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In Wien wünschte man den Bruch und trug sich mit der Hoffnung, in diesem Kriege nur als Hilfsmacht der Kaiserin von Rußland auftreten zu brauchen. Die Absichten der österreichischen Minister hätten leicht in Erfüllung gehen können. Von Demonstrationen zu Feindseligkeiten ist nur ein Schritt. Der Krieg wäre auch entbrannt, hätte der König nicht durch sein festes und maßvolles Benehmen sorgfältig jeden Anlaß zu Händeln mit dem russischen Hofe vermieden. Wie bei einem Brande, den man ersticken will, entfernte er vorsichtig allen Zündstoff.

So lagen die Dinge, als die Wirren in Amerika1 die Ruhe Europas zu stören drohten. Ein Weltkrieg war dem Wiener Hofe gerade recht. Die Großmächte mußten mit ihren eignen Interessen beschäftigt sein, damit er seine Pläne glücklich zum Ziel führen konnte.

In London war man von den Absichten des Wiener Hofes nicht unterrichtet. Der König von England, der mit Frankreich im Kriege lag, bat die Kaiserin-Königin um Hilfe. Das glaubte er von ihrem guten Willen und ihrer Dankbarkeit beanspruchen zu dürfen. Nachdem er seine Schätze und Truppen verschwendet, die Interessen seines Reiches geopfert, ja selbst seine geheiligte Person in Gefahr gebracht hatte2, um die Kaiserin in den Besitz ihres väterlichen Erbes zu setzen, meinte er, ihre Dankbarkeit würde den ihr geleisteten Diensten entsprechen. Wie groß war wohl seine Überraschung, als er erfuhr, daß die Kaiserin von Hilfe nichts wissen wollte, außer wenn England der Verschwörung beiträte, die sie gegen die Staaten und Besitzungen des Königs von Preußen angezettelt hatte. Der König von England dachte zu vornehm und zu hochherzig, um sich an Maßregeln zu beteiligen, die sein Rechtsgefühl verletzten. Er verwarf alle ihm gemachten Vorschläge. Dann wandte er sich an den König von Preußen, mit dem er durch die Bande des Blutes verknüpft war3, und beide Herrscher schlossen zur Beschwörung des Sturmes, der Deutschland bedrohte, den Neutralitätsvertrag zu London4.

Die Ruhe Deutschlands paßte ganz und garnicht zu den Plänen des Wiener Hofes. Er setzte alles in Bewegung, um die Maßregeln der beiden Fürsten zu vereiteln, denen die Ruhe ihres Vaterlandes am Herzen lag und die sich zu ihrer Aufrechterhaltung verbündet hatten. Sofort verdoppelte sich das Ränkespiel in Petersburg, und die österreichischen Minister vereinbarten dort einen Plan zur Aufteiling aller Besitzungen des Königs von Preußen.

Das genügte noch nicht. Es galt auch Frankreich aus dem Spiel auszuschalten, um in Deutschland völlig freie Hand zu haben. So kam der Vertrag von Versailles zustande.

Der König traut dem französischen Hofe beim Abschluß dieses Bündnisses keine agressiven Absichten zu. Seine Majestät läßt den lauteren Absichten des Allerchrist-


1 Vgl. S. 29 ff. 35.

2 In der Schlacht bei Dettingen am 27. Juni 1743 (vgl. Bd. II, S. 141 f.).

3 Georg II. war der Bruder von Sophie Dorothea, der Mutter König Friedrichs.

4 Die Westminsterkonvention vom 16. Januar 1756 (vgl. S. 33).