Preußen gegen den Chur-Sächsischen Hof“ war am 25. August 1745 in Berlin publiziert worden.

247-1 Graf Peter Tschernyschew.

249-1 Ein Wort Lafontaines (Buch III, Fabel 18).

252-1 Gefecht von Schwarzwaldau, 6. Dezember 1745.

253-1 Das Manifest vom August 1744 (vgl. S. 173) bezeichnete als Ziel der preußischen Schilderhebung, „dem Deutschen Reiche die Freiheit, dem Kaiser sein Ansehen und Europa die Ruhe wieder zu verschaffen“. Es schloß mit den Worten: „Der König fordert nichts, es handelt sich nicht um seine persönlichen Interessen.“ Das gegen Sachsen gerichtete Manifest vom August 1745 (vgl. S. 226. 246) schloß mit der Erklärung: „In dem der König von Preußen auf der einen Seite Festigkeit und Tatkraft beweist, ist er nicht minder bereit, bei allen Gelegenheiten Beweise seiner Seelengröße und Mäßigung zu geben.“

254-1 Kurprinz Friedrich Christian und Prinz Xaver.

254-2 Die Darstellung ist nicht genau. Am 1. Dezember 1745 hatte der König verlangt, Villlers solle im Namen Georgs ll. die Bürgschaft für die Erklärung des sächsischen Hofes, daß er dem Vertrage von Hannover beitreten wolle, übernehmen. In seiner obigen Antwort vom 4. erklärte der Gesandte, dazu nicht förmlich ermächtigt zu sein.

256-1 Chef eines Regiments Chevaulegers.

257-1 Vgl. S. 37.

260-1 Der jüngste Sohn des Fürsten von Anhalt.

264-1 Diese Oper ist ebenso wie die weiter unten genannte „La Clemenza di Tito“ von Hasse komponiert; der Text stammt von Metastasio.

264-2 Vgl. S. 37.

264-3 Auf andrer Umsturz baue der nicht seinen Thron, Der bloß in kecken Übermut all seine Tugend setzt.

266-1 Don Philipp war mit Prinzessin Luise Elisabeth, der Tochter Ludwigs XV., vermählt. Durch den Aachener Frieden (1748) wurde er Herzog von Parma, Placenza und Guastalla.

266-2 Am 25. Dezember 1745.

268-1 Damit wurde der letzte fremdherrliche Binnenzoll an den Ufern der Oder beseitigt.

271-1 Vgl. S. 12.

271-2 Paul de Rapin-Thoyras († 1725), französischer Geschichtsschreiber.

274-1 Während des Österreichischen Erbfolgekrieges.

274-2 Im Ersten Schlesischen Kriege verbündete sich Sachsen zunächst (Februar 1741) mit Österreich, trat dann (August 1741) auf Frankreichs Seite und schloß sich im Dezember 1743 abermals dem Wiener Hofe an.

275-1 August II. wurde 1704 in Polen entthront; die Angabe einer Absetzung Augusts III. in Sachsen beruht auf Irrtum.

275-2 Karl VII.

276-1 Elisabeth Farnese.

276-2 Don Carlos.

276-3 Karl Emanuel III. von Sardinien.

277-1 Anspielung auf Säkularisation der Kirchengüter.